PPH 2002; 8(1): 25-30
DOI: 10.1055/s-2002-19878
Geschichte der Psychiatrie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Einführung der Sterilisationsgesetzgebung im Deutschen Reich (1933/1934) und ihre psychiatrie- und biologiehistorischen Grundlagen

F.  Kohl1
  • 1Dr. Franz Kohl machte nach Medizinstudium und Promotion in Marburg die Ausbildung zum Facharzt für Neurologie und Psychiatrie (1989). Tätigkeit als Fach- und Oberarzt an verschiedenen neurologischen, psychiatrischen und psychotherapeutischen Kliniken. Facharzt für Psychotherapeutische Medizin 1996. Zahlreiche fachwissenschaftliche, psychiatrie- und medizinhistorische Arbeiten. Niedergelassen in freier Praxis seit 1994
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Publication Date:
31 January 2002 (online)

Der Beitrag unseres Autors Herrn Dr. Kohl scheint auf den ersten Blick mit unserer Situation heute wenig zu tun zu haben. Er beschreibt, welche lange vorhandenen Vermutungen und Gedankengänge die Zeitgenossen zu dem Versuch verleitet haben, menschliche Probleme mit Krankheit und Behinderung auf biologischem/technischem Wege in den Griff zu bekommen und zu lösen. Was geht uns das heute an? Wie ich meine, eine Menge: Philomina Seidenstricker hat dies in ihrem Editorial im Heft 2/2001 angesprochen: Auch heute findet eine Diskussion zur Bioethik statt, deren Ausgang ungewiss erscheint. In den Niederlanden ist ein „Euthanasie”-Gesetz in Kraft getreten. Das heißt, dass Menschen mit chronischen, möglicherweise nicht heilbaren Erkrankungen oder Behinderungen „verhindert” werden sollen oder rechtzeitig sterben. Dies scheint auch der Ursprungsgedanke der Eugeniker vor mehr als einhundert Jahren gewesen zu sein, wie der nachfolgende Beitrag deutlich macht mit fatalen = tödlichen Folgen.

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Dr. F. Kohl

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