Einleitung
Einleitung
Die Pharmakokinetik der so genannten Standardinterferone,
d. h. das nicht modifizierte Interferon α-2a oder Interferon
α-2b, ist zur Supprimierung der Virusreplikation bei einer
Hepatitis-C-Infektion denkbar ungeeignet. Standardinterferone sind nämlich
durch eine sehr kurze Halbwertzeit gekennzeichnet, so dass es
charakteristischerweise zu kurzfristig hohen Plasmakonzentrationen kommt, aber
an den therapiefreien Tagen bei dem üblichen 3 · 3
Millionen-IE-Schema, also dienstags, donnerstags und Wochenende, kein wirksamer
Interferonspiegel im Blut vorliegt (Abb. [1]).
Zusätzlich ist vorstellbar, dass durch die immer wieder kurzfristigen
hohen Plasmakonzentrationen (unter Berücksichtigung der
Dosisabhängigkeit bei Interferon-induzierten Nebenwirkungen)
Intensität und Ausmaß verschiedener Interferon-assoziierter
Nebenwirkungen entsprechend ungünstig beeinflusst werden. Unter
Berücksichtigung der pharmakokinetischen Eigenschaften der
Standardinterferone umfassten weitergehende Forschungsbemühungen
hinsichtlich pharmakokinetisch verbesserter Interferone vor allen Dingen die
Entwicklung von Interferonen, die einen kontinuierlich hohen Wirkstoffspiegel
bieten und außerdem nur einmal wöchentlich appliziert werden
müssen (Abb. [1]). Grundvoraussetzung
für eine derartige Weiterentwicklung war eine entsprechend sehr lange
Halbwertzeit der zu entwickelnden Interferonart. Idealerweise würden
solche Interferone die Virusreplikation des Hepatitis-C-Virus ununterbrochen
supprimieren, was letztendlich in höhere dauerhafte Ansprechraten
münden könnte. Mittlerweile liegen zwei pharmakokinetisch
weiterentwickelte pegylierte Interferone, Interferon α-2a und Interferon
α-2b, vor. In der nachfolgenden Übersicht soll auf die
entsprechenden Eigenschaften und erste Studienergebnisse zur Mono- und
Kombinationstherapie der beiden pegylierten Interferone eingegangen werden.
Abb. 1 Pharmakokinetik
retardierter (PEG-Interferon α-2b) und nicht retardierter (Interferon
α-2b) Interferone.
Pegylierung von Interferon α
Pegylierung von Interferon α
Durch die Bindung von Interferon α an Polyethylenglykol (PEG)
gelang die gewünschte Optimierung der Pharmakokinetik des bisherigen
α-Interferons. Hierbei wird das α-Interferon-Protein durch
Polyethylenglykol quasi wie in einer Klarsichthülle vor dem enzymatischen
Abbau geschützt, wodurch sich die Halbwertzeit erheblich verlängert,
allerdings je nach Art der verwandten PEG-Kette in unterschiedlichem
Ausmaß. In Abb. [2] sind die
entsprechenden Moleküle der beiden PEG-Interferone dargestellt. Für
Interferon α-2b wurde ein lineares PEG mit einem Molekulargewicht von 12
kDalton (Abb. [2]
a)
gewählt, wodurch sich die Halbwertzeit von Interferon α-2b auf etwa
30-40 Stunden verlängern ließ. Für Interferon α-2a
wählte man ein verzweigtes PEG mit einem Molekulargewicht von 40 kDalton
(Abb. [2]
b) und man
erreicht auf diese Weise eine Halbwertzeit von etwa 60-80 Stunden.
Abb. 2a Molekül des
verzweigten pegylierten Interferons α-2a.
Abb. 2b Molekül des
linearen pegylierten Interferons α-2b.
Studienergebnisse zur Monotherapie der Hepatitis C mit
PEG-Interferonen
Studienergebnisse zur Monotherapie der Hepatitis C mit
PEG-Interferonen
Für die Monotherapie mit beiden PEG-Interferonen zur Behandlung
der chronischen Hepatitis C konnte in vergleichenden Untersuchungen die
Überlegenheit des jeweiligen PEG-Interferons gegenüber einer
Standardbehandlung mit 3 Mio. Einheiten Interferon 3 x pro Woche nachgewiesen
werden. In einer kombinierten vierarmigen Phase-II/III-Studie mit Interferon
α-2b erhielten 1219 HCV-infizierte Patienten entweder 0,5, 1,0 oder
1,5 µg/kg Körpergewicht PEG-Interferon α-2b 1 x pro
Woche oder 3 Mio. IU Standardinterferon α-2b 3 x pro Woche für ein
Jahr verabreicht. Zu einem dauerhaften Ansprechen (definiert als negative
HCV-PCR 24 Wochen nach Therapieende) unter dem Standardinterferon kam es bei
12 % der Patienten, demgegenüber betrug die Ansprechrate
unter 1,0 µg/kg PEG-Interferon α-2b 25 %,
unter 1,5 µg/kg PEG-Interferon α-2b betrug die Ansprechrate
23 % [1]. In einer weiteren
Phase-III-Studie wurden klinische Wirksamkeit und Sicherheit von PEG-Interferon
α-2a verglichen mit dem Standardinterferon α-2a bei der initialen
Behandlung von Patienten mit chronischer Hepatitis C. Innerhalb der zweiarmigen
Studie erhielten insgesamt 531 Patienten entweder 180 µg PEG-IFN
α-2a 1 x wöchentlich subkutan über 48 Wochen oder nicht
modifiziertes IFN α-2a (während der ersten 12 Wochen 6 Mio.
Einheiten (IU) 3 x wöchentlich, danach über 36 Wochen 3 Mio. IU 3 x
wöchentlich). Das Ergebnis der Intent-to-treat-Analyse zeigte am Ende der
Nachbeobachtungsphase (Woche 72) ein deutlich besseres Ansprechen unter
PEG-Interferon α-2a mit 39 % der Patienten, die eine
anhaltende Senkung der Viruslast aufwiesen, gegenüber nur
19 % unter dem nicht modifizierten Interferon
α-2a-Präparat (p = 0,001) [2]. Beide Behandlungsgruppen waren vergleichbar
hinsichtlich Häufigkeit und Schweregrad von unerwünschten
Ereignissen.
Studienergebnisse zur Therapie der Hepatitis B mit PEG-
Interferonen
Studienergebnisse zur Therapie der Hepatitis B mit PEG-
Interferonen
Mittlerweile liegen in Abstract-Form auch die ersten Daten zum
Einsatz von PEG-Interferon α-2a zur Behandlung der chronischen Hepatitis
B vor [3]. Innerhalb dieser ersten Pilotstudie wurden
Wirksamkeit und Sicherheit einer 24-wöchigen Behandlung von 3
verschiedenen Dosierungen (90, 180 und 270 µg) von 40 kDalton
PEG-Interferon α-2a 1 x wöchentlich versus Roferon (4,5 Mio. IU 3 x
pro Woche) zur Behandlung der chronischen Hepatitis B untersucht. Insgesamt
wurden 194 Erwachsene, die bislang keine Interferonbehandlung erhalten hatten
und weniger als sechs Monate Nukleosidanalogatherapie aufwiesen, in die Studie
aufgenommen. Alle Patienten wiesen ein HBs-Antigen, ein HBe-Antigen und
messbare HBV-DNA sowie in der Histologie Zeichen einer chronischen
Hepatitis-B-Infektion und erhöhte Lebertransaminasen auf. Es erfolgte eine
Randomisierung in vier Armen: Roferon 4,5 Mio. IU 3 x wöchentlich oder
PEG-Interferon α-2a 90, 180 oder 270 µg 1 x pro Woche.
Zwischenanalysen zeigten eine schnellere und signifikant stärkere Abnahme
der quantitativen HBe-AG-Spiegel sowie eine größere Abnahme der
HBV-DNA unter dem PEG-Interferonarm im Vergleich zu der Therapie mit Roferon
[3].
Studienergebnisse zur Kombinationstherapie der Hepatitis C mit
PEG-Interferonen und Ribavirin
Studienergebnisse zur Kombinationstherapie der Hepatitis C mit
PEG-Interferonen und Ribavirin
Unter der Therapie mit Interferon α-2b plus Ribavirin konnten
anhaltende virologische Ansprechraten von um die 40 % bei der
Behandlung der Hepatitis C erreicht werden. Mit Verfügbarwerden der
pegylierten Interferone erfolgten entsprechende Untersuchungen, um zu
evaluieren, ob sich mit der Kombination aus PEG-Interferon und Ribavirin eine
weitere Verbesserung der Ansprechraten erreichen lässt. In einer
großen multinationalen Studie wurden 1530 Patienten mit chronischer
Hepatitis C entweder zu Interferon α-2b 3 Mio. Einheiten s. c. 3 x
pro Woche plus 1000 bis 1200 mg Ribavirin pro Tag oral, PEG-Interferon
α-2b 1,5 µg/kg 1 x pro Woche plus 800 mg Ribavirin
pro Tag oral oder PEG-Interferon α-2b 1,5 µg/kg pro Woche
für 4 Wochen, dann 0,5 µg/kg pro Woche s. c. plus
Ribavirin 1000-1200 mg pro Tag für 48 Wochen randomisiert.
Primärer Endpunkt der Studie war die anhaltende virologische Responserate
(definiert als nicht nachweisbare Hepatitis-C-Virus-RNA im Serum 24 Wochen nach
Beendigung der 48-wöchigen Kombinationstherapie [4]. Unter der Kombination von Ribavirin und der
höheren Dosis PEG-Interferon ergab sich eine signifikant höhere
anhaltende virologische Responserate (54 %) als bei der
niedrigeren PEG-Interferon-Dosis-Gruppe (47 %), oder in der
Standardinterferon-Gruppe (47 %) (Abb. [3]). Insbesondere Patienten mit HCV-Genotyp I wiesen eine
besonders ausgeprägte Besserung der anhaltenden Ansprechrate von
42 % versus 34 % im niedrig dosierten
PEG-Interferon/Ribavirin- und nur 33 % im
Standardinterferon/Ribavirin-Arm auf. Patienten mit Genotyp II und III sprachen
zu fast 80 % in allen drei Behandlungsarten an. Weitere
Subanalysen zeigten, dass die Wahrscheinlichkeit eines dauerhaften
virologischen Ansprechens auch von der Ribavirin-Dosis abhängt, so dass
dementsprechend auf eine gewichtsadaptierte Ribavirin-Gabe bei einem
entsprechenden Behandlungsversuch zu achten ist.
Abb. 3 Dauerhafte Ansprechraten
bei Hepatitis C mit PEG-IFN α-2b + Ribavirin versus nicht
modifiziertem Interferon α-2b + Ribavirin.
Die Ergebnisse zur Kombinationstherapie mit verzweigtem
PEG-40-kDalton-Interferon α-2a plus Ribavirin sind bislang erst in
Abstract-Form vorgestellt worden [5]. Nach
48-wöchiger Therapie und sechsmonatiger Nachbeobachtung wurde für
nicht pegyliertes Interferon α-2b (3 Mio. IU 3 x wöchentlich) plus
Ribavirin bei 45 % der Patienten ein dauerhaftes virologisches
Ansprechen registriert. Die Monotherapie mit 180 µg verzweigtem
PEG-40-kDalton-Interferon α-2a (plus Plazebo) führte bei
30 % der Patienten zu einem dauerhaften Verschwinden des Virus;
und mit der Kombination von 180 µg verzweigtem
PEG-40-kDalton-Interferon α-2a plus Ribavirin (1000-1200 mg
täglich) konnte bei 56 % der Patienten ein virologisches
Ansprechen erreicht werden. Erneut zeigte sich insbesondere ein Vorteil bei
Patienten mit Genotyp I. Hinsichtlich der Nebenwirkungen konnte in dieser
Studie aufgezeigt werden, dass es unter PEG-Interferon α-2a in
Kombination mit Ribavirin zu signifikant weniger Nebenwirkungen (Depression,
Fieber, Müdigkeit, Reaktion an der Einstichstelle) kam als unter
Interferon α-2b plus Ribavirin.
Weitergehende Untersuchungen zur Lebensqualität und
Arbeitskraft unter einer PEG-40-kDalton-Interferon-α-2a-Behandlung versus
einer nicht modifizierten Interferon-α-2a-Behandlung plus Ribavirin
wiesen eine deutlich bessere Lebensqualität und besseren Erhalt der
Arbeitskraft bzw. Leistung bei den Patienten, die mit PEG-Interferon behandelt
wurden, auf. Die Anzahl der durchschnittlichen wöchentlichen
Arbeitsstunden, die aufgrund von gesundheitlichen Problemen unter der
Hepatitis-Behandlung nicht wahrgenommen werden konnten, betrug bei den
Patienten, die mit dem pegyliertem Interferon behandelt wurden, 0,2 Stunden pro
Woche gegenüber 8,7 Stunden bei den Patienten mit der
Interferon/Ribavirin-Kombinationsbehandlung [6].
Schlussbemerkung
Schlussbemerkung
Durch die Pegylierung von Interferonen wurde ein entscheidender
Fortschritt erzielt. Erste Ergebnisse zum Einsatz der pegylierten Interferone
zur Behandlung der Hepatitis B und C weisen auf verbesserte virologische
Ansprechraten hin. Gleichzeitig zeigen sich vergleichbare, wenn nicht sogar
geringere Nebenwirkungsraten unter den neuen Therapieformen. Die günstigen
Auswirkungen des pegylierten Interferons auf die Compliance und der damit
verbundene verbesserte Anwendungskomfort der Interferon-Therapie für den
Patienten weisen klare Vorteile auf und konnten in Ansätzen bereits als
Verbesserung der Lebensqualität unter der Interferon-Behandlung
dokumentiert werden. Pegylierte Interferone in Kombination mit Ribavirin
können als neue Standardtherapien bei der Behandlung der Hepatitis C
angesehen werden. Für die Hepatitis B fehlen noch die abschließenden
Auswertungen aus den laufenden Studien, bevor auch hier ein ensprechender
Standardwechsel vollzogen werden kann.