Notfall Medizin 2003; 29(10): 379
DOI: 10.1055/s-2003-43294
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

COPD-Leitlinien optimieren Patientenmanagement

Carl-Peter Criée1
  • 1Göttingen
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Prof. Dr. med. Carl-Peter Criée

Göttingen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
04. November 2003 (online)

Inhaltsübersicht

    Im Juli 2003, also vor wenigen Wochen, wurde uns eine 46-jährige Patientin aus einer nahe gelegenen Rehabilitationsklinik per Notarztwagen eingewiesen. Bei ihr war am Aufnahmetag eine Blutgasanalyse unter Raumluft durchgeführt worden, die einen PO2 von 51 mmHg und einen PCO2 von 69 mmHg ergab, sodass die zunehmende Symptomatik mit Tagesmüdigkeit, Einschlafneigung, Konzentrationsstörungen und Kopfschmerzen erklärt war. Die sofort eingeleitete Verlegung erfolgte zur nichtinvasiven Beatmung mittels Nasenmaske (non-invasive-ventilation, NIV) wegen der drohenden CO2-Narkose. Die Anamnese ergab, dass die Patientin seit Jahren über Dyspnoe klagte. Sie wurde im Februar 2002 wegen zunehmender Unterschenkelödeme in einer phlebologischen Klinik vorgestellt, wo der Befund einer Kachexie, einer Ruheluftnot, und ein „beinahe präterminaler Zustand” diagnostiziert wurde. Die anschließende stationäre internistische Untersuchung ergab dann die Diagnose einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), eines Cor pulmonale und einer pulmonalen Kachexie. Als häusliche Therapie wurde ein ACE-Hemmer, Diuretika und eine Sauerstofftherapie für 10-12 Stunden täglich empfohlen! Erschreckend, aber nicht so selten, wurde der Patientin eine Therapie mit antiobstruktiven Medikamenten wie Beta-2-Sympathomimetika, Anticholinergica und Theophyllin vorenthalten. Tatsächlich wurde noch nicht mal eine Lungenfunktionsprüfung mit Bestimmung der FEV1 zur Feststellung des Schweregrades der obstruktiven Ventilationsstörung durchgeführt. Tatsächlich wurde auch eine völlig nutzlose Sauerstofflangzeit-Therapie von 10-12 Stunden täglich verordnet ohne dass eine Blutgasanalyse durchgeführt wurde!

    Natürlich wissen wir alle, dass es heutzutage unmöglich ist, auf allen Gebieten der Medizin „up to date” zu sein. Die Menge an Lesestoff über die neuesten Erkenntnisse - auch nur in Teilbereichen der Medizin - wäre selbst dann nicht zu schaffen, wenn man überhaupt nicht mehr arbeiten würde. Andererseits muss natürlich ein wie oben beschriebenes erschreckendes Szenario vermieden werden. Zu diesem Zweck wurden Leitlinien von entsprechenden Fachgesellschaften erarbeitet, die eine Hilfe für Diagnostik, Verlaufskontrolle und adäquate Therapie darstellen sollen und die Kollegen auf den neusten Stand des Wissens bringen sollen. Eine solche Leitlinie ersetzt das Urteil des behandelnden Arztes nicht, kann aber als Entscheidungshilfe für ein optimiertes Management der Patienten benutzt werden. Die Deutsche Atemwegsliga hat im letzten Jahr eine Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der COPD publiziert, deren wesentlichen Inhalte in einem Beitrag in diesem Heft skizziert werden. Eine ausführliche Version, beziehungsweise eine Kurzfassung als Kitteltaschenversion, kann von der Deutschen Atemwegsliga angefordert werden.

    Die oben beschriebene Patientin gab nach einwöchiger antiobstruktiver Therapie und intermittierender nichtinvasiver Beatmung (8/24 Stunden, während des Schlafs) an, dass sie sich seit Jahren nicht mehr so gut gefühlt habe!

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    Prof. Dr. med. Carl-Peter Criée

    Göttingen

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    Prof. Dr. med. Carl-Peter Criée

    Göttingen