In Deutschland erkranken pro Jahr 46000-50000 Frauen am Mammakarzinom. Bei insgesamt steigender Inzidenz in den westlichen Industrienationen muss etwa jede zehnte Frau im Laufe ihres Lebens mit einer Mammakarzinomerkrankung rechnen. Grundsätzlich gilt das Alter als wichtigster Risikofaktor: So liegt das mittlere Erkrankungsalter bei 62-63 Jahren, und 60 % der Patientinnen sind über 60 Jahre alt. Bei jüngeren Frauen - etwa zwischen 35 und 55 Jahren - steht das Mammakarzinom an erster Stelle der Todesursachen.
Betrachtet man allein den Metastasierungstyp, dann wird klar, dass die Brustkrebserkrankung eine durchaus heterogene Erkrankung darstellt. Während die mediane Überlebenszeit bei ausschließlicher Knochenmetastasierung über 30 Monate liegt, so werden bei Miteinbeziehung von Lunge und Leber Überlebenszeiten berichtet, die deutlich unter 20 Monaten liegen.
Zu den prognostisch wichtigen Parametern gehören Tumorgrading und krankheitsfreies Intervall, während der HER/2-neu- und der Hormonrezeptorstatus zusätzlich zu ihrer prognostischen Bedeutung als prädiktive Parameter gewertet werden und damit auch eine Voraussage über das therapeutische Ansprechen zulassen: Einerseits ist ein positiver Hormonrezeptorstatus mit einer überwiegend günstigeren Prognose verbunden [8], zum anderen weist er aber auch auf die endokrine Beeinflussbarkeit des Tumors hin.
Die Sensitivität des Mammakarzinoms hinsichtlich endokriner Therapieansätze gründet sich auf den Nachweis eines positiven Hormonrezeptorstatus, der etwa bei zwei Drittel aller Mammakarzinompatientinnen gefunden wird [16]. Bei Positivität des Östrogen- oder Progesteronrezeptors können Remissionsraten von 30 bzw. 40 % erwartet werden. Diese Wahrscheinlichkeit steigt auf 70 %, wenn Östrogen- und Progesteronrezeptoren gleichzeitig exprimiert werden [27].
Etwa 30-50 % der rezeptorpositiven Mammakarzinome sprechen jedoch nicht auf eine endokrine Therapie an. Dies kann am ehesten dadurch erklärt werden, dass autokrine oder parakrine Stoffwechselwege eine östrogenunabhängige Regulation des Tumorwachstums ermöglichen.
Östrogenrezeptor-Status und Genexpression
Östrogenrezeptor-Status und Genexpression
Östrogene wirken als Regulatoren von Wachstum und Differenzierung des Brustdrüsengewebes. Entsprechend beeinflussen sie auch die Genexpression. Mithilfe der cDNA-Microarray-Technologie kann die Genexpression tausender Gene in einem Parallelansatz untersucht werden [31]. Unter Einsatz von artifiziellen neuronalen Netzwerken und Cluster-Analysen konnten Gene identifiziert werden, die einen positiven Östrogenrezeptorstatus mit hoher Sicherheit vorhersagen [11]. Diese Analysen zeigen, dass das genetische Profil endokrin sensitiver und nichtsensitiver Mammakarzinome deutlich voneinander unterschieden ist und man es entsprechend mit distinkten Krankheitsentitäten zu tun hat.
Da nur wenige dieser diskriminierenden Gene durch Östrogen selbst reguliert werden, liegt nahe, dass das unterschiedliche Genprofil nicht allein eine Folge der Östrogenwirkung ist, sondern die unterschiedliche Evolution der Tumorzellen widerspiegelt. Die zugrunde liegenden Mechanismen, die für die verschiedenen Muster der Genexpression verantwortlich sind, bleiben zunächst unklar. Diskutiert wird die Entwicklung aus unterschiedlichen epithelialen Zellpopulationen, zum anderen kann es sich um einen Vorgang der Entdifferenzierung handeln, der von einem östrogenrezeptorpositiven zu einem rezeptornegativen Status führt.
Der Hormonrezeptorstatus weist also nicht nur auf die endokrine Sensitivität des Tumors hin, er kann auch als Indikator der Tumorbiologie bzw. der Tumorgenese interpretiert werden.
Hemmung der Ovarialfunktion
Hemmung der Ovarialfunktion
Historisch gesehen, ist die Hemmung der Ovarialfunktion die erste endokrine Maßnahme, die in der palliativen Behandlung prämenopausaler Frauen mit metastasiertem Mammakarzinom eingesetzt wurde. Durch Einsatz von GnRH-Analoga („gonadotropin releasing hormone”) ist eine medikamentöse und damit reversible Hemmung der Ovarialfunktion möglich, die in ihrer therapeutischen Effektivität der Ovarektomie nicht nachsteht [30]. Innerhalb von drei bis vier Wochen können die Östrogenspiegel unter den postmenopausalen Level abgesenkt werden.
Die Kombination von GnRH-Analoga mit Tamoxifen wurde in einer Metaanalyse von vier randomisierten Studien mit einer alleinigen GnRH-Behandlung verglichen. Dabei zeigte sich eine deutliche Überlegenheit der Kombination bezüglich Ansprechrate (39 versus 30 %) und Sterberisiko (Hazard Ratio 0,70) [15]. Einschränkend wird darauf hingewiesen, dass in drei von vier Studien der formale Vergleich der Kombination mit dem sequenziellen Einsatz von GnRH-Analoga und Tamoxifen fehlt. Entsprechend gehört der kombinierte (oder sequenzielle) Einsatz von GnRH-Analoga und Tamoxifen gegenwärtig zur etablierten Erstlinientherapie prämenopausaler Frauen mit endokrin-sensitiver metastasierter Erkrankung [Abb. 1].
Östrogenrezeptor-Modulatoren
Östrogenrezeptor-Modulatoren
Tamoxifen gehört zu der Gruppe der selektiven Östrogenrezeptor-Modulatoren (SERM) und befindet sich seit etwa 30 Jahren im klinischen Einsatz. Bei östrogenrezeptorpositiven Tumoren kann eine Remissionsrate von 50-60 % sowie eine mediane Ansprechdauer von 12-18 Monaten erwartet werden. Eine sekundäre Tamoxifenresistenz entwickelt sich bei nahezu allen der primär sensitiven Tumoren. Nachgeschaltete endokrine Behandlungsansätze sind dann bei 30-40 % dieser Patientinnen hilfreich.
Bei einer Halbwertszeit von sieben Tagen werden Steady-state-Plasmasspiegel nach etwa einem Monat erreicht. Die empfohlene Tagesdosis liegt bei 20 mg pro Tag, und höhere Dosen führen nicht zu einer Wirkungsverstärkung. Tamoxifen bindet an den Östrogenrezeptor und entfaltet - je nach Zielgewebe - eine gemischte agonistische/antagonistische Wirkung. Während im Brustgewebe der antagonistische Effekt überwiegt, so wird am Knochen, aber auch im Endometrium, eine überwiegend agonistische Wirkung beobachtet.
Bei bis zu 13 % der Patientinnen induziert Tamoxifen innerhalb der ersten drei Behandlungswochen transiente „flare Reaktionen”, die mit einer deutlichen Steigerung von Knochenschmerzen sowie einer Zunahme der Tumormanifestationen einhergehen. Insbesondere solche Patientinnen, die auf Tamoxifen initial ansprachen, können bei Tamoxifenentzug ein erneutes, auch längerfristiges (über sechs Monate) Ansprechen der Tumormanifestationen erleben.
Diese Beobachtung kann durch die Wegnahme der agonistischen Wirkung von Tamoxifen am Tumorgewebe erklärt werden. Der therapeutische Einsatz des Tamoxifenentzugs kann insbesondere dann erwogen werden, wenn die Tumorerkrankung sich zum Zeitpunkt der Progression als wenig symptomatisch darstellt.
Tamoxifen ist bei prä- und postmenopausalen Frauen wirksam und gehört zu den etablierten Medikamenten einer endokrinen Erstlinientherapie. Unter den neueren SERMs hat Toremifen in randomisierten Studien ein vergleichbares Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil wie Tamoxifen gezeigt [28]. Aufgrund der Kreuzresistenz beider Substanzen ergibt sich bei einer Tamoxifenresistenz keine Indikation für den Einsatz von Toremifen. Raloxifen, ein weiteres SERM, zeigt eine geringere agonistische Wirkung am Endometrium, ist aber für das metastasierte Mammakarzinom nicht ausreichend getestet worden und daher nur für die Behandlung der Osteoporose zugelassen.
Fulvestrant
Fulvestrant
Fulvestrant ist ein neues Steroidmolekül, das an den Östrogenrezeptor bindet, dessen Dimerisation blockiert und letztendlich zu einer Downregulation der Rezeptorexpression führt. Das Medikament hemmt die Funktion des Östrogenrezeptors noch vor der Koaktivatorbindung und wirkt entsprechend als reines Antiöstrogen. Da Resistenzen, die durch eine agonistische Wirkung am Östrogenrezeptor entstehen, auf diese Weise umgangen werden, wird verständlich, dass Fulvestrant auch nach der Entwicklung einer Tamoxifenresistenz noch wirksam sein kann [23]. Fulvestrant wird monatlich in einer Dosis von 250 mg intramuskulär verabreicht.
Zwei randomisierte Studien, die bei tamoxifenresistenten postmenopausalen Patientinnen durchgeführt wurden, verglichen Fulvestrant mit dem Aromataseinhibitor Anastrozol (1 mg p.o.) (12, 24). Analysiert man beide Studien zusammen, so konnte bei insgesamt 851 Patientinnen gezeigt werden, dass Fulvestrant bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 22,1 Monaten im Vergleich zu Anastrozol eine mindestens gleich hohe Ansprechrate (19,6 versus 17,3 %), sowie eine im Trend längere Remissionsdauer (16,7 versus 13,6 Monate) zeigte [Tab. 1]. Aus diesen Daten kann geschlossen werden, dass eine antiöstrogenbasierte Behandlung mit Fulvestrant auch nach Versagen einer Tamoxifentherapie effektiv ist und dem Anastrozol vergleichbar eine Tumorstabilisierungsrate (komplette sowie partielle Remission und stabile Erkrankung) von etwa 40 % erreichen kann [26]. Fulvestrant ist gegenwärtig in den USA für rezeptorpositive Patientinnen zugelassen, die unter einer primären antiöstrogenen Therapie progredient wurden.
Aromatasehemmer (AI)
Aromatasehemmer (AI)
Als Nachfolgesubstanzen des eher unselektiv wirkenden Aminogluthetimids wurden die selektiven Aromatasehemmer der dritten Generation - Anastrozol, Letrozol und Exemestan - entwickelt. Während Anastrozol und Letrozol als nichtsteroidale Aromatasehemmer eine reversible Bindung mit dem Hämanteil der Aromatase eingehen, so ist Exemestan ein steroidaler Aromatasehemmer, der irreversibel an die aktive Bindungsstelle des Enzyms bindet und dadurch die Konversion von Androgenen zu Östrogen blockiert.
In der Erstlinientherapie
Anastrozol (1 mg) wurde in zwei randomisierten Studien bei postmenopausalen Patientinnen mit Tamoxifen (20 mg) verglichen [1]
[22]. Die Patientinnen waren entweder östrogen- oder progesteronrezeptorpositiv oder hatten einen unbekannten Hormonrezeptorstatus. Die kombinierte Analyse beider Studien zeigte keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich der Ansprechrate (29 versus 27,1 %), der Zeit bis zur Tumorprogression (8,5 versus 7 Monate) und des klinischen Nutzens (57,1 versus 52 %) [2].
In einer weiteren Studie wurden nur rezeptorpositive Patientinnen eingeschlossen [19]. Während die Ansprechrate für Anastrozol und Tamoxifen vergleichbar war (34 versus 27 %), so war in der Anastrozol-Gruppe der klinische Nutzen signifikant höher (82 versus 55 %, p < 0,05) und die Zeit bis zur Tumorprogression signifikant länger (12,3 versus 5,3 Monate, p < 0,05). Nach einer Nachbeobachtungszeit von 35 Monaten überlebten 39 % der mit Anastrozol und 8 % der mit Tamoxifen behandelten Patientinnen.
Die Effektivität von Letrozol in der Erstlinientherapie wurde gleichfalls in einer randomisierten Studie gegen Tamoxifen getestet [21]. Auch hier wurden postmenopausale Patientinnen mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Mammakarzinom eingeschlossen, die entweder rezeptorpositiv waren oder einen unbekannten Rezeptorstatus aufwiesen. Letrozol induzierte eine signifikant höhere Ansprechrate (30 versus 20 %, p = 0,0006), einen höheren klinischen Nutzen (49 versus 38 %, p = 0,001) sowie eine signifikant längere Zeit bis zur Tumorprogression (41 versus 26 Wochen, p = 0,0001).
Die Daten einer randomisierten Phase-III-Studie zum Vergleich von Exemestan und Tamoxifen liegen gegenwärtig noch nicht vor.
Damit stehen mit Anastrozol und Letrozol für die Erstlinientherapie rezeptorpositiver postmenopausaler Patientinnen zwei Behandlungsalternativen zur Verfügung, die einer Tamoxifentherapie mindestens ebenbürtig sind [Tab. 2].
In der Zweitlinientherapie
Historisch gesehen, wurden Aromatasehemmer jedoch zuerst in der endokrinen Zweitlinientherapie gegen das Progestin Megestrolacetat getestet und zeigten dort eine äquivalente oder überlegene Wirksamkeit, die sich nicht nur auf Knochen- oder Weichteil-, sondern auch auf Organmetastasen erstreckte.
Zwei randomisierte Studien, in denen die Aktivität von Anastrozol (1 oder 10 mg) mit Megestrolacetat (4 x 40 mg) verglichen wurde, wurden bei tamoxifenrefraktären Mammakarzinompatientinnen durchgeführt [3]
[13]. Eine zusammenfassende Analyse beider Studien zeigte keinen Unterschied in Ansprechraten und krankheitsfreiem Überleben. Allerdings erwies sich Anastrozol (1 mg) im Vergleich zu Megestrolacetat hinsichtlich des Gesamtüberlebens (26,7 versus 22,5 Monate, p = 0,02) und des Zwei-Jahres-Überlebens (56 versus 46 %) als deutlich überlegen [4].
Zwei weitere randomisierte Studien untersuchten Letrozol (0,5 oder 2,5 mg) im Vergleich zu Megestat (160 mg). Die in Europa durchgeführte Studie zeigte eine signifikant überlegene Ansprechrate für Letrozol 2,5 mg im Vergleich zu Letrozol 0,5 mg oder Megestat (24 versus 13 versus 16 %), wohingegen sich für eine Verlängerung des medianen Überlebens nur ein Trend ergab [7]. In einer identisch konzipierten amerikanische Studie wurden zwischen den drei Behandlungsarmen keine Unterschiede in Ansprechrate und Überlebenszeit gefunden [5].
Der Vergleich von Exemestan (25 mg) und Megestat wurde in einer randomisierten Studie vollzogen und zeigte bei vergleichbaren Ansprechraten eine Überlegenheit des Aromatasehemmers hinsichtlich des medianen Überlebens und der Zeit bis zur Tumorprogression (5,1 versus 4,1 Monate, p = 0,037) [14].
Klinischer Vergleich von Anastrozol und Letrozol
Die Aromatasehemmer der dritten Generation weisen zum Teil erhebliche Unterschiede auf, deren langfristige klinische Relevanz aber weitgehend unklar ist. Im Vergleich zu Anastrozol erscheint Letrozol als der potentere Aromataseinhibitor und führt zu einer deutlicheren Suppression der Östrogensynthese [10]. Angesichts unterschiedlicher Halbwertszeiten benötigen Anastrozol und Exemestan sieben Tage, Letrozol aber 60 Tage bis Steady-state-Plasmaspiegel erreicht werden [6].
Androgene Nebenwirkungen wurden bisher nur für Exemestan berichtet, während eine Beeinflussung des Lipidstoffwechsels für Letrozol und Exemestan, nicht aber für Anastrozol nachgewiesen wurde. Allen Aromatasehemmern gemeinsam sind jedoch muskuloskelettale Nebenwirkungen sowie die Begünstigung einer Osteoporoseentwicklung.
Gegenwärtig liegt die vorläufige Auswertung einer großen (n = 713) randomisierten Studie vor, die Anastrozol und Letrozol in der Zweitlinientherapie bei postmenopausalen Patientinnen untersucht ([Tab. 4], [29]). Die Aussagefähigkeit dieser Studie wird allerdings eingeschränkt durch die Tatsache, dass nur bei 48 % der Patientinnen eine rezeptorpositive Erkrankung vorlag. Kein Unterschied ergab sich bezüglich der Zeit bis zur Tumorprogression, die als primärer Studienendpunkt untersucht wurde. Während die Remissionsrate unter der Letrozol-Behandlung höher lag (19,1 versus 12,3 %, p = 0,014), so war der klinische Nutzen in beiden Behandlungsarmen vergleichbar (27 versus 23 %, p = 0,218).
Sequenzieller Einsatz
Die Daten zu einem sequenziellen Einsatz von nichtsteroidalen und steroidalen Aromataseinhibitoren reichen nicht aus, um klare Empfehlungen zu formulieren. Jedoch existieren Hinweise dafür, dass die Gabe eines steroidalen Aromatasehemmers (Exemestan) bei den Patientinnen, deren Tumor unter einem nichtsteroidalen Aromatasehemmer progrediert, noch einmal in etwa 10-20 % der Fälle zu Remissionen führen kann [18].
Bei prämenopausalen Patientinnen
Während Aromataseinhibitoren derzeit nur für postmenopausale Patientinnen zugelassen sind, so wird ihr Einsatz in Kombination mit GnRH-Analoga auch beim prämenopausalen Mammakarzinom diskutiert. Erste Phase-II-Studien weisen auf die Effektivität dieser Kombinationen in der Second-line-Therapie hin. Zudem gibt es aus einer randomisierten Studie zur First-line-Therapie prämenopausaler Patientinnen Hinweise für die Überlegenheit von Anastrozol plus GnRH-Analogon im randomisierten Vergleich zu Tamoxifen plus GnRH-Analogon hinsichtlich Ansprechrate (80 versus 53 %) und Überleben (18,9 versus 14,3 Monate) [20]. Die bisher vorliegenden Daten reichen allerdings nicht aus, um daraus definitive Empfehlungen abzuleiten.
Kombinationstherapie
Für die Kombination von Aromatasehemmern und Tamoxifen in der palliativen Therapie liegen bisher keine Daten vor. Die Ergebnisse einer adjuvanten Therapiestudie (ATAC[1]-Studie) weisen jedoch auf die deutliche Unterlegenheit der Kombination im Vergleich zur alleinigen Anastrozol-Behandlung hin. Der kombinierte Einsatz von Tamoxifen und Aromatasehemmern sollte daher vermieden werden.
Fazit
Die drei Aromatasehemmer, Anastrozol, Letrozol und Exemestan zeigen eine vergleichbare Effektivität und können als neuer Standard in der Behandlung des rezeptorpositiven, tamoxifenrefraktären Mammakarzinoms bei postmenopausalen Patientinnen betrachtet werden [Abb 1].
Gestagene
Gestagene
Substanzen wie Megestrolacetat oder Medroxyprogesteronacetat gehören weiterhin zum Armamentarium der endokrinen Therapie. Ihr konkreter Nutzen in einer endokrinen Dritt- oder Viertlinientherapie wird aber als vergleichsweise niedrig eingeschätzt.
HER-2/neu-Überexpression
HER-2/neu-Überexpression
Es gibt Hinweise dafür, dass die Signaltransduktionswege über den Östrogenrezeptor und den HER-2/neu-Wachstumsfaktorrezeptor miteinander interagieren: Einerseits führt die Östrogenbehandlung zu einer Down-Regulation des HER-2/neu-Genproduktes, andererseits kann die Ligandenbindung an den Her-2/neu-Wachstumsfaktorrezeptor die Expression des Östrogenrezeptors reduzieren.
Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass die Gruppe der östrogen- bzw. progesteronrezeptorpositiven Patientinnen mit gleichzeitiger HER-2-Überexpression eher klein ist. Beachtenswert erscheint dennoch der Befund, dass eine adjuvante Behandlung mit Tamoxifen bei hohen Östrogenrezeptor-Koaktivator-Werten und gleichzeitiger HER-2/neu-Überexpression zu einem deutlich kürzeren krankheitsfreien Intervall führte als bei Patientinnen, die kein Tamoxifen erhielten. Möglicherweise überwiegt bei einer HER-2/neu-Überexpression und ausreichend hohen Koaktivatorkonzentrationen die agonistische und damit unerwünschte Wirkung von Tamoxifen [24].
Während einige retrospektive Analysen auf die geringere Effektivität von Tamoxifen bei HER-2/neu-überexprimiernenden Patientinnen hinwiesen, so wurden diese Daten durch andere Studien nicht bestätigt. Bei 719 rezeptorpositiven Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom (n = 719) konnte gezeigt werden, dass ein erhöhter Serum-Her-2/neu-Spiegel mit einer deutlich niedrigeren Ansprechrate (komplette und partielle Remission plus stabile Erkrankung) auf eine Hormontherapie mit Megestrolacetat oder Aromataseinhibitoren verbunden war (23 versus 45 %, p < 0,0001) als bei Patientinnen mit niedrigen Serumspiegeln [17]. Aus einer randomisierten Studie zur neoadjuvanten Therapie geht hervor, dass Letrozol bei HER-2/neu-positiven Patientinnen eine signifikant höhere Ansprechrate induzierte als Tamoxifen (60 versus 41 %, p = 0,004) [9].
Wenngleich die genannten Studien keine abschließend gültige Schlussfolgerung zulassen, so wird doch deutlich, dass HER-2/neu- überexprimierende Mammakarzinome auf eine endokrine Behandlung ansprechen können - möglicherweise aber mit einer niedrigeren Ansprechrate und kürzerer Remissionsdauer.
Endokrine Sequenztherapie
Endokrine Sequenztherapie
Bei prämenopausalen Frauen
In der endokrinen Erstlinientherapie hat sich die Kombination (oder sequenzielle Gabe) von GnRH-Analoga und Tamoxifen bewährt. Eine Zweitlinientherapie mit Aromataseinhibitoren plus GnRH-Analoga scheint sinnvoll, wird aber noch nicht durch eine breite Datenbasis unterstützt. Der Einsatz von Gestagenen ist bei zu erwartend niedriger Effektivität der Drittlinientherapie vorbehalten.
Bei postmenopausalen Frauen
Die gegenwärtige Datenlage unterstützt sowohl die Behandlungssequenzen von Tamoxifen über Aromatasehemmer zum Gestagen als auch die Sequenz vom Aromataseinhibitor über Tamoxifen zum Gestagen. Der sequenzielle Einsatz von nichtsteroidalen und steroidalen Aromatasehemmern ermöglicht bei einigen Patientinnen eine erneute Krankheitsstabilisierung. Fulvestrant hat sich auch nach Progression unter Tamoxifen noch als effektiv erwiesen und stellt damit in Zukunft eine vierte Ebene der endokrinen Therapie dar.
Abb. 1
Tab. 1 Endokrine Second-line-Therapie: Fulvestrant und Anastrozol im Vergleich
|
Fulvestrant
|
Anastrozol
|
Signifikanz
|
Zeit bis zur Progression (TTP) (Monate)
|
5,4
|
4,1
|
ns
|
Ansprechrate (CR + PR) ( %)
|
19,6
|
17,3
|
ns
|
CR + PR + SD ≥ 4 Wochen
|
43,7
|
41,1
|
ns
|
CR = komplette Remission; PR = Teilremission; SD = stabile Erkrankung; ns = nicht signifikant
Gemeinsame Analysen zweier unabhängiger Studien nach [12]
[24]
|
Tab. 2 Endokrine Erstlinientherapie: Aromatasehemmer und Tamoxifen im Vergleich
Autor (Referenz)
|
Nabholtz [22]
|
Bonneterre [2]
|
Milla-Santos [19]
|
Mouridsen [21]
|
Patientenzahl
|
353
|
668
|
238
|
907
|
ER+/PR+ ( %)
|
89
|
45
|
100
|
66
|
endokrine Therapie
|
A
|
Tam
|
A
|
Tam
|
A
|
Tam
|
L
|
Tam
|
Ansprechrate ( %)
|
21
|
17
|
33
|
33
|
34
|
27
|
30
|
20[3]
|
klinischer Nutzen ( %)
|
59
|
46[1]
|
56
|
56
|
82
|
55
|
49
|
38[4]
|
Zeit bis zur Progression (Monate)
|
11,1
|
5,6[2]
|
8,2
|
8,3
|
12,3
|
5,3
|
10,3
|
6,5[5]
|
ER+ = östrogenrezeptorpositiv; PR+ = progesteronrezeptorpositiv; A = Anastrozol; L = Letrozol; Tam = Tamoxifen;
|
1 p = 0,0098;
2 p = 0,005;
3 p = 0,0006;
4 p = 0,001;
5 p = 0,0001;
Tab. 3 Überlegenheit der neueren Aromatasehemmer gegenüber Megestat
Second-line-Therapie nach Versagen von Tamoxifen: Analyse von vier randomisierten Studien
-
Anastrozol 1 mg versus Anastrozol 10 mg versus Megestrolacetat [4]
-
Letrozol 2,5 mg versus Letrozol 0,5 mg versus Megestrolacetat [7]
-
Letrozol 2,5 mg versus Letrozol 0,5 mg versus Megestrolacetat [5]
-
Exemestan versus Megestrolacetat [14]
|
Remissionsrate
|
Zeit bis zur Tumorprogression
|
Zeit bis zum Therapieversagen
|
Überleben
|
Letrozol 2,5 mg
|
Exemestan 25 mg
|
Exemestan 25 mg
|
Anastrozol 1 mg
|
|
Letrozol 0,5 mg
|
Letrozol 0,5 mg
|
Exemestan 25 mg
|
|
|
Letrozol 2,5 mg
|
|
Tab. 4 Endokrine Second-line-Therapie: Letrozol und Anastrozol im Vergleich
|
Letrozol 2,5 mg
|
Anastrozol 1 mg
|
Signifikanz
|
Zahl der randomisierten Patientinnen
|
356
|
357
|
|
TTP / TTF / RD (Monate)
|
=
|
=
|
ns
|
Ansprechrate (CR + PR) ( %)
|
19,1
|
12,3
|
0,014
|
klinischer Nutzen ( %)
|
27
|
23
|
ns
|
TTP = Zeit bis zur Progression; TTF = Zeit bis zum Versagen der Therapie; RD = Remissionsdauer;
CR = komplette Remission; PR = Teilremission nach [29]
|