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DOI: 10.1055/s-2003-38548
Anerkennungstheoretische Reflexionen zur psychosozialen Praxis
Reflections on the Concept of Recognition in Psychosocial PracticePublication History
Publication Date:
11 April 2003 (online)

Zusammenfassung
Der Beitrag unternimmt den Versuch, die Anerkennungstheorie von Axel Honneth für den Umgang mit psychisch beeinträchtigten Menschen fruchtbar zu machen. Mit der „Theorie der Anerkennung” wird ein Gerechtigkeitsbegriff angeboten, der eng mit der Idee ein integren Lebensform verknüpft ist. Die Entwicklung von Selbstvertrauen, Selbstachtung und Selbstschätzung - als unterschiedliche Schichten praktischer Selbstbeziehung - ist an die Erfahrung intersubjektiver Anerkennung gebunden. Diese stellt die zentrale Bedingung dar, an der die Identitätsentwicklung der Menschen hängt. Verweigerte Anerkennung bzw. Missachtung, Ausschluss oder Entwürdigung berühren in negativer Weise die Integrität der Person. Gezeigt wird die Relevanz der Anerkennungstheorie für die psychosoziale Praxis, die notwendigerweise eines biografisch-lebensweltlichen Zugangs, der es erlaubt, psychisch beeinträchtigte Menschen sowohl in der Perspektive des „Erleidens” als auch des „Handelns” wahrzunehmen. Biografieorientierte Unterstützungsansätze bedürfen der begleitenden Evaluation der institutionellen Arrangements, die möglicherweise selbst Quellen von Kränkungen, Missachtung und der Einschränkung von Autonomie sind. Diese Analyse bleibt allerdings unvollständig, wenn sie nicht auch jenen gesellschaftlichen Bedingungen nachgeht, die für die Verletzung der Anerkennungsbedingungen verantwortlich sind.
Abstract
This article attempts to fertilize the concept of recognition by Axel Honneth for use with mentally handicapped persons. The „Concept of Recognition” offers a concept of fairness that is closely tied to the idea of an integrated life style. The development of self-confidence, self-respect and self-esteem - as differing levels of practical self-relation - are bound to the experience of inter-subjective acceptance. This represents the basic requirement on which the development of a person’s identity depends. Refusal of recognition, and/or disregard, exclusion, or disgrace negatively effects the integrity of a person. The relevance of the concept of recognition in psychosocial practice is described, this allows mentally handicapped persons to be observed out of the perspective of „suffering” as well as out of the perspective of „acting”. This necessarily requires a biographical and environmental approach. Biography oriented support approaches require continual evaluation of the institutional arrangements that possibly themselves are the source of indignities, disregard and restrictions of autonomy. This analysis however remains incomplete if the social conditions that are responsible for the violation of recognition criteria are not investigated as well.
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Dr. phil. Dieter Filsinger
Katholische Hochschule für Soziale Arbeit
Rastpfuhl 12 a
66113 Saarbrücken