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DOI: 10.1055/s-2003-42191
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Periphere diabetische Neuropathie früh erkennen - Die Schweißsekretion am Fuß messen
Early Detection of Peripheral Diabetic Neuropathy - Measurement of Perspiration in the Diabetic FootAnschrift für die Verfasser
Prof. Dr. Reinhard Zick
Chefarzt der Medizinische Klinik, Fachbereich Gastroenterologie, Endokrinologie und
Diabetologie
St. Bonifatius Hospital
Wilhelmstr. 13
49808 Lingen
Publication History
Publication Date:
15 September 2003 (online)
Zusammenfassung
Das Indikatorpflaster neuropad® macht es erstmals möglich, die veränderte Schweißsekretion beim diabetischen Fußsyndrom als Folge der autonomen Neuropathie methodisch einfach und sicher näher zu untersuchen. Bei der Aufnahme von Wasser verändert das Pflaster seine Farbe von Blau nach Pink - Ursache ist der Farbumschlag eines Kobalt-II-Salzes. In einer ersten klinischen Studie untersuchten wir bei Diabetikern mit und ohne periphere sensorische Neuropathie plantar in Höhe des Metatarsalköpfchens I/II, dem Hauptlokalisationsort für neuropathische Ulzera, den Schweißgehalt der Fußhaut mit dem Indikatorpflaster. Bei den gesunden Kontrollen war der normierte Farbumschlag bereits nach zehn Minuten abgeschlossen. Die autonome Neuropathie und die damit veränderte Schweißsekretion trat bereits bei Diabetikern ohne nachweisbare sensorische Neuropathie auf. Daher bietet das Indikatorpflaster neuropad® die Chance, die Hauptursache für das diabetische Fußsyndrom - die periphere diabetische Neuropathie - früher zu erkennen und ihren Folgen vorzubeugen.
#Summary
The indicator plaster neuropad®, using a shift in colour of a coblat-II-compound from blue to pink in the presence of water, for the first time presents the opportunity to investigate the altered perspiration of the diabetic foot as result of autonomic neuropahty by a simple and safe method. In a first clinical study we investigated the perspiration of the sole's skin of 20 diabetics with and without peripheral sensoric neuropathy at the metatarsal bones MTH I and II, the main sites of neuropathic ulcers, by using the indicator plaster. The study shows that in the group of healthy controls the standardised shift of colour was completed after ten minutes and that the altered perspiration could be identified even in those cases of diabetics without sensoric neuropathy. Thus the indicator plaster Neuropad® offers a chance of early detection of peripheral diabetic neuropathy as the major reason for the development of the diabetic foot and to prevent ist consequences.
Key Words
peripheral diabetic neuropathy - ulcers - diabetic foot - prevention - indicator plaster neuropad®
Die diabetische Neuropathie ist die Hauptursache für das diabetische Fußsyndrom [1] [2]. Bisher stand der autonome Anteil dieser Nervenstörung mit einer Änderung der plantaren Schweißsekretion aus methodischen Gründen wenig im diagnostischen und therapeutischen Interesse der Erkrankung. Eine Änderung verspricht das Indikatorpflaster neuropad®, das durch den Farbumschlag eines Kobalt-II-Salzes von Blau nach Pink die Aufnahme von Wasser oder Schweiß anzeigt.
Ziel dieser ersten klinischen Studie mit dem Indikatorpflaster war es, plantar in der Höhe des Metatarsalköpfchens I/II (MTK I/II) - wo neuropathische Ulzera klassischerweise entstehen - den Feuchtigkeitsgrad der Haut bei Kontrollpersonen und Diabetikern mit und ohne nachgewiesene periphere sensorische Neuropathie zu erfassen. Untersucht wurde auch, ob eine gestörte Schweißsekretion parallel zum Empfindungsverlust verläuft oder diesem vorangeht, wie Voruntersuchungen vermuten ließen [5].
#Patienten und Methodik
An der Studie nahmen 40 Diabetiker (21 Frauen und 19 Männer) im Alter von 30-70 Jahren teil (Durchschnittsalter: 55,5 Jahre), neun davon litten an einem Typ-I-, 31 an einem Typ-2-Diabetes. Der Diabetes bestand im Mittel seit 14,5 Jahren. Die Kontrollgruppe setzte sich aus 27 gesunden Personen (11 Frauen und 16 Männern) im Alter zwischen 22 und 63 Jahren (im Mittel: 41,5 Jahre) zusammen. Ausschlusskriterien der Untersuchung waren: chronischer Alkoholabusus, Hyper- bzw. Hypothyreose (TSH < 0,23 > 4,0 mU/ml), bekannte allergische oder ekzematöse Hauterkrankungen, periphere arterielle Durchblutungsstörungen (Dopplerdruckindex unter 1) und ein Alter unter 18 bzw. über 70 Jahren.
Eine sensorische Neuropathie im Bereich der unteren Extremität erfassten wir mit der normierten Stimmgabel, dem Semmes-Weinstein-10-g-Monofilament und dem Vibrameter (Somedic AB, Schweden). Ein pathologischer Befund lag vor, wenn zwei der drei Untersuchungsmethoden eine Neuropathie bestätigten. In Zweifelsfällen wurde zur Entscheidung ein klinischer Neuropathiescore herangezogen. Den Feuchtigkeitsgrad der plantaren Fußhaut bestimmten wir an beiden Füßen in Höhe der Metatarsalköpfchen I und II mit dem Indikatorpflaster neuropad® (Miro Verbandsstoffe GmbH, Wiehl).
Bei der Untersuchung selbst saß der Patient auf einem Stuhl und wurde aufgefordert, die Füße auf einen weiteren vor ihm stehenden Stuhl zu legen. Um Schwitzartefakte auszuschließen, ließen wir zwischen dem Ausziehen der Schuhe und Strümpfe und der Indikatormessung fünf Minuten verstreichen. Anschließend wurde mithilfe einer normierten Farbskala der Zeitraum bestimmt, bis ein kompletter Farbumschlag des Indikatorpflasters von Blau (HKS 46 K 55 %) nach Pink (HKS 17K 30 %) erfolgt war [Abb. 1].
Die statistische Auswertung der Daten übernahm dankenswerterweise der Diplommathematiker H. Geerlings vom Institut für Biometrie der Medizinischen Hochschule Hannover mittels SPSS („Statistical Packet for the Social Sciences”).
#Ergebnisse
Von den 40 untersuchten Diabetikern war die Hälfte an einer peripheren sensorischen Neuropathie erkrankt.
Zwischen dem rechten und dem linken Fuß unterschied sich der Flüssigkeitsfilm bzw. die Schweißsekretion der plantaren Fußhaut in Höhe der Metatarsalköpfchen I und II in keiner der drei Gruppen - Kontrolle, Diabetiker mit und ohne Neuropathie - signifikant. Gemessen wurde hier die mittlere Umschlagzeit des Indikatorpflasters in Sekunden. Zwischen den drei Studienarmen jedoch war ein signifikanter Unterschied zu verzeichnen [Abb. 2].
Bei 95 % der gesunden Kontrollen war der Farbumschlag des Indikatorpflasters bereits nach zehn Minuten abgeschlossen, wie die Perzentilenberechnung ergab. Laut dem Vergleich der Perzentilen der mittleren Umschlagzeiten der drei Gruppen wiesen bereits einige der Patienten, die nicht an einer sensorischen Neuropathie litten, eine gestörte Schweißsekretion auf, die als Ausdruck einer autonomen Nervenstörung zu interpretieren ist. Dies betraf - wie die Abbildung 3 belegt - sieben der 20 untersuchten Diabetiker. Nahezu alle Diabetiker mit sensorischer Neuropathie (18 von 20) zeigten trockene Füße als Ausdruck einer gestörten Schweißbildung.
#Diskussion
Bei jedem fünften Diabetiker stellen sich als Folge seiner Grundkrankheit Fußprobleme ein. Dies schlägt sich auch auf die Kosten der stationären Pflege nieder: Nahezu ein Viertel der Gesamtkosten in diesem Bereich entfallen auf die Behandlung von Fußproblemen. Allein in Deutschland werden noch immer mehr als 25000 Diabetiker pro Jahr an einer unteren Extremität amputiert - und das nicht mit fallender, sondern eher mit steigender Tendenz. Demnach muss die Vorsorge des diabetischen Fußes eines der vorrangigen Ziele einer modernen Diabetestherapie sein.
Hauptursache für das diabetische Fußsyndrom ist die periphere diabetische Neuropathie. Dem autonomen Anteil dieser Nervenstörung, die mit einer Änderung der Schweißsekretion im Bereich der Extremitäten einhergeht, wurde bisher diagnostisch und therapeutisch wenig Interesse entgegengebracht. Vor allem aus methodischen Gründen standen die sensorischen und motorischen Ausprägungen der Erkrankung im Vordergrund. Jetzt gibt es mit dem Indikatorpflaster ein Verfahren, das Diabetiker, bei denen der Hautfeuchtigkeitsfilm aufgrund der veränderten Schweißsekrektion reduziert oder verschwunden ist, schnell und einfach erfasst.
Anders als die Stimmgabel, das Tip-Therm- und das 10-g-Monofilament - die üblicherweise zur Diagnostik der peripheren diabetischen Neuropathie eingesetzt werden - ist das Indikatorpflaster kein wahrnehmungsphysiologisches Testverfahren und bedarf daher nicht der Mitarbeit des Patienten. Auch der Untersucher kann das Ergebnis des neuen Testsystems nicht beeinflussen. Dies sind Vorteile, die das Indikatorpflaster auch für die neuen Disease-Management-Programme empfehlen, die objektive, neutral überprüfbare Qualitätsstandards in der Diagnostik und Therapie für das diabetische Fußsyndrom fordern.
Bei den gesunden Probanden lag die 95 %-Perzentile des kompletten Farbwechsels des Indikatorpflasters von Blau nach Pink im plantaren Fußbereich in Höhe der Metatarsalköpfchen I/II bei zehn Minuten. Werden bei Diabetikern längere Farbumschlagzeiten gemessen, ist deshalb von einer autonomen Neuropathie auszugehen - wenn andere Ursachen der Hauttrockenheit ausgeschlossen sind. Die Ausprägung der Neuropathie orientiert sich dabei an der Reaktionszeit im Vergleich zum Kontrollkollektiv (zehn Minuten). Ist der Farbumschlag des Pflasters erst deutlich später abgeschlossen, sollten die Diabetiker zur Prävention eines diabetischen Fußsyndroms deshalb konsequent mit Feuchtigkeit rückführenden Schäumen oder Cremes behandelt werden.
Dass sieben von 20 Diabetikern auch ohne den Nachweis einer peripheren sensorischen Neuropathie bereits eine Störung der Schweißsekretion aufweisen, spricht dafür, dass sich die autonome Neuropathie am Fuß vor der Empfindungsstörung entwickelt. Damit ist es mithilfe des Indikatorpflasters möglich, gefährdete Diabetiker früher als mit den bislang gängigen Verfahren zu erkennen und gezielten Präventionsmaßnahmen zuzuführen.
Risse [3] wies darauf hin, dass sich bei vielen Diabetikern mit einer peripheren sensorischen Neuropathie die Wahrnehmung ihres Körpergefühls verändert. Insbesondere ihre Füße empfinden sie als „nicht zum Körper gehörig”. Dies erklärt, warum Diabetiker mit Neuropathie auch mit schwersten Fußläsionen häufig erst sehr spät ihren Arzt aufsuchen. Ergebnisse von Testverfahren, die sich am Empfinden orientieren, beziehen viele Diabetiker nicht auf sich. Sie dienen ihnen deshalb nicht als Grundlage einer angestrebten Verhaltensänderung. Möglicherweise ist dies der Grund, warum in Deutschland trotz intensiver Schulungsbemühungen noch immer so viele Fußamputationen nötig sind.
Ähnlich wie die Teststreifen, mit denen viele Diabetiker regelmäßig ihren Blutzuckerspiegel kontrollieren, ist das Indikatorpflaster dagegen ein visuelles System. Unsere bisherigen klinischen Erfahrungen haben gezeigt, dass die Patienten das Vertrauen, das sie auch in die farbigen Blutzuckerteststreifen setzen, auch auf das neuropad® übertragen und damit ihren Fußproblemen eine größere Bedeutung zumessen.

Abb. 1 Bei Gesunden dauert es etwa zehn Minuten, bis sich das Pflaster vollständig verfärbt hat. Dauert dieser Prozess länger, ist dies Ausdruck einer peripheren Neuropathie

Abb. 2 Die Farbumschlagzeiten unterscheiden sich zwischen allen drei Studienarmen (Diabetiker mit und ohne Neuropathie, Gesunde) signifikant

Abb. 3 Auch bei einigen Diabetikern, die noch keine sensorischen Zeichen einer Neuropathie zeigen, überschritten die Farbumschlagzeiten den kritischen Schwellenwert von zehn Minuten. Dies weist darauf hin, dass sich die autonome Neuropathie vor der Empfindungsstörung entwickelt
Literatur
- 1 Chantelau E, Kleinefeld H, Paetow P. Das Syndrom des diabetischen Fußes. Diabet Stoffw. 1992; 1 18-23
- 2 Neely MC, Boyko EJ, Ahroni JH. The independent contributions of diabetic neuropathy and vasculopathy in foot ulceration. Diabet Care. 1995; 18 216-219
- 3 Risse A. Die Bedeutung der Phänomenologie in der Behandlung des diabetischen Fuß-Syndroms. In: Chantelau E (Hrsg). Amputation? - Nein Danke! (1. Auflage). Mainz: Kirchheim. 1995; 161-176
- 4 Scherbaum WA. et al. . Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle der sensomotorischen diabetischen Neuropathie. In: Scherbaum WA (Hrsg). Evidenzbasierte Diabetes-Leitlinien DDG (1.Auflage). Köln. 2000; 30-31
- 5 Zick R, Hilling A. et al. . Untersuchungen zur Hauttrockenheit beim diabetischen Fußsyndrom. Z Allg Med. 1999; 240-243
Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. Reinhard Zick
Chefarzt der Medizinische Klinik, Fachbereich Gastroenterologie, Endokrinologie und
Diabetologie
St. Bonifatius Hospital
Wilhelmstr. 13
49808 Lingen
Literatur
- 1 Chantelau E, Kleinefeld H, Paetow P. Das Syndrom des diabetischen Fußes. Diabet Stoffw. 1992; 1 18-23
- 2 Neely MC, Boyko EJ, Ahroni JH. The independent contributions of diabetic neuropathy and vasculopathy in foot ulceration. Diabet Care. 1995; 18 216-219
- 3 Risse A. Die Bedeutung der Phänomenologie in der Behandlung des diabetischen Fuß-Syndroms. In: Chantelau E (Hrsg). Amputation? - Nein Danke! (1. Auflage). Mainz: Kirchheim. 1995; 161-176
- 4 Scherbaum WA. et al. . Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle der sensomotorischen diabetischen Neuropathie. In: Scherbaum WA (Hrsg). Evidenzbasierte Diabetes-Leitlinien DDG (1.Auflage). Köln. 2000; 30-31
- 5 Zick R, Hilling A. et al. . Untersuchungen zur Hauttrockenheit beim diabetischen Fußsyndrom. Z Allg Med. 1999; 240-243
Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. Reinhard Zick
Chefarzt der Medizinische Klinik, Fachbereich Gastroenterologie, Endokrinologie und
Diabetologie
St. Bonifatius Hospital
Wilhelmstr. 13
49808 Lingen

Abb. 1 Bei Gesunden dauert es etwa zehn Minuten, bis sich das Pflaster vollständig verfärbt hat. Dauert dieser Prozess länger, ist dies Ausdruck einer peripheren Neuropathie

Abb. 2 Die Farbumschlagzeiten unterscheiden sich zwischen allen drei Studienarmen (Diabetiker mit und ohne Neuropathie, Gesunde) signifikant

Abb. 3 Auch bei einigen Diabetikern, die noch keine sensorischen Zeichen einer Neuropathie zeigen, überschritten die Farbumschlagzeiten den kritischen Schwellenwert von zehn Minuten. Dies weist darauf hin, dass sich die autonome Neuropathie vor der Empfindungsstörung entwickelt