Der Klinikarzt 2003; 32(6): 202-207
DOI: 10.1055/s-2003-40299
In diesem Monat

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Bedeutung der Virushepatitis in der Reisemedizin - Erhöhtes Risiko vor allem für Hepatitis A, B und E

Impact of Viral Hepatitis in Travel Infections - Increased Risk for Hepatitis A, B and EG.G. Frösner1
  • 1Lehrstuhl Virologie, Max von Pettenkofer-Institut der Ludwig Maximilians Universität München (Direktor: Prof. Dr. U . Koszinowski)
Further Information
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Anschrift des Verfassers

Prof. Dr. Gert Frösner

Max von Pettenkofer-Institut

der Ludwig Maximilians Universität München

Pettenkoferstr. 9a

80336 München

Publication History

Publication Date:
30 June 2003 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Von den fünf bekannten Formen der Virushepatitis sind es vor allem die Hepatitis A, B und E, für die bei Auslandsreisen ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht. Gegen die Hepatitis A - die häufigste impfpräventable Infektion, die bei einer Auslandsreise erworben werden kann - sind in Deutschland immer weniger Personen immun. Immerhin verläuft diese Erkrankung bei Personen über 49 Jahren in 2-3 % fulminant und tödlich. Die Infektion erfolgt meist fäkal-oral in Entwicklungsländern mit niedrigem Hygienestandard. Das höchste Hepatitis-B-Risiko bei einer Auslandsreise besteht beim Intimkontakt mit der einheimischen Bevölkerung. Denn vor allem in Afrika und Asien gibt es wesentlich mehr Virusträger als in westlichen Industrieländern. Bei Reisen nach Asien werden somit auch etwa zwei Drittel der Hepatitis-E-Erkrankungen erworben. Sporadische Fälle, die in Industrieländern ohne Reiseanamnese auftreten, könnten von Schweinen im Sinn einer Zoonose übertragen werden.

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Summary

Among the five known types of viral hepatitis mainly hepatitis A, B and E have an increased risk of infection during travel abroad. Hepatitis A is the most frequent travel infection which can be prevented by vaccination. Lethality caused by fulminant hepatitis will be seen in 2-3 % of persons above 49 years. There is a decrease in the percentage of immune persons in Germany in recent years. Infection is acquired mainly by faecal-oral route in developing countries with low hygienic standard. The main risk of acquiring hepatitis B during travel abroad is sexual contact with the indigenous population which exhibits mainly in Africa and Asia a considerably higher virus carrier rate than in industrialized countries. About two third of hepatitis E infections will occur during travel to Asia. Sporadic cases in industrialized countries without travel anamnesis may be transmitted as zoonosis from a swine reservoir.

Insgesamt fünf Formen der Virushepatitis können derzeit unterschieden werden: Hepatitis A, B, C, D und E. Sie werden durch Viren aus unterschiedlichen Familien ausgelöst und haben eine unterschiedliche Epidemiologie [Tab. 1]. Alle Formen scheinen weltweit verbreitet zu sein, allerdings mit großen geografischen Unterschieden in Durchseuchung und Infektionsrate. Diejenigen Virushepatitiden, die in Regionen außerhalb Deutschlands wesentlich häufiger auftreten und für die entsprechende Übertragungsmöglichkeiten auf Reisende bestehen, sind ein besonderes Problem der Reisemedizin. Dazu zählen die vorwiegend fäkal-oral übertragenen Hepatitiden A und E sowie die meist durch Intimkontakt oder parenteral übertragene Hepatitis B.

Vor allem aufgrund des intravenösen Drogenkonsums und der Infusion von nicht auf Hepatitis C getestetem Blut hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in Industrieländern die Hepatitis C ausgebreitet. Ob Reisen mit einem erhöhten Infektionsrisiko für eine Hepatitis C verknüpft sind, wird momentan kontrovers diskutiert. Die Auswertung der sehr zuverlässigen Meldedaten der USA verneint dies [2].

Mit dem Hepatitis-D-Virus kann man sich nur infizieren, wenn gleichzeitig auch eine Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus erfolgt - oder wenn die exponierte Person bereits chronisch mit Hepatitis B infiziert ist. Außerdem findet sich nur in wenigen Regionen der Erde (z.B. Mittelmeerraum, Südosteuropa, Naher Osten, Amazonasgebiet) eine hohe Durchseuchung der Wohnbevölkerung mit dem Hepatitis-D-Virus, das weltweit nur in der Risikogruppe der Drogensüchtigen verbreitet ist. Ein Zusammentreffen von Umständen, die eine Hepatitis-D-Infektion erst ermöglichen, scheint deshalb bei Reisen so selten zu sein, dass dies nicht als statistisch nachweisbares Infektionsrisiko in Erscheinung tritt.

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Hepatitis A

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Erkrankungshäufigkeiten

Die starke Verbesserung des Hygienestandards seit dem zweiten Weltkrieg ist der Grund, warum die Häufigkeit der Hepatitis A in den Industrieländern Europas und Nordamerikas stark zurückgegangen ist. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Mehrzahl der deutschen Erwachsenen aufgrund der damals hohen Viruszirkulation nach einer Infektion im Kindesalter noch immun gegen Hepatitis A. Bei der derzeit niedrigen Infektionsrate erwerben jedoch nur etwa 20 % der Bevölkerung im Lauf des Lebens eine Immunität. In vielen Regionen zirkuliert das Virus nicht mehr kontinuierlich in der Bevölkerung, vielmehr schleppen infizierte Personen dieses nach einer Reise in ein Hochendemiegebiet wieder ein. Nach einer unterschiedlichen Zahl von Kontakterkrankungen brechen die Infektionsketten ab, und das Virus verschwindet wieder aus der Bevölkerung. Eine 1998-1999 in Hamburg durchgeführte Studie zeigte bei 32,6 % von 411 Hepatitis-A-Erkrankungen eine Reiseanamnese in ein Endemiegebiet der Hepatitis A [5].

Pro Jahr werden in der Bundesrepublik Deutschland etwa 3000- 4000 Hepatitis-A-Fälle gemeldet. Wegen einer hohen Dunkelziffer dürfte die tatsächliche Zahl der Erkrankungen aber etwa um den Faktor 5 höher liegen. Meist handelt es sich um im Ausland erworbene Infektionen oder um Erkrankungen nach Kontakt mit diesen Infektionen. Eine konsequente Reiseprophylaxe der Hepatitis A könnte deshalb die Hepatitis-A-Morbidität deutlich senken.

In den meisten Entwicklungsländern Asiens, Afrikas und Mittel- und Südamerikas erfolgt die Hepatitis-A-Infektion bereits im frühen Kindesalter. Da die Infektion bei Kindern unter fünf Jahren meist subklinisch verläuft und damit fast alle Erwachsenen immun sind, ist die Hepatitis A in diesen Ländern kein besonderes Problem. Das Virus jedoch ist aufgrund der hohen Infektionsrate ubiquitär vorhanden. Nichtimmune Reisende aus Industrieländern haben damit ein sehr hohes Infektionsrisiko.

Eine schweizerische Studie belegt, dass die Hepatitis A die häufigste durch Impfung vermeidbare Reiseerkrankung ist. Sie tritt bei Reisenden etwa 100 bzw. 1000mal häufiger auf als Typhus bzw. Cholera [13]. Pro 100000 Personen wurden bei Hoteltouristen 300 und bei Trampern 2000 Hepatitis-A-Erkrankungen und 0,3 bzw. zwei Todesfälle registriert. In einer zu 40 % immunen Kohorte von 7886 Reisenden betrug die monatliche Häufigkeit der Hepatitis-A-Erkrankungen drei pro 1000.

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Altersabhängige Morbidität und Mortalität

Mit steigendem Lebensalter erhöht sich bei einer Hepatitis-A-Infektion auch die Morbidität. Bei Kindern unter fünf Jahren verlaufen über 90 % der Infektionen subklinisch; sind sie bereits über zehn Jahre alt, führen etwa 80 % der Infektionen zur Erkrankung. Je älter die Patienten sind, desto häufiger sind auch schwere Erkrankungen und Todesfälle: Von den zwischen 1983 und 1987 in den USA bei Personen über 49 Jahren gemeldeten 10235 Hepatitis-A-Erkrankungen führten 2,7 % zum Tod, während die Mortalität bei 49642 Erkrankten im Alter zwischen 15 und 29 Jahren nur 0,057 % betrug [7]. Da nur bei 28 % von 381 Todesfällen eine vorbestehende chronische Lebererkrankung vorhanden war, ist die Hepatitis A meist die alleinige Todesursache.

Diese altersabhängige Morbidität und Mortalität muss im Licht einer immer geringer werdenden Immunität der deutschen Auslandsreisenden gesehen werden. Während 1977 noch knapp 62 % der 30-39-jährigen Blutspender aufgrund einer meist im frühen Kindesalter erfolgten Infektion immun gegen Hepatitis A waren, zeigt der 1998 durchgeführte Bundesgesundheitssurvey in einer für die Gesamtbevölkerung weitgehend repräsentativen Stichprobe von 6748 Personen nur noch 20,5 % Immune [4]. Erst die Altersgruppe der über 49-Jährigen ist derzeit noch zu mehr als der Hälfte immun. In einigen Jahren wird aber auch dieses Bevölkerungssegment aufgrund der Seltenheit der Hepatitis A in Deutschland überwiegend nicht mehr immun sein. Die vorbeugende Hepatitis-A-Impfung vor einer Reise in ein Endemiegebiet wird deshalb immer wichtiger.

Personen, die einmal mit Hepatitis A infiziert wurden, sind lebenslang immun - Hepatitis-A-Antikörper (anti-HAV) bleiben fast immer lebenslang nachweisbar. Daher ist es problemlos möglich, die Immunität gegen Hepatitis A zu ermitteln. Vor der Impfung ist eine Immunitätsuntersuchung jedoch nicht notwendig, da eine Impfung auch bereits immunisierten Personen nicht schadet. Es wird deshalb in der Regel ohne Vortestung geimpft. Anders ist dies momentan bei Personen über 49 Jahren: Hier ist eine Vortestung mit nachfolgender Impfung nur der anti-HAV-negativen Personen kostengünstiger als die Impfung aller.

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Immunprophylaxe

Bis 1993 erfolgte die Immunprophylaxe der Hepatitis A durch die Gabe von normalem, intramuskulär verabreichten Immunglobulin (Ig). Nach dessen prophylaktischer Gabe besteht eine sofortige Schutzwirkung von praktisch 100 % für mindestens drei Monate. Selbst bei der Postexpositionsprophylaxe mit Immunglobulin - beispielsweise bei Kontaktpersonen eines Hepatitis-A-Patienten - ist es möglich, innerhalb von 10-14 Tagen nach der Infektion in etwa 85 % der Fälle eine Erkrankung zu verhindern. Ein Nachteil der Immunglobuline ist jedoch, dass ihre Schutzwirkung zeitlich begrenzt ist. So wird das IgG im Körper mit einer Halbwertszeit von etwa 21 Tagen abgebaut. Dauert die Exposition also länger an, muss daher erneut Immunglobulin gegeben werden.

Deshalb sollte heute der Impfung gegen Hepatitis A der Vorzug gegeben werden. Bereits eine einzige Applikation des Impfstoffs kann für mindestens sechs bis zwölf Monate eine Immunität erreichen. Nach einer zweiten Gabe kann diese viele Jahre oder sogar lebenslang andauern. Jedoch sind schützende, das Virus neutralisierende Antikörper teilweise erst einen Monat nach der Injektion zu finden. Und nur 54-62 % der Impflinge weisen 14-15 Tage nach der Impfung Antikörper auf, die das Hepatitis-A-Virus in der Gewebekultur neutralisieren können [3].

Im ungünstigsten Fall (Impfung direkt vor der Reise und Infektion sofort nach Ankunft im Endemiegebiet) ist deshalb nicht in jedem Fall mit einem Schutz zu rechnen. Aussagekräftige Studien in dieser Situation fehlen bisher. Wirksamer ist hier die in praktisch zu 100 % schützende prophylaktische Gabe von Immunglobulin. Die Ständige Impfkommission am Robert Koch Institut (STIKO) empfiehlt deshalb nach der Hepatitis-A-Exposition von Personen, die bei einer Hepatitis-A-Erkrankung besonders gefährdet sind (z.B. vorbestehende Lebererkrankung anderer Genese, über 49 Jahre, Immundefekt), die zusätzliche Gabe von Immunglobulin zusammen mit der Impfung - aber an einer anderen Injektionsstelle.

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Hepatitis B

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Weltweite Durchseuchung

Die Hepatitis B verursacht jährlich etwa eine Million Todesfälle und ist damit weltweit eines der wichtigsten infektiologischen Probleme. Nach Schätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben zwei Milliarden Menschen eine Hepatitis-B-Infektion durchgemacht, und 350 Millionen Menschen sind chronische Träger des Virus. Von diesen Trägern werden 60 Millionen an einem durch die chronische Hepatitis-B-Infektion verursachten primären Leberkarzinom und 45 Millionen an einer Leberzirrhose sterben.

Die Prävalenz der chronischen Virusträger, welche als wichtigste Infektionsquelle gelten, ist sehr unterschiedlich. Westeuropa und Nordamerika gehören zu den Regionen der Welt, in denen die Trägerrate am geringsten ist. In Europa steigt sie von etwa 0,1 % in Skandinavien über 0,5-1,0 % in Deutschland bis auf 1-2 % in Italien an. Die Länder Afrikas und Asiens weisen meist eine Trägerrate zwischen 5 und 10 % auf - in manchen Fällen sind dies sogar bis zu 20 %.

In Deutschland werden jährlich etwa 4000 Hepatitis-B-Erkrankungen gemeldet. Auch hier ist die Dunkelziffer hoch: Schätzungsweise gibt es insgesamt etwa 25000 Fälle. Rund 7 % der deutschen Bevölkerung - so der Bundesgesundheitssurvey von 1998 - weisen serologische Marker (anti-HBc) einer durchgemachten Hepatitis-B-Infektion auf. Meist infizieren sich Personen, die nicht zu den klassischen Risikogruppen gehören, durch einen Intimkontakt mit einem chronischen Virusträger.

In der schon zitierten Studie in der Schweiz war die Hepatitis B die zweithäufigste durch Impfung verhinderbare Reiseerkrankung [13]. Hier sind 80 Erkrankungen und 1,6 Todesfälle an Hepatitis B pro 100000 Reisende verzeichnet. Laut den Daten einer neueren Untersuchung weisen - je nach Reiseziel - 6,6-11,2 % der Auslandsreisenden während ihres Aufenthalts ein hohes und 60,8-75,8 % ein mögliches Hepatitis-B-Infektionsrisiko auf [15]. Nur 19,2 % dieser Reisenden war durch eine Impfung geschützt.

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Prävention der Hepatitis B

Aufgrund einer Empfehlung der WHO sollten ab 1996 alle Länder der Welt die Hepatitis-B-Impfung in ihr Kinderimpfprogramm integriert haben. Bis zum Jahr 2000 sind jedoch nur 116 von 215 Ländern, in denen 31 % der Kinder geboren werden, dieser Empfehlung gefolgt [2]. In Deutschland werden derzeit etwa 80-90 % der Kinder unter sechs Jahren im Rahmen des üblichen Kinderimpfprogramms gegen Hepatitis B geimpft. Eine ähnlich hohe Impfrate ist bei medizinischem Personal vorhanden.

Erwachsene Auslandsreisende besitzen jedoch derzeit nur selten eine Immunität gegen Hepatitis B (nachweisbar durch positiven anti-HBs-Test) und verzichten trotzdem meist auf eine Impfung. Dies liegt teilweise an den hohen Kosten der Impfung, welche die Krankenkassen bei Erwachsenen nicht tragen. Eine intensivere Aufklärung der Bevölkerung über die Risiken der Hepatitis-B-Erkrankung und die Möglichkeiten der Prävention scheint dringend notwendig.

Die Impfung gegen Hepatitis B erfolgt mit einem gentechnisch in Hefezellen hergestellten Impfstoff, der gut verträglich ist und praktisch keine schweren Nebenwirkungen aufweist. Für eine Basisimmunisierung sind zwei Impfungen im Abstand von einem Monat notwendig. Die Konsultation eines Arztes sollte also mindestens vier, besser sechs Wochen vor Reisebeginn stattfinden, um einen ausreichenden Schutz aufzubauen. Um eine langfristige Immunität zu erreichen, muss eine dritte Boosterimpfung nach sechs bis zwölf Monaten folgen. Danach besteht Immunität für mindestens zehn Jahre, vermutlich sogar lebenslang.

Etwa 5 % der Erwachsenen entwickeln nach der Impfung kein anti-HBs und sind damit auch nicht immun. Bei älteren Personen und Personen mit Immundefekt (z.B. HIV-Infizierte, Dialysepatienten) kann der Prozentsatz dieser „Non-Responder” sogar beträchtlich höher liegen. Erkannt werden solche Personen durch einen quantitativen anti-HBs-Test nach Abschluss der Impfung. Besteht das Infektionsrisiko weiter, kann bei etwa der Hälfte der „Non-Responder” durch weitere Impfungen und durch Verwendung von Impfstoffen mit höherem Antigengehalt doch noch eine Immunantwort in Gang gebracht werden.

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Hepatitis E

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Hochendemiegebiete

In vielen Entwicklungsländern Asiens und Afrikas ist die Hepatitis E die am häufigsten auftretende Form der akuten Virushepatitis. In Indien zum Beispiel verursacht das Hepatitis-E-Virus mehr als 50 % der akuten Hepatitiserkrankungen, andere Formen der Virushepatitis treten zahlenmäßig in den Hintergrund. Die Hepatitis E tritt sowohl in Form von großen Epidemien (mehr als 29000 ikterische Erkrankungen 1955/56 in Neu Delhi/Indien, mehr als 119000 ikterische Erkrankungen 1986/88 in Xinjiang/China) als auch sporadisch auf [6].

In westlichen Industrieländern dagegen ist die Hepatitis E relativ selten. So machen in Deutschland Hepatitis-E-Erkrankungen nur etwa 2 % der akuten Hepatitiden aus. Bei der Mehrzahl der Erkrankten liegt innerhalb der maximalen Inkubationszeit der Hepatitis E von 65 und möglicherweise sogar bis zu 100 Tagen eine Reiseanamnese in ein Hochendemiegebiet vor. Meist handelt es sich um eine Reise auf den indischen Subkontinent [12] oder nach China. Für ein erhöhtes Infektionsrisiko bei Auslandsreisen spricht auch, dass Flugpersonal im Vergleich zu Angestellten ohne Reisetätigkeit signifikant häufiger Antikörper gegen Hepatitis E aufweist [4].

Bei etwa einem Drittel der in westlichen Industrieländern auftretenden Erkrankungen liegt jedoch keine Reiseanamnese vor. Es muss deshalb angenommen werden, dass das Hepatitis-E-Virus auch bei uns auf niedrigem Niveau endemisch ist.

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Klinische und epidemiologische Besonderheiten

Durchseuchungsuntersuchungen zeigen, dass auch in westlichen Industrieländern etwa 1-2 % der gesunden Blutspender Antikörper gegen das Hepatitis-E-Virus aufweisen. Die tatsächliche Durchseuchung liegt vermutlich höher, weil selbst bei Patienten mit schwerer Erkrankung die Antikörperspiegel schon nach wenigen Wochen unter die Nachweisgrenze der derzeit verfügbaren Testsysteme sinken können. Die relativ hohe Antikörperprävalenz in Industrieländern und prospektive Studien in Entwicklungsländern lassen vermuten, dass etwa die Hälfte der Hepatitis-E-Infektionen subklinisch verläuft. Dafür spricht auch der Nachweis von Antikörpern gegen Hepatitis E bei vier amerikanischen Reisenden nach Thailand, China, Russland und Peru, ohne dass eine Erkrankung erfolgte [10].

Häufig erkranken die Betroffenen jedoch schwer, in etwa 3 % kommt es im Rahmen einer fulminanten Hepatitis zum Tod. Bei schwangeren Frauen liegt die Letalität der Erkrankung sogar bei 10-20 %, besonders hoch ist sie im dritten Trimenon. Chronische Erkrankungen werden nicht beobachtet. Nach einem Erkrankungsgipfel meist in der zweiten Woche kommt es in der Regel innerhalb von sechs bis acht Wochen zu einer völligen Ausheilung.

Die Übertragung des Virus erfolgt meist durch kontaminiertes Trinkwasser. Erkrankungshäufungen werden in tropischen Ländern sowohl in der Regenzeit (Überflutung und damit Kontamination von Wasserentnahmestellen) als auch in der Trockenzeit (Konzentration des Virus bei Wassermangel) gesehen. Da eine Impfung gegen Hepatitis E erst in der Erprobung ist und bisher keine Immunprophylaxe existiert, konzentriert sich die Prävention vor allem auf den Konsum von einwandfreiem Trinkwasser.

Im Gegensatz zur Hepatitis A werden Kontakterkrankungen bei der Hepatitis E nur sehr selten beobachtet. Da auch die Virusausscheidung im Stuhl mithilfe der Polymerasekettenreaktion nur schwer nachweisbar ist und damit die Virusausscheidung gering zu sein scheint, wird die Hepatitis E vermutlich nur selten direkt von Mensch zu Mensch übertragen. Bei den von uns diagnostizierten Hepatitis-E-Erkrankungen ist bisher niemals eine Kontakterkrankung in der Wohngemeinschaft beobachtet worden. Die Infektionsgefahr für Personen in der Umgebung dieser Patienten scheint deshalb sehr gering zu sein.

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Hinweise auf ein Tierreservoir

Da trotzdem immer wieder große Epidemien auftreten, könnte für das Hepatitis-E-Virus ein Tierreservoir bestehen, von dem die Infektion im Sinne einer Zoonose auf den Menschen überspringen kann. In der Tat wurde 1997 in den USA nachgewiesen, dass dort die Mehrzahl der Schweine innerhalb des ersten Lebensjahrs mit einem Hepatitis-E-Virus vom Genotyp 3 infiziert wird [9]. Dieses Virus konnte in den USA auch bei Patienten mit Hepatitis E ohne Reiseanamnese gefunden werden [11]. Das vom Schwein isolierte Virus konnte auf Schimpansen und das vom Menschen isolierte Virus auf Schweine übertragen werden.

Auch in Taiwan wurde sowohl bei Schweinen als auch bei an Hepatitis E erkrankten Menschen mittels einer Polymerasekettenreaktion (PCR) eine in 97,3 % identische Teilsequenz eines völlig neuen Typs des Hepatitis-E-Virus nachgewiesen [8]. In der gleichen Arbeit ist auch belegt, dass Schweinehändler signifikant häufiger Antikörper gegen das Virus aufweisen als Personen ohne beruflichen Kontakt zu Schweinen. Zumindest ein Teil der Hepatitis-E-Infektionen des Menschen scheint daher über den Wirt „Schwein” zu erfolgen. Jedoch gibt es auch Hinweise darauf, dass weitere Tierspezies (z.B. Ratten) ebenfalls als Reservoir für das Hepatitis-E-Virus dienen können.

Auch in Bayern weisen nach unseren Untersuchungen 76 % von 50 Schlachtschweinen im Alter von sechs bis acht Monaten Antikörper gegen das Hepatitis-E-Virus auf, und 76,5 % von 187 wegen anderer Erkrankungen untersuchter Schweine waren ebenfalls positiv. Diese Schweine stammten aus 26 verschiedenen Landkreisen, in jedem Landkreis wurde mindestens ein Antikörper positives Schwein registriert. Trotzdem ist bei uns die Übertragung einer Hepatitis-E-Infektion aus dem Tierreservoir auf den Menschen eher selten. Gute hygienische Verhältnisse machen eine Überschreitung der Speziesbarriere für das Virus sehr schwierig. Allerdings haben auch wir immer wieder Hepatitis-E-Erkrankungen diagnostiziert, bei denen keine Reiseanamnese vorhanden war, und bei denen damit die Infektion in Deutschland erfolgt sein muss.

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Infektionsmöglichkeiten mit Hepatitis A bei Auslandsreisen

Die virämische Phase ist bei einer Hepatitis-A-Infektion nur kurz, sodass die Übertragung der Infektion durch Blut - außer bei Drogensüchtigen und Hämophilen kaum eine Rolle spielt. Das Virus wird jedoch in großen Mengen im Stuhl ausgeschieden. Dies beginnt etwa ein bis zwei Wochen vor Erkrankungsbeginn, erreicht mit Erkrankungsbeginn einen Gipfel und kann danach noch für ein bis drei Wochen nachweisbar sein. Dementsprechend erfolgt die Infektion von Reisenden in Ländern mit niedrigem Hygienestandard meist über fäkal kontaminiertes Trinkwasser oder über kontaminierte, nicht erhitzte Speisen und Getränke. Auch in Luxushotels besteht keine Sicherheit, weil diese ebenfalls häufig auf die lokale Wasserversorgung angewiesen sind. Aber auch das Küchenpersonal könnte sich in der Inkubationszeit der Hepatitis A mit ihrer hohen Virusausscheidung befinden.

Beim Kauf von Wasser sollte man darauf achten, dass das Siegel des Flaschenverschlusses in Ordnung ist. Gelegentlich werden leere Flaschen mit kontaminiertem Wasser neu befüllt. Auch achtlos nach Gebrauch weggeworfene Strohhalme werden zum Teil erneut angeboten. Auf Eiswürfel in den Getränken sollte verzichtet werden, weil zum einen die Herkunft des Wassers meist nicht bekannt ist und auch Gefrieren die Infektiosität des Hepatitis-A-Virus nicht zerstört.

Ein besonderes Risiko ist der Genuss von Muscheln. Sie wachsen besonders gut an Flussmündungen, wo fäkal kontaminiertes Wasser in das Meer gelangt, und ernähren sich durch Filtration dieses Wassers. Dabei konzentriert sich das Virus in der Muschel bis zum 1000Fachen im Vergleich zum Umgebungswasser. Dort kann es in fast unveränderter Konzentration für viele Wochen nachgewiesen werden. Muscheln werden entweder nicht gekocht (Austern) oder so wenig erhitzt, sodass das Virus nicht inaktiviert wird.

Temperaturen über 80°C zerstören das Virus jedoch sicher. Deshalb geht von gekochten und gebratenen Speisen kein Infektionsrisiko aus. Auch schälbares Obst birgt kein Infektionsrisiko. In Hochendemiegebieten ist man deshalb gut beraten, nach dem bewährten Grundsatz zu verfahren: „Koche es, brate es, schäle es oder vergiss es”.

Tab. 1 Charakteristika der verschiedenen Formen der Virushepatitis

 

Hepatitis A

Hepatitis B

Hepatitis C

Hepatitis D

Hepatitis E

Erreger

Picornavirus (27 nm) Genus Hepatovirus: nacktes Virus mit Einzelstrang-RNS positiver Polarität

Hepadnavirus (42 nm) umhülltes Virus mit zirkulärer, teilweise doppelsträngiger DNS Dane-Partikel

Flavivirus (30-60 nm) umhülltes Virus mit Einzelstrang RNS positiver Polarität

umhülltes (HBsAg), defektes Virus mit Einzelstrang-RNS negativer Polarität (35 nm); Hepatitis-B-Virus dient als Helfervirus

umhülltes (HBsAg), defektes Virus mit Einzelstrang-RNS negativer Polarität (35 nm); Hepatitis-B-Virus dient als Helfervirus

Infektionsquelle

Stuhl selten Blut

Blut (Samenflüssigkeit, Speichel, etc.)

Blut

Blut

Stuhl (Zoonose?)

Inkubationszeit (Tage)

12-40 (Mittel etwa 21)

40-180 (Mittel etwa 65)

3-140 (Mittel etwa 50)

Koinfektion: wie bei Hepatitis B Superinfektion 7-50

20-65 (Mittel 35)

Erkrankung

  fulminant

ja (meist über 50-Jährige)

ja (in etwa 1 %)

ja (sehr selten)

ja (meist bei Superinfektion

ja (oft Schwangere)

   chronisch

nein

ja (in etwa 5 %)

ja (in über 60 %)

ja (bei Superinfektionen häufig)

nein

   Leberkrebs

nein

ja

ja

nein?

nein

Auftreten hauptsächliche Verbreitung

epidemisch/sporadisch Entwicklungsländer in Afrika, Asien, Amerika

meist sporadisch eltweit; vor allem in Entwicklungsländern

meist sporadisch weltweit

meist sporadisch Mittlerer Osten, Mittelmeer- raum, Amazonasbecken Osteuropa

epidemisch/sporadisch Asien, Nordafrika, Mittelamerika

Prophylaxe

Impfung, normales Immunglobulin

Impfung HB-Immunglobulin

keine Immun- prophylaxe

wie bei Hepatitis B

keine Immun- prophylaxe

Therapie

 

Interferon, Lamivudin

Interferon + Ribavirin

 

 

Labordiagnose

Nachweis von Antikör- pern und Nukleinsäure (PCR), Virusisolierung

Nachweis von Anti- körpern, Antigen und Nukleinsäure (PCR)

Nachweis von Anti- körpern und Nukleinsäure (PCR)

Nachweis von Antikörpern, und Nukleinsäure (PCR)

Nachweis von Anti- körpern und Nukleinsäure (PCR)

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Literatur

  • 1 Alter MJ. Epidemiology and prevention of hepatitis B.  Semin Liver Dis. 2003;  23 39-46
  • 2 Alter MJ. Hepatitis C virus infection in the United States.  J Hepatol. 1999;  31 88-91
  • 3 American Committee on Immunization Practices . MMWR.  1996;  45 1-30
  • 4 Andenaes S, Lie A, Degre M. Prevalence of hepatitis A, B, C, and E antibody in flying airline personnel.  Aviat Space Environ Med. 2000;  71 1178-1180
  • 5 Diel R, Schneider S. Transmission of hepatitis A in Hamburg, Germany, 1998-1999 - A prospective population based study.  Eur J Epidemiol. 2001;  17 175-182
  • 6 Frösner GG. et al. . Hepatitis-E-Diagnostik.  In: Frösner G (eds.). Moderne Hepatitisdiagnostik.  Marburg: Verlag im Kilian. 2001;  99-107
  • 7 Hadler SC. Global impact of hepatitis A virus infection. Changing patterns.  In: Hollinger BF, Lemon SM, Margolis H (Hrsg). Viral hepatitis and liver disease.  Baltimore: Williams & Wilkins. 1991;  14-20
  • 8 Hsieh S-Y, Meng XJ, Wu YH. et al. . Identity of a novel swine hepatitis E virus in Taiwan forming a monophyletic group with Taiwan isolates of human hepatitis E virus.  J Clin Microbiol. 1999;  37 3828-3834
  • 9 Meng XJ, Purcell RH, Halbur PG. et al. . A novel virus in swine is closely related to human hepatitis E virus.  Proc Natl Acad Sci USA. 1997;  94 9860-9865
  • 10 Ooi WW, Gawoski JM, Yarbough PO, Pankey GA. Hepatitis E seroconversion in United States travelers abroad.  Am J Trop Med Hyg. 1999;  61 822-824
  • 11 Schlauer GG, Dawson GJ, Erker JC. et al. . The sequence and phylogenetic analysis of a novel hepatitis E virus isolated from a patient with acute hepatitis reported in the United States.  J Gen Virol. 1998;  79 447-456
  • 12 Schwartz E, Jenks NP, Van P Damme, Galun E. Hepatitis E virus infection in travelers.  Clin Infect Dis. 1999;  29 1312-1314
  • 13 Steffen R. Hepatitis A among travellers: the European experience.  J Infect Dis. 1995;  171 24-28
  • 14 Thierfelder W, Meisel H, Schreier E, Dortschy R. Die Prävalenz von Antikörpern gegen Hepatitis-A-, Hepatitis-B- und Hepatitis-C-Viren in der deutschen Bevölkerung.  Gesundheitswesen. 1999;  61 110-114
  • 15 Zuckerman JN, Steffen R. Risk of hepatitis B in travelers as compared to immunization status.  J Travel Med. 2000;  7 70-74
#

Anschrift des Verfassers

Prof. Dr. Gert Frösner

Max von Pettenkofer-Institut

der Ludwig Maximilians Universität München

Pettenkoferstr. 9a

80336 München

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Literatur

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Anschrift des Verfassers

Prof. Dr. Gert Frösner

Max von Pettenkofer-Institut

der Ludwig Maximilians Universität München

Pettenkoferstr. 9a

80336 München