Akne - Pathogenetische Grundlagen und Konsequenzen für die Therapie
W. Meigel, Hamburg
Akne - Pathogenetische Grundlagen und Konsequenzen für die Therapie
W. Meigel, Hamburg
Seit nunmehr 34 Jahren veranstaltet Hermal die bekannten Reinbeker Kolloquien, um
über aktuelle Themen der Dermatologie zu informieren und den Dialog zwischen Klinikern
und niedergelassenen Kollegen zu fördern. Am 23. November 2002 fand das mittlerweile
60. Reinbeker Kolloquium in Mannheim statt. Unter der Leitung von Professor Dr. W.
Meigel, Hamburg, waren ausgewiesene Experten als Referenten geladen. Diese präsentierten
kompetent und umfassend das Spektrum der Ursachen der Akne sowie die aktuellen topischen
und systemischen Therapiemöglichkeiten. Anlässlich der Einführung von Aknenormin®
war die besondere Stellung des Isotretinoins in der Aknebehandlung ein zentrales Thema.
Aber auch Aspekte der Pharmako-Ökonomie wurden eingeschlossen. Redner waren die Professoren
Dr. med. K. Degitz, Dr. med. D. Abeck, Dr. med. Meigel sowie Priv.-Doz. Dr. med. M.
Augustin, Freiburg, und Dr. med. T. Jansen, Bochum. Durch ein interaktives Quiz zu
Beginn und am Ende jedes Vortrags konnten die Zuhörer ihren Wissenstand und vor allem
den individuellen Zugewinn an Erkenntnis überprüfen. In den sich anschließenden regen
Diskussionen holten die Dermatologen kollegialen Rat zu wichtigen Fragen des Praxisalltags
ein. Kontroverse Meinungen zeigten sich beim Thema „Diätetische Empfehlungen für Aknepatienten”.
Neben der Wissenserweiterung wurden alte Kontakte aufgefrischt und neue geknüpft.
Zusätzlich konnten fünf Fortbildungspunkte der DDA mit nach Hause genommen werden.
Pathogenese der Akne
K. Degitz, München
Pathogenese der Akne
K. Degitz, München
Nach heutiger Auffassung wirken bei der Entstehung der Akne folgende pathogenetische
Faktoren zusammen: Follikuläre Hyperkeratose, Seborrhoe, mikrobielle Besiedlung und
Entzündung. Diese Faktoren beeinflussen sich gegenseitig. Follikuläre Hyperkeratose
und Seborrhoe schaffen im Haarfollikel ein Milieu, das den zur Standortflora zählenden
Propionibakterien ein exzessives Wachstum erlaubt. Bakterielle Stoffwechselprodukte
wirken chemotaktisch auf Leukozyten und initiieren so die follikulären und perifollikulären
Entzündungen, die bis zur Abszedierung und Fistelgangbildung führen können. In den
Akneläsionen gebildete Entzündungsmediatoren fördern wiederum die follikuläre Hyperkeratose.
Die Seborrhoe ist eine Conditio sine qua non für die Akne. Androgene, Talgbildung
und Akne sind eng miteinander verbunden. Das Vorkommen von Seborrhoe und Akne bei
normalen Androgen-Serumspiegeln wird auf eine erhöhte Androgensensitivität der talgproduzierenden
Sebozyten zurückgeführt (individuelle Aktivität des Enzyms 5alpha-Reduktase). In anderen
Fällen liegt der Seborrhoe und Akne eine Überproduktion von Androgenen zugrunde. Wichtige
Ursachen für erhöhte Androgen-Blutkonzentrationen sind das komplexe gynäkologische
Krankheitsbild der polyzystischen Ovarien, androgenproduzierende Tumoren und das in
leichter Ausprägung nicht seltene adrenogenitale Syndrom. Akne kann aber nicht nur
durch ein endogenes Überangebot an Androgenen, sondern auch durch exogen zugeführte
Androgene hervorgerufen werden. Dies geschieht iatrogen bei Hypogonadismus oder bei
Hochwuchs zur Einleitung des vorzeitigen Epiphysenschlusses. Zu beachten, so Degitz
abschließend, sei auch die Einnahme von androgen wirksamen Anabolika durch Bodybuilder.
Die topische Aknetherapie unter besonderer Berücksichtigung der Antibiotika
D. Abeck, München
Die topische Aknetherapie unter besonderer Berücksichtigung der Antibiotika
D. Abeck, München
„Die topische Aknetherapie stellt zu Recht noch immer die erste Wahl dar”, so D. Abeck
einleitend. Bei Acne comedonica sowie einer milde verlaufenden Acne papulopustulosa ist sie therapeutisch ausreichend. Entscheidend für die Akzeptanz der Therapie ist
die aktive Einbindung des Patienten in das Behandlungsmanagement, ein möglichst geringes
Irritationspotenzial des Therapeutikums und ein schneller und vor allem sichtbarer
Behandlungserfolg.
Bei Acne comedonica sind topische retinoide Mittel der ersten Wahl. Sie verfügen über die stärkste komedolytische
Wirksamkeit. Topische Retinoide stehen in unterschiedlichen Konzentrationen und galenischen
Zubereitungen zur Verfügung. Unterschiede bestehen in der Wirksamkeit der einzelnen
Substanzen. Laut Abeck hemmt Tretinoin die follikuläre Hyperkeratose wirksamer als
das synthetische Retinoid Adapalen. Noch schwächer wirken Azelainsäure und Salizylsäure.
Eine Acne papulopustulosa sollte immer mit einer Kombination von zwei Wirkstoffen behandelt werden. Topisches
Retinoid und zusätzlich ein topisches Antibiotikum. Dabei stellen Erythromycin und
Clindamycin geeignete Antibiotika dar, um synergistische Effekte zu erreichen. Sie
verfügen zusätzlich über antiinflammatorische Eigenschaften und erhöhen somit die
Verträglichkeit des Retinoids. Topische Retinoide wiederum verbessern die Penetration
der topischen Antibiotika in den Follikelgrund.
Studien zeigen keine Überlegenheit der oralen gegenüber der topischen Antibiotikabehandlung.
Aufgrund des geringeren Nebenwirkungsrisikos ist der topische Einsatz von Antibiotika
zu bevorzugen. Im Zusammenhang mit der Antibiotikatherapie bei Akne wird immer wieder
die Frage einer möglichen Resistenzinduktion diskutiert. Abeck rät deshalb neben einem
zeitlich begrenzten Einsatz topischer Antibiotika immer zur Kombination mit Benzoylperoxid
oder Zink. Obwohl entsprechende klinische Untersuchungen zur Resistenzinduktion derzeit
noch fehlen, empfiehlt Abeck auch die Kombination topisches Retinoid und topisches
Antibiotikum. Klinisch ist an das Vorliegen einer Resistenz immer dann zu denken,
wenn der Einsatz der topischen Anwendung nicht zu einer Besserung der Akne führt.
Die systemische Therapie - Indikationsstellung und Möglichkeiten
T. Jansen, Bochum
Die systemische Therapie - Indikationsstellung und Möglichkeiten
T. Jansen, Bochum
Die Therapie der Akne beruht im Wesentlichen auf drei Ansätzen: Verringerung der Talgproduktion
(z. B. durch systemische Therapie mit Isotretinoin oder Antiandrogenen), Beeinflussung
der Verhornungsstörung (z. B. durch lokale oder systemische Therapie mit Retinoiden),
sowie Hemmung von P. acnes (z. B. durch lokale oder systemische Gabe von Antibiotika).
Systemisch gegebene Antibiotika hemmen das Bakterienwachstum, wirken antiinflammatorisch
und haben einen Einfluss auf die Enzymproduktion. Jansen empfiehlt die Behandlung
in voller Dosierung zu beginnen, bis sich eine deutliche Besserung zeigt. Danach wird
die Dosis bis zu einer möglichst niedrigen Erhaltungsdosis reduziert, die wesentlich
vom Schweregrad der Erkrankung abhängt. Da der spontane Verlauf einer Akne variiert,
ist die Antibiotikadosierung klinisch zu kontrollieren und entsprechend anzupassen.
Zu den generellen Problemen der systemischen Antibiotikatherapie gehören die typischen
Folgen durch Veränderungen der physiologischen Mikroflora (z. B. Diarrhöen, Candidiasis)
und die Resistenzinduktion. Eine seltene Komplikation der systemischen Langzeittherapie
der Akne mit Antibiotika, insbesondere mit Tetrazyklinen, ist die gram-negative Follikulitis.
Wegen der besseren Compliance sind Doxyzyklin und Minozyklin dem Tetrazyklin vorzuziehen,
da die gesamte Tagesdosis auf einmal eingenommen werden kann. Zusätzlich kann die
höhere Lipophilie von Doxyzyklin und Minozyklin als Vorteil angesehen werden. Bei
einer Verordnung von Doxyzyklin muss auf die Phototoxizität der Substanz hingewiesen
werden. Bei Minozyklin ist zu beachten, dass dieses Tetrazyklinderivat Schwindelzustände
hervorrufen kann. Darüber hinaus kann Minozyklin zu blau-schwarzen Verfärbungen zahlreicher
Gewebe führen. Angesichts der Publikationen [1]
[2] über seltene, aber schwere Nebenwirkungen nach Behandlung mit Minozyklin (Serumkrankheit-ähnliche
Reaktion, Induktion eines Lupus erythematodes) sollte die Indikation zur Minozyklintherapie
der Akne streng gestellt werden. Bei schwersten entzündlichen Formen der Akne ist
eine Antibiotikatherapie meist nicht ausreichend.
Bei Frauen mit Seborrhoe und zu Entzündung neigenden Effloreszenzen können Antiandrogene,
die zugleich kontrazeptiv wirken, verordnet werden. Eine alleinige Behandlung mit
oralen Kontrazeptiva genügt jedoch nicht. Sie sollte immer mit anderen Aknetherapeutika
kombiniert werden. Der Erfolg in der Aknetherapie beruht auf einer kompetitiven Hemmung
der Androgenrezeptoren, die eine Reduktion der Talgproduktion um 25 bis 35 % bewirkt.
Jansen betonte am Ende seines Vortrags, dass niedrigdosierte, reine Gestagenpräparate
(„Minipille”, 3-Monats-Spritze, Implantat) keine geeigneten Kontrazeptiva für Frauen
darstellen, die mit Isotretinoin behandelt werden. Die Kombination von systemischen
Retinoiden mit niedrigdosierten, reinen Gestagenpräparaten kann die Wirksamkeit des
Gestagenpräparates abschwächen.
Isotretinoin: Systemische Therapie und Nutzen-/Risikoprofil
W. Meigel, Hamburg
Isotretinoin: Systemische Therapie und Nutzen-/Risikoprofil
W. Meigel, Hamburg
Die systemische Therapie mit Isotretinoin hat die Heilungschancen der Acne vulgaris, vor allem ihrer schweren Verlaufsformen, dramatisch verbessert. „Auch nach 20 Jahren
stellt die systemische Therapie mit Isotretinoin den Goldstandard einer erfolgreichen
Aknetherapie dar”, betonte Meigel. Isotretinoin ist der derzeit einzige Wirkstoff,
der alle wichtigen pathogenetischen Faktoren der Akne beeinflusst. Langzeitremissionen
bis hin zur völligen Abheilung aller Akneerscheinungen werden in 70 - 89% der Fälle
gesehen.
Die Zulassung beschränkte sich zunächst auf schwere Fälle von nodulozystischer Akne
und auf Acne conglobata. Im Lauf der Jahre wurden jedoch weltweit mehr und mehr auch mittelschwere Akneformen
behandelt, um der Tendenz zur Vernarbung und Entstellung frühzeitig entgegenzuwirken.
Heutzutage werden auch junge Akne-Patienten mit positiver Familienanamnese für schwere
Krankheitsverläufe und klinisch leichtere Fälle von Akne mit ausgeprägter psychosozialer
Belastung behandelt. Die tägliche Dosis beträgt 0,5 bis 1,0 mg/kg Körpergewicht (KG).
Die Therapiedauer liegt zwischen 16 und 24 Wochen. In zahlreichen Studien ist belegt,
dass eine kumulative Dosis von 120 mg/kg KG erreicht werden sollte, um die Rezidivquote
niedrig zu halten.
Das Nebenwirkungsprofil ist inzwischen gut bekannt und entspricht in weiten Teilen
einer Hypervitaminose-A. Mukokutane Nebenwirkungen werden bei praktisch allen Patienten
beobachtet. Sie zwingen jedoch nur in wenigen Fällen zum Abbruch der Therapie. Arthralgien
und Cephalgien sind mit nichtsteroidalen Antiphlogistika gut behandelbar. Leber- und
Fettstoffwechselstörungen sind selten und werden durch Laborkontrollen vor und während
der Therapie und entsprechende Dosisreduktion beherrscht. Isotretinoin ist, wie alle
übrigen Retinoide, in therapeutischen Dosen teratogen. Weibliche Aknepatienten im
gebärfähigen Alter müssen deshalb ohne Ausnahme einen Monat vor Therapiebeginn, während
der Therapie und einen Monat nach Therapieende eine zuverlässige Antikonzeption durchführen.
Schwangerschaftstests vor und während der Therapie sind zwingend. Die Therapie mit
Isotretinoin ist laut Meigel auch bei folgenden Begleiterkrankungen möglich: Diabetes
mellitus, entzündliche Darmerkrankungen wie M. Crohn, chronische Niereninsuffizienz,
Multiple Sklerose und unter einer Therapie mit Immunsuppressiva bzw. nach Organtransplantationen,
um nur einige zu nennen. Die Therapie solcher Risikopatienten sollte jedoch Spezialisten
vorbehalten bleiben, da hier engmaschige Kontrollen und besondere Dosisanpassungen
sowie Spiegelbestimmungen des Isotretinoins erforderlich sind.
Ein in letzter Zeit vermehrt diskutierter Aspekt des Nebenwirkungsprofils ist die
Auslösung von Depressionen bis hin zu suizidalen Ereignissen. Bisher vorgelegte Studien
zu diesem Problem lassen jedoch keinen Kausalzusammenhang erkennen [3]
[4]
[5]
[6]. Trotzdem wird empfohlen, durch ein Kurz-Screening im Rahmen der Patientenführung
während der Therapie gefährdete Patienten herauszufiltern. Dieses Kurz-Screening könne
laut Meigel durch die ersten zwei Fragen aus dem so genannten M.I.N.I - International
Neuropsychiatric Interview [7] erfolgen:
-
Haben Sie sich in den letzten zwei Wochen an den meisten Tagen über jeweils einen
längeren Zeitraum traurig oder deprimiert gefühlt?
-
Haben Sie in den letzten zwei Wochen das Interesse an Dingen verloren, für die sich
früher sehr interessierten?
Werden beide Fragen mit „ja” beantwortet, kann dies ein erster Hinweis auf das Vorliegen
einer Depression sein.
Meigel kam am Ende seines Vortrags zu dem Fazit, dass es keine Alternative zur systemischen
Therapie mit Isotretinoin gibt. Die Komplexität von Nutzen und Risiko bei dieser Behandlung
sollte jedoch dazu Anlass geben, dass diese nur vom dermatologischen Spezialisten
durchgeführt wird, da ein dauerhafter Erfolg untrennbar mit einer kompetenten Patientenführung
verbunden ist.
Pharmako-Ökonomische Aspekte der Aknetherapie
M. Augustin, Freiburg
Pharmako-Ökonomische Aspekte der Aknetherapie
M. Augustin, Freiburg
Acne vulgaris ist eine der häufigsten dermatologischen Erkrankungen. Bei einem Großteil der betroffenen
Jugendlichen ist zumindest zeitweise eine dermatologische Therapie notwendig. Die
Indikationsstellung zur Therapie - und damit zur Nutzung ökonomischer Ressourcen -
ergibt sich in den meisten Fällen aufgrund der kosmetischen und psychischen Belastungen
der betroffenen Patienten. Diese Abwägung zwischen dem subjektiv erlebten Krankheitswert
und den Behandlungskosten muss auch gegenüber den Kostenträgern überzeugend dargestellt
werden. In zunehmendem Maße werden daher Kostenanalysen durchgeführt, die die Effektivität
und den Nutzen verschiedener Therapiestrategien bei der Acne vulgaris evaluieren. Aus diesen Studien ergibt sich laut Augustin folgende Erkenntnisse:
-
Das Ausmaß an subjektiven Krankheitsbelastungen kann bei der Acne vulgaris beträchtlich sein.
-
Der hieraus resultierende oftmals hohe Krankheitswert rechtfertigt die Kostenerstattung
wirksamer Therapieverfahren.
-
Die Krankheitskosten der Acne vulgaris liegen in Deutschland nach Schätzungen zwischen 300 und 700 Millionen Euro. Hauptkostenfaktor
sind die Arzneimittelkosten sowie die vom Patienten selbst aufgebrachten direkten
Kosten.
-
Unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten ist die medikamentöse Behandlung mit Isotretinoin
bei der mittelschweren Akne den anderen Therapieverfahren eindeutig überlegen. Die
Überlegenheit bezieht sich sowohl auf das Verhältnis zwischen Arzneimittelkosten und
klinischem Verlauf (Kosten-Effizienz-Verhältnis) wie auch bezüglich der gewonnenen
Lebensqualität (Kosten-Nutzwert-Verhältnis).
-
Vermeidbare Kosten ergeben sich aus nötiger, aber auch fehlender Diagnostik und nicht
angemessener, meist zögerlicher Therapie.
-
Auch aus ökonomischer Sicht erfordert die Therapie der Akne daher eine fachärztliche,
qualifizierte Diagnostik und Therapie.