Die objektive, mit dem Provokationstest ermittelte Heilungsrate unmittelbar nach einer
Burch-Operation liegt bei ungefähr 90 %. Sie fällt auf 69 % in den folgenden 10-20
Jahren ab. Eine Zweitoperation nach einem Inkontinenzrezidiv hat nach Literaturangaben
eine subjektive Heilungsrate von 80 % und eine objektive von etwa 75 %. Versagt der
zweite Eingriff, so kann dies viele Gründe haben. Dazu gehören ein niedriger präoperativer
Urethraverschlussdruck, eine prä- und postoperative Detrusorinstabilität, ein Blutverlust
über 1000 ml während der Operation und ein Körpergewicht über 80 kg.
In einer britischen prospektiven Studie mit 56 Frauen wurden die prognostischen Faktoren
bestimmt, die das Operationsergebnis und die Komplikationen nach einer zweiten Operation
beeinflussen (Br J Obstet Gynaecol 2002; 109: 1115-1120). 42 Frauen (75 %) hatten eine Stress- und 14 (25 %) eine gemischte Inkontinenz.
Die subjektive Heilungsrate nach der Kolposuspension betrug in der Studie 71 %, die
objektive 80 %. Bei 65 % der Frauen hielt der Operationserfolg während der Nachbeobachtungszeit
von 5 Jahren an.
Keine Korrelation mit potenziellen Risikofaktoren
Keine Korrelation mit potenziellen Risikofaktoren
8 Frauen mussten wegen einer Rektozele und 3 wegen eines Scheidenprolaps in der Nachbeobachtungszeit
operiert werden. Bei weiteren 7 Patientinnen wurde die Inkontinenz nach der Operation
noch medikamentös behandelt, eine Frau erhielt ein spannungsfreies Vaginaltape. Es
bestand keine Korrelation zwischen dem Behandlungsergebnis und dem Alter, vorherigen
Hysterektomien, der Anzahl der früheren Inkontinenzoperationen, der Zahl der Geburten,
dem intraoperativen Blutverlust und dem Körpergewicht. Die Lebensqualität verbesserte
sich signifikant. 68 % der befragten Frauen gaben an, einer inkontinenten Freundin
die Operation weiterzuempfehlen.
Zweitoperation sollte in spezialisiertem Zentrum vorgenommen werden
Zweitoperation sollte in spezialisiertem Zentrum vorgenommen werden
Zur Frage, welche Behandlung nach einem Ersteingriff sinnvoll ist, geben die Autoren
folgende Empfehlungen: Bei einer Zystourethrozele zweiten Grades, bei leicht angehobenem
Blasenhals und ausreichendem Vaginalraum sollte eine Kolposuspension vorgenommen werden.
Die Erfolgsraten liegen höher, wenn der maximale Urethraverschlussdruck über 20 mm
H2O liegt.
Wenn der Blasenhals fixiert und der Vaginalraum reduziert ist, kann bei einem normalen
maximalen Urethraverschlussdruck ein spannungsfreies Vaginaltape erwogen werden. Bei
einem maximalen Urethraverschlussdruck unter 20 mm H2O bringen das Vaginaltape oder
die Schlingenoperation Erfolgsraten bis zu 86 %.
Eine Kolposuspension als Zweitoperation nach einem Inkontinenz-Rezidiv bringt gute
Behandlungsergebnisse mit geringer Komplikationsrate. Allerdings mussten in der Studie
fast 20 % der Frauen nach dem Eingriff wegen eines Prolaps operiert werden. Die Autoren
betonen, dass eine Zweitoperation nur in einem spezialisierten Zentrum vorgenommen
werden sollte.
Kommentar zur Studie
Kommentar zur Studie
Die Studie ist von Bedeutung, weil sie keinen der immer wieder publizierten Risikofaktoren
reproduzierte.
Bei der Flut an Publikationen zur operativen Therapie der weiblichen Harninkontinenz
muss unverändert beklagt werden, dass weniger als 3 % dieser Studien prospektiv randomisiert
angelegt sind, die reproduzierbare Information geben. Die Arbeitsgruppe um Stuart
Stanton vom George's Hospital in London hat nicht nur eine der längsten Erfahrungen
mit der Kolposuspension in Europa, sondern über die letzten Jahrzehnte immer wieder
exzellente Studien zu Detailfragen der operativen Therapie vorgelegt. Trotz großer
Euphorie mit den neuen spannungsfreien Bändern, bleibt der Kolposuspension beim paravaginalen
Abriss und mobiler Scheide, ohnehin notwendigen Laparotomien und normotoner Urethra,
ein breites Indikationsgebiet. Die hypotone Urethra mit Verschlussdrucken unter 20
cm H2O hat deutlich schlechtere Resultate. Die von der Londoner Gruppe immer wieder
beschriebene hohe Inzidenz an Scheidenstumpfprolaps und anderen Deszensusformen ist
zwar grundsätzlich bei allen kranioventral verlagernden Eingriffen typisch. Bei der
dort geübten Technik mit einer extrem hohen und breiten Fixation der Scheide mit bis
zu 5 und mehr Nähten ist sie verständlich. Es wird dabei der, spätestens nach Hysterektomie,
weit offene Douglas noch weiter aufgezogen und Vorfälle des Scheidenendes provoziert.
Ob eine so extrem breite Fixation zur Erreichung guter Kontinenzraten wirklich notwendig
ist, muss bezweifelt werden. Die eigene Erfahrung mit mehr als 3500 modifizierten
Kolposuspensionen hat eine deutlich geringere Inzidenz an notwendigen Nachoperationen
wegen Prolaps von 2 bis maximal 4 %.
Die vorliegende Untersuchung ist schon deshalb von großer Bedeutung, weil sie keinen
der immer wieder publizierten Risikofaktoren reproduzieren konnte. Lediglich die Qualität
der präoperativen Diagnostik und die korrekte Auswahl des Operationsverfahrens entscheiden
über die Prognose. Bei der komplexen Pathophysiologie der weiblichen Harninkontinenz,
den verschiedenen anatomischen Defekten, die im Rahmen der funktionellen und morphologischen
Untersuchung nachweisbar sind, hat die Kolposuspension unverändert einen entscheidenden
Platz in der operativen Behandlung der weiblichen Harninkontinenz.
Prof. Eckhard Petri, Schwerin
Abb. 1 Kolposuspension. Eine zweite Kolposuspension führt bei Frauen mit einem Inkontinenz-
Rezidiv zu guten Ergebnissen (Bild: Gynäkologische Urologie, Thieme Verlag).