Suchttherapie 2001; 2(4): 235-236
DOI: 10.1055/s-2001-19376
Versorgung Aktuell
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zur heutigen Akutversorgungssituation Drogenabhängiger - Ergebnisse einer Umfrage in deutschen Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie 1999

Acute Treatment Situation of Drug Addicts today - Results of a Survey in German Clinics for Psychiatry and Psychotherapy in 1999Martin Schiller1 , Martina Link1 , Roland Härtel1 , Stefan Forster1 , Gerhard Reymann2 , Manfred Wolfersdorf2, unter Mitarbeit der Arbeitsgruppe Forschung der Bundesdirektorenkonferenz (AGF/BDK)
  • 1Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Bezirkskrankenhaus Bayreuth
  • 2Westfälisches Zentrum für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Suchtmedizinische Abteilung
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Prof. Dr. med. M. Wolfersdorf

Ärztlicher Direktor
Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Bezirkskrankenhaus Bayreuth

Nordring 2

95445 Bayreuth

Publication History

Publication Date:
02 January 2002 (online)

Table of Contents #

Einleitung

Die Akutversorgung Drogenabhängiger in Kliniken ist von großer Bedeutung: Bei konstant mindestens einem Drittel der Aufnahmen in heutigen Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie handelt es sich um suchtkranke Menschen. Und die Psychiatrie-Enquete fordert, dass „jedem Suchtkranken gemäß seiner Motivationslage in jedem Stadium seiner Suchtkrankheit ein einfacher Zugang zu einem entsprechenden Hilfsangebot möglich ist”. Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Interesses an Suchtfragen in der ambulanten und klinischen Psychiatrie und Psychotherapie, dem ein relativ geringen Wissens um die Versorgungsangebote gegenüberstand, hat die Arbeitsgruppe Forschung der Bundesdirektorenkonferenz (AGF/BDK) Ende 1998 den Auftrag erhalten, eine Umfrage bei den in der Bundesdirektorenkonferenz vertretenen psychiatrischen Einrichtungen zur Lage der Akutversorgung Drogenabhängiger in deutschen Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie durchzuführen [1].

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Befragung von Kliniken

Im Jahr 1999 wurden alle 220 Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie angeschrieben, die der BDK angehören, und gebeten, die Erhebungsbogen ausgefüllt zurückzusenden. Der Rücklauf betrug bis Ende April 1999 37 % (n = 82). Wie jede andere Umfrage dieser Art unterliegt auch diese einer Reihe von Problemen. Unter anderem sind bei dieser geringen Rücklaufquote keine weitgehenden Rückschlüsse auf die Gesamtheit der angeschriebenen Kliniken möglich, da insofern eine Verzerrung anzunehmen ist, als Kliniken mit Angeboten zur Akutversorgung Drogenabhängiger vermutlich die Fragebogen eher beantwortet haben als solche ohne einen entsprechenden Schwerpunkt. Die im Folgenden dargestellten Ergebnisse sind somit nur sehr vorsichtig zu interpretieren. Sie können jedoch Anknüpfungspunkte für Diskussionen und weitergehende Untersuchungen liefern.

Bei 68 % der Kliniken, die die Erhebungsbogen zurücksandten, handelt es sich um psychiatrische Fachkrankenhäuser, 23 % der Antworten kommen aus so genannten psychiatrischen Abteilungen [2] [3]. Die verbleibenden 9 % sind psychiatrische Universitätskliniken, die gleichzeitig Fachkrankenhaus- und Abteilungscharakter aufweisen. Die antwortenden Kliniken verfügen im Mittel über 55,6 „Suchtbetten”, wobei die Entzugsbehandlungen an unterschiedlichen Orten in der jeweiligen Klinik durchgeführt werden. Eine dem Status nach selbständige „Klinik für Suchterkrankungen” weist nur eines der befragten Fachkrankenhäuser auf; dagegen verfügen 35 % über eine eigene „Abteilung für Suchterkrankungen” und überraschenderweise geben 41 % der antwortenden Kliniken das Vorhandensein einer „Station für Abhängige von illegalen Drogen” mit eigenem Konzept an. Letzte Angabe ist die interessanteste, denn sie zeigt, dass es in diesen Kliniken zur Wahrnehmung dieser Patientengruppe gekommen ist und daraus Konsequenzen gezogen wurden.

Die Therapieangebote stellen sich wie folgt dar: 32 % der antwortenden Kliniken bieten eine tagesklinische Behandlung an, 56 % verfügen über eine Suchtambulanz, 26 % haben eine ambulante Substitution integriert und 10 % schließen auch in der eigenen Klinik eine so genannte Entwöhnung an. Für den Entzug verfügen 38 % über eine intensive Überwachungsstation (zu den einzelnen Angeboten machten jeweils 12 bis 30 % der Kliniken keine Angaben; der tatsächliche Anteil liegt daher möglicherweise höher). An Therapiemethoden nennen die antwortenden Kliniken neben Gruppentherapien, Entspannungstraining, so genannten Motivationsgruppen, Sporttherapien und Fitnesstraining sowie seelsorgerischen Aktivitäten vor allem Ergotherapie (89 %), Körperwahrnehmungstraining (50 %) und Musiktherapie (40 %). Hinzu kommen Spezialangebote für besondere Gruppen von Drogenabhängigen: So geben 52 % der antwortenden Kliniken an, spezielle Konzepte für Menschen mit Psychose und Sucht vorzuhalten, 54 % bieten Spezialangebote für die Amphetamin- bzw. Kokainentgiftung. Jede zweite Klinik (52 %) behandelt schwangere Patientinnen. Jeweils 41 % gaben an, auch Patienten mit Minderbegabung und drogenabhängige Paare aufzunehmen. Ein kleinerer Teil (24 %) verfügt über Angebote für Eltern mit Kindern.

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Fazit

Zumindest die antwortenden Kliniken haben das Problem „drogenabhängige Patienten und deren Versorgung” erkannt und darauf reagiert. Die Behandlungsangebote entsprechen dem, was heute in der Therapie drogenabhängiger Menschen erforderlich erscheint. Dass einige Kliniken auch über eine angeschlossene Suchtambulanz in der Substitution mitarbeiten, kann als ein weiterer Schritt gesehen werden, sich als Teil des Hilfsangebotes in der Szene zu etablieren. Mit der Akutversorgung trägt die klinische Suchtmedizin somit zu ihrer eigenen Profilierung, aber auch zur Rückführung Abhängigkeitskranker in die „Versorgungskrankenhäuser” bei.

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Literatur

  • 1 Wolfersdorf M, Moos M. Forschung im Psychiatrischen Versorgungskrankenhaus.  Krankenhauspsychiatrie. 2000;  11 161-165
  • 2 Wolfersdorf M, Schiller M, Link M. Akutversorgungssituation Drogenabhängiger in deutschen Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie 1998. Eckert A, Wolfersdorf M Forschung in Psychiatrischen Fachkrankenhäusern. Beiträge 1. Postersymposium Arbeitsgruppe Forschung der Bundesdirektorenkonferenz 1999 in Bedburg-Hau Regensburg; Roderer 2000: 126-129
  • 3 Wolfersdorf M, Weishaupt-Langer G. Psychotherapiebehandlungsplätze in Psychiatrischen Versorgungskrankenhäusern/Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie in Deutschland 1998. Ergebnisse einer Erhebung der Arbeitsgruppe Forschung der Bundesdirektorenkonferenz (AGF/BDK).  Psychotherapie. 2000;  5 148-152

Prof. Dr. med. M. Wolfersdorf

Ärztlicher Direktor
Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Bezirkskrankenhaus Bayreuth

Nordring 2

95445 Bayreuth

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Literatur

  • 1 Wolfersdorf M, Moos M. Forschung im Psychiatrischen Versorgungskrankenhaus.  Krankenhauspsychiatrie. 2000;  11 161-165
  • 2 Wolfersdorf M, Schiller M, Link M. Akutversorgungssituation Drogenabhängiger in deutschen Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie 1998. Eckert A, Wolfersdorf M Forschung in Psychiatrischen Fachkrankenhäusern. Beiträge 1. Postersymposium Arbeitsgruppe Forschung der Bundesdirektorenkonferenz 1999 in Bedburg-Hau Regensburg; Roderer 2000: 126-129
  • 3 Wolfersdorf M, Weishaupt-Langer G. Psychotherapiebehandlungsplätze in Psychiatrischen Versorgungskrankenhäusern/Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie in Deutschland 1998. Ergebnisse einer Erhebung der Arbeitsgruppe Forschung der Bundesdirektorenkonferenz (AGF/BDK).  Psychotherapie. 2000;  5 148-152

Prof. Dr. med. M. Wolfersdorf

Ärztlicher Direktor
Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Bezirkskrankenhaus Bayreuth

Nordring 2

95445 Bayreuth