Zusammenfassung
Wie können sich die traditionelle chinesische Medizin (TCM) und die
westliche Medizin gegenseitig fördern? Sollen wir uns zufrieden geben,
wenn ein sich gegenseitiges Akzeptieren und Nebeneinander beider Medizinen
erreicht ist, oder kann ein lebendiger Austausch entstehen? Die
Auseinandersetzung zwischen TCM und westlicher Medizin ist Teil der schon viele
Jahre geführten Debatte zwischen Wissenschaftlern, Philosophen,
Künstlern und auch Ärzten. Aus den eigenen inneren Widersprüchen
hat sich im Westen eine Wandlung entwickelt, die den west-östlichen
Diskurs entscheidend befruchten kann.
Im Zentrum dieser Debatte steht das Problem der im Westen gewachsenen
Trennung zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Körper und Seele. Zuerst
erschütterte die moderne Physik dieses Weltbild im Westen. Wenn in der
Psychotherapie bei Freud noch die alte Haltung
vorherrscht, so löste sich dies schon bei C.G.
Jung und zunehmend in der modernen Psychotherapie auf. In der Philosophie
überwindet besonders die Phänomenologie die Trennung von Subjekt und
Objekt und wird zur Philosophie des Leibes bei Hermann
Schmitz.
Ich zeige am Beispiel der TCM und den somatopsychischen Vorstellungen von Jochen Gleditsch
und am Beispiel der
„Initiatischen Therapie” nach Dürckheim Aspekte der Verschiedenheit westlicher und
östlicher Grundhaltungen auf.
In der westlichen Rezeption der TCM ist aus meiner Sicht eine dogmatische
Haltung verbreitet. Wer für sein heutiges ärztliches Tun kopierend
chinesische Texte übernimmt, ohne die Fragen zu kennen und zu erarbeiten,
die der östlich-westliche Diskurs sucht, der schiebt als Filter zwischen
sich und den Patienten sowohl dicke, alte Bücher als auch seine
unreflektierten Gedanken und Gefühle. Ich nehme die TCM mit ihren
wesentlichen Gedanken und Haltungen dann ernst, wenn ich sie nicht kopiere,
sondern sie überprüfend, auch verändernd im Heute lebendig
werden lasse.
Abstract
How can TCM and western medicine be combined for mutual benefit?
Should we rest content, when mutual acceptance and the co-existence of both
is attained, or could it be possible that a living exchange will come into
existence? The conflict between TCM and western medicine is a part of a
years-long debate between scientists, philosophers, artists and physicians. The
inner conflicts inherent in this have led to the development of a change in
thought in the West that could prove extraordinarily fruitful for the East-West
discussion.
A central part of the debate is the Western separation of subject and
object, body and soul. Modern physics first shook the foundations of this
conception of the world in the western countries. While the old position still
dominates in Freudian psychoanalysis, this had already been given up by C.G. Jung,
and in modern psychotherapy it is
increasingly on the wane. In philosophy the New Phenomenology in particular has
overcome the separation of subject and object, becoming the philosophy of the
corporeal in the work of Hermann Schmitz.
Using the example of TCM and the somatopsychic conceptions of Jochen Gleditsch,
and also using the example of the
Initiatic Therapy of Dürckheim, I will
demonstrate some aspects of the difference between Eastern and Western
fundamental positions.
In my opinion a dogmatic attitude in the Western reception of TCM is
widespread. Those who merely imitatively apply Chinese texts for their medical
work, without knowledge of the questions which the East-West debate raises,
place a filter of heavy old books and of their own unreflected thoughts and
feelings between themselves and their patients. I am taking TCM and its
essential ideas and attitudes seriously only when I do not imitate it, but
rather apply it today as living knowledge, critically and, when necessary, with
alterations.
Schlüsselwörter
Traditionelle Chinesische Medizin - west-östlicher Diskurs - somatopsychische Vorstellungen
- Initiatische Therapie - Leiberfahrung
Keywords
Traditional Chinese Medicine - East-West discussion - somatopsychic conceptions -
Initiatic Therapy - body experience