Die Einführung des DRG- (Diagnosis Related Groups) Systems als durchgängiges, leistungsorientiertes
und pauschaliertes Vergütungssystem nach australischem Vorbild, zwingt die Krankenhausträger,
mehr als bisher, medizinische Zielvorgaben ökonomischen Überlegungen unterzuordnen.
Nach der Entscheidung von Bundestag und Bundesrat wird das System flächendeckend eingeführt
und zwar in mehreren Stufen ab 2003 bis 2007. Zum 1. Januar 2007 sollen die Leistungen
aller Krankenhäuser grundsätzlich gleich vergütet werden (Festpreise). Es stehen im
Mittelpunkt der Ausgabensteuerung nicht mehr Budgetabschlüsse, sondern die Preishöhe
(Basisfallwert) und die regelmäßige Überprüfung und Fortschreibung der Leistungskalkulationen
(Bewertungsregulationen). Damit wird sich der wirtschaftliche Druck auf die Krankenhäuser
erhöhen, was nicht ohne Auswirkung auch auf den Massenanfall von Patienten und den
Katastrophenfall bleiben wird. Mit der Einführung der DRGs wird die Philosophie der
Daseinsfürsorge und die damit verbundene Wertvorstellung aufgegeben, was in der Unterstellung
gipfeln könnte, „Wettbewerb statt Daseinsfürsorge”.
Leistungen den tatsächlichen Anforderungen anpassen
Leistungen den tatsächlichen Anforderungen anpassen
Mit Einführung des leistungsorientierten Vergütungssystems, das für eine bestimmte
Behandlung unter einer bestimmten Diagnose eine für alle Krankenhäuser pauschale Vergütung
vorsieht, sollen die Leistungskapazitäten den tatsächlichen Anforderungen angepasst
werden. Krankenhäuser können zukünftig nur dann profitieren, wenn sie Patienten schnell
entlassen, was den Patientendurchgang erhöhen wird. Dies wird zwangsläufig zu einem
Abbau der Krankenhausbetten führen.
Mit Wegfall der Ost-West-Bedrohung wurden deutliche Kürzungen im Katastrophenschutz
vorgenommen. So fielen 70000 Pflegebetten in Hilfskrankenhäusern ebenso dem Rotstift
zum Opfer, wie die Bevorratung von Sanitätsmitteln und Medikamentenvorhaltungen. Damit
wird eine angemessene klinische Weiterversorgung vieler Betroffener unter Nutzung
der präklinischen Versorgung durch Notärzte im Katastrophenfall in Frage gestellt.
Präklinische Versorgung nicht gewährleistet
Präklinische Versorgung nicht gewährleistet
Die Einführung der DRG-Fallpauschalen in den Krankenhäusern wird weitestgehend ohne
Berücksichtigung der präklinischen Versorgung im Bereich des Rettungsdienstes durchgeführt.
Die Tatsache, dass in weiten Bereichen Deutschlands der Notarzt des Rettungsdienstes
durch das ärztliche Personal der örtlichen Krankenhäuser gestellt wird, bleibt bei
der Auseinandersetzung über die Auswirkung dieses Abrechnungssystems, eben auf diese
Krankenhäuser, offenbar unberücksichtigt. Es ist zu befürchten, dass es in Zukunft
nicht mehr zum Selbstverständnis der Krankenhäuser zählen wird, die prästationäre
Notfallversorgung zu gewährleisten, insbesondere um die damit verbundenen Kosten zu
vermeiden. In den bisher getroffenen Vereinbarungen über Regelungen für Zu- und Abschläge
gemäß § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) findet sich keinerlei Anreiz zur
Entsendung von Notärzten für die prästationäre Notfallversorgung. Damit werden auch
qualifizierte (Krankenhaus-) Notärzte für den Einsatz im Katastrophenfall nicht mehr
zur Verfügung stehen. Das KHG sieht vor, dass die Beteiligung von Krankenhäusern an
der Notfallversorgung separat über einen noch nicht festgelegten Zu- bzw. Abschlagsmechanismus
zu vergüten ist.
Die Übernahme des Notarztdienstes durch Krankenhausärzte im Rahmen der Regelversorgung
wird nicht mehr möglich sein, da die DRGs hierfür keinen Raum lassen. Sofern Krankenhäuser
diese Aufgabe übernehmen wollen, bedarf es eines gesonderten Vergütungssystems, oder
der Aufnahme der notärztlichen Tätigkeit in die DRGs. Zur Aufnahme von Schwerkranken
muss eine Verpflichtung in die Krankenhausgesetze aufgenommen werden, für die es gleichfalls
einer gesonderten Vergütung bedarf, um sie zu realisieren. Die Übernahme von Aufgaben
der integrierten Versorgung durch Bereitstellung von Notärzten aus dem Krankenhaus
für die prästationäre Notfallversorgung muss als Zuschlagstatbestand definiert und
vereinbart werden.
Zwingung zur Leistungskonzentration
Zwingung zur Leistungskonzentration
Durch die Zwingung zur Leistungskonzentration sind in Bayern seit 1990 insgesamt bereits
22 Krankenhäuser aus dem Krankenhausplan des Freistaates ausgeschieden und stehen
damit auch nicht mehr für die Akutversorgung zur Verfügung. In Baden-Württemberg wurden
in den vergangenen Jahren insgesamt 4500 Betten gestrichen. Kleinere Krankenhäuser
weisen überwiegend eine geringere Behandlungsfrequenz pro Indikation auf. Dies führt
zwangsläufig zur Schließung von Abteilungen oder ganzer Krankenhäuser.
Durch die erzwungenen Einsparungen im stationären Bereich stehen im Katastrophenfall
keine Reserven zur Verfügung. Die Theorie, die notwendigen Betten für die Akutversorgung
durch sofortige Entlassung von Patienten in der Regelversorgung freizumachen, kann
bei den durch die DRG erzwungenen minimalen Liegezeiten nicht funktionieren. Bei Bezahlung
nach Pauschalen werden die Patienten so schnell wie möglich entlassen. Reserven durch
Lazarette des Sanitätsdienstes der Bundeswehr stehen im Inland ebenfalls nicht zur
Verfügung.
Schnittstelle Rettungsdienst-Krankenhaus ist gefährdet
Schnittstelle Rettungsdienst-Krankenhaus ist gefährdet
Aus der Sicht der Katastrophen- und Notfallmedizin kann deshalb nur eindringlich davor
gewarnt werden, durch überschießende Kosteneinsparungen im Bereich der stationären
Versorgung, die Schnittstelle zwischen Rettungsdienst und Krankenhaus, weiter zu gefährden.
Nachdem die Akutversorgung von Schwerverletzten und -erkrankten eine zeitkritische
Maßnahme darstellt, muss auch in Zukunft eine zeitnahe adäquate Versorgung garantiert
sein. Der Zwang zur Rationalisierung führt inzwischen auch zu einem Abbau der Personalressourcen,
was sich auch auf das Versorgungspotential im Katastrophenfall niederschlagen wird.
Politische Entscheidungsträger werden aufgefordert bei den geplanten Einsparungen
im Gesundheitswesen gemeinsam mit Fachleuten nach Konzepten für einen effektiven Katastrophenschutz
zu suchen. Dazu gehören neben Reservebetten auch die Vorbereitung des erforderlichen
Personals, nachdem inzwischen auch das Schwesternhelferinnen-Programm des Bundes nicht
mehr existiert, aber auch eine Notfallbevorratung von Material und Medikamenten nicht
verfügbar ist. Wie die jüngste Vergangenheit gezeigt hat, wird auch Deutschland zukünftig
nicht von eventuellen Katastrophen verschont bleiben, auf die eine Vorbereitung unbedingt
erforderlich ist.