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DOI: 10.1055/s-2002-32768
Diagnostik und Therapie der akuten und chronischen Hepatitis C bei Drogenabhängigen
Diagnosis and Therapy of Acute and Chronic HCV-Infection in Drug Addicts- Zusammenfassung
- Abstract
- Einleitung
- Methodik
- Untersuchungsergebnisse
- Diskussion
- Zusammenfassung
- Abkürzungen
- Literatur
Zusammenfassung
Insgesamt 120 Therapiezyklen mit IFN, IFN/RBV, pegIFN/RBV und CIFN/RBV wurden im Setting einer suchtmedizinisch-infektiologischen Schwerpunktpraxis bei 100 Drogenabhängigen begonnen. 41 % waren weiblich, 59 % waren männlich. Das Durchschnittsalter lag bei 36 Jahren. 43 % wurden substituiert. 47 % hatten die HCV-Genotypen 2 und 3, 53 % hatten Typ 1 und 4. Bei 61 % der Patienten lag die Viruslast über 2 Millionen Kopien/ml. 47 % waren HIV/HCV-koinfiziert, davon wurden 53 % antiretroviral behandelt. Der durchschnittliche Fibrose-Score lag bei 2,29 (METAVIR). Die Regime mit den traditionellen Interferonen wurden initial mit 5 Mio IU IFN täglich bzw. 9 mcg CIFN täglich durchgeführt. PegIFN wurde in der Dosis 1,5 mcg/kg einmal wöchentlich verabreicht. Bei 103 abgeschlossenen Therapiezyklen mit halbjähriger Nachbeobachtung waren 38 % primäre Nonresponder, 10 % waren Teilresponder, 31 % zeigten ein dauerhaftes Ansprechen. 21 % brachen die Therapie vorzeitig ab. Ursache waren vor allem hämatologische und hepatologische Komplikationen bei HIV/HCV-Koinfizierten, nur bei 8 % scheiterte die Therapie an der mangelhafte Compliance. Als Folge der Ich-Struktur-Defekte treten unter Interferon gehäuft Derealisation, Depersonalisation, psychotische und delirante Episoden auf. Ein zusätzliches Risiko der Therapie ist die Gefahr eines Rückfalls in den Heroinkonsum.
#Abstract
In a private practice setting specialised in addiction medicine and infectious diseases 100 IVDU were treated with 120 therapy-cycles with IFN, IFN/RBV, pegIFN/RBV and CIFN/RBV. 41 % were female, 59 % male. Average age was 36 years. 43 % were in methadone maintenance. In 47 % we found HCV-genotypes 2 or 3, in 53 % it was type 1 or 4. In 61 % HCV-RNA-PCR was higher than two million copies/ml. 47 % of the patients had a co-infection with HIV. 53 % of them were treated with anti-retroviral therapy. The average fibrosis-score was 2.29 (METAVIR). The regimens with IFN and CIFN were started with 5 millions IU resp. 9 mcg daily for the first three months. PegIFN was given 1.5 mcg/kg once a week. 103 therapy cycles were completed with 6-months follow-up. 38 % were non-responders, 10 % had a response at the end of the treatment, but relapsed within 6 months, 31 % showed sustained response. In 21 % discontinuation of treatment occurred, mainly due to anaemia, neutropenia and elevation of liver enzymes. Only in 8 % bad compliance was the reason for discontinuation. As a consequence of the characteristic defects of ego structure in drug users there is a frequent occurrence of derealisation, depersonalisation, psychotic and delirious episodes under interferon therapy. An additional risk of the therapy is the danger of relapse to the use of heroin.
Schlüsselwörter
IVDU - HCV-Infektion - HIV-Infektion - IFN - pegIFN-α-2b - pegIFN-α-2a - CIFN - Ribavirin
Key words
IVDU - Chronic Hepatitis C - HIV-Infection - IFN - pegIFN-α-2b - pegIFN-α-2a - CIFN - Ribavirin
Einleitung
Die chronische HCV-Infektion ist die häufigste somatische Erkrankung bei Drogenabhängigen mit intravenösem Konsum. Schon nach wenigen Jahren der Abhängigkeit findet man eine Durchseuchungsrate von nahezu 100 %. Da 80 % der Infektionen einen chronischen Verlauf nehmen, ergibt sich je nach der durchschnittlichen Konsumdauer eines Kollektivs eine Inzidenz zwischen 60 % und 80 %.
Dennoch stoßen validierte Präventionsstrategien wie Druckräume und Nadel-/Spritzentausch [1] immer noch auf drogenpolitische Widerstände. In der Breite des Versorgungssystems herrscht bei dieser Patientengruppe eine überdurchschnittliche diagnostische und therapeutische Zurückhaltung. Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe: Ein allgemein verbreiteter Behandlungspessimismus charakterisiert die Haltung des medizinischen Versorgungssystems gegenüber Drogenabhängigen. Im angelsächsischen Sprachraum wird diese Einstellung unverhüllt in zwei Schlagwörtern gefasst: „dirty medicine” und „nothing works”.
Vor allem die ärztliche „nothing works”-Einstellung ist das Ergebnis einer mangelhaften suchtmedizinischen Ausbildung. Die daraus entstehenden Interaktionsstörungen zwischen Drogenabhängigen und Ärzten werden unreflektiert den Drogenkonsumenten als „schlechte Compliance” angelastet.
Die ausgeprägte soziale, somatische und psychiatrische Komorbidität bedarf einer breit gefächerten medizinischen Qualifikation und eines großen Zeitaufwands bei der Behandlung [2] [3]. Sowohl im ambulanten als auch im stationären Rahmen fehlt die fachliche Kombination von Infektiologie und Suchtmedizin. Der hohe Aufwand an Arbeitszeit, Personal und Supervision lässt bei der aktuellen Fehlverteilung der finanziellen Ressourcen dieses Arbeitsfeld zu einem wirtschaftlichen Risiko in Krankenhaus und Praxis werden.
#Methodik
#Behandlungssetting
Das Praxiszentrum Kaiserdamm ist eine Gemeinschaftspraxis mit mehreren niedergelassenen Ärzten und Ärzten in Facharztausbildung (Innere und Allgemeinmedizin). Medizinisch konzentriert sich die Arbeit auf drei Schwerpunkte:
-
Behandlung der HIV-Infektion
-
Behandlung von Virushepatitiden
-
Suchtmedizin mit Schwerpunkt Heroinabhängigkeit
Pro Quartal werden ca. 1200 HIV-Infizierte und 400 Patienten mit Virushepatitiden diagnostisch abgeklärt oder behandelt. Im suchtmedizinischen Bereich werden ca. 50 abstinente und 100 substituierte Patienten behandelt. Hinzu kommt die infektiologische Betreuung von weiteren 70 drogenabhängigen Patienten, die bei anderen niedergelassenen Ärzten substituiert werden.
Für die psychosoziale Betreuung der Drogenabhängigen sind drei Drogenberater zuständig, die in den Räumen des Praxiszentrums Sprechstunden anbieten. Die psychiatrische Diagnostik und Therapie werden durch einen Psychiater aus der psychiatrischen Poliklinik der Charité mit Sprechstunde im Praxiszentrum durchgeführt.
Eine wöchentliche Besprechung zwischen den Ärzten und dem Praxispersonal über aktuelle Behandlungsprobleme sichert die Kontinuität eines suchtmedizinischen Milieus und verhindert das Agieren und Ausweichen der Patienten. Einmal monatlich findet eine Fallbesprechung unter Beteiligung von Drogenberatern, Praxispersonal und Ärzten statt. Damit wird die Koordination von psychosozialen und medizinischen Anforderungen gesichert. Probleme der Gegenübertragung werden in Balint-Gruppen kontrolliert. Die Durchführung der Therapie und das Monitoring des Verlaufs werden überwacht.
#Diagnostik
Die Basisdiagnostik der Drogenabhängigen wurde standardisiert und gestuft durchgeführt. Nach einem Screening auf drogentypische Erkrankungen erfolgte eine Therapieplanung unter Einbeziehung der sozialen, somatischen und psychiatrischen Syndrome.
- Leukozyten, Erythrozyten, Thrombozyten, Hämoglobin, Hämatokrit, Differenzialblutbild, GOT, GPT, GGT, Kreatinin |
- Anti-HIV, wenn positiv: HIV-RNA, Lymphozytensubpopulation |
- Anti-HCV, wenn positiv: HCV-RNA quantitativ, HCV-Genotyp |
- HbsAG, wenn positiv: HBV-DNS quantitativ, HbeAg,
Anti-HDV wenn negativ: Anti-Hbs, Anti-HBc, wenn negativ: Impfung gegen HBV |
- Anti-HAV, wenn negativ und HCV-RNA positiv: Impfung gegen HAV |
- TPHA, VDRL, wenn positiv: FTA-IgM |
Ausschluss Hämochromatose | Serumeisen, Eisensättigung |
Leberfunktion | Albumin, Quick, CHE, AFP |
IFN/RBV-Parameter | Diff.-BB, Bilirubin (direkt/indirekt), HS |
Autoimmunerkrankungen | TAK, ANA, AMA, ASMA, LKM |
Schilddrüsenfunktion | TSH, T3, T4 |
kardiale Risiken | EKG |
Orientierung Oberbauchorgane | Oberbauchsonographie |
histologisches Staging | Leberblindpunktion |
Die Leberpunktion wurde allen Patienten mit chronischer HCV- oder HBV-Infektion angeraten, sofern nicht Ausschlussgründe für eine Interferontherapie vorlagen oder aufgrund der Leberfunktionsstörungen ohnehin von einem Fibrosegrad 3 oder 4 (METAVIR) auszugehen war.
Die Punktionen wurden ambulant im Praxiszentrum durchgeführt. Dadurch wurde die Punktion deutlich häufiger akzeptiert als zu Zeiten, wo sie mit einer Krankenhauseinweisung verbunden war. Alle Punktionszylinder wurden von einem Pathologen beurteilt. Die Klassifikation geschah in allen Fällen nach der METAVIR-Einteilung. Die immunologischen und virologischen Parameter wurden mit folgenden Methoden bestimmt:
Parameter | Methode (kommerzielles Kit) | Messbereich |
HBV-PCR | Cobas Amplicor HBV-Monitor 1.0 | 200-200 000 Kopien/ml |
HCV-PCR | Cobas Amplicor HCV-Monitor 2.0 | 1800-2 Mio Kopien/ml (600-850 000 IE/ml) |
HIV-PCR | Cobas Amplicor HIV-Monitor 1.5 | 50-750000 Kopien/ml |
HCV-Genotyp | Inno-Lipa HCV 2 Innogenetics | |
Anti-HCV | Inno LIA HCV AB III update | |
CD4/CD8 | 4-Farb-Fluoreszenz-Analyse BD Biosciences |
Auswahl, Indikation, Kontraindikation, Wahl des Regimes
Die Auswahl derjenigen Drogenabhängigen, denen eine Therapie der chronischen Hepatitis C angeboten wurde, richtete sich nach folgenden Kriterien:
- erkennbares zukünftiges Risiko ohne
Therapie bei Monoinfizierten (Synthesestörung der Leber, Fibrosegrad der Leberhistologie) |
- HIV-Koinfektion |
- extrahepatische Komplikationen |
- frische HCV-Infektion |
Da 70 % der Patienten mit chronischer Hepatitis C auch über lange Zeiträume nicht mit schweren Leberfunktionsstörungen zu rechnen haben, wurde die Therapie nur denjenigen angeboten, die aufgrund der Laborbefunde eine messbare Synthesestörung der Leber (Quick, Albumin) aufwiesen, und allen Patienten mit einem histologisch gesicherten Fibrosegrad 2 bis 4. Ebenfalls wurde denjenigen Patienten eine Therapie empfohlen, die unter extrahepatischen Symptomen litten. Auch den eher seltenen Patienten mit einer akuten HCV-Infektion rieten wir zur Therapie, da sich dadurch die Chronifizierungsrate von 80 % auf 5 % senken lässt [4].
Zuletzt wurde allen Patienten mit HIV-Koinfektion die Therapie dringend angeraten, soweit die immunologische Situation dies noch zuließ (CD4 > 200).
Bei Betrachtung der Todesursachen der HIV/HCV-Koinfizierten in den beiden Zeiträumen vor und nach einer wirksamen antiretroviralen Therapie fällt vor allem auf, dass als Folge der verlängerten Überlebenszeit durch die antiretrovirale Therapie seit 1995 die chronische HCV-Infektion inzwischen zur häufigsten Todesursache geworden ist. Insgesamt sind 17 (8 %) der doppelinfizierten Patienten an den Folgen der chronischen Hepatitis C gestorben. Eine weitere Patientin konnte durch eine Lebertransplantation gerettet werden. Demgegenüber ist keiner der 394 HCV-monoinfizierten Drogenabhängigen in diesem Zeitraum an den Komplikationen der chronischen HCV-Infektion gestorben. Auch in der EuroSIDA-Kohorte (4034 HIV-Infizierte, 33,5 % HCV-koinfiziert) zeigte sich für die Koinfizierten eine um 50 % gesteigerte Sterberate gegenüber den HIV-Monoinfizierten innerhalb von 2,5 Jahren Beobachtungszeit [5].
1990-1995 (n = 45) | 1996-2001 (n = 44) |
|
AIDS | 80 % (n = 36) | 32 % (n = 14) |
Komplikation der Hepatitis C | 4 % (n = 2) | 34 % (n = 15) |
Injektionskomplikation | 9 % (n = 4) | 9 % (n = 4) |
Intoxikation | 5 % (n = 2) | 11 % (n = 5) |
Suizid/Mord | 2 % (n = 1) | 9 % (n = 4) |
andere Ursachen | 0 % (n = 0) | 5 % (n = 2) |
Sofern im Einzelfall besondere Risiken durch die Therapie entstanden wären oder eine Unterbrechung der Therapie gedroht hätte, wurde der Therapiebeginn zunächst zurückgestellt.
- compliancestörende Begleitbedingungen |
- Störung der beruflichen Rehabilitation |
- weniger als 12 Monate Abstinenz |
- erheblicher Nebenkonsum von Alkohol |
- offene Strafverfahren, drohender Bewährungswiderruf, Haftbefehle |
Untersuchungsergebnisse
#Auswahl, Alter, Geschlecht, Komorbidität, Komedikation
In den letzten zehn Jahren hatten sich im Praxiszentrum Kaiserdamm 621 Drogenkonsumenten vorgestellt. 394 (65 %) hatten eine chronische Hepatitis C, 332 (55 %) hatten eine HIV-Infektion und 240 (39 %) hatten eine HIV/HCV-Koinfektion.
Insgesamt wurden 100 Patienten wegen ihrer chronischen Hepatitis C mit unterschiedlichen Interferon-Regime behandelt. 59 % waren männlich, 41 % weiblich. 57 % waren zum Zeitpunkt der Behandlung abstinent, 43 % wurden mit L-Methadon, D-/L-Methadon, LAAM oder Buprenorphin substituiert.
1940-1949 | 3 |
1950-1959 | 37 |
1960-1969 | 44 |
1970-1979 | 16 |
Der weit überwiegende Teil der Patienten gehörte den Geburtsjahrgängen 1950 bis 1970 an. Das Durchschnittsalter bei Therapiebeginn lag bei 36 Jahren.
HIV-Infektion | 47 |
Leberzirrhose (F4 n. METAVIR) | 6 |
eingeschränkte Nierenfunktion | 8 |
Herzklappenersatz | 3 |
Zervix-, Kolon-Karzinom (ohne Rezidiv) | 5 |
47 % der Patienten waren zusätzlich HIV-infiziert. Alle fünf Karzinome waren in der Gruppe der HIV-Infizierten aufgetreten. Bei Beginn der HCV-Therapie waren diese Patienten seit mindestens zwei Jahren frei von Rezidiven.
keine psychiatrische Komorbidität | 20 |
Angststörung | 16 |
neurotische Depression/depressive Persönlichkeit | 10 |
narzisstische Persönlichkeitsstörung | 23 |
Borderline-Struktur | 31 |
Nur 20 % der Patienten waren frei von psychiatrischen Erkrankungen. Störungen mit höherem Strukturniveau (Phobien, Depression) lagen bei 26 % vor und 55 % der Patienten hatten Störungen von niedrigem Strukturniveau (Borderline, narzisstische Persönlichkeitsstörung). In dieser letzten Gruppe traten alle schweren psychiatrischen Komplikationen während der Interferontherapie auf.
Methadon/LAAM/Buprenorphin | 43 |
Naltrexon | 4 |
antiretrovirale Therapie (HAART) | 25 |
Neuroleptika | 15 |
Antidepressiva | 9 |
70 % der Patienten hatten bei Beginn der HCV-Behandlung eine Begleitmedikation mit einer bis sechs zusätzlichen Substanzen. Vor allem die Potenzierung der myelosuppressiven Effekte der NRTI durch das Interferon und die Interaktion von Ribavirin mit den NRTI erzwangen Therapieabbrüche.
#Hepatologische, immunologische und virologische Parameter
Anzahl/Prozent | |
Genotyp 1 | 44 |
Genotyp 2 | 8 |
Genotyp 3 | 39 |
Genotyp 4 | 4 |
mehrere Genotypen | 5 |
Die Gesamtgruppe war zu 47 % mit den Genotypen 2 und 3 infiziert, bei 53 % fanden sich die Genotypen 1 und 4. Bei den Patienten mit mehreren Genotypen waren immer Kombinationen von Genotyp 1 und Genotyp 4 vorhanden. Diese Patienten hatten alle drogenabhängige Lebenspartner aus dem arabischen Raum.
HCV-PCR | Anzahl | GPT (IU) | Anzahl |
unter 1 Mio Kopien/ml | 24 | bis 30 | 21 |
1 bis 2 Mio Kopien/ml | 15 | 31-100 | 67 |
über 2 Mio Kopien/ml | 61 | über 100 | 12 |
61 % der Patienten hatten bei Therapiebeginn mehr als 2 Millionen HCV-Kopien/ml, das heißt einen eher ungünstigen Faktor für das dauerhafte Ansprechen. Bei 21 % war die GPT normal, 79 % hatten eine erhöhte GPT.
HIV-PCR (cop/ml) | Anzahl | CD4-Zellzahl (pro µl) | Anzahl | CD4-Zellzahl (%) | Anzahl |
< 50 | 18 | 180-300 | 9 | 10-15 % | 4 |
bis 1 000 | 10 | 301-500 | 19 | 16-25 % | 21 |
bis 10 000 | 11 | 501-700 | 9 | 26-35 % | 10 |
bis 50 000 | 8 | > 700 | 12 | > 35 % | 12 |
Entsprechend den Auswahlkriterien zur Interferontherapie bei den Doppelinfizierten lagen die virologischen und immunologischen Parameter in einem günstigen Bereich. 62 % der Doppelinfizierten hatten eine HI-Viruslast unter 10 000 Kopien/ml, bei 91 % lag der prozentuale Anteil der CD4-Lymphozyten über 16 %, d. h., sie besaßen ein nahezu normal funktionierendes Immunsystem.
Regime-Typ | Anzahl |
3 NRTI | 6 |
2 NRTI + 1 NNRTI | 9 |
2 NRTI + 1-2 PI | 10 |
Insgesamt 25 (53 %) der Doppelinfizierten hatten bei Beginn der Interferontherapie eine antiretrovirale Behandlung. Bei 12 Patienten musste die HAART zeitweilig oder ganz abgesetzt werden, um die Interferontherapie fortzusetzen. Meist waren multiple Nebenwirkungen oder hämatologische Komplikationen dafür verantwortlich.
durchschnittlicher Fibrose-Score | (METAVIR) 2,29 |
Fibrose-Score | der Monoinfizierten 2,12 |
Fibrose-Score | der Doppelinfizierten 2,61 |
In der Gesamtgruppe ergab sich ein durchschnittlicher Fibrose-Score von 2,29. Die Doppelinfizierten hatten einen deutlich höheren Score als die Monoinfizierten. Alle Patienten mit einer Zirrhose (Fibrosegrad 4) waren in der Gruppe der Doppelinfizierten.
#Therapieregime
Entsprechend der historischen Entwicklung im Behandlungszeitraum kamen fünf Regime zur Anwendung. Da die Patienten im Rahmen von Studien zur Therapieoptimierung behandelt wurden, weichen die Dosierungen des IFN und des CIFN von den damals gültigen Empfehlungen ab. Statt der dreimal wöchentlichen Gabe von IFN oder CIFN wurden unsere Patienten initial mit einer täglichen Injektion behandelt.
Regimetyp | Dosierung | Zeitraum |
IFN-α-2b | 4 Wochen 5 Mio IE täglich s. c.anschließend 3 × 5 Mio IE/Woche | 1995 bis 1997 |
IFN-α-2b plus Ribavirin | 4 Wochen 5 Mio IE täglich s. c.anschließend 3 × 5 Mio IE/Wocheplus 1000-1200 mg Ribavirin täglich | 1998 bis 2000 |
pegIFN-α-2b | 1,5 mcg pegIFN-α-2b/kg einmal wöchentlich | 2000 bis 2001 |
pegIFN-α-2b plus Ribavirin | 1,5 mcg pegIFN-α-2b/kg einmal wöchentlichplus 2 × 400 mg Ribavirin täglich | 2000 bis 2001 |
CIFN plus Ribavirin | 4 Wochen 18 mcg CIFN s. c. täglichanschließend 9 mcg CIFn s. c. täglichplus 2 × 400 mg Ribavirin täglich | 2000 bis 2001 |
Um die Anzahl der Therapieabbrüche aus hämatologischen Gründen gering zu halten, haben wir mehrfach die hämatologischen Komplikationen behandelt, wenn die Dosisreduktion des Regimes nicht ausreichend war: Transfusion von Erythrozytenkonzentraten oder Gabe von Erythropoetin bei zu starkem Hb-Abfall, Kortison-Stoß-Therapie bei Thrombozytopenien unter 10000 und die Gabe von Granulozyten stimulierenden Faktoren bei Neutropenie unter 500. Alle Interventionen dieser Art waren bei den HIV/HCV-Koinfizierten notwendig.
Thrombozytopenie | Reduzierung der Interferondosis |
(bei HIV/HCV-Koinfizierten evtl. Kortison, | |
falls reduziertes IFN unwirksam) | |
Neutropenie | Reduzierung der IFN-Dosis, G-CSF |
Erythropenie | Reduzierung der IFN-Dosis, Erythropoetin |
Hb unter 10 | Therapie ohne Ribavirin, evtl. Erythrozytenkonzentrat |
Ansprechen auf die Therapie
Bei insgesamt 103 abgeschlossenen Therapiezyklen lag eine sechsmonatige Nachbeobachtungszeit vor. Über alle Regime ergibt sich damit eine dauerhafte Ansprechrate von 31 %, 38 % waren primäre Nonresponder, 10 % sind Teilresponder, d. h., sie waren bei Therapieende unter der Nachweisgrenze, haben aber in der Nachbeobachtungszeit einen erneuten Anstieg der HCV- Viruslast. 21 % der Patienten haben die Therapie abgebrochen.
Regime-Typ | n | primäre Nonresponder | Teil-responder | dauerhaftes Ansprechen | Abbruch der Therapie |
IFN | 19 | 12 | 3 | 2 | 2 |
IFN/RBV | 39 | 10 | 3 | 13 | 13 |
PIFN | 5 | 1 | 1 | 3 | - |
PIFN/RBV | 31 | 10 | 2 | 12 | 7 |
CIFN/RBV | 9 | 6 | 1 | 2 | - |
Summe | 103 | 39 (38 %) | 10 (10 %) | 32(31 %) | 22 (21 %) |
Betrachtet man die abgeschlossenen Therapien mit halbjähriger Nachbeobachtung, so ergibt sich für die Genotypen 1 und 4 eine Ansprechrate von 21 % (12 von 57). Für die Genotypen 2 und 3 ist die Ansprechrate mit 41 % (19 von 46) deutlich höher.
Genotyp | n | primäre Nonresponder | Teilresponder | dauerhaftes Ansprechen | Abbruch der Therapie |
1 | 49 | 26 | 5 | 11 | 7 |
3 | 38 | 9 | 3 | 17 | 9 |
2 | 8 | 1 | 1 | 2 | 4 |
4 | 6 | 2 | 1 | 1 | 2 |
mehrere | 2 | 1 | - | 1 | - |
Die Genotypen mit schlechterer Ansprechrate hatten eine höhere Prävalenz in der Gruppe der Doppelinfizierten.
Genotypen 1, 4, mehrere | Genotypen 2, 3 | |
Monoinfizierte | 45 % | 55 % |
Koinfizierte | 62 % | 38 % |
Beim Vergleich der Therapieergebnisse zwischen HCV-Monoinfizierten und HCV/HIV-Koinfizierten ergeben sich zwei deutliche Unterschiede: Die Monoinfizierten hatten einen deutlich höheren Anteil an dauerhaftem Ansprechen als die Koinfizierten (36 % vs. 24 %) und eine deutlich niedrigere Abbruchrate (16 % vs 29 %).
n | dauerhaftes Ansprechen | Abbruch der Therapie | |
Monoinfizierte | 61 | 22 (36 %) | 10 (16 %) |
Doppelinfizierte | 42 | 10 (24 %) | 12 (29 %) |
Abbruchgründe und besondere Komplikationen
Bei insgesamt 22 Patienten wurde die Therapie abgebrochen. Darunter war nur in 8 Fällen eine mangelhafte Compliance verantwortlich: Bei 3 Patienten war aufgrund der Laborparameter eine geregelte Medikamenteneinnahme nicht glaubhaft. Sie hatten keine messbaren Veränderungen der hämatologischen und virologischen Parameter. Hier wurde die Therapie von ärztlicher Seite nicht fortgesetzt. Drei Patienten nahmen schon kurz nach Therapiebeginn keine weiteren Medikamente zu sich, da sie die Nebenwirkungen nicht mehr ertragen wollten. Zwei Patienten hatten während der Therapie einen Heroinrückfall, der sich nicht durch Substitution auffangen ließ. Ein Patient verstarb während der Therapie. Dabei blieb unklar, was die Todesursache war. In den anderen 13 Fällen beruhte der Abbruch der Therapie auf nicht tolerablen und nicht therapierbaren Komplikationen: Leukopenien, Thrombopenien, Hb-Abfall, toxische Hepatitis, Hypothyreose und Hypertriglyzeridämie. Die hämatologischen Komplikationen und die toxischen Hepatitiden traten ausnahmslos bei HIV/HCV-Koinfizierten auf, meist bei gleichzeitiger antiretroviraler Therapie.
Abbruchgrund | Häufigkeit |
fehlende Toleranz gegenüber Nebenwirkungen | 3 |
Medikamenteneinnahme nicht plausibel | 3 |
Heroinrückfall | 2 |
ungeklärter Tod während Therapie | 1 |
hämatologische Komplikationen | 7 |
toxische Hepatitis | 3 |
Hypothyreose | 1 |
Hypertriglyzeridämie | 1 |
psychotische Episode | 1 |
Komplikation | Häufigkeit | |
erhöhter Nebenkonsum von Kokain | 19 | |
paranoid-halluzinatorische/delirante Episoden | 10 | |
Schwangerschaften unter Ribavirin | 2 | |
schwere Depression nach Beendigung der Therapie | 1 | |
Portimplantation zur parenteralen Ernährung | 1 |
Es traten eine Reihe besonderer Komplikationen auf, die in anderen Patientenkollektiven nicht zu beobachten sind. Gegen die Abgeschlagenheit während der Therapie begannen 19 der substituierten Patienten mit einem erhöhten Beigebrauch von Kokain. In zehn Fällen beobachteten wir vorübergehende Störungen der Ich-Funktion im Sinne von halluzinatorischen oder deliranten Syndromen. Trotz aller Aufklärung auch der männlichen Patienten kam es zu zwei Schwangerschaften unter Ribavirineinnahme. In einem Fall kam es im Anschluss an die Interferonbehandlung zu einer schweren lang anhaltenden Depression. In einem Fall trat innerhalb von drei Monaten ein so starker Gewichtsverlust (von 52 kg auf 38 kg) ein, dass wir uns zu einer parenteralen Ernährung über Port entschlossen haben.
#Diskussion
Der Umfang der vorgestellten Behandlungsdaten gibt einen ersten Aufschluss über die Erfolgsrate und die besonderen Komplikationen der HCV-Therapie bei mono- und doppelinfizierten Drogenabhängigen.
#Setting
Die dargestellte Gruppe wurde in einer suchttherapeutisch orientierten Praxis mit infektiologischem Schwerpunkt behandelt. Die Auswahlkriterien bezogen sich auf die soziale Funktionsfähigkeit: Nicht einbezogen wurden Patienten mit schweren dissozialen Persönlichkeitsstörungen, Patienten ohne ausreichende Termindisziplin, Patienten, bei denen aus unterschiedlichen Gründen eine Unterbrechung der Therapie zu befürchten war, und Patienten, deren berufliche Rehabilitation durch die Therapie gefährdet worden wäre. Vor Beginn der Interferon-Therapie bestand bei der überwiegenden Zahl der Patienten eine lang dauernde stabile Therapiebeziehung zwischen Patient und Arzt. Dies bedeutet eine positive Auswahl bezüglich der Wahrscheinlichkeit, dass die Therapie nicht aus Gründen fehlender Compliance abgebrochen wurde.
#Behandlungsbereitschaft
Bei 278 Patienten kam es zu einer abgeschlossenen Diagnostik der chronischen HCV-Infektion und damit zu einer Erörterung der HCV-Therapie. Bei 133 (48 %) wurde von ärztlicher Seite aufgrund der aktuellen oder dauerhaften Begleitumstände eine Therapie nicht für sinnvoll gehalten. 145 (52 %) Patienten wurde eine Therapie empfohlen. Insgesamt 100 (69 %) Patienten unterzogen sich daraufhin einem oder mehreren Therapiezyklen.
#Besondere Begleitbedingungen der Therapie
In Bezug auf somatische und psychiatrische Komorbidität als auch in Bezug auf die Begleitmedikation musste bei der behandelten Gruppe von einer höheren Komplikationsrate ausgegangen werden als bei einem normalen Kollektiv. Nur 20 % der Patienten waren abgesehen von ihrer Drogenabhängigkeit frei von psychiatrischen Erkrankungen. 54 % hatten psychiatrische Begleiterkrankungen mit ausgeprägten Ich-Struktur-Defekten. 61 % hatten schwere somatische Begleiterkrankungen wie HIV-Infektion, eingeschränkte Nierenfunktion, Herzklappenersatz und Tumorerkrankungen in der Vorgeschichte. 70 % hatten bei Beginn der HCV-Therapie eine Begleitmedikation mit einer bis zu sechs Substanzen, die zum Teil komplexe Interaktionen mit Interferonen und Ribavirin aufwiesen oder aber die hämatologischen Nebenwirkungen der HCV-Therapie verstärkten. Um die Therapie nicht abzubrechen, mussten deshalb häufig zusätzlich Medikamente verabreicht werden, die ebenfalls eine Fülle von Nebenwirkungen und Interaktionen mit der bestehenden Medikation entwickelten. In 12 Fällen war der initiale Hb-Abfall so stark, dass vorübergehend Erythrozytenkonzentrate transfundiert werden mussten. Im Unterschied zu einem Normalkollektiv traten in der Gruppe der Drogenkonsumenten gehäuft Komplikationen auf, die einen Therapieabbruch provozieren konnten.
#Compliance
In der Gruppe ohne primäres Ansprechen auf die Therapie war zu prüfen, inwieweit virologische Faktoren oder aber fehlende Compliance für das Therapieversagen verantwortlich war. Ein sicheres Maß, um mangelhafte Compliance von schlechtem virologischen Ansprechen zu unterscheiden, war der Abfall der HCV-Viruslast um mindestens eine log-Stufe am 14. Tag nach Therapiebeginn. Nur bei drei Patienten trat keinerlei Veränderung der Viruslast auf. Aufgrund der Begleitumstände und der Gespräche wurde deutlich, dass diese drei Patienten zwar in die Therapie eingewilligt hatten, dann aber die Medikamente nicht genommen hatten.
Von insgesamt 103 Therapieregime wurden 22 (21 %) abgebrochen. In 13 Fällen geschah dieser Abbruch aufgrund medizinischer Komplikationen. Nur in 8 Fällen war mangelhafte Compliance ursächlich für den Therapieabbruch. Zählt man die drei nicht begonnenen Therapien hinzu, so war in 11 Fällen fehlende Compliance der Grund für eine nicht beendete Therapie. Die Gesamtabbruchrate liegt mit 25 % insgesamt höher als in den Kollektiven der Zulassungsstudien. Hier finden sich für die IFN-Monotherapie 13 % [6], für die IFN/RBV-Kombinationstherapie 19 % [6] und für die pegIFN/RBV-Therapie 14 % [9]. Unter Berücksichtigung der Komorbidität und der Komedikation bleibt dennoch festzuhalten, dass die Compliance vergleichbar gut war. Die um 6-12 % höhere Rate an Abbrüchen entstand allein durch die Komplikationen bei den HIV/HCV-Koinfizierten.
#Ansprechraten
Bei 103 abgeschlossenen Therapieregime mit 6-monatiger Nachkontrolle zeigen 31 % ein dauerhaftes Ansprechen. Die Ansprechrate für die Genotypen 1 und 4 liegt bei 24 %, für die Genotypen 2 und 3 bei 41 %. Dieses Verhältnis entspricht den Erfahrungen in Zulassungsstudien [7 10]. Die Ergebnisse liegen für die IFN/RBV-Regime um etwa 15 % unter den Ergebnissen der multizentrischen Zulassungsstudien [7] [8] und für die Regime mit pegIFN/RBV um 20-25 % niedriger [9]. Über die Ergebnisse des Konsens-Interferons lassen sich aufgrund der kleinen Zahl und des überwiegenden Einsatzes als Salvage-Regime nach Versagen von IFN/RBV oder pegIFN/RBV noch keine Aussagen machen. Immerhin zeigten mehrere primäre Nonresponder auf IFN/RBV mit CIFN/RBV einen Abfall der Viruslast unter die Nachweisgrenze.
#Nebenwirkungen
Psychiatrische Begleiterkrankungen finden sich bei mehrfach infizierten Drogenabhängigen deutlich häufiger [11] als bei einer Zufallsauswahl von Drogenkonsumenten [12]. Je schwerer die psychiatrische Komorbidität, desto chaotischer sind die Konsumgewohnheiten und damit das Risiko für Infektionskrankheiten. Entsprechend dieser Regel dominierten deshalb Patienten mit ausgeprägten Ich-Struktur-Defekten.
Da die Interferone als Nebenwirkung eine unspezifische Auflockerung der Ich-Funktionen verursachen können, beobachteten wir vor allem in der Gruppe der Patienten mit „lower level”-Strukturniveau [13] eine Häufung von psychiatrischen Nebenwirkungen. Es handelte sich dabei um Irritationen der Selbstwahrnehmung, des Identitätsgefühls und der Koordinationsfunktionen des Ichs gegenüber der Innen- und der Außenwelt. Klinisch imponierten diese Störungen als Derealisation, Depersonalisation, Amnesien, delirante Syndrome und paranoide Umdeutung alltäglicher Interaktionen. Allerdings waren die meisten Patienten aus der Zeit ihres meist polytoxikomanen Drogenkonsums vertraut mit solchen Veränderungen des Erlebens und zeigten sich dadurch weit weniger beunruhigt, als man hätte vermuten müssen.
Die auftretenden Depressionen waren gut mit Substanzen aus der Gruppe der SSRI zu beherrschen. In einem Fall trat erst nach Absetzen des Interferons eine schwere halbjährige Depression mit Suizidalität auf.
In zwei Fällen führten offenbar die psychischen Nebenwirkungen des Interferons zum Abbruch einer Abstinenztherapie bei Synanon (nach 1 bzw. 3 Jahren Abstinenz). Das Verlassen der Gemeinschaft führte nach kurzer Zeit bei einem Patienten zum Rückfall und bei einem anderen zum Tod aus ungeklärter Ursache. In zwei weiteren Fällen kam es ebenfalls nach vier Wochen Interferontherapie zu einem Rückfall.
#Zusammenfassung
In einer suchttherapeutisch orientierten Praxis mit infektiologischem Schwerpunkt wurden 100 HCV-infizierte Drogenabhängige mit 120 Therapiezyklen verschiedener Regime (IFN, IFN/RBV, pegIFN/RBV, CIFN/RBV) behandelt. Die Indikation zur Therapie erfolgte nach drei Gesichtspunkten: definiertes Risiko, extrahepatische Komplikationen, frische HCV-Infektion. Ausgeschlossen wurden Patienten mit erkennbar nicht ausreichender Compliance und Patienten, die durch die Interferontherapie in suchtmedizinischer Hinsicht gefährdet worden wären. Die behandelte Gruppe war gekennzeichnet durch eine überdurchschnittliche somatische und psychiatrische Komorbidität und eine weit überdurchschnittliche Komedikation bei Beginn der HCV-Therapie. Das Durchschnittsalter lag bei 36 Jahren. 59 % waren männlich, 41 % weiblich. 47 % hatten die HCV-Genotypen 2 und 3, 53 % hatten die Genotypen 1 und 4. 39 % hatten eine Ausgangsviruslast unter 2 Millionen Kopien/ml, 61 % lagen über 2 Millionen. 47 % besaßen eine HIV-Koinfektion, davon wurden 53 % antiretroviral behandelt.
Die Regime mit den traditionellen Interferonen wurden mit einer initial 3 Monate dauernden täglichen Injektion von 5 Mio IU IFN bzw. 9 mcg CIFN durchgeführt.
Insgesamt 103 abgeschlossene Therapiezyklen mit halbjähriger Nachbeobachtungszeit wurden ausgewertet. 38 % waren primäre Nonresponder, 10 % waren Teilresponder, 31 % zeigten ein dauerhaftes Ansprechen und 21 % brachen die Therapie vorzeitig ab. Das dauerhafte Ansprechen lag bei den HCV-Genotypen 2 und 3 deutlich höher als bei den Genotypen 1 und 4 (41 % vs. 24 %). Die HCV-Monoinfizierten hatten eine höhere Rate des dauerhaften Ansprechens als die HIV/HCV-Koinfizierten (36 % vs. 24 %). Die Abbruchrate lag bei den Doppelinfizierten deutlich höher (29 % vs. 16 %).
Die Compliance war angesichts der somatischen und psychiatrischen Komorbidität und der hohen Belastung mit weiteren Medikamenten besser, als zu erwarten war. Nur 8 Patienten brachen die Therapie wegen mangelhafter Compliance vorzeitig ab. Die übrigen Therapieabbrüche erfolgten in Absprache mit dem behandelnden Arzt wegen nicht beherrschbarer Nebenwirkungen.
Als Begleiteffekte der Therapie traten häufig paranoid-halluzinatorische und delirante Syndrome auf. Oft war nicht klar, ob es sich allein um Nebenwirkungen des Interferons gehandelt hat oder ob nicht zusätzlich Drogen- und Medikamentenkonsum mit auslösend waren. Nur in einem Fall führte die psychiatrische Erkrankung zum Therapieabbruch. Überdurchschnittlich häufig setzte ein zusätzlicher Kokainbeikonsum bei den substituierten Patienten ein. Eine besondere Gefahr stellt für abstinente Patienten die Ähnlichkeit der Interferon-Nebenwirkung mit dem Entzugssyndrom dar. Dieser Effekt kann zu einer erhöhten Gier (craving) nach Heroin und zum Rückfall führen.
Die Ergebnisse zeigen, dass es im Setting einer suchtmedizinisch orientierten Institution möglich ist, die HCV-Therapie mit Interferonen und Ribavirin auch bei Drogenabhängigen erfolgreich anzuwenden, wenn auch aufgrund der Begleitbedingungen mit einer höheren Abbruchrate gerechnet werden muss, die verantwortlich dafür ist, dass der prozentuale Anteil an dauerhaftem Ansprechen niedriger liegt als in Patientenkollektiven ohne Drogenabhängigkeit. Der verbreitete therapeutische Nihilismus bei dieser Patientengruppe ist nicht gerechtfertigt.
#Abkürzungen
IFN Interferon
CIFN Consensus-Interferon
pegIFN pegyliertes Interferon
RBV Ribavirin
HAART highly active antiretroviral therapy
TAK Thyreoglobulin-Antikörper
ANA antinukleäre Antikörper
ASMA Antikörper gegen glatte Muskulatur/Aktin
LKM Liver-kidney-microsomal-Antikörper
AFP Alpha-1-Fetoprotein
#Literatur
- 1 Jacob J, Keppler K, Stöver H. Drogengebrauch und Infektionsgeschehen (HIV/AIDS und Hepatitis) im Strafvollzug. Berlin; AIDS Forum DAH 1997
- 2 Gölz J. HIV-Infektion und Drogen: Probleme der ambulanten und stationären Behandlung. Klinikarzt. 1999; 28 325-329
- 3 Gölz J. Der Suchtkranke in der ärztlichen Praxis. Uchtenhagen A, Zieglgänsberger Suchtmedizin München, Jena; Urban & Fischer 1999: 435-441
- 4 Jaeckel E, Cornberg M, Wedemeyer H. et al . Treatment of Acute Hepatitis C With Interferon Alfa-2b. N Engl J Med. 2001; 345 1452-1457
- 5 Soriano V, Kirk O, Antunes F. et al .The influence of hepatitis C virus (HCV) on the prognosis of HIV-infected persons. The EuroSIDA Study Durban; XIII th International AIDS Conference July 9-14, 2000 Abstr. ThOrB655
- 6 McHutchison J G, Poynard T. Combination Therapy With Interferon Plus Ribavirin for the Initial Treatment of Chronic Hepatitis C. Seminars in Liver Desease. 1999; 19 57-65
- 7 McHutchison J G, Gordon S C, Schiff E R. et al . Interferon alfa-2b alone or in combination with ribavirin as initial treatment for chronic hepatitis C. N Engl J Med. 1998; 339 1485-1492
- 8 Poynard T, Marcellin P, Lee S. et al . Randomised trial of interferon alfa-2b and ribavirin for 48 weeks or for 24 weeks versus interferon alfa-2b plus placebo for 48 weeks for treatment of chronic infection with hepatitis C virus. Lancet. 1998; 352 1426-1432
- 9 Manns M P, McHutchison J G, Gordon S C. et al . Peginterferon alfa-2b plus ribavirin compared with interferon alfa-2b plus ribavirin for initial treatment of chronic hepatitis C: a randomised trial. Lancet. 2001; 358 958-965
- 10 Tong M J, Reddy R, Lee W M. et al . Treatment of Chronic Hepatitis C With Consensus Interferon: A Multicenter, Randomized, Controlled Trial. Hepatology. 1997; 26 747-754
- 11 Gölz J. Psychiatrische Komorbidität und Erfolg der antiretroviralen Therapie, insbesondere HAART. 1. Interdisziplinärer Kongress für Suchtmedizin, München, 1.7.-3.7.1999. Landsberg/Lech; verlag moderne industrie AG 1999: 68-71
- 12 Krausz M, Verthein U, Degwitz P. Prävalenz psychischer Störungen bei Opiatabhängigen mit Kontakt zum Drogenhilfesystem. Nervenarzt. 1998; 69 557-567
- 13 Kernberg O. Structural Derivatives of Object Relationships. Int J PsA. 1966; 47 236-253
Dr. med. Jörg Gölz
Praxiszentrum Kaiserdamm
Kaiserdamm 24
14057 Berlin
Literatur
- 1 Jacob J, Keppler K, Stöver H. Drogengebrauch und Infektionsgeschehen (HIV/AIDS und Hepatitis) im Strafvollzug. Berlin; AIDS Forum DAH 1997
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Dr. med. Jörg Gölz
Praxiszentrum Kaiserdamm
Kaiserdamm 24
14057 Berlin