In einer demnächst zur Publikation kommenden Monographie der International Agency for Research on Cancer (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird die epidemiologische Tragweite
der durch das Rauchen verursachten gesundheitlichen Schäden umfassend deutlich. 29
Experten aus 12 Ländern haben die in dem Kontext „Tabakrauch und Krebserkrankung”
publizierte Evidenz von 3000 Studien mit mehr als 1 Million Rauchern ausgewertet.
Noch vor der Publikation bringt die IARC die ersten erschreckenden Ergebnisse auf
ihrer Homepage (www.iarc.fr) an die Öffentlichkeit und spricht von den Folgen der
Tabakepidemie.
Die Hälfte aller Raucher stirbt an einer Folgeerkrankung des Tabakkonsums - neben
Krebserkrankungen, Schlaganfall, kardiovaskuläre Erkrankungen und COPD. Die Hälfte
dieser Todesfälle tritt im mittleren Lebensalter (35 - 69 Jahre) ein - diese Raucher
verlieren im Durchschnitt, im Vergleich zur Lebenserwartung eines Nichtrauchers, 20
- 25 Lebensjahre.
Die Evidenz der Analyse zeigt, dass Tabakrauch mehr Krebserkrankungen begünstigt als
bisher angenommen. Neben dem Bronchialkarzinom und Kopf-/Hals-Tumoren ist Tabakrauch
auch ein Risikofaktor für das Magen- und das Leberkarzinom, das Cervixkarzinom, das
Nierenkarzinom sowie das Nierenbecken- und das Harnblasenkarzinom. So führt Tabakrauch
zu einem 5 - 6 × erhöhten Risiko für das Nierenbecken- und das Harnblasenkarzinom
im Vergleich zu dem Risiko eines Nichtrauchers. In der Kombination mit weiteren Karzinogenen
wird das Erkrankungsrisiko durch Tabakrauch bei den o. g. Erkrankungen potenziert.
Jährlich sterben weltweit 3 Millionen Menschen an den Folgen des Rauchens. In den
meisten Ländern sind jedoch die schwerwiegendsten Folgen der Tabakepidemie noch nicht eingetreten. Dies gilt insbesondere für Frauen in den Industrieländern
und die Bevölkerung von Entwicklungsländern. Die Zahl der Todesfälle durch Tabakkonsum
wird sich, wenn die heute jungen Raucher das mittlere oder gehobene Alter erreicht
haben, auf rund 10 Millionen erhöht haben.
Von den 6 WHO-Regionen weist Europa den höchsten pro Kopf Zigarettenkonsum auf. 1994
waren 42 % der Männer und 28 % der Frauen in der EU Gewohnheitsraucher. In der Altersgruppe
von 25 - 39 Jahren waren 55 % der Männer und 40 % der Frauen Gewohnheitsraucher. Die
EU ist weit entfernt von dem Ziel der WHO, mindestens 80 % Nichtraucher in der Bevölkerung
zu erreichen.
Zwei Aspekte hebt die Vorab-Information der IARC-Monographie besonders heraus:
-
Der Anteil rauchender Jugendlicher steigt weltweit stetig an. Der Start dieser traurigen
„Karriere” wird oftmals vor dem 15. Lebensjahr genommen.
-
Unzweifelhaft und eindeutig wird in der Monographie evidenzbasiert belegt, dass Passivrauchen
ein karzinogener Faktor ist. So Exponierte haben z. B. ein um 20 % erhöhtes Bronchialkarzinomrisiko.
So eindeutig die gesundheitsschädigende Wirkung des Tabakgenusses - mit der IARC-Monographie
nunmehr auch evidenzbasiert - belegt ist, so schwierig scheint es für den einzelnen
Raucher zu sein das Rauchen aufzugeben. Offensichtlich sind die subjektiv vermeintlich
positiven Wirkungen des Rauchens wie „Stressabbau”, „gesellschaftliche Akzeptanz”
und „Gewichtsreduktion” zu gewichtig. Uns Pneumologen sollte dies nicht entmutigen.
Ebenso wie der im 19. Jahrhundert bestehende Korsettzwang für Frauen schließlich angesichts
eines natürlicheren Körperideals aufgegeben wurde, so wird auch das Atmen karzinogenverseuchter
Luft, wie sie ja das Rauchen darstellt, eines Tages Historie sein. Die auf diesem
Weg notwendigen Änderungen des Rauchverhaltens müssen einerseits durch auf Einzelne
abzielende Maßnahmen aber auch auf der gesellschaftspolitischen Ebene erreicht werden.
Wir Pneumologen können unsere Politiker zu einer gezielten „Tabakpolitik” nur ermutigen.
Die Kostenspirale im Gesundheitssystem würde bei erfolgreicher Umsetzung wahrscheinlich
nachhaltiger beeinflusst als durch die Einführung der DRGs.