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DOI: 10.1055/s-2002-20572
Ärzte und Pflegende - Dialogkultur mangelhaft!
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
06. März 2002 (online)

Einführung
In der Betreuung, Behandlung und Pflege von kranken, alten und behinderten Menschen ist die Zusammenarbeit zwischen ärztlichen und pflegerischen Mitarbeiter(inne)n unerlässlich.[1] Dies gilt - mit unterschiedlicher Intensität - für den stationären wie den ambulanten Bereich; am offensichtlichsten wird es auf Intensivstationen mit den dort regelmäßig auftauchenden lebensbedrohlichen Situationen. Ganz allgemein lässt sich feststellen, dass die eine Berufsgruppe ohne die andere Berufsgruppe ihren Auftrag nicht wirklich erfüllen kann oder wie Käppeli es formuliert: „Jedes Gespräch mit Patientinnen und Patienten, aber auch nur ein Blick in die Patientendokumentationen zeigen, dass es fast keine Phänomene gibt, um welche sich ausschließlich der Arzt oder ausschließlich die Pflegeperson kümmern müsste. Gesundheitlich problematische Zustände und Verhaltensweisen von Patientinnen und Patienten sind fast immer transdisziplinäre Bereiche des Leidens. Die verschiedenen Berufsgruppen befassen sich mit ihnen lediglich mit unterschiedlichen Fragestellungen: unter dem Gesichtspunkt des Heilens oder des Pflegens.” [2]
Insofern müsste ein regelmäßiger interdisziplinärer Austausch über Patientenbelange wie auch über divergierende oder ähnliche ethische Vorstellungen zwischen den beiden Berufgruppen eine zwingende Selbstverständlichkeit sein. Blickt man dagegen in die Praxis, ist dies eher die Ausnahme denn die Regel; der Arbeitsalltag wirkt vielmehr geprägt von einem relativ unverbundenen Nebeneinander, verknüpft im Wesentlichen durch Weisungsbefugnis und Weisungsgebundenheit.
Das hat direkte Auswirkungen auf die Patientenbetreuung und stellt insofern nicht nur ein Kommunikationsdefizit dar, sondern ein echtes ethisches Problem, da es zu Nachteilen und Schädigungen der sich anvertrauenden Patienten führen kann. Als Beispiele seien nur genannt: unkoordinierte, teilweise widersprüchliche Hilfeleistungen, Verunsicherung der Patientinnen, unnötig lange Verweildauer, überflüssige diagnostische/pflegerische Maßnahmen, mangelhafte Schmerzbekämpfung, Ernährung wider Willen, Nichtbeachtung der Patientenautonomie bis zu gewaltsamen Versuchen des „Helfens”. Exemplarisch werden bei Hofmann [3] Auswirkungen mangelhaften interdisziplinären Dialogs am Thema „Wahrheit am Krankenbett” konkret beschrieben.
Unter dieser Voraussetzung ist es kaum nachvollziehbar, dass dem interdisziplinären Dialog zwischen beiden Berufsgruppen mit seinen Konsequenzen bisher nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde; wissenschaftliche Untersuchungen, die sich mehr oder weniger ausdrücklich mit dem Problem beschäftigen, gibt es meines Wissens nur eine Handvoll, so etwa [4] [5] [6] [7] [8].
Mit der Absicht, das Verständnis für die jeweils andere Sichtweise zu fördern, wird der Versuch unternommen, einige wesentliche Elemente im Spannungsfeld pflegerisch-ärztlicher Kommunikation aufzuzeigen.
Literatur
- 1
Statistisches Bundesamt, Zweigstelle Bonn .
Erwerbstätige nach Berufsgruppen, April 1999.
Mikrozensus, 1997. Sozialpolitische Umschau, Juni 1999.
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- 2 Käppeli S. Was für eine Wissenschaft braucht die Pflege?. Pflege. 1999; 12 153-157 (154)
- 3 Hofmann I. Wahrheit am Krankenbett. Zur ethischen Problematik der Pflegeberufe. Deutsche Krankenpflege Zeitschrift. 1993; 5 Beilage
- 4 Lorenz A L. Abgrenzen oder zusammen arbeiten?. Krankenpflege
und die ärztliche
Profession, Frankfurt/M; Mabuse 2000
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- 5 Siegrist J. Arbeit und Interaktion im
Krankenhaus. Stuttgart; Enke 1978
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- 6 Grossmann W, Maio G, Weiberg A. Ethik im Krankenhausalltag - Theorie und Praxis. Zentrum für Medizinische Ethik Bochum. Medizinethische Materialien. 1998; Heft 120
- 7 Weidmann R. Rituale im Krankenhaus. Berlin,
Wiesbaden; Ullstein
Mosby 1996
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- 8 Wilhelm J, Balzer E. Intensivpflege zwischen Patient und Medizin -
soziologische Untersuchung zum Verhältnis von Pflegenden und Ärzten
auf Intensivstationen. Deppe H, Friedrich H, Müller
R Das Krankenhaus: Kosten, Technik oder humane
Versorgung Frankfurt, New
York; Campus-Verlag 1989
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- 9 Bundesärztekammer . Berufsordnung für die deutschen Ärzte. § 1, Abs. 2. Sonderdruck „Deutsches Ärzteblatt - Ärztliche Mitteilungen”. Dt Ärzteblatt. 1988; 85/50 3601-3608
- 10 International Council of Nurses . ICN-Ethikkodex für Pflegende. Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) e. V. Eschborn. 2000;
- 11 Hofmann I. Schwierigkeiten im interprofessionellen Dialog zwischen ärztlichem und pflegerischem Kollegium. Pflege. 2001; 3 207-213
- 12 Siegrist J. Medizinische
Soziologie. München; Urban &
Schwärzenberg 1995 5: 237
f.
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- 13
Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege -
Krankenpflegegesetz - KrPflG und Ausbildungs- und Prüfungsverordnung
für die Berufe in der Krankenpflege (KrPflAPrV). 1985, § 4,
Abs. 4.
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- 14 Brenner G. Rechtskunde für das
Krankenpflegepersonal. Stuttgart; Fischer 1992
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- 15 Schöne-Seifert B, Eickhoff C. Behandlungsverzicht bei Schwerstkranken: Wie würden Ärzte und Pflegekräfte entscheiden? Eine Vignetten-Studie. Ethik in der Medizin. 1996; 8 183-216
- 16 Melia K K. Arbeit erledigen oder lernen zu pflegen? Die berufliche Sozialisation von Krankenpflegeschülern. Pflege. 1988; 1 131-137 (134)
- 17 Reiter-Theil S, Illhardt F J. Ethik-Beratung in der Medizin. Ethik in der Medizin. 1999; 11 4 (Themenheft)
- 18 Elsbernd A, Glane A. Ich bin doch nicht aus Holz. Wie Patienten verletzende und
schädigende Pflege erleben. Berlin,
Wiesbaden; Ullstein
Mosby 1996: 157
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- 19 Wettreck R. „Am Bett ist alles anders” - Perspektiven
professioneller
Pflegeethik. Münster; LIT 2001: 164
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1 Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes arbeiteten 1999 etwa 300 000 Ärzte und knapp 1,1 Million Pflegende im deutschen Gesundheitswesen [1].
2 Folgende und weitere Aspekte sind ausführlicher in [11] behandelt.
3 Es gibt inzwischen Modelle interdisziplinärer Ethikberatung, wo daran gearbeitet wird [17].
4 Antworten zum beruflichen Selbstverständnis aus dem Ethik-Unterricht in Pflegeschulen
5 Eine Wahrnehmung, die durch die Studienergebnisse von [15] bestätigt wird.
Irmgard Hofmann M. A.
Krankenschwester, Ethikerin, Supervisorin
Terofalstraße 5
80689 München
eMail: irmgard.hofmann@t-online.de