Einleitung
Insbesondere in Anbetracht der wachsenden Zahl älterer Menschen ist es Aufgabe der
kosmetischen Dermatologie, die physiologische Funktion und auch das äußere Erscheinungsbild
der Haut im fortgeschrittenen Lebensalter weitest möglich zu erhalten. Denn mit zunehmendem
Alter verliert die Haut an Festigkeit, sie wird trockener, ungleichmäßiger pigmentiert
und es bilden sich Falten. Im Rahmen dieser alterstypischen Prozesse vermindert sich
die Dicke der Haut und es kommt zur Reduktion und Dysfunktion verschiedener zellulärer
Komponenten (Tab. [1], Abb. [1]). Parallel dazu werden verschiedene Funktionen der Haut beeinträchtigt:
Tab. 1 Reduktion und Dysfunktion der zellulären Komponenten im Rahmen der Hautalterung
Epidermis |
Dermis |
Hautanhangsgebilde |
verminderte Dicke |
Atrophie |
Depigmentierung der Haare |
veränderte Größe und Form der Zellen |
↓ Fibroblasten |
Haarverlust |
Zellkernveränderungen |
↓ Blutgefäße |
Konversion vom terminalen zum Vellushaar |
↓ Melanozyten |
abnormale Nervenzellendigungen |
|
↓ Langerhans Zellen |
|
↓ Drüsenaktivität |
Abb. 1 Im Rahmen der Hautalterung vermindert sich die Dicke der Haut und es kommt zur Reduktion
und Dysfunktion verschiedener zellulärer Komponenten.
Während die extrinsische Hautalterung (Photoaging) primär durch die kumulative UV-Dosis
determiniert wird, hängt die intrinsische Hautalterung neben der genetischen Disposition
vor allem von metabolischen und hormonellen Störungen ab. Zentrale Rolle bei der hormonellen
Regulation der Alterungsprozesse der Haut bzw. der Hautanhangsorgane spielen Östrogene
und Androgene (Tab. [2]).
Tab. 2 Hormone und ihre Funktionen innerhalb der Haut und den Haaren
Androgene |
Östrogene |
Stimulation der Talgdrüsen (Seborrhö, Akne) |
Inhibition der Talgdrüsen |
Haarzyklus: Reduktion der Anagenphase (androgenetische Alopezie) |
Haarzyklus: Verlängerung der Wachstumsphase |
|
Anti-atrophischer Effekt auf epi-theliale, kollagene und elastische Fasern |
|
Effekt auf die Hautalterung? |
Androgene stimulieren die Talgdrüsen und sind maßgeblich an der Ausbildung von Seborrhö
und Akne beteiligt. Darüber hinaus ist auch der Haarzyklus hormongesteuert: Androgene
bewirken eine Reduktion der Anagenphase und spielen somit eine relevante Rolle bei
der androgenetischen Alopezie. Im Unterschied dazu inhibieren Östrogene die Funktion
der Talgdrüsen, sie verlängern die Wachstumsphase der Haare und besitzen einen anti-atrophischen
Effekt auf epitheliales, kollagenes und elastisches Gewebe. Der Östrogen-Rezeptor,
der ein Indikator dafür ist, dass die Zellen auf Östrogene ansprechen, befindet sich
auf Keratinozyten, Fibroblasten, Sebozyten und Gefäßendothelien.
Der postmenopausale Östrogenmangel wirkt sich auf das hauteigene Kollagen sowie die
elastischen Fasern aus und trägt auf diesem Weg maßgeblich zur endogenen Hautalterung
bei (Abb. [2]). Aus Tierversuchen weiß man, dass Östrogene die Polymerisierung der löslichen niedermolekularen
Form zur unlöslichen höhermolekularen Form stimulieren. Zugleich hemmen Östrogene
den Abbau von Kollagen, so dass die Halbwertszeit um mehr als 100 % verlängert wird.
Nach der Menopause nimmt der Kollagengehalt signifikant um bis zu 30 % ab und auch
die Struktur der Kollagenfasern verändert sich: Sowohl der Umsatz, die Kreuzvernetzung,
der Glykosamingehalt als auch der dermale Wassergehalt sind reduziert. Viele Symptome
der Hautalterung sind mit der Postmenopause assoziiert. So wird die Haut parallel
zu dem Absinken der endogenen Hormonspiegel trockener, die Elastizität und Festigkeit
nimmt ab und es kommt zu einem charakteristischen „Absacken” der Haut im Gesicht und
am Körper. Eine Östrogensubstitution könnte diesem hautspezifischen Alterungsprozess
demnach möglicherweise entgegenwirken.
Abb. 2 Der postmenopausale Östrogenmangel verursacht Veränderungen am Kollagen und den elastischen
Fasern und löst so die Symptome der Hautalterung aus.
Bei der für postmenopausale Frauen charakteristischen urogenitalen Atrophie wird eine
topische Östrogensubstitution bereits seit vielen Jahrzehnten erfolgreich eingesetzt.
Da Östrogene eine anti-atrophische und kollagenstimulierende Wirkung sowie einen Effekt
auf die elastischen Fasern der Haut besitzen, wurde darüber hinaus in mehreren Studien
der Frage nachgegangen, ob eine systemische oder eine topische Hormonsupplementation
einen Anti-Aging-Effekt besitzt.
Epidermale und dermale Dicke unter HRT signifikant erhöht
Bereits Anfang der 70er-Jahre untersuchte man im Rahmen einer kontrollierten Studie
die Auswirkung einer Hormonersatz-Therapie (HRT) auf die Haut [1]
[2]. An der Studie nahmen Frauen drei Monate nach der Menopause teil, bei denen die
epidermale und dermale Dicke der Haut bereits signifikant reduziert war. Bereits drei
bis sechs Monate nach Beginn der hormonellen Substitution erhöhte sich sowohl die
epidermale als auch die dermale Dicke der Haut in signifikantem Ausmaß.
Weitere Bestätigung der positiven Wirkung einer Hormonersatz-Therapie auf die Hautalterung
brachte einige Jahre später die National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES
I) [3]. In dieser epidemiologischen Erhebung an 3875 postmenopausalen Frauen im durchschnittlichen
Alter von 61,6 Jahren wurde unter anderem der Effekt einer systemischen Hormonersatz-Therapie
auf die Haut untersucht. Die Ergebnisse belegen, dass eine systemische Gabe von Östrogenen
die Haut sowohl vor Falten als auch vor der charakteristischen postmenopausalen Trockenheit
schützt. So nahmen bei den Frauen unter der HRT:
Die Autoren folgern, dass eine postmenopausale Östrogensubstitution einen potenziellen
Benefit bei der menopauseassoziierten Hautalterung bietet.
Hautalterung unter systemischer Östrogentherapie verzögert
Genaueren Aufschluss brachte eine eigene Studie, an der 24 postmenopausale Frauen
im durchschnittlichen Alter von 55 Jahren teilnahmen [4]. Die Patientinnen wurden auf drei Studienarme verteilt und über sechs Monate nach
folgendem Therapieschema behandelt:
-
Estradiol® (transdermales System, TSS 50, 50 µg 17 βE2)
-
Estraderm® (TTS 50 + Progesteron 0,4 mg vaginales Suppositorium)
-
Progynova® (Östrogen 2 mg p. o. + Progesteron 0,4 mg vaginales Suppositorium).
Als interne Kontrolle diente eine vierte Gruppe von drei Patientinnen, die nicht behandelt
wurden.
Um den Einfluss der HRT auf die Hautalterung möglichst genau zu untersuchen, wurde
sowohl an sonnenexponierten Hautarealen wie Gesicht und Dekolletee als auch an sonnengeschützten
Bereichen wie der inneren Oberarmseite folgende Parameter untersucht:
-
Hautoberflächenlipide (Sebumeter® SM 810)
-
epidermale Hydratation (Corneometer CM 820)
-
Hautelastizität (Dermaflex A®)
-
Hautdicke (Osteoson® DIII)
-
zusätzlich wurde alle drei Monate der Hormonspiegel (E2, FSH, Progesteron) bestimmt.
Die subjektiven Angaben der Patientinnen bestätigen, dass sich unter der HRT sowohl
die Trockenheit der Haut vermindert als auch die Festigkeit der Haut steigert. Die
in Abb. [3] zusammengefassten Ergebnisse der instrumentellen Messungen belegen darüber hinaus
in allen drei Behandlungsgruppen nahezu durchgängig einen positiven Effekt auf den
Feuchtigkeits- und Lipidgehalt sowie die hauteigene Elastizität und die Hautdicke.
Während der Lipidgehalt unter einer Östrogen-Monotherapie aufgrund des sebumsuppressiven
Effekts der Östrogene absank, stieg der Lipidgehalt unter einer kombinierten HRT (Östrogen
+ Progesteron) an. Maßgeblich ist hierbei der stimulierende Effekt von Progesteron
auf die hauteigenen Talgdrüsen. Parallel dazu verbesserte sich die Hautelastizität,
die epidermale Hydratation und die Dicke der Haut an sämtlichen Stellen inklusive
der UV-exponierten Hautareale.
Abb. 3 Einfluss der HRT auf die Hautalterung.
Obwohl eine verzögerte Hautalterung nicht das primäre Ziel einer HRT ist, scheint
sich die Hormonbehandlung auch hinsichtlich des Hautbildes auszuzahlen. Durch die
gestiegene Elastizität und den erhöhten Feuchtigkeitsgehalt der Haut verbesserte die
Hormonbehandlung das jugendliche Aussehen der Frauen; allerdings führte die kurzfristige
Behandlung nicht zu einem Effekt hinsichtlich der Faltenbildung.
Die Ergebnisse sprechen dafür, dass ein hormonelles Defizit bei der körpereigenen
Hautalterung eine größere Rolle spielt als bislang angenommen und dass auch Frauen
mit einer UV-induzierten Hautalterung von einer HRT profitieren. Möglicherweise besitzt
eine Hormontherapie einen positiven Langzeiteffekt und ist in der Lage, den Alterungsprozess
zu verzögern.
Vergleichbare Ergebnisse unter topischer Östrogenapplikation
Um systemische Nebenwirkungen zu vermeiden, ging eine weitere Studie in doppelblindem
und randomisiertem Design der Frage nach, ob eine topische Östrogenapplikation vergleichbare
Effekte nach sich zieht [5]. Eingeschlossen waren 58 postmenopausale Frauen zwischen 52 und 70 Jahren, die über
24 Wochen entweder mit konjugierten Östrogenen (Premarin® Creme, 1 g/Tag) oder mit
Plazebo behandelt wurden. Den Ergebnissen zufolge bewirkt eine topische Östrogenapplikation:
-
einen signifikanten Anstieg der Hautdicke
-
eine signifikante Reduktion der Falten
-
keine hormonellen Nebenwirkungen.
Auch eine Studie, in der peri- oder postmenopausale Frauen mit Östradiol (0,01 %;
1 g/Tag) bzw. Östriol (0,3 %; 1 g/Tag) erhielten, spricht für eine positive Wirkung
topisch applizierter Hormone auf die Hautalterung [6]. Die Frauen in den beiden Behandlungsgruppen (n = 28 bzw. n = 30) wurden über sechs
Monate behandelt und neben einer gynäkologischen Untersuchung nach drei bzw. sechs
Monaten einmal monatlich Prolaktin, FSH (Follikel stimulierendes Hormon) und Östradiol
bestimmt. Am Ende der Studie hatten sich in beiden Gruppen verschiedene, für die Hautalterung
relevante Parameter verbessert, wobei die Effekte des topisch applizierten Östriols
sowohl hinsichtlich des Wirkungseintritts als auch der Wirkstärke etwas ausgeprägter
waren. In keiner der beiden Behandlungsgruppen wurden hormonelle Nebenwirkungen festgestellt.
Welches Östrogen eignet sich zur topischen Applikation?
Zu einem vergleichbaren Ergebnis kam eine kontrollierte Studie unter Einschluss von
59 postmenopausalen Frauen, deren Haut bereits Zeichen einer Hautalterung zeigte [7]. Die Frauen wurden mit Östradiol (0,001 %) bzw. mit Östriol (0,3 %) behandelt und
mit Hilfe der Corneometrie und der Profilometrie eine Reihe dermatologischer Parameter
erfasst (Tab. [3]). Zusätzlich wurde anhand von Hautbiopsien immunohistochemisch der Gehalt an Kollagen
I und III ermittelt. Den Ergebnissen zufolge waren nach sechs Monaten in beiden Behandlungsgruppen
sowohl die Elastizität, die Festigkeit als auch die Hydratation der Haut signifikant
verbessert (Tab. [4]). Sämtliche der untersuchten Parameter verbesserten sich um etwa 100 %. Darüber
hinaus nahmen in beiden Gruppen die Faltentiefe und auch die Porengröße signifikant
zwischen 61 und 100 % ab.
Tab. 3 Topisches Östradiol versus Östriol bei der Hautalterung - Ergebnisse der Corneometrie
und Profilometrie
Corneometrie (Einheiten*)
|
n
|
Ausgangswert
|
Endwert
|
p
|
Östradiol |
20 |
66 ± 27 |
79 ± 14 |
p > 0,05 (ns) |
Östriol |
20 |
66 ± 26 |
78 ± 16 |
p > 0,5 (ns) |
Profilometrie (RZ-D in µm*)
|
n
|
Ausgangswert
|
Endwert
|
p
|
Östradiol |
21 |
50 ± 18 |
41 ± 16 |
p = 0,002 (s) |
Östriol |
21 |
48 ± 20 |
38 ± 22 |
p = 0,0005 (hs) |
|
* Einheit = 0,02 ng/cm2 Wassergehalt des Stratum corneums; RZ-D = Arithmetisches Mittel für die maximale
Rauheit. |
Tab. 4 Topisches Östradiol versus Östriol bei der Hautalterung - Behandlungsergebnisse
|
Östradiol (0,01 %) n = 30 |
Östriol (0,3 %) n = 28 |
|
Verbesserung (%) |
Wirkungseintritt nach Wochen |
Verbesserung (%) |
Wirkungs-eintritt nach Wochen |
Hautelastizität/Festigkeit |
100 |
13 |
96 |
11 |
Hydratation |
100 |
9 |
96 |
8 |
Faltentiefe |
87 |
16 |
89 |
17 |
Den immunhistochemischen Untersuchungen zufolge waren in beiden Behandlungsgruppen
am Ende der Studie signifikant mehr Kollagenfasern und Kollagen Typ III vorhanden.
Dies erklärt die erhöhte Festigkeit und die geringere Faltentiefe der Haut von den
mit Östrogen behandelten Frauen (Abb. [4]).
Abb. 4 Unter der topischen Östriolapplikation vermindert sich die Faltentiefe.
Der Effekt von topisch appliziertem Östriol war sowohl hinsichtlich des Ausmaßes als
auch des Wirkungseintritts leicht überlegen. Aufgrund der stärkeren Absorption erscheinen
systemische Nebenwirkungen unter Östradiol zumindest theoretisch möglich. Östriol
wird zwar weniger stark absorbiert, besitzt jedoch eine höhere Affinität zur Epidermis.
Weder aufgrund des klinischen Bildes noch aufgrund des hormonellen Monitorings ergaben
sich Hinweise auf Nebenwirkungen.
Fazit
Topisch applizierte Östrogene vermindern die Faltentiefe, bewirken einen Anstieg von
Kollagen Typ III und erhöhen sowohl die Hydratation, die Festigkeit als auch die Dicke
der Haut. Damit eröffnen topisch applizierte Östrogene einen viel versprechenden präventiven
bzw. kurativen Ansatz zur Behandlung der Hautalterung. Um das Risiko systemischer
hormoneller Effekte zu minimieren, sollten allerdings sowohl die Konzentration als
auch das Ausmaß der Applikation klar definiert werden. Erst weitere doppelblinde Studien
erlauben eine Aussage darüber, welches Östrogen in welcher Konzentration am besten
geeignet sein könnte.