Fokale Hyperhidrosen sind relativ häufige Störungen der Schweißproduktion, deren Ursache
größtenteils ungeklärt ist. Bevorzugte Stellen sind Hände, Achselregionen und Füße,
gelegentlich kann auch die Gesichtsregion betroffen sein [1]. Da die Schweißsekretion oftmals schon bei geringster physischer oder psychischer
Belastung an den betroffenen Körperregionen sichtbar wird, fühlen sich die Patienten
erheblich beeinträchtigt [2].
Axilläre und palmoplantare Hyperhidrosen lassen sich oftmals durch die lokale Applikation
von Aluminiumchloridhexahydrat behandeln diese Therapiemodalität führt jedoch häufig
zu erheblichen irritativen Reizungen [3]
[4]. Palmoplantare Hyperhidrosen lassen sich außerdem günstig durch Leitungswasseriontophoresen
beeinflussen, jedoch ist, um den therapeutischen Erfolg aufrechtzuerhalten, eine dauerhafte
Erhaltungstherapie erforderlich [5]
[6]
[7]
[8]. Systemische anticholinerge Therapien weisen ein hohes Potenzial unerwünschter Wirkungen,
insbesondere Mundtrockenheit, auf und erscheinen daher zur Behandlung fokaler Hyperhidrosen
ungeeignet [9].
In den letzten Jahren etablierte sich die intrakutane Injektion von Botulinumtoxin
A zunehmend zur Behandlung palmoplantarer und axillärer Hyperhidrosen [10]
[11]
[12]
[13]
[14]
[15]. Auch in der Behandlung des gustatorischen Schwitzens kann diese Therapiemodalität
mit Erfolg eingesetzt werden [16]
[17]. Wir berichten hier über eine Patientin, deren ausgeprägte Hyperhidrose der Stirn
erfolgreich mit Botulinumtoxin A behandelt werden konnte.
Anamnese
Anamnese
Die 33-jährige Patientin leidet seit 2 Jahren unter einer ausgeprägten Hyperhidrose
im Bereich der gesamten Stirn, die bei geringster körperlicher Anstrengung, beispielsweise
beim Einkaufen, beim Steigen weniger Treppenstufen oder bei der Hausarbeit, auftritt.
Der rasch herabrinnende Schweiß kann durch die Augenbrauen nicht ausreichend abgefangen
werden, so dass er in die Augen fließt. Da die Patientin als Landwirtin regelmäßig
auch stärkerer körperlicher Arbeit nachgeht, fühlt sie sich nicht nur durch die soziale
Stigmatisierung ihrer Schweißbildung, sondern auch im beruflichen Alltag erheblich
beeinträchtigt. Vortherapien mit aluminiumchloridhaltigen Externa konnten keinen befriedigenden
therapeutischen Effekt erzielen.
Neurologische oder endokrinologische Erkrankungen sind nicht bekannt, es erfolgt keine
regelmäßige Medikamenteneinnahme.
Befund
Befund
Mäßig adipöse Patientin in gutem Allgemeinzustand. Internistisch und neurologisch
orientierende Untersuchung unauffällig. Haut ohne pathologischen Befund, Dermographismus
ruber.
Bereits nach leichter körperlicher Anstrengung (zügiges Treppensteigen über 1 Stockwerk)
ausgeprägte Hyperhidrose im Bereich der gesamten Stirn (Abb. [1], [2]).
Abb. 1 Befund vor Therapie: Ausgeprägte Hyperhidrosis der Stirn.
Abb. 2 Prätherapeutische Objektivierung der Hyperhidrosis durch Minor’sche Schweißprobe.
Diagnostik
Diagnostik
Unauffällige Parameter für Blutbild, Differenzialblutbild, Schilddrüsenparameter und
Leber- sowie Nierenwerte.
Therapie
Therapie
Nach intensiver Aufklärung Bestimmung des am meisten betroffenen und zu behandelnden
Areals mit der Minor’schen Schweißprobe. Anschließend wurde das zu behandelnde Areal
in 12 Regionen zu einer Fläche von je 2 × 2 cm unterteilt (Abb. [3]). Es wurden insgesamt 60 MU Botulinumtoxin A (Dysport) in einer einmaligen Sitzung
streng intrakutan injiziert.
Abb. 3 Darstellung der gewählten Injektionspunkte.
Nach 3 Tagen, auch nach körperlicher Belastung, vollständige Anhidrose im behandelten
Areal (Abb. [4], [5]), zudem waren die mimischen Falten der Stirn verstrichen, der Patientin war ein
Runzeln der Stirn nicht mehr möglich, eine Ptosis trat nicht auf (Abb. [6]). Der therapeutische Effekt war über 8 Monate stabil, danach kam es gleichzeitig
zu erneut vermehrter Schweißsekretion und Reinnervation der mimischen Stirnmuskulatur
mit dem Wiederauftreten mimischer Falten.
Abb. 4 1 Woche nach Therapie mit Botulinumtoxin: Anhidrose des behandelten Areals.
Abb. 5 Objektivierung des therapeutischen Erfolgs 1 Woche nach Therapie mit Botulinumtoxin
durch Minor’sche Schweißprobe: Anhidrose im behandelten Areal.
Abb. 6 Verstrichene mimische Falten der Stirn, Runzeln der Stirn nicht mehr möglich, keine
Ptosis.
Besprechung
Besprechung
Fokale Hyperhidrosen stellen aufgrund der oftmals erheblichen Stigmatisierung und
des ausgeprägten Leidensdrucks Betroffener nach wie vor eine therapeutische Herausforderung
dar. Palmoplantare und axilläre Hyperhidrosen lassen sich durch die Applikation von
Aluminiumchloridhexahydrat-haltigen Externa bessern, jedoch treten hierbei häufig
erhebliche Irritationen auf [3]
[4], weshalb eine Anwendung im Gesichtsbereich nicht erfolgen sollte. Bei palmoplantaren
Hyperhidrosen bietet sich oftmals eine Leitungswasseriontophorese an, jedoch ist in
der Regel eine dauerhafte Erhaltungstherapie zur Aufrechterhaltung des therapeutischen
Erfolgs notwendig [5]
[6]
[7]. Für axilläre Hyperhidrosen stehen mehrere operative Verfahren, beispielsweise die
Sympathektomie, die subkutane Kurretage oder die Liposuktion der Schweißdrüsen zur
Verfügung, die jedoch eine hohe Rezidivrate aufweisen [18]
[19]
[20]. Da die genannten Verfahren im Gesichtsbereich nur unzureichende therapeutische
Alternativen darstellen, entschlossen wir uns bei der hier vorgestellten Patientin
aufgrund des hohen Leidensdrucks zur Anwendung von Botulinumtoxin A.
Botulinumtoxin A, ein Toxin des Anaerobiers Clostridium perfringens, ist ein Neurotoxin,
das eine präsynaptische Hemmung der Azetylcholinfreisetzung bewirkt [21]. Es wurde therapeutisch erstmals als nichtoperatives Verfahren zur Behandlung des
Strabismus und in Folge bei multiplen dystonen Bewegungsstörungen, beispielsweise
dem Torticollis spastikus, Blepharospasmen und hemifazialen Spasmen, eingesetzt [22]
[23]. In jüngerer Zeit etablierte sich Botulinumtoxin A zunehmend zur Behandlung fokaler
Hyperhidrosen. In halbseiten- und plazebokontrollierten Studien konnte eine gute Wirksamkeit
in der Behandlung axillärer Hyperhidrosen aufgezeigt werden [13]
[15]. Auch palmoplantare Hyperhidrosen lassen sich, ebenso wie das aurikulotemporale
Syndrom (Frey-Syndrom), durch die intrakutane Injektion von Botulinumtoxin A gut therapieren
[14]
[16]
[24]. Die Wirkdauer der Therapie mit Botulinumtoxin beträgt nach bisherigem Kenntnisstand
4 - 12 Monate, eine Wiederholung ist problemlos möglich, jedoch könnte die Wirksamkeit
nach mehreren Wiederholungen durch die Bildung von Antikörpern gegen Botulinumtoxin
reduziert sein [10].
Mangels therapeutischer Alternativen und angesichts des erheblichen Leidensdrucks
leiteten wir bei unserer Patientin eine intrakutane Injektion von Botulinumtoxin A
ein. Die Patientin wurde zuvor intensiv hinsichtlich möglicher unerwünschter Wirkungen,
insbesondere hinsichtlich einer möglichen Parese der mimischen Stirnmuskulatur, aufgeklärt.
Bereits 3 Tage nach der Behandlung zeigte sich ein vollständiges Sistieren der Hyperhidrose
im behandelten Areal, jedoch trat trotz streng intrakutaner Injektion eine Parese
der mimischen Stirnmuskulatur auf, die aber bedingt durch die damit einhergehende
Glättung der Hautfalten von der Patientin nicht als störend empfunden wurde.
Botulinumtoxin A scheint eine viel versprechende Modalität zur Behandlung auch nicht
palmar oder axillär lokalisierter fokaler Hyperhidrosen zu sein. Insbesondere an Körperregionen,
an denen feinmotorische oder mimische Muskulatur sehr oberflächlich unter der Dermis
lokalisiert ist, beispielsweise palmar oder im Gesichtsbereich, besteht jedoch die
Gefahr, dass trotz streng intrakutaner Injektion aufgrund Diffusion in die benachbarten
Regionen passagere Paresen auftreten [25]. Dennoch stellt die Therapie mit Botulinomtoxin A nach intensiver Patientenaufklärung
und bei guter Fachkenntnis eine wirkungsvolle therapeutische Alternative mit einem
im Vergleich zu anderen Therapiemodalitäten hohem therapeutischen Index bei lokalisierten
Hyperhidrosen dar. Die optimale Dosierung und die geeignetsten Injektionsvolumina
sollten jedoch in weiteren vergleichenden Studien erarbeitet werden.