intensiv 2003; 11(2): 55
DOI: 10.1055/s-2003-39324
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

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Publication Date:
13 May 2003 (online)

die Sorge um eine Abnahme der Versorgungsqualität im Gesundheitswesen wird zurzeit vielerorts geäußert. Sie ist sicherlich berechtigt und trifft nicht zuletzt für die kostenaufwändige Intensivbehandlung zu. Intensivpflegende konstatieren eine Verschärfung ihrer Arbeitsbedingungen bei gesteigerten Fallzahlen und verkürzter Liegedauer der Patienten. Die Ursache dafür wird ­jedoch häufig nur einseitig in den ­gesundheitspolitisch veränderten Rahmenbedingungen des Gesundheitswesens lokalisiert. Das im nächsten Jahr vollständig greifende Vergütungssystem der Diagnosis Related Groups für die stationären und teilstationären Leistungen wird gerne als Synonym für diese Entwicklungen genannt. Aber ist dieser Erklärungsansatz hinreichend plausibel?

Im Kern läuft diese Argumentation implizit darauf hinaus, dass unser Gesundheitswesen unterfinanziert ist und die Bürger nicht mehr bereit sind, für alle Leistungen, die im Rahmen einer modernen Behandlung möglich wären, zu zahlen. Sicher, die Ausgaben, auch für die Behandlung kritisch Kranker, sind nicht unendlich steigerbar. Allerdings blendet diese Erklärung gerne die auf der Angebotsseite bestehenden Potenziale zur Steigerung der Effizienz aus. Damit ist nicht die Hinwendung zur Illusion einer tayloristischen Beschleunigung der Intensivpflege gemeint. Vielmehr geht es um eine intelligente und zeitgemäße Organisation der Arbeitsabläufe einer Intensivstation. Das Aufbrechen verkrusteter Strukturen und das Ablassen von wenig nützlichen Ritualen ist das Gebot der Stunde. Begriffe wie interdisziplinäres Handeln, Patientenorientierung und Vernetzung der Dienstleister müssen weniger im Munde geführt als praktiziert werden. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist bekannterweise hierbei die Qualifikation derer, die am Bett stehen.

In dieser Ausgabe finden Sie wieder aktuelle Beiträge rund um die Intensivpflege. Eine Neuerung der intensiv, die Sie in dieser Ausgabe erstmals in Augenschein nehmen können, ist der intensiv-Ticker. Mit ihm möchten wir Sie kompakt über Wichtiges und Aktuelles aus dem Feld der Intensivpflege und Anästhesie informieren und hoffen, dass diese neue Rubrik Ihren Zuspruch findet.

Der Beitrag von Maul in diesem Heft, der einen Erfahrungsbericht eines Intensivpatienten widerspiegelt, wirft für den Praktiker wichtige Fragen auf. Inwieweit können wir in Anspruch nehmen, unsere Patienten zu verstehen, und wie weit reicht unsere Empathie?

Einen ungewöhnlichen Ansatz stellt Klein in den Mittelpunkt seines Artikels „Wohltuende Pflege - Wellness für Intensivpatienten”. Muss das nicht ein krasser Widerspruch zu den oben genannten Restriktionen unseres Arbeits­alltages sein? Oder lassen sich gar Effizienzsteigerung und Wellness für Intensivpatienten vereinbaren?

Liebe Leserin, lieber Leser, zum Zeitpunkt, an dem diese Zeilen geschrieben werden, herrscht Krieg. Sicherlich ist hier in einem Editorial der intensiv als Fachzeitschrift nicht der Ort für politische Stellungnahmen. Allerdings ist es (leider wieder) ein unabweisbarer Anlass, um über die Rolle von Pflegenden in bewaffneten Auseinandersetzungen nachzudenken. Der International Council of Nurses (ICN)[1] spricht sich gemeinsam mit anderen internationalen Verbänden der Gesundheitsberufe gegen bewaffnete Konflikte aus und fordert die Regierungen der Welt auf, nicht ge­waltsame, demokratische Wege der Konfliktlösung zu finden. Der ICN stellt in seiner Erklärung zur Begründung dieser Position die Leiden der Zivilbevölkerung und die negativen Auswirkungen des Krieges auf die Gesundheit heraus.

Aus Sicht der Herausgeber ist es für Pflegende heute geboten, Position auf Seiten der Opfer des Krieges zu beziehen, unabhängig davon, auf welcher Seite des Konfliktes sie stehen.

Die Herausgeber

1 International Council of Nurses: Civilians Pay in War. Online im Internet [http:// www.icn.ch/PR4_03.htm] aufgerufen am 21.3.2003

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