Aktuelle Dermatologie 2003; 29(4): 145-147
DOI: 10.1055/s-2003-39193
Kongressbericht
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

12. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO) der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft, 26. - 28. September in Erfurt

M.  Wendler1 , W.  Harth1 , R.  Linse1
  • 1Hautklinik Klinikum Erfurt
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M. Wendler

Hautklinik Klinikum Erfurt

Nordhäuser Str. 74 · 99089 Erfurt

Publication History

Publication Date:
09 May 2003 (online)

Table of Contents

    Die Erfurter Hautklinik wurde erstmals im Jahr 2002 als Veranstalter der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie (ADO) ausgewählt und mit der Durchführung der 12. Jahrestagung beauftragt. Der Tradition folgend wurde ein inhaltliches Programm zur breiten Thematik der dermatologischen Onkologie erstellt. Ein besonders Anliegen war es, die Integration der experimentellen Onkologie in die klinischen Fragestellungen und die Verbundenheit von Theorie und Praxis aufzuzeigen.

    Im Vorfeld der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie fand das Arbeitstreffen des Zentralregisters Maligne Melanome unter Leitung von C. Garbe aus Tübingen statt, wobei insbesondere eine Analyse von aktuellen Trends sowie eine lebhafte Diskussion aktueller Studienprotokolle erfolgte.

    Die 12. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie war ein Forum für alle Forscher, Kliniker und niedergelassene Kollegen zur konstruktiven Diskussion.

    Die Vielzahl der eingereichten Abstracts war Ausdruck einer großen Resonanz und sichtbares Zeichen für das wachsende Interesse an der Dermatoonkologie weit über die Landesgrenzen hinaus.

    Die Inzidenz von Hauttumoren hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Wie Frau Prof. Dr. Schipanski in ihrer Begrüßungsrede ausführte, erkranken allein in Deutschland jährlich ca. 100 000 Menschen an Hautkrebs. Um im Bereich der dermatologischen Onkologie wirkungsvolle Fortschritte zu erreichen, müssen zum einen Primär- und Sekundärprävention gestärkt werden, zum anderen die klinische Forschung auf diesem Gebiet vorangetrieben werden.

    Die übermäßige UV-Exposition der Haut, insbesondere beim Sonnenbaden, ist eine Hauptursache für die Entstehung nicht nur maligner Melanome, sondern auch des Basalzellkarzinoms. Dieser in großen Fall-Kontroll-Studien erneut belegte Zusammenhang erfordert das Umdenken des UV-Verhaltens der Bevölkerung mit dem Ziel der Vermeidung von Sonnenbränden. Allerdings konnte ebenso gezeigt werden, dass die aktinische Elastose als Folge einer erhöhten Lichtbelastung der Haut auch einen protektiven Faktor für die Entstehung des Basalzellkarzinoms darstellen kann (Walther et al., Dresden und Ulm).

    Nach wie vor die wichtigste Präventionsmethode ist jedoch das ärztliche klinische Screening einschließlich der Auflichtmikroskopie. Es wurde diesbezüglich sehr intensiv nicht nur über die Klassifikation von atypischen Naevi (Blum et al., Tübingen) und von Clark -Naevi (Teban, Wien), sondern auch über mögliche Verbesserungen der Fotodokumentation dieser entscheidenden diagnostischen Methode (Kirchesch) als wichtige Maßnahme zur Qualitätssicherung diskutiert.

    Zum Themenkomplex experimentelle Onkologie und Grundlagenforschung widmete sich die 12. Jahrestagung der ADO möglichen ultrastrukturellen und molekulargenetischen Korrelaten des Metastasierungsverhaltens maligner Melanome: So kommen Veränderungen in Gap Junctions (Haass et al., Hamburg-Eppendorf) oder das L1-Adhäsionsmolekül (Reichrath et al., Homburg) als pathogenetisch bedeutsame Faktoren in Betracht. Die Sekretion von Matrixmetalloproteinasen scheint für die Fähigkeit eines malignen Tumors, in umgebendes Gewebe einzudringen von großer Bedeutung zu sein (Schnäker et al., Münster). Diese Erkenntnisse wurden erst durch die Einführung moderner biochemischer Analysemethoden, wie dem „Electrical resistance breakdown assay” möglich (Ludwig, Münster). Doch auch Plattenepithelkarzinome und Basalzellkarzinome der Haut stehen im Mittelpunkt der onkologischen Grundlagenforschung, aus neuen Erkenntnissen über den Vitamin-D-Stoffwechsel solcher Tumoren ergeben sich Chancen für spätere Therapieansätze (Rafi, Homburg). Aus den Ergebnissen der Grundlagenforschung resultieren auch mögliche neue Marker für die Früherkennung des MM, beispielsweise melanomassoziiertes Fibronektin (Trefzer, Berlin) oder als prognostischer Serummarker wie lösliches HLA-DR (Ugurel, Heidelberg).

    Dem Ziel einer Einbindung von Grundlagenforschung in die klinische Praxis entsprachen ganz besonders die Untersuchungen über die Rezirkulation von T-Zell-Klonen, wie sie für eine effiziente zelluläre Immunantwort gegen disseminierte Tumoren erforderlich ist (Schrama, Würzburg) oder über den totalen Verlust von HLA-Klasse-I-Antigenen bei Patienten mit filialisiertem MM (Paschen, Mannheim)

    Die seit einiger Zeit etablierte Methode der Sentinel-Lymphonodektomie (SNLE) gilt heute als unverzichtbares Element der operativen Melanomtherapie, die unter Verwendung der S-Klassifikation ein erheblich präziseres Staging und damit auch eine bessere Prognoseabschätzung ermöglicht.

    Zweifel bestanden jedoch noch immer am therapeutischen Wert dieser Methode. Eine Studie an der Klinik für Dermatologie in Augsburg konnte zumindest für einen Tumordickenbereich von 0,76 - 4 mm eine signifikante Reduktion der melanombedingen Mortalität duch den Einsatz der SNLE zeigen (Starz et al., Augsburg). Als wichtiges Argument für den therapeutischen Nutzen der SNLE kann die Verringerung der Lokalrezidivrate nach radikaler ilioinguinaler Dissektion bei Patienten mit positiven inguinalen Sentinel-Lymphknoten gelten (Kreschmer et al., Göttingen). Die Einschlusskriterien für eine Wächter-Lymphknotenbiopsie als minimalinvasivem Verfahren zum histopathologischen Staging konnten durch Möhrle et al., Tübingen, nochmals erheblich präzisiert und durch klinische Studien unterlegt werden.

    Neben der chirurgischen Therapie des malignen Melanoms ist eine wichtige Strategie im Kampf gegen diesen Tumor die Verabreichung von Chemotherapeutika nach verschiedenen Schemata, deren Wertigkeit in verschiedenen Krankheitsstadien und -situationen für die Überlebenszeit und -qualität der Patienten Gegenstand einer intensiven Diskussion im Rahmen der Veranstaltung war.

    So wurde in Bezug auf Ansprechrate, das mediane Überleben und das Auftreten von Hirnmetastasen ein erheblicher Vorteil von Fotemustine, verglichen mit DTIC in einer randomisierten Multizenterstudie, an der Kliniken aus Deutschland, Frankreich, Norwegen, Spanien, Ungarn und der Slowakei teilgenommen haben, gezeigt (Mohr et al.).

    Als ausgeprägt resistent gegen Chemotherapieschemata, wie sie von der Behandlung des kutanen Melanoms bekannt sind, gilt das Aderhautmelanom. Für diesen Tumor konnten zunächst in ex vivo Chemosensitivitätsassays als auch im Rahmen individueller Heilversuche ermutigende Ergebnisse durch eine kombinierte Therapie mit Treosulfan und Gemcitabin erzielt werden. Größere kontrollierte Studien für dieses Chemotherapieprotokoll stehen jedoch noch aus (Terheyden, Würzburg; Reinhold, Homburg).

    Derzeit sehr aussichtsreich in der Bekämpfung des MM ist die Immuntherapie, beispielsweise mit Interferonen. Um die Wirkungsweise einer solchen besser zu verstehen, ist es wichtig, die Veränderungen von Interferonen auf die Genexpressionsprofile von malignen Melanomen zu kennen (Krepler, Wien). Auch die Chancen des Einsatzes einer Tumorvakzine in der Immuntherapie maligner Melanome wurde untersucht (Tuettenberg, Mainz).

    In einer retrospektiven Analyse wurde eine seit langem etablierte Methode der Chemoimmuntherapie durch Induktion eines Kontaktekzemes mit epifokal appliziertem Dinitrochlorobenzen (DNCB) in Kombination mit der systemischen Verabreichung eines Chemotherapeutikums wie DTIC untersucht. Vor allem im Stadium III der Melanomerkrankung konnten hier gute Ansprechraten erzielt werden, wie auch der Fall eines Patienten mit einer Langzeitremission über 5 Jahre bei metastasiertem MM unter einer Kombination von epifokaler DNCB-Verabreichung und systemischer Fotemustinegabe zeigt. Ein bei diesem Patienten beobachteter Anstieg von IL-6, IL-2R und TNF-α im Serum gab Anlass zur Diskussion einer möglichen immunologischen Wirkung dieser Zytokine auf Melanomgewebe (Kortüm, Würzburg; Göring, Würzburg).

    Eine adjuvante Therapie mit Vindesin nach operativer Metastasenresektion bei Patienten in fortgeschrittenen Erkrankungsstadien scheint weder einen Überlebensvorteil noch eine Verlängerung des rezidivfreien Intervalles zu erzielen (Caroli et al., Tübingen). Demgegenüber konnte für eine adjuvante Therapie mit IFN-α-2a zumindest ein Vorteil bez. des rezidivfreien Intervalles, wenn auch keine signifikante Verlängerung der Gesamtüberlebenszeit, beobachtet werden (Radny et al., Tübingen). Eine deutliche Überlebensverlängerung war schon früher für eine allerdings sehr nebenwirkungsreiche hochdosierte intravenöse Interferon-α-Therapie im Stadium IIb/III des malignen Melanoms beschrieben worden. Um diesen Ansatz für die Patienten verträglicher zu gestalten, wurde ein neues IFN-Hochdosisprotokoll entwickelt, dass durch gepulste Interferonverabreichung erhebliche Vorteile bez. der Toxizität bietet (Mohr, Buxtehude). Unter einer adjuvanten Therapie mit Interferon-α kann es in seltenen Fällen zur Ausbildung einer Lingua villosa nigra kommen. Eine Besserung dieser Nebenwirkungssymptomatik wurde unter topischer Applikation von Tretinoin beobachtet (Maier, Zürich).

    Sehr häufig steht in der Therapie des MM der palliative Ansatz im Vordergrund. Gerade aus diesem Grund wird in allen Bereichen intensiv nach schonenderen Behandlungsprotokollen gesucht. In diesem Zusammenhang wurde auch das neue Paradigma von Chemotherapeutika als bereits in niedrigen Dosen anti-angiogen wirksame Substanzen postuliert. Durch eine Kombination mit anderen angiogenesehemmenden Substanzen, beispielsweise Rofecoxib, könnte es möglich werden, erheblich nebenwirkungsärmere Palliativtherapien beim malignen Melanom durchzuführen (Spieth et al., Frankfurt).

    Als Option bei Patienten, für die eine systemische Chemotherapie oder die operative Versorgung nicht infrage kommt, kann eine intraläsionale Verabreichung von Interleukin-2 als nebenwirkungsarme, palliative therapeutische Alternative angeboten werden (Pföhler, Homburg).

    Maßgeblich für die Lebensqualität der Patienten mit metastasiertem Melanom ist eine Beherrschung von Symptomen wie Übelkeit und Appetitlosigkeit als Folgen der malignen Systemerkrankung. Hierfür bietet sich beispielsweise Dronabinol, ein synthetisch hergestellter Abkömmling des Tetrahydrocannabiols (THC) an, mit dem sehr gute Ergebnisse in der supportiven Therapie von Tumorpatienten erzielt werden konnten (Zutt et al., Göttingen).

    Eine Melanomerkrankung stellt eine erhebliche psychosoziale Belastung für den Patienten dar. Das Erkennen dieser Situation und eine gezielte Reaktion auf die Bedürfnisse des Patienten sind entscheidende Faktoren für dessen Lebensqualität und daher in der onkologischen Patientenversorgung unverzichtbar (Blum et al., Tübingen).

    Einen wichtigen Themenkomplex bildete die Therapie der kutanen Lymphomerkrankungen.

    Die Therapie kutaner maligner T-Zell-Lymphome sollte entsprechend dem heutigen Erkenntnisstand phasenadaptiert erfolgen. Hierzu steht die v. a. in den frühen Erkrankungsstadien sehr Erfolg versprechende orale PUVA-Therapie, ggf. in Kombination mit Interferon-α zu Verfügung. Für die Therapie kutaner T-Zell-Lymphome höherer Tumorstadien kommen neben der klassischen Bestrahlung mit ionisierenden Strahlen, evtl. in Kombination mit Interferon-α oder Retinoiden und schließlich auch Mono- oder Polychemotherapien beispielsweise mit MTX, Chlorambucil oder Doxorubicin sowie die extrakorporale Photopherese infrage (Stadler, Minden).

    Als therapeutische Option niedrigmaligner kutaner B-Zell-Lymphome wurde PEG-liposomal verkapseltes Doxorubicin beschrieben (Wolf, Kiel). Kutane Manifestationen eines follikulären B-Zell-Lymphoms konnten erfolgreich mit einer Kombination aus einem monoklonalen CD-20-Antikörper (Rituximab) und Polychemotherapie nach dem CHOP-Schema behandelt werden (Frick, Kiel).

    Neben vergleichsweise häufig auftretenden Formen des malignen Melanoms sieht sich der onkologisch tätige Dermatologe auch mit seltenen Fällen wie den primär extrakutanen Melanomen konfrontiert. Es wurde beispielsweise über das Auftreten eines primären malignen Melanoms der Sella (Fink et al.) und eines malignen Schleimhautmelanoms der Uvula (Haacke, Kiel) berichtet.

    Ein weiterer maligner Tumor der Haut, das Angiosarkom, reagierte nach den Beobachtungen von Vogt (Minden) auf eine antiangiogenetische Therapie mit Rofecoxib, Pioglitazon und Low-dose-Trofosfamid. Im Fall von inoperablen metastasierten Angiosarkomen bietet sich das Nukleosidanalogon Gemcitabin als mögliche therapeutische Alternative an.

    Auch kutane Manifestationen primär extrakutaner Tumoren, wie das nekrobiotische Xantogranulom als Paraneoplasie eines Plasmozytoms wurden beschrieben (Böttjer, Minden). Die erfolgreiche Therapie einer Langerhans-Zellhistiozytose mit Thalidomid stellten Kaatz et al., Jena, vor.

    Neben den wissenschaftlichen Themen wurde im Rahmen der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie auch die Frage der Strukturverträge als Grundlage der kassenärztlich onkologischen Versorgung erörtert (Ostendorf, Mönchengladbach).

    Eine langjährige Tradition und Aufmerksamkeit finden die dermatoonkologischen Kasuistiken. Ergänzend fand eine Posterausstellung statt. Die Tagung ermöglichte als Forum für alle Forscher, Kliniker und niedergelassenen Kollegen die konstruktiven Disskussion über neue Möglichkeiten in Diagnostik und Therapie dermatologisch-onkologischer Erkrankungen. Dabei gelang es insbesondere, theoretische Erkenntnisse der Grundlagenforschung und neue Studienergebnisse mit den Erfahrungen der klinischen Praxis zu verbinden. Weiterhin bot die Tagung die Möglichkeit der Fortsetzung eines kollegialen wissenschaftlichen Gedankenaustausches, während der Besichtigung des mittelalterlichen Stadtkerns des turmgekrönten Erfurts, der alten Universität von 1392, der Lutherstadt und anderen kulturhistorische Denkmälern der im Jahr 743 von Bonifacius gegründeten Stadt Erfurt. Der Begrüßungsabend fand im Rokokoschloss Molsdorf statt und ein weiterer geselliger Abend im Erfurter Gildehaus, welcher die Möglichkeit eines gemütlichen Gedankenaustausches mit Kollegen und Freunden gab.

    Wir haben uns gefreut, die Teilnehmer der 12. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie in Erfurt begrüßen zu dürfen.

    M. Wendler

    Hautklinik Klinikum Erfurt

    Nordhäuser Str. 74 · 99089 Erfurt

    M. Wendler

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