Aktuelle Dermatologie 2002; 28(10): 343
DOI: 10.1055/s-2002-35208
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Immunmodulation aus der Tube

Immunomodulation Out of the „Tube”T. Bieber1
  • 1Bonn
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Publication Date:
04 November 2002 (online)

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    Mit der Entdeckung der ersten Zytokine in der Haut haben die Dermatologen sich von der Vorstellung der Haut als eines reinen Schutzmantels verabschiedet. Dank der Fortschritte der modernen zellulären und molekularen Immunologie wird die Komplexität der physiologischen und pathophysiologischen Vorgänge in der Haut immer offensichtlicher. Auch die Erkenntnisse über das angeborene und erworbene Immunsystem ergaben völlig neue Einsichten in die Reaktionsmechanismen der Haut, insbesondere im Rahmen von mikrobiellen Attacken, von überschießenden allergischen Reaktionen und bei der Kontrolle von Tumoren. Gleichsam sah sich die Forschung in der Lage, auf diese Mechanismen durch neue Strategien Einfluß zu nehmen. Dabei bestand eine der wichtigsten Vorstellungen der Therapeuten stets darin, immunologische Vorgänge nach Belieben und relativ spezifisch anzusteuern bzw. zu modulieren.

    Die Strategie der Immunmodulation (laut Pschyrembel 2002: „Veränderung der Immunantwort durch verschiedene Substanzen”) besteht also darin, einerseits überschießende Reaktionen zu „modulieren”, wie es klassischerweise bei entzündlichen Erkrankungen (z.B. atopische Dermatitis) der Fall ist. Hierzu gehören die neueren „immunmodulierenden” Substanzen Tacrolimus und Pimecrolimus. Diese Substanzen binden an einen intrazellulären Rezeptor, das sog. FK-bindende Protein (FKBP12), ein 12 kDa Makrophilin, dessen eigentlicher natürlicher Ligand noch nicht bekannt ist. Das Ergebnis dieser Bindung ist die Inhibition der Calcineurin Phosphatase, die für die Aktivierung und den nuklearen Transport des Transkriptionsfaktor NF-AT zuständig ist.

    Andererseits werden fehlende Immunreaktionen durch „Immunstimulanzien” angeregt. Der Begriff „biological response modifier” soll diese Klasse von Wirkstoffen definieren, der auch das Imiquimod und andere Mitglieder aus der Gruppe der Imidazoquinolinen zugeordnet werden. Der Wirkungsmechanismus von Imiquimod wurde unlängst durch die Identifizierung seines natürlichen Rezeptors auf Zellen zumindest partiell geklärt. Die Tatsache, dass eine Struktur des angeborenen Immunsystems, der TOLL-like-Rezeptor-7 (TLR-7), als Bindungsstelle für Imiquimod nachgewiesen wurde, öffnet neue Perspektiven im Verständnis der physiologischen Bedeutung solcher Rezeptoren.

    Der therapeutische Einsatz von Imiquimod in der Dermato-Onkologie ist wohl eine der merkwürdigsten Deviationen der Dermato-Pharmakologie der letzten Jahre. Jeder Dermatologe hat bereits seine eigenen mehr oder weniger überzeugenden Erfahrungen mit Imiquimod bei Kondylomen machen können. Am eindrucksvollsten bleibt jedoch nach wie vor die „off label”-Wirksamkeit beim Basaliom sowie bei aktinischen Keratosen, über die in diesem Heft aus der Hautklinik unseres Schriftleiters berichtet wird. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass Imiquimod in der Lage ist, die Sekretion von IFN-α zu induzieren, wodurch wiederum eine lokale Entzündungsreaktion ausgelöst wird. Systemische Nebenwirkungen können bei großflächiger Anwendung von Imiquimod auf Arealen mit guten Resorptionseigenschaften (z.B. der Kopfhaut) beobachtet werden und sind durchaus mit denen einer systemischen Gabe von IFN-α bei Melanom-Patienten vergleichbar. Allerdings haben eigene Erfahrungen auch gezeigt, dass nicht alle Patienten auf Imiquimod entsprechend reagieren, wobei ca. 20% offensichtlich keine Reaktion aufweisen. Neuere Ansätze wie die Pharmakogenomik werden uns zeigen, ob sich diese Patienten z.B. durch einen Polymorphismus ihrer TLR-7 Rezeptoren von anderen unterscheiden, so dass man in Zukunft die „Responder” von den „Nonrespondern” trennen könnte. Darüber hinaus bleibt, wie übrigens auch für FKBP12, die Frage des natürlichen Liganden dieses Rezeptors völlig ungeklärt. Die Identifikation solcher Moleküle würde einen neuen Meilenstein in der modernen Pharmakologie darstellen und eine neue Ära in der Entwicklung von Wirkstoffen einläuten.