Abstract
Gewaltbereitschaft bei jugendlichen Rechtsextremisten wird anhand von Gesprächssequenzen
aus qualitativen Interviews interpretiert. Selbstdeutungen junger Aktivisten verweisen
auf soziologische, sozialisatorische und psychologische Erklärungsansätze. Im moralischen
Rigorismus militanter Neonazis wird Gewalt zur „zweiten Natur” und Leben zum Überleben. Die Deutungsmuster werden verglichen mit Erkenntnissen zum Selbst- und Menschenbild
des historischen Faschismus. Gewaltbereitschaft verweist auf ein Defizit an Beziehungsfähigkeit
und Beziehungsangeboten. So wird Vertrauens-Bildung zu einer bedeutenden gesellschaftlichen
Aufgabe.
Keywords:
Rechtsextremismus, - Interviewstudie, - Gewaltbereitschaft, - moralischer Rigorismus,
- Angstabwehr und Gewalt, - Kohärenz-Gefühl
Literatur
- 1 Bette K-H. X-treme: Soziologische Betrachtungen zum modernen Abenteuer- und Risikosport. Vortragsmanuskript
(unveröff.) Berlin; 2001
- 2 Canetti E lias. Masse und Macht. Erster Band. Hanser
31979
- 3 Eisenberg G. Amok - Kinder der Kälte. Über die Wurzeln von Hass und Gewalt. Reinbek;
Rowohlt 2000
- 4 Eisenberg G, Gronemeyer R. Jugend und Gewalt. Der neue Generationenkonflikt oder
Der Zerfall der zivilen Gesellschaft. Reinbek; Rowohlt 1993
- 5 Hennig E. et al .Forschungsprojekt „Neonazistische Militanz und Rechtsextremismus
unter Jugendlichen”. Universität Frankfurt. Unveröffentlichter Forschungsbericht 1981
- 6
Hennig E.
Neonazistische Militanz und Rechtsextremismus unter Jugendlichen.
In: Aus Politik und Zeitgeschichte.
1982;
B32/82
23-37
- 7 Hennig E.
Wert habe ich nur als Kämpfer. Rechtsextremistische Militanz und neonazistischer Terror. In: Steinweg, R. (Hrsg.) Faszination der Gewalt. Politische Strategie und Alltagserfahrung. Frankfurt;
Suhrkamp 1983: 89-122
- 8 Kühnen M. Die zweite Revolution. Glaube und Kampf. Geschrieben in der Untersuchungshaft,
zit. nach dem Urteil des Landgerichts Flensburg vom 30. 4. 1982. Unveröff. MS 1979
- 9 Rotermundt R. Verkehrte Utopien. Nationalsozialismus - Neonazismus - Neue Barbarei. Frankfurt
a. M.; Neue Kritik 1980
- 10 Theweleit K. Männerphantasien,. Frankfurt a. M.; Roter Stern, 2 Bde 1979/1980
- 11 Wippermann C. Die kulturellen Quellen und Motive rechtsradikaler Gewalt. Aktuelle
Ergebnisse des sozialwissenschaftlichen Instituts Sinus Soziovision. Jugend & Gesellschaft
1/2001 2001
1 Hennig, E, et al. (1981) Forschungsprojekt „Neonazistische Militanz und Rechtsextremismus
unter Jugendlichen”, Universität Frankfurt. Unveröffentlichter Forschungsbericht;
vgl. Hennig (1982). Alle nicht gekennzeichneten Gesprächspassagen zitiert nach dem
unveröffentlichten Abschlussbericht.
2 Vgl. Wippermann, C. (2001), 4-7. Grundlage der Darstellung sind nach Angaben des
Instituts jährlich durchgeführte repräsentative Umfragen.
3 Die Namen der Gesprächspartner, Orts- und Gruppenangaben sind (wenn nicht ausdrücklich
erwähnt) geändert.
4 Michael Kühnen zum Vorbild des neonazistischen Kämpfers: „SA-Kämpfer sind politische
Soldaten: politisch, weil ihr Kampf ausschließlich der Zukunft unseres Volkes dient;
Soldaten, weil sie eingebunden sind in Gehorsam, Disziplin und in die Notwendigkeiten
und Gefahren des Kampfes” (zit. bei Hennig 1983. An anderer Stelle betont Kühnen das
„unheimliche Aufeinander-Angewiesensein” in der Kameradschaft . . .)
5 Eisenberg (2000, S. 153) hat aus einem ähnlichen Blickwinkel jugendliche Eigentumsdelikte
als „devianten Konformismus” bezeichnet: „abweichendes Verhalten zur Erreichung konformistischer
Ziele”.
6 Kühnen, M. (unveröff. Manuskript 1979), zit. nach dem Urteil des Landgerichts Flensburg
vom 30. 4. 1982; vgl. Hennig, E. (1983).
7 Hier darf nicht unerwähnt bleiben, dass die von rechtsextremen Jugendlichen geltend
gemachten Legitimationsmuster sich als einzelne gar nicht trennscharf von denen anderer
Jugendlicher abgrenzen lassen: Beispielsweise stellte die „Eidgenössische Kommission
für Jugendfragen” in einem Gutachten zu den Schweizer Jugendunruhen 1980 bei den beteiligten
Jugendlichen eine Deutung von Gewalt als Gegengewalt fest, wie sie durchweg auch von
rechtsextremen Jugendlichen vorgetragen wird: „Sie fühlen sich als Geschlagene, die
nun zurückschlagen” (zit. nach Frankfurter Rundschau, Nr. 36 vom 12. 2. 1981). Auch
die Bedeutung der eigenen körperlichen Kräfte (und deren Präsenz) wird bei den Schweizer
wie bei rechtsextremen Jugendlichen hervorgehoben.
8 Hier profitiert der Gedankengang vor allem durch die Arbeiten von Theweleit (1979/80),
Canetti (1960/79³) sowie Eisenberg u. Gronemeyer (1993) und Eisenberg (2000).
Adresse des Autors:
Dipl.-Päd. Rainer Steen
Referat Gesundheitsförderung/Praxisbüro Gesunde SchuleRhein-Neckar-Kreis Gesundheitsamt
Kurfürstenanlage 38-40
69115 Heidelberg