Aktuelle Urol 2003; 34(5): 279-282
DOI: 10.1055/s-2003-45442
Referiert und kommentiert

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Nierentransplantation - Wenig Gefäßkomplikationen nach Nieren-Lebendspende

Roland Fath1
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Roland Fath

Frankfurt

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Publication Date:
11 September 2003 (online)

 
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Zusammenfassung

Nach Nierentransplantationen mit Lebendspendern sind thrombotische und stenotische Komplikationen einer neuen Studie zufolge sehr selten. Risikofaktoren für diese Komplikationen konnten nicht identifiziert werden.

Bei der Untersuchung von Yasser Osman und seinen Kollegen wurden die Verläufe von insgesamt 1200 Lebendspender-Nierentransplantationen an der Mansoura Universität in Ägypten ausgewertet. Insgesamt kam es zu 34 vaskulären Komplikationen, ein Anteil von 2,8 %. Bei 23 Patienten (1,9 %) wurden hämorrhagische Komplikationen beobachtet, bei jeweils 5 Patienten (0,4 %) Nierenarterien-Stenosen und -Thrombosen sowie bei einem Patienten (0,1 %) eine Nierenvenenthrombose.

Für das Auftreten stenotischer und thrombotischer Komplikationen konnten keine Risikofaktoren identifiziert werden, berichten die Autoren (J Urol 2003; 3: 859-862). Zu hämorrhagischen Komplikationen kam es gehäuft, wenn bei der Transplantation mehrere Nierenarterien verknüpft wurden.

Die Komplikationen beeinflussten erheblichen die Überlebensraten der Transplantierten. Ohne Komplikationen betrugen die 5-Jahres-Überlebensraten der Patienten 86 % und der Transplantate 77 %, mit Komplikationen lagen diese Raten bei 72 % und bei 42 %.

Thrombotische und stenotische Komplikationen waren in dieser Studie deutlich seltener als in Untersuchungen zu postmortalen Nierentransplantationen. Dies könnte daran liegen, dass die Eingriffe elektiv erfolgten und von sehr erfahrenen Urologen vorgenommen wurden, schreiben die Autoren. Allerdings seien die Fallzahlen für eine endgültige Beurteilung zu gering.

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Kommentar zur Studie

Die Autoren der Studie beurteilten den Verlauf nach der Transplantation rein klinisch. Eine routinemäßige Duplex-Ultraschalluntersuchung nach der Transplantation erfolgte nicht.

Die Lebendnierenspende ist ein wichtiges Konzept, um dem persistierenden Organmangel zu begegnen und den Organempfänger mit einem optimalen Transplantat zu versorgen. Die sorgfältige und gewissenhafte Evaluation von Spender und Empfänger, von operativer Durchführung der Transplantation und Nachsorge sind dabei zentrale Bedingungen für ein langfristig gutes Ergebnis. Hierzu gehört auch die routinemäßige tägliche Duplex-Ultraschalluntersuchung in der Frühphase nach der Nierentransplantation.

In der Studie von Osman werden die unmittelbar postoperativen Verläufe sowie die Langzeitverläufe von 1200 Nierentransplantatempfängern lebender Spender im Hinblick auf vaskuläre Komplikationen untersucht. Die Autoren beobachteten vaskuläre Komplikationen bei 2,8 % der Empfänger. Dieser Anteil liegt im Bereich der von anderen Autoren beschriebenen gefäßbedingten Probleme nach Transplantation (1,5-5 %). Der Zusammenhang zwischen vaskulärer Komplikation (Stenose, Thrombose, postoperativer Blutung) und schlechterem Transplantat- und Patientenüberleben ist in dieser Studie signifikant. Dazu gibt es mehrere Überlegungen:

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2 Drittel der Probleme wurden durch postoperative Nachblutungen ausgelöst

2 Drittel der beschriebenen Komplikationen waren keine vaskulären Probleme im engeren Sinn, sondern postoperative Nachblutungen. Diese traten vermehrt bei Empfängern von Nieren mit multiplen Gefäßen auf. Transplantat- und Patientenüberleben waren nach vaskulärer Komplikation schlechter. Die Autoren schlussfolgern, dass die Transplantation dieser Nieren schlechtere Ergebnisse zeitigt. Allerdings mussten 5 von 23 Transplantatnieren aufgrund nicht kontrollierbarer Anastomoseblutungen explantiert werden; ein sehr hoher Anteil, der möglicherweise Ursache der signifikant schlechteren Ergebnisse nach vaskulärer Komplikation war. In einem Artikel aus der gleichen Klinik (mit den selben Patienten) beschreiben die Autoren den Langzeitverlauf von Nierentransplantaten mit multiplen Nierenarterien (1). Zumindest in Bezug auf eine arterielle Mehrfachversorgung fanden sie keinen Unterschied für Transplantat- und Patientenüberleben sowie postoperative Komplikationen. Daher müssen die im vorliegenden Artikel beschriebenen signifikanten Unterschiede auf venösen und anderen Blutungskomplikationen beruhen. Auch andere Studien konnten zeigen, dass mehrfache Nierengefäße gut rekonstruiert werden können und diese Transplantate ein vergleichbar gutes Ergebnis zeigen wie Transplantatnieren mit singulär arterieller und venöser Gefäßversorgung (2). Die beschriebenen Stenosen nach der Transplantation können auch mit der Wahl des Nahtmaterials zusammenhängen. Während Prolene (wie von den Autoren verwandt) dauerhaft beständig ist und eine Adaptation der Anastomose nicht zulässt, ist bei Verwendung von absorbierbarem Material (z.B. PDS) eine geringere Wahrscheinlichkeit der Stenosenbildung zu erwarten (3).

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Routinemäßige Duplex-Ultraschalluntersuchung fehlte

Die Autoren der Studie beurteilten den Verlauf nach der Transplantation rein klinisch. Eine routinemäßige Duplex-Ultraschalluntersuchung nach der Nierentransplantation erfolgte nicht. Erst wenn eine Anurie vorlag, wurde mittels Bildgebung eine Untersuchung auf Thrombose der Transplantatgefäße durchgeführt. Möglicherweise ist so wertvolle Zeit zum Erkennen einer Transplantatthrombose verloren gegangen. Allein die Anurie als Parameter für einen Thromboseverdacht zu wählen, ist nicht ausreichend. Wird zum Beispiel vor Dialysepflichtigkeit (also bei bestehender Restausscheidung) eine Transplantation durchgeführt, kann dieser klinische Parameter nicht angewendet werden. Thrombosen der Transplantatgefäße können auch Folge einer Abstoßungsreaktion sein. Auch hier ist die Duplex-Ultraschallunterschung mit Bestimmung des RI-(resistence index)Wertes ein wichtiger Mosaikstein, um Hinweise auf eine Rejektion zu erhalten und so schnellstmöglich zu intervenieren.

Die Autoren haben nur eine venöse Thrombose beobachtet. Dies ist ein sehr geringer Anteil, zumal fast die Hälfte der transplantierten Organe rechtsseitige Nieren waren, bei denen aufgrund der kurzen venösen Gefäßlänge Abflussbehinderungen und konsekutiv Thrombosen schnell entstehen können. Bei unseren eigenen Patienten mussten wir aufgrund von dopplersonographisch diagnostizierten venösen Drainagestörungen rechter Nieren 2 Transplantatempfänger revidieren. Nach Reposition des Transplantats und dadurch verminderten Zug auf der venösen Anastomose, war die Drainage (sonographisch kontrolliert) wieder suffizient.

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Vaskuläre Komplikationen sind selten - aber gefährlich

Vaskuläre Komplikationen nach Nierentransplantation sind selten, sie können das Transplantat aber in höchstem Grade gefährden. Deshalb stellt die Transplantation von Nieren mit multipler Gefäßversorgung sehr hohe Anforderungen an die technischen und rekonstruktiven Fähigkeiten des Transplanteurs. Die guten Ergebnisse der Lebendnierenspende können jedoch in gleichem Maße bei mehrfacher Gefäßversorgung des Transplantats erreicht werden: Voraussetzung ist, dass Evaluation, Transplantation und Nachsorge optimal durchgeführt werden, inklusive regelmäßiger Doppler-Ultraschalluntersuchungen, gerade in der Frühphase nach der Transplantation. Mittels der Bestimmung von Flussgeschwindigkeiten in den Transplantatgefäßen und über den Anastomosen können so Stenosierungen und Thrombosen frühzeitig erkannt werden. Auch können mithilfe des ebenfalls sonographisch zu bestimmenden RI-Wertes Hinweise auf eine Rejektion gefunden werden. Auch in der Langzeitnachsorge ist die Ultraschalluntersuchung ein wichtiger Bestandteil der Routinediagnostik, um vaskuläre aber auch immunologische Komplikationen zu erfassen. Die momentan in der Erprobung befindlichen Ultraschall-Kontrastmittel werden in Zukunft möglicherweise die diagnostische Sicherheit in der Duplex-Ultraschalluntersuchung nach Nierentransplantation noch weiter verbessern.

Dr. Markus Giessing, Berlin

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Abb. 1 Setzen einer Bulldogklemme bei einer Nierentransplantation. Die transplantierten Patienten litten gehäuft an hämorrhagischen Komplikationen, wenn bei der Transplantation mehrere Nierenarterien verknüpft wurden (Bild: Ausgewählte urologische OP-Techniken, Thieme 1999).

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Roland Fath

Frankfurt

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Roland Fath

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Abb. 1 Setzen einer Bulldogklemme bei einer Nierentransplantation. Die transplantierten Patienten litten gehäuft an hämorrhagischen Komplikationen, wenn bei der Transplantation mehrere Nierenarterien verknüpft wurden (Bild: Ausgewählte urologische OP-Techniken, Thieme 1999).