Gesundheitswesen 2003; 65(3): 190-199
DOI: 10.1055/s-2003-38511
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Shared Decision Making bei Brustkrebspatientinnen

Qualitative Untersuchung zur gemeinsamen Entscheidungsfindung beim Mammakarzinom in einer UniversitätsklinikShared Decision Making in Breast Cancer PatientsQualitative Study on Mutual Decision Making in Breast Cancer in a University HospitalC. Caspari1 , M. Untch1 , A. Vodermaier1
  • 1Klinikum der Universität München, Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Großhadern
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Publication Date:
16 April 2003 (online)

Zusammenfassung

In der vorliegenden Studie werden Beobachtungen und Interviews zum Konstrukt des Shared Decision Makings bei Brustkrebspatientinnen analysiert. Die Interviews werden nach der Methode der Grounded Theory ausgewertet und es werden Filmanalysen der Aufklärungsgespräche von Oberärzten und Patientinnen erstellt.

Brustkrebs ist eine schwere, in manchen Fällen tödliche Erkrankung. Die Primärtherapie ist gekennzeichnet durch die Konfrontation mit der Diagnose, dem Bangen und Hoffen der Patientinnen und der Auseinandersetzung mit der weiteren Behandlung. In dem Artikel wird der Frage nachgegangen, welchen Einfluss der Kontext und die impliziten Annahmen der behandelnden Ärzte auf den Shared-Decision-Making-Ansatz ausüben?

Abstract

This qualitative study examines doctor-patient interactions and interviews with breast cancer patients referring to shared decision making. The interviews have been evaluated according to the method of grounded theory. Videos of doctor-patient interactions show information and discussions on therapy planning.

Breast cancer is a serious, in many cases life-threatening disease. The primary therapy is characterised by confrontation with the diagnosis, fear and hope of the patients and the subsequent treatment.

Central themes of the article are the context and implicit assumptions of doctors influencing the shared decision making approach.

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1 Bei Beobachtungen aus dem Forschungstagebuch handelt es sich um Zitate aus der Erinnerung, die nicht wörtlich übernommen werden können.

2 Nicht, dass ich kein Verständnis hätte, dass man sich ungern bei der Arbeit filmen lässt.

2 Hermann zitiert Ulrich in diesem Kontext und sagt Folgendes: „Für die extreme Medizin beschreibt Ullrich, dass psychologische Mitarbeiter ‚leicht zu einer Art Inkarnation des schlechten Behandlergewissens‘ werden.” Diese Gefahr sieht die Autorin auch in Bezug auf psychologische Feldforscher (zitiert nach Hermann 2000, S. 53 [11]).

3 Mittlerweile wurden die Ergebnisse um ein Interview mit einem behandelnden Arzt und drei betroffenen Frauen und zwei Filmaufnahmen erweitert.

4 Cap ist die Abkürzung der Videoaufnahmen.

5 Kirschning schildert in ihrer Studie zu Brustkrebs einleuchtend, wie sich die Diagnose Brustkrebs durch viele einzelne Schritte als Diagnoseprozess darstellt und weniger, wie sie sich in der medizinischen Darstellung dem Schema Diagnose - Therapie einordnen lässt. [3]

6 Diagnoseschock ist ein Begriff, den Sellschopp im Zusammenhang mit einer Krebsdiagnose prägte und dessen Symptomatik er weiter ausführt [16].

7 Normalerweise klärt der Oberarzt der Station die Patientinnen auf, da er auch operieren wird, die beiden interviewten Ärzte fungieren als Stationsärzte, nehmen die Patientinnen auf, sind bei den Aufklärungsgesprächen anwesend und in Notfällen (Zeitmangel) übernehmen sie die Aufgabe des Aufklärungsgespräches.

Dipl.-Psych. Cornelia Caspari

Klinikum der Universität München, Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe - Großhadern

Marchioninistraße 15

81377 München

Email: Cornelia.Caspari@med.uni-muenchen.de

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