Einleitung
Einleitung
Die chronisch obstruktive Bronchitis ist mit einer geschätzten Prävalenz von etwa
8 % [13 ] und jährlichen Krankheitskosten von ca. 5,5 Mrd. Euro in Deutschland [13 ] eine Erkrankung mit erheblicher sozialmedizinischer Bedeutung. Im Alter von mehr
als 70 Jahren leidet jeder zweite Raucher und jeder fünfte Nicht-Raucher an dieser
Erkrankung [20 ]. Ungeachtet der Fortschritte in Diagnose und Therapie [27 ]
[33 ] ist die Mortalität unverändert hoch: In den USA ist die chronische Bronchitis mit
3,6 % aller Todesfälle die fünfthäufigste Todesursache, allerdings schwanken die Zahlen
in verschiedenen Ländern erheblich. Deutschland nimmt einen mittleren Rang ein, man
rechnet hier mit einer Letalität von 230 Männern und 60 Frauen pro 100 000 Einwohnern
[20 ]
[24 ]. Im Jahr 2020 wird Schätzungen zufolge die chronisch obstruktive Bronchitis weltweit
die dritthäufigste Todesursache sein [13 ].
Für viele chronische Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Hypertonie und Asthma bronchiale
sind Patientenschulungen längst akzeptierter Bestandteil der Therapie [16 ]. Für Asthmatiker konnte die Effektivität ambulanter und stationärer Schulungsprogramme
mehrfach belegt werden [15 ]
[16 ]
[17 ]
[18 ]
[19 ]
[22 ]
[23 ]
[29 ], während speziell für Patienten mit COPD zur Zeit keine evaluierten strukturierten
ambulanten Schulungsprogramme im deutschsprachigen Raum zur Verfügung stehen [28 ].
Ziel dieser Pilotstudie war die Evaluation eines ambulanten und strukturierten Schulungsprogrammes
für Patienten mit COPD im Rahmen einer Pilotstudie über einen Zeitraum von zwei Jahren.
Material und Methoden
Material und Methoden
Patienten und Studienaufbau
Insgesamt wurden 21 konsekutive Patienten (11 Frauen, 10 Männer) in die Studie eingeschlossen,
für die Nachuntersuchungen nach einem Jahr standen alle Patienten zur Verfügung, für
die Verlaufskontrolle nach zwei Jahren nur noch 19 Patienten (Ausfallrate: 9,5 %).
Die Patienten wurden im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthaltes für die Studie
rekrutiert. Die anthropometrischen Daten sowie die Kenngrößen der Lungenfunktion der
Patienten sind in Tab. [1 ] enthalten. Zum Zeitpunkt der Schulung waren 13 Patienten aktive Raucher und 5 ehemalige
Raucher, die Anzahl der „pack years” betrug insgesamt 29,5 ± 4,3.
Tab. 1 Anthropometrische Daten und lungenfunktionsanalytische Kenngrößen der 21 COPD-Patienten
(Angaben in Mittelwert ± Standardfehler SEM)
Mittelwert ± SEM
Minimum - Maximum
Alter (Jahre)
65 ± 2
56 - 75
Größe (cm)
166 ± 2
155 - 185
Gewicht (kg)
77 ± 3
54 - 103
FEV1 (l)
1,6 ± 0,1
0,9 - 3,3
FEV1 /VC (%)
62 ± 5
51 - 79
RAW (kPa/l/s)
0,63 ± 0,2
0,3 - 0,8
pO2 (mm Hg)
74 ± 5
68 - 85
pCO2 (mm Hg)
38 ± 6
33 - 46
Erkrankungsdauer (Jahre)
7,0 ± 0,5
2,0 - 12,0
aktive Raucher (n)
13
Ex-Raucher
5
pack years
29,5 ± 4,3
9,0 - 55,0
Folgende Einschlusskriterien wurden aufgestellt: Neben der Diagnose „chronisch obstruktive
Bronchitis” müsste in der Lungenfunktion die FEV1 /VC ≤ 80 % des Sollwertes sein und die FEV1 nach Inhalation eines Beta-2-Sympathomimetikums um weniger als 12 % gegenüber dem
Ausgangswert ansteigen. Ausschlusskriterien waren eine respiratorische Insuffizienz,
ferner ein Alter von mehr als 75 Jahren.
Zum Zeitpunkt der Schulung sowie ein und zwei Jahre danach wurden die Patienten körperlich
untersucht und eine Lungenfunktionsanalyse (FEV1 , FEV1 /VC, RAW ) durchgeführt, außerdem mussten die Patienten einen Fragebogen ausfüllen. Die wesentlichen
Inhalte des Fragebogens waren: Anzahl der Phasen mit verstärkter Atemnot; Anzahl der
Exazerbationen sowie Hausarzt- und Notfallbehandlungen pro Jahr; Fähigkeit zur Selbstmedikation
bei akuter Exazerbation; Selbstkontrolle der Erkrankung mit Symptom-Beobachtung, Peak-Flow-Messung
und Führen eines Patienten-Tagebuches. Zudem mussten die Patienten einen Wissenstest
(Multiple-Choice-Test: 20 Fragen) beantworten, um die Kenntnisse über die Erkrankung
sowie über die Wirkungen und Nebenwirkungen der verwendeten Medikamente zu prüfen.
Von den Krankenkassen wurden Daten eingeholt über die Anzahl der Krankenhausaufenthalte
und -tage aufgrund der Diagnosen COPD und aller anderen Diagnosen während des Beobachtungszeitraumes.
Eine Analyse der Arbeitsunfähigkeitstage wurde nicht vorgenommen, da kein Patient
zum Zeitpunkt der Schulung berufstätig war.
Inhalte und Struktur des Schulungsprogramms für Patienten mit COPD
Als wesentliche Inhalte einer Patientenschulung für chronische Erkrankungen wurden
folgende Punkte definiert [7 ]
[22 ]: Vermittlung von Krankheits- und Behandlungswissen, Verbesserung der Krankheits-
und Behandlungseinsicht, Stärkung der Eigenverantwortlichkeit, Vermittlung sozialer
Fähigkeiten zur Krankheitsbewältigung, Verbesserung der Selbstwahrnehmung, Einübung
präventiver Handlungen und Verhalten in Krisensituationen.
Angewendet auf das Krankheitsbild der chronisch obstruktiven Bronchitis bedeutet dies,
dass der Patient Verantwortung für die Selbstkontrolle seiner Erkrankung übernimmt:
Mit Hilfe von Peak-Flow-Messungen, Beobachtung und Protokollierung von Symptomen wie
Husten, Atemnot und Auswurf in Tagebüchern lernt er, rechtzeitig eine Verschlechterung
der Stabilität seiner Atemwege zu erkennen und darauf mit medikamentösen und nicht-medikamentösen
Selbsthilfemaßnahmen zu reagieren.
Das ambulante Fürther Schulungsprogramm für Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis
und Lungenemphysem (AFBE) besteht aus vier Doppelstunden, der Unterricht wurde in
Kleingruppen (4 - 8 Teilnehmer) durchgeführt. Als wesentliche Unterrichtsmedien wurden
Tafel und Flipchart bzw. Overheadfolien eingesetzt. Die Schulungen wurden von Ärzten
durchgeführt, die langjährige Erfahrung in der Patientenschulung hatten.
Wesentliche Schulungsinhalte sind: Definition, Ursachen und Symptome der COPD, Rauchen
als häufigste Ursache der COPD und die Möglichkeiten zur Raucherentwöhnung, Folgeerkrankungen
der COPD, Selbstkontrolle der Erkrankung (Peak-Flow-Meter, Ampel-System, Patienten-Tagebuch,
Symptombeobachtung), korrekte Inhalationstechnik der Medikamente (Dosieraerosole,
Pulverinhalatoren, Düsenvernebler), Wirkungen und Nebenwirkungen der wichtigsten Medikamente
(Stufenplan der Deutschen Atemwegsliga 1995 [34 ]: Beta-2-Sympathomimetika, Anticholinergika, Theophyllin, Kortison inhalativ und
systemisch), Sekretelimination (Medikamente, physikalische Maßnahmen), selbständige
Dosisanpassung der Medikamente an den Schweregrad der Atemwegsobstruktion, Bronchialinfekt,
Verhalten bei akuter Atemnot.
Alle Patienten erhielten ein Peak-Flow-Meter und das Patienten-Tagebuch der Deutschen
Atemwegsliga, außerdem Schulungsunterlagen, in denen die wichtigsten Inhalte der Schulung
zusammengefasst sind, zudem schriftliche, individuell angepasste Anweisungen zur Dosisanpassung
an den aktuellen Schweregrad der bronchialen Obstruktion und einen schriftlichen Notfallplan.
Nach der Schulung wurden die Hausärzte der Patienten über die Schulung und deren Inhalte
im Rahmen eines Arztbriefes informiert.
Statistik
Bei normalverteilten ordinalskalierten Merkmalen kam der t-Test zur Anwendung, bei
nicht normalverteilten ordinalskalierten Merkmalen der U-Test nach Wilcoxon, Mann
und Whitney sowie bei dichotomen Merkmalen der McNemar Vorzeichen-Test. Die Nullhypothese
(„Es besteht kein statistischer Zusammenhang”) wurde verworfen, wenn das ermittelte
Signifikanzniveau unter dem Testniveau (p < 0,05) lag.
Ergebnisse
Ergebnisse
Wissen der Patienten bezüglich ihrer Erkrankung sowie über Wirkungen und Nebenwirkungen
der verwendeten Medikamente
Die Vermittlung von Wissen sowohl über die Erkrankung als auch über die Therapie war
ein wesentlicher Bestandteil des Schulungsprogrammes. Zur Überprüfung des Wissenszuwachses
wurde ein Multiple-Choice-Fragebogen mit 20 Fragen eingesetzt. Nach der Teilnahme
an der Schulung stieg das Wissen der Patienten über die Erkrankung sowie über Wirkungen
und Nebenwirkungen der Medikamente signifikant an: Vor der Schulung waren in einem
Multiple-Choice-Test 9,1 ± 2,1 % (alle Angaben als Mittelwert ± Standardfehler) der
Antworten korrekt, ein Jahr nach der Schulung 68,7 ± 5,4 % (p < 0,01) und nach zwei
Jahren 70,5 ± 4,8 % (p < 0,01).
Lungenfunktion
Keine signifikante Änderung ergab sich für die Kenngrößen der Atemwegsobstruktion
in der Lungenfunktion. Vor der Teilnahme an der Schulung lag der FEV1 -Wert bei 1,6 ± 0,1 l, ein Jahr nach der Schulung bei 1,7 ± 0,2 l (n. s.) sowie zwei
Jahre nach der Schulung bei 1,6 ± 0,2 l (n. s.). In gleicher Weise zeigte sich keine
signifikante Veränderung des Gesamtatemwegswiderstandes RAW .
Zusammensetzung und Einschätzung der Medikation, korrekte Anwendung der Medikamente,
Rauchverhalten
Nach der Teilnahme an der Schulung ergab sich keine Veränderung in der Zusammenstellung
der medikamentösen Dauertherapie: Die Substanzgruppen Beta-2-Sympathomimetika, Anticholinergika
und Theophyllin wurden mit der gleichen Häufigkeit eingesetzt, ebenfalls keine Änderungen
ergaben sich für die inhalativen und systemischen Steroide (Tab. [2 ]).
Tab. 2 Veränderung der Medikation vor, ein und zwei Jahre nach der Schulung (AFBE): Anteil
der Patienten in %
Medikamente
1 Jahr vor AFBE
1 Jahr nach AFBE
p-Wert
2 Jahre nach AFBE
p-Wert
inhalatives kurzwirksames Beta-2-Sympathomimetikum
33,4
42,8
n. s.
42,1
n. s.
Anticholinergika
14,3
9,5
n. s.
15,8
n. s.
Kombination kurzwirksames Beta-2-Sympathomimetikum mit Anticholinergikum
61,9
57,1
n. s.
52,6
n. s.
orales retardiertes Beta-2-Sympathomimetikum
28,5
42,9
n. s.
26,3
n. s.
retardiertes Theophyllin
61,9
76,2
n. s.
68,4
n. s.
inhalatives Steroid
38,1
33,3
n. s.
31,6
n. s.
Zudem wurden die Patienten nach ihrer subjektiven Einschätzung der verschiedenen Medikamente
befragt. Hierzu mussten die Patienten die Wirkstoffgruppen in ihren Wirkungen und
Nebenwirkungen subjektiv auf einer visuellen Analogskala beurteilen (Gesamtlänge 100
mm: unbedenklich 0 Punkte; sehr bedenklich 100 Punkte): Während sich für die inhalativen
und retardierten oralen Beta-2-Sympathomimetika-Präparate sowie für retardierte Theophyllin-Tabletten
und Kortison-Tabletten keine signifikanten Unterschiede ergaben, verbesserte sich
die Einschätzung der inhalativen Steroide signifikant: Vor der Schulung lag der Punkt-Wert
bei 43,5 ± 5,5, ein Jahr nach der Schulung bei 20,3 ± 4,5 (p < 0,05) und zwei Jahre
nach der Schulung bei 20,0 ± 5,7 (p < 0,05).
Die Verbesserung der Inhalationstechnik war ein weiterer Schwerpunkt der Schulung.
Nach der Teilnahme an der Schulung verwendeten die Patienten, die mit kortisonhaltigen
Dosieraerosolen therapiert wurden (n = 8), deutlich häufiger eine Inhalationshilfe
(Spacer): Vor der Schulung benutzten 19,0 % der Patienten eine Inhalationshilfe, ein
Jahr nach der Schulung 85,7 % (p < 0,01). Dieser Effekt nahm allerdings zwei Jahre
nach der Schulung wieder ab, denn nach zwei Jahren lag der Anteil nur noch bei 38,1
% (n. s.).
Keine signifikante Veränderung ergab sich beim Rauchverhalten. Im ersten Jahr nach
der Schulung stellte lediglich ein Teilnehmer von 13 aktiven Rauchern den Nikotinkonsum
ein, im zweiten Jahr wiederum ein Teilnehmer.
Verhalten bei akuter schwerer Atemnot
Die Verhaltensänderung bezüglich der Selbstmedikation bei akuter Atemnot war ein Schwerpunkt
der Schulung: Das korrekte Management bei akuter Atemnot wurde in interaktiven Rollenspielen
erarbeitet, zum anderen bekam jeder Patient einen schriftlichen Notfallplan ausgehändigt.
Die Verhaltensänderung nach der Schulung lässt sich wie folgt zusammenfassen (Tab.
[3 ]): Vor der Schulung verwendeten 38,1 % der Patienten orale retardierte Theophyllinpräparate
im Akutfall, ein und zwei Jahre nach der Schulung kein Patient mehr. Während Beta-2-Sympathomimetika
vor und nach der Schulung gleich häufig eingesetzt wurden, änderte sich allerdings
die Anzahl der Hübe: Vor der Schulung inhalierten die Patienten 11 ± 0,9 Hübe pro
Ereignis, ein Jahr nach der Schulung 6,4 ± 0,6 Hübe (p < 0,05) und zwei Jahre danach
5,7 ± 0,5 Hübe (p < 0,05).
Tab. 3 Verhalten der Patienten während akuter Atemnot vor, ein und zwei Jahre nach der Schulung
(AFBE): Anteil der Patienten in %
Maßnahmen
1 Jahr vor AFBE
1 Jahr nach AFBE
p-Wert
2 Jahre nach AFBE
p-Wert
Peak-Flow-Messung während akuter Atemnot
9,5
66,7
0,01
63,1
0,01
Selbstmedikation während akuter Atemnot
- Inhalation kurzwirksames Beta-2-Sympathomimetika m./o. Anticholinergikum
61,9
71,4
n. s.
84,2
n. s.
- Einnahme oraler retardierter Theophyllin-Präparate
38,1
0
0,01
0
0,01
- Einnahme von schnell wirksamen Theophyllin-Präparaten
19,0
28,6
n. s.
26,3
n. s.
- Einnahme Kortison-Tabletten
19,0
47,6
0,05
47,4
0,05
Selbstkontrolle der Erkrankung
Ein wichtiger Schulungsinhalt ist die Verbesserung der Selbstkontrolle der Erkrankung
durch die Patienten, um frühzeitig eine Exazerbation zu erkennen und entsprechend
reagieren zu können. Die Häufigkeit einer regelmäßigen Tagebuchführung mit Eintragung
der Peak-Flow-Werte und Symptome nahm durch die Schulung zu: Vor der Schulung führten
nur 14,3 % der Patienten regelmäßig ein Tagebuch, ein Jahr nach der Schulung 42,9
% (p < 0,03) und zwei Jahre danach 31,6 % (n. s.). Analog dazu stieg die Anzahl der
Patienten, die regelmäßig (mindestens zweimal pro Tag) Peak-Flow-Messungen durchführten:
23,8 % der Patienten vor der Schulung, 51,8 % nach einem Jahr (p < 0,01) und 42,1
% nach zwei Jahren (n. s.). Ebenso wurde häufiger der Peak-Flow nach der Inhalation
eines kurzwirksamen Beta-2-Sympathikometikums gemessen (vor der Schulung: 14,3 %;
nach 1 Jahr: 66,7 %, p < 0,01; nach 2 Jahren: 47,4 %, n. s.).
Auswirkungen auf die Morbidität
Die Häufigkeit von leichten Atemnotattacken, die die Inhalation eines Beta-2-Sympathomimetikums
(ggf. in Kombination mit einem Anticholinergikum) erforderlich machten, konnte durch
die Patientenschulung deutlich reduziert werden: Die Häufigkeit pro Tag lag vor der
Schulung bei 1,6 ± 0,5 Episoden pro Patient, ein Jahr nach der Schulung bei 1,0 ±
0,5 (p < 0,05) und zwei Jahre nach der Schulung bei 1,5 ± 0,5 (n. s.).
Für eine Exazerbation musste mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt sein:
Zunahme der Atemnot, Zunahme der Auswurfmenge oder Veränderung der Konsistenz und
Farbe. Für die Gesamtzahl der Exazerbationen ergab sich keine Änderung, allerdings
konnten die schweren Exazerbationen, die ärztliche Hilfe erforderten, reduziert werden
zugunsten der Exazerbationen, die von den Patienten selbständig bewältigt wurden (Abb.
[1 ]). In diesem Zusammenhang nahm die Anzahl der von den Patienten initiierten Kortison-Zyklen
(Kortison-Stoßtherapie über 3 Wochen in absteigender Dosierung) bei einer akuten Exazerbation
deutlich zu: Vor der Schulung führten die Patienten 0,3 ± 0,1 Zyklen pro Jahr durch,
im ersten Jahr nach der Schulung 1,0 ± 0,3 (p < 0,03) und im zweiten Jahr 0,7 ± 0,2
(n. s.). Begleitet wurden die häufigeren Kortison-Zyklen durch eine höhere Anfangsdosierung
(während der Schulung empfohlene Dosis: 40 mg Prednisolonäquivalente): Vor der Schulung
lag die initiale Dosis bei 16,0 ± 0,1 mg Prednisolon-Äquivalenten, im Jahr danach
bei 35,6 ± 1,8 mg (n. s.) und im zweiten Jahr bei 39,6 ± 2,5 mg (n. s.) (Tab. [4 ]).
Abb. 1 Anzahl der Exazerbationen pro Patient und Jahr: Gesamtzahl aller Exazerbationen, Anzahl
der mit ärztlicher Hilfe bzw. ohne ärztliche Hilfe bewältigten Exazerbationen vor
sowie ein und zwei Jahre nach der Schulung (Mittelwert ± Standardfehler).
Tab. 4 Bronchiale Infekte: Häufigkeit pro Patient und Jahr, Häufigkeit der Peak-Flow-Kontrollen
sowie Medikation während des Infektes
1 Jahr vor AFBE
1 Jahr nach AFBE
p-Wert
2 Jahre nach AFBE
p-Wert
Anzahl der bronchialen Infekte (Anzahl pro Jahr, Mittelwert ± SEM)
4,5 ± 1,6
1,8 ± 0,4
0,05
1,4 ± 0,2
0,01
Peak-Flow-Messung bei Infekt (Patienten in %)
23,8
85,7
0,01
63,3
n. s.
Häufigkeit der Einnahme systemischer Steroide (Patienten in %)
42,9
42,9
n. s.
57,9
n. s.
Höhe der Kortisonanfangsdosis in (mg) (Mittelwert ± SEM)
13,9 ± 2,1
33,0 ± 6,0
0,02
39,0 ± 3,5
0,02
Nach der Patientenschulung nahm die Anzahl der Bronchialinfekte pro Patient und Jahr
signifikant ab (Tab. [4 ]). Ein Bronchialinfekt wurde wie folgt definiert: Zunahme der Menge des Auswurfs,
Änderung der Konsistenz und Farbe, zudem mussten zusätzliche Infektzeichen wie Fieber
und Abgeschlagenheit vorliegen. Vor und nach der Schulung wurden die Bronchialinfekte
gleich häufig mit systemischen Steroiden behandelt, wobei allerdings nach der Schulung
eine signifikant höhere Anfangsdosis zu verzeichnen war.
Krankenhaustage und -aufenthalte, Arztbesuche
Die Anzahl der Krankenhaustage und -aufenthalte aufgrund der Diagnose „COPD” konnte
deutlich reduziert werden, hingegen blieb die Anzahl der Krankenhaustage und -aufenthalte
aufgrund anderer Diagnosen konstant (Abb. [2 ]).
Abb. 2 Anzahl der Krankenhaustage und Krankenhausaufenthalte (KH-Tage bzw. KH-Aufenthalte)
pro Patient und Jahr aufgrund der Diagnose COPD und allen anderen Diagnosen, jeweils
vor sowie ein und zwei Jahre nach der Schulung (Mittelwert ± Standardfehler).
Die Anzahl der Konsultationen des Hausarztes aufgrund der Diagnose „chronisch obstruktive
Bronchitis” nahm nach der Schulung signifikant ab: Im Jahr vor der Schulung betrug
die Anzahl der Konsultationen 2,5 ± 0,4 pro Patient und Monat, ein Jahr nach der Schulung
1,3 ± 0,1 (p < 0,01) und zwei Jahre danach 1,3 ± 0,2 (P < 0,05).
Diskussion
Diskussion
Die Rehabilitation bei chronischen obstruktiven Atemwegserkrankungen wird definiert
als „multidimensional continuum of services” [9 ]. Wesentliche Bestandteile sind neben einer optimierten Pharmakotherapie besonders
körperliches Training, Patientenschulung, Atemtherapie sowie psychosoziale Unterstützung
[1 ]
[3 ]
[5 ]
[8 ]
[23 ].
Der Nutzen des körperlichen Trainings für COPD-Patienten ist mittlerweile bezüglich
einer Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit und der Lebensqualität gut belegt
[1 ]
[3 ]
[5 ]
[8 ]
[14 ]
[25 ]. Im Gegensatz zum Asthma bronchiale ist bei COPD-Patienten der Stellenwert der Patientenschulung
in der Rehabilitation noch nicht hinreichend geklärt [4 ]
[11 ]
[26 ]
[28 ]
[37 ]. In einer randomisierten Studie von Ries und Toshima [26 ]
[31 ] nahmen 119 Patienten entweder an einem 8-wöchigen Rehabilitationsprogramm mit körperlichem
Training oder an einer Patientenschulung teil: Im Gegensatz zu der Rehabilitationsgruppe
verbesserten sich die geschulten Patienten nicht bezüglich der körperlichen Leistungsfähigkeit
und der Symptomatik. Andere Untersuchungen kommen zu ähnlichen negativen Ergebnissen
[2 ]
[12 ]
[19 ]. In einer neuseeländischen Studie [33 ] mit insgesamt 56 Patienten wurden die Teilnehmer in einem Aktionsplan unterwiesen:
Bei einer Symptomverschlechterung sollte selbständig eine Kortison-Stoßtherapie sowie
eine Antibiotika-Behandlung eingeleitet werden. Nach 6 Monaten ergaben sich keine
Unterschiede zwischen der Kontroll- und der Interventionsgruppe bezüglich der Parameter
Lebensqualität, Lungenfunktion, Symptomatik sowie Anzahl der Arztkonsultationen. Allerdings
verbesserten sich deutlich die Selbstmanagement-Fähigkeiten: 34 % Patienten in der
Interventionsgruppe im Vergleich zu 7 % in der Kontrollgruppe leiteten selbständig
bei Symptomverschlechterung eine Kortison-Therapie ein, 44 % im Gegensatz zu 7 % eine
Antibiotika-Behandlung.
Die Unterschiede zu den doch ermutigenden Ergebnissen unserer Pilotstudie bedürfen
einer näheren Betrachtung: Erstens wurde lediglich eine Pilotstudie mit methodischen
Defiziten wie einer kleinen Fallzahl und einer fehlenden Randomisierung in Kontroll-
und Interventionsgruppe durchgeführt. Zudem wurden die Parameter Lebensqualität und
körperliche Leistungsfähigkeit nicht untersucht. Ferner sind in unserer Schulung im
Gegensatz zu anderen Untersuchungen ausschließlich Patienten mit einer leicht- bis
mittelgradigen Ausprägung der Erkrankung eingeschlossen worden.
Außerdem wird aus der Literaturübersicht deutlich, dass der Begriff „Schulung” ein
Sammelbegriff für verschiedene Maßnahmen ist: Das Spektrum reicht hier von der eigentlichen
Patientenschulung bis hin zu Informationsangeboten (Videos, Broschüren, etc.). Als
„Patientenschulung” im engeren Sinne wird aber ein strukturiertes Schulungsprogramm
mit psychomotorischen, affektiven und kognitiven Lernbereichen definiert [7 ]
[23 ]: Vermittlung von Krankheits- und Behandlungswissen, Verbesserung der Krankheits-
und Behandlungseinsicht, Stärkung der Eigenverantwortlichkeit, Verbesserung der Selbstwahrnehmung,
Einübung präventiver Handlungen und Verhalten in Krisensituationen. Das beinhaltet
auch schriftliche, individuell angepasste Handlungsanweisungen zur Dosisanpassung
an den aktuellen Schweregrad der bronchialen Obstruktion sowie einen schriftlichen
Notfall-Plan [23 ]. Das Ziel des Patiententrainings ist eine Verhaltensänderung, d. h. die Stärkung
der Selbstmanagement-Fähigkeiten des Patienten [37 ]. Neben einem strukturierten Schulungsprogramm ist auch die Größe der Schulungsgruppe
von entscheidender Bedeutung. Im Vergleich zur Individualschulung ist die Gruppenschulung
effektiver, wenn die Kleingruppe aus 4 - 8 Teilnehmern besteht und die Möglichkeit
zur Interaktion und zum Erfahrungsaustausch bietet [35 ].
Das Ausmaß der Effekte der COPD-Schulung ist nicht vergleichbar mit den Erfolgen von
ambulanten und stationären Schulungsprogrammen für erwachsene Asthmatiker [16 ]
[17 ]
[18 ]. Das liegt einmal an der Charakteristik der Erkrankung, die im Gegensatz zum Asthma
bronchiale durch eine meist irreversible Atemwegsobstruktion gekennzeichnet ist, außerdem
am höheren Alter der COPD-Patienten.
Kritisch sind ebenfalls die unzureichenden Erfolge der Raucherentwöhnung [36 ]. In der Schulung wird auf die verschiedenen Möglichkeiten der Raucherentwöhnung
hingewiesen, um die Patienten zur Abstinenz zu motivieren, zudem wurde die Teilnahme
an einem gesonderten Programm zur Raucherentwöhnung angeboten. In unserer Pilotstudie
wie auch in anderen Untersuchungen waren allerdings die positiven Effekte unabhängig
von Änderungen des Nikotinkonsums [2 ]
[8 ], denn das Rauchverhalten hat sich während der zweijährigen Beobachtungszeit nur
unwesentlich geändert. Auf ein Raucherentwöhnungsprogramm als fester Bestandteil der
Schulung wurde verzichtet, da unter den Schulungsteilnehmern nicht mehr alle aktive
Raucher waren, zudem hätte der verhaltenstherapeutische Ansatz der Raucherentwöhnung
die Integration eines Psychologen erforderlich gemacht.
Problematisch ist außerdem, dass das Peak-Flow-Meter nicht in gleichem Maße für das
Monitoring der COPD wie für das Asthma bronchiale geeignet ist: Mit dem Peak-Expiratory-Flow-Wert
(PEF) werden Obstruktionen im Bereich der kleinen Atemwege unterschätzt, und somit
eignet sich das Gerät nur für eine Minderheit der COPD-Patienten für das Monitoring
der Erkrankung [21 ]. Um dieses Defizit auszugleichen, wurde in unserer Schulung bei der Selbstkontrolle
der Erkrankung mehr Wert auf die Selbstbeobachtung der Symptome wie Husten, Atemnot,
Auswurf (Menge, Konsistenz, Farbe) sowie auf die Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit
gelegt. Neue Möglichkeiten eröffnen hier tragbare elektronische Spirometer, die zusätzlich
zum PEF-Wert auch die spirometrischen Messwerte FEV1 , FVC und MEF25 - 75 erfassen.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass Patientenschulungen, insbesondere auch ein
ambulantes Programm, für Patienten mit leicht- bis mittelgradiger chronisch obstruktiver
Bronchitis effektiv sein können. Neben einer Reduktion der Morbidität und einer Verbesserung
der Selbstmanagement-Fähigkeiten der Patienten ist auch ein ökonomischer Nutzen durch
die Reduktion der Bronchialinfekte sowie der Krankenhaustage und -aufenthalte zu erwarten
[29 ]
[32 ]. Die Schulungseffekte sind auch noch zwei Jahre nach der Teilnahme an dem Programm
nachweisbar, wobei allerdings bei der Selbstkontrolle der Erkrankung ein deutlicher
Abfall zu verzeichnen ist. Aus diesem Grund erscheinen Refresher-Kurse im jährlichen
Abstand sinnvoll.
Umfassendere Studien an größeren Patientenkollektiven mit unterschiedlichen Schweregraden
der Erkrankung, einem längeren Beobachtungszeitraum und mit Einbeziehung der Aspekte
Lebensqualität und Krankheitsbewältigung sind notwendig, um den endgültigen Stellenwert
der Patientenschulung im Management der COPD zu bestimmen und um den Einfluss auf
die Prognose der Erkrankung zu untersuchen.