Aktuelle Dermatologie 2001; 27(11): 361-363
DOI: 10.1055/s-2001-19129
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Folliculitis decalvans - Behandlung mit einer systemischen Rifampicin-Clindamycin-Kombinationstherapie bei 17 Patienten

Folliculitis decalvans - Treatment with Systemic Rifampin-Clindamycin in 17 PatientsM.  Stockmeier1 , C.  Kunte1 , K.  Feldmann1 , G.  Messer1 , H.  Wolff1
  • 1Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie, München
Weitere Informationen

Prof. Dr. H. Wolff

Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie

Frauenlobstraße 9 - 1180337 München

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
18. Dezember 2001 (online)

Inhaltsübersicht #

Zusammenfassung

Folliculitis decalvans ist eine schwer therapierbare, chronisch progrediente Entzündung der Kopfhaut. Über mögliche Vorteile unterschiedlicher Therapien existierten lediglich Fallberichte nur weniger Patienten. Powell et al. beschrieben 1999 erstmals eine systemische antibiotische Kombinationstherapie mit Rifampicin und Clindamycin, untersucht an 18 Patienten. Die positive Therapieerfahrung veranlasste uns, 17 Patienten diese Therapie zu verabreichen. Nach 10 Wochen war der Hautbefund bei allen Patienten gebessert, die sich persönlich wieder vorstellten (n = 14). Elf Patienten wiesen vor Beginn der Therapie Pustulation auf, bei 10 Patienten war diese nach Beendigung der Therapie abgeheilt. Ein Rezidiv stellte sich bei 5 Patienten nach durchschnittlich 10,6 Wochen ein.

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Abstract

Folliculitis decalvans is a chronic inflammation of the scalp. Treatment is difficult and relapses are frequent. Powell et al. (1999) have described a treatment regimen with a combination of oral rifampin and clindamycin. All 18 reported patients noticed improvement. We here present our experience with 17 patients using the same combined rifampin-clindamycin therapy. In our series, all patients seen after 10 weeks for follow-up (n = 14) showed marked improvement of scalp inflammation. In 10 of 11 patients with pustulation, this symptom disappeared. Relapses of the disease occurred in 5 patients after a mean time of 10.6 weeks.

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Einleitung

Folliculitis decalvans ist eine chronische, langsam progrediente Entzündung der Kopfhaut, die zu einem Untergang der Haarfollikel unter Hinterlassung narbiger Areale führt. Die Entzündung schreitet langsam randwärts fort, was sich klinisch durch follikuläre Rötungen und Pusteln im Randbereich zeigt.

Erstmals beschrieb Quinquaud 1888 dieses Krankheitsbild als „folliculite epilante” [1]. Von Brocq stammt aus dem Jahr 1905 schließlich die Bezeichnung Folliculitis decalvans, definiert als follikulär gebundene Entzündung, die zu einer vernarbenden Alopezie führt [2].

Die Ätiologie der Erkrankung ist noch wenig verstanden. Pathogenetisch mitentscheidend sind jedoch immer Staphylokokken [3]. Der Nachweis dieser Bakterien aus Pustelinhalt gelingt bei der Folliculitis decalvans nahezu immer [4]. Powell et al. [4] vermuteten die Entzündungsursache in einer abnormalen Reaktion auf Staphylokokken-Toxine und untersuchten die lokale Immunantwort auf Defizite, die zu einer Chronifizierung der Entzündungsreaktion mit Vernarbung führen könnten [4]. Insgesamt 18 Patienten wurden mit einer kombinierten antibiotischen Therapie, bestehend aus Rifampicin und Clindamycin, jeweils 300 mg zweimal täglich über 10 Wochen behandelt. Insgesamt kam es bei 15 von 18 Patienten zu einer deutlichen klinischen Besserung. Davon waren nach dem ersten Behandlungszyklus bei 10 Patienten die Schmerzen verschwunden, keine neuen Pusteln mehr aufgetreten und bestehende Pusteln verheilt. Bei den anderen 8 Patienten konnte dies nach dem ersten Behandlungszyklus noch nicht erreicht werden, so dass ein zweiter oder dritter Zyklus angeschlossen wurde.

Die Publikation von Powell et al. [4] war die erste, die gute Therapieerfahrungen an einer größeren Zahl von Patienten dokumentierte. Dies bewog uns, auch unseren Patienten mit Folliculitis decalvans diese Kombinationstherapie zu verabreichen. Im Folgenden werden die an 17 Münchener Patienten gewonnenen Erfahrungen mit dieser Therapie dargestellt.

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Patienten und Therapie

Bei 17 Patienten (14 Männer, 3 Frauen, alle kaukasisch) bestand an der Kopfhaut auf umschriebenen Arealen eine deutliche Verminderung der Haardichte bis hin zur Kahlheit. An den verbliebenen Follikelostien auf den betroffenen Arealen sowie in entzündlich aktiven Randbereichen waren Keratosen und perifollikuläre Erytheme sowie Pusteln zu sehen (Abb. [1]). Fast immer fanden sich Areale, in denen mehrere Haarschäfte mit einem gemeinsamen Ostium aus der Kopfhaut austraten, so genannte Büschelhaare (Abb. [2]). Vor allem im Randbereich bestand ein diffuses Erythem. Bei allen Patienten verlief die Erkrankung bereits über Monate oder Jahre. Der chronische Krankheitsverlauf hatte sich trotz unterschiedlichster, oft wochenlanger Therapieversuche nicht oder nur kurzfristig stabilisiert. Topisch waren vorher unter anderem versucht worden: Fusidinsäurecreme, desinfizierende Shampoos sowie glukokortikoidhaltige Cremes und Lösungen. Systemisch kamen Antibiotika wie Tetrazykline und Flucloxacillin sowie Isotretinoin zum Einsatz.

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Abb. 1 Folliculitis decalvans. Narbige Alopezie, perifollikuläre Erytheme und Pusteln.

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Abb. 2 Büschelhaare. Mehrere Haarschäfte mit einem gemeinsamen Ostium.

Schließlich wurden alle Patienten von uns entsprechend dem von Powell et al. [4] vorgeschlagenen Therapieprotokoll systemisch mit Clindamycin (300 - 0 - 300 mg) und Rifampicin (300 - 0 - 300 mg) über 10 Wochen hinweg behandelt. Eine spezifische topische Therapie erfolgte während der Antibiotikagabe nicht; die jeweiligen Shampoos wurden weiter verwendet. Vor Therapiebeginn erfolgten bakteriologische Abstriche, Bestimmung von Blutbild und Serumchemie, sowie Fotodokumentationen in der Übersicht und teilweise auch mit Detailvergrößerung. Anlässlich von Wiedervorstellungen mit Begutachtung des Hautbefundes nach 4, 8 und 10 Wochen wurden sowohl Blutbild als auch Serumchemie kontrolliert.

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Ergebnisse

Von den 14 Männern und 3 Frauen beendeten 14 die vorgesehene 10-wöchige Antibiotikaeinnahme. Drei Patienten erschienen nicht zum Wiedervorstellungstermin nach 8 oder 10 Wochen. Bei einem der drei kam es nach 4 Wochen Behandlung zu einer Diarrhö. Bei 2 Patienten war es nach 10 Wochen Behandlung zu einem Ansteigen der Gammaglutamyltransferase auf das Doppelte des Ausgangswertes gekommen. Eine Rotfärbung des Urins hatten 2 Patienten bemerkt, je 1 Patient berichtete über Übelkeit, Magenbeschwerden und Bauchschmerzen. Bei keinem Patienten wurde die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen abgebrochen. Aufgetretene unerwünschte Wirkungen waren nach Beendigung der Therapie voll reversibel.

Elf Patienten wiesen vor Beginn der Therapie Pusteln an den betroffenen Arealen auf. Bei allen 11 Patienten ließ sich daraus Staphylococcus aureus nachweisen. Nach Therapieende war die Pustulation bei 10 der 11 Patienten völlig verschwunden. Bei allen 17 Patienten bestanden vor Beginn der Therapie perifollikuläre Erytheme; bei allen 14 nachuntersuchten Patienten war dieser Befund nach 10 Wochen deutlich gebessert. Bei 5 der 14 nachuntersuchten Patienten verschlechterte sich der Gesamtbefund nach Beendigung der Therapie erneut. Die durchschnittliche Dauer des rezidivfreien Intervalls betrug bei diesen 5 Patienten 10,6 Wochen, im Einzelnen 6, 6, 10, 14 und 17 Wochen. Rezidive gingen häufig von Büschelhaaren aus, die im Randbereich der haarlosen Areale verblieben waren.

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Diskussion

Folliculitis decalvans ist eine chronische, langsam progrediente Entzündung der Kopfhaut. Die Auslöser dieser Entzündung sind Staphylokokken und individuelle Faktoren, wie zum Beispiel Büschelhaare. Sitz der Staphylokokken sind die bis zu 1 cm tief reichenden Haarfollikel. Daher hat eine topische Therapie aufgrund des schlechten Zugangs in die Tiefe allenfalls prophylaktische Wirkung. Bei einer systemischen antibiotischen Therapie ist zu bedenken, dass das Therapeutikum erst die Basalmembran, die äußere Wurzelscheide, und die Henle- und Huxley-Schicht penetrieren muss. Powell et al. [4] beschrieben erstmals eine systemische Kombinationstherapie mit Rifampicin und Clindamycin bei einer größeren Anzahl von Patienten mit Folliculitis decalvans. Rifampicin gehört zu der Gruppe der makrozyklischen Antibiotika. Es wirkt durch Hemmung der DNS-abhängigen RNS-Polymerase. Die Wahrscheinlichkeit einer Resistenzentwicklung ist bei Rifampicin relativ hoch. Bei 4 - 20 % der Patienten kommt es zu einer asymptomatischen Erhöhung der Leberenzyme, ein grippeartiges Syndrom, genannt Flu-Syndrom, tritt vor allem bei Wiederaufnahme einer vorübergehend unterbrochenen Behandlung auf, oder bei einmal wöchentlicher Rifampicin-Gabe von 25 mg/kg und mehr. Kontaktlinsen können sich unter Rifampicin dauerhaft gelb-orange färben. Aufgrund Cytochrom-P 450-Induktion ist die Wirkung von Kontrazeptiva nicht mehr gewährleistet [5].

Clindamycin ist ein halbsynthetisches Antibiotikum, das dem aus dem Pilz Streptomyces lincolnensis gewonnenen Lincomycin ähnelt. Die Wirkungsweise beruht auf einer Behinderung der Proteinbiosynthese auf der Stufe der Aminosäure-Kettenverlängerung. Die Wahrscheinlichkeit einer Resistenzentwicklung ist bei Clindamycin im Gegensatz zu Rifampicin relativ gering. An Nebenwirkungen treten gelegentlich anhaltende Durchfälle auf. Dann muss an eine pseudomembranöse Kolitis gedacht werden. Durch eine Beeinflussung des enterohepatischen Kreislaufs kann es ferner zu einer Verminderung der Plasmakonzentration von Östrogenen kommen, so dass auch hier hormoneller Konzeptionsschutz nicht mehr sicher gewährleistet ist. Die Anwendung während der Schwangerschaft ist bei Rifampicin relativ, bei Clindamycin absolut kontraindiziert [5].

Mit den bisher bekannten antibiotischen Behandlungsstrategien der Folliculitis decalvans konnte der Verlauf meist nicht dauerhaft gestoppt werden. Bei uns führte die Rifampicin-Clindamycin-Kombinationstherapie bei allen 14 nachuntersuchten Patienten zur deutlichen Befundbesserung, insbesondere hinsichtlich Abnahme der Entzündungsaktivität. Bei 10 von 11 Patienten mit vorher sichtbaren Pusteln kam es zum Verschwinden der Pusteln. Ein Rezidiv trat bei 5 von 14 erscheinungsfreien Patienten nach durchschnittlich 10,6 Wochen auf. Ausgang eines Rezidivs waren fast immer Büschelhaare, die im Randbereich der haarlosen Areale verblieben waren. Dies sind bis zu 10 Haarschäfte, die alle ein gemeinsames Follikelostium aufweisen [6] [7] [8]. Büschelhaare wirken wie ein Docht, der bakterienhaltige Flüssigkeit von der Kopfhautoberfläche (z. B. nach dem Haarewaschen) in die Tiefe der Haarfollikel zieht. Aus diesem Grund erscheint ein punktuelles Entfernen dieser präformierten Rezidivareale mittels Laser oder Stanzbiopsien während der antibiotischen Therapie sinnvoll.

Auch nach erfolgreicher Behandlung der akuten Entzündung bleibt bei der Folliculitis decalvans letztlich das Problem der vernarbten und haarlosen Kopfhautareale. Zwar ist nach kompletter Abheilung eine operative Verkleinerung mittels Exzision, Transpositionslappen oder Expandertechnik möglich; das Risiko eines postoperativen Untergangs weiterer Haarfollikel aufgrund der erzeugten Hautspannung ist allerdings gegeben. Deshalb stellt auch das Tragen von geeigneten Haarteilen eine erwägenswerte Alternative dar.

Insgesamt sind unsere Erfahrungen mit der 10-wöchigen Rifampicin-Clindamycin-Kombinationstherapie günstig. Zusätzlich empfehlen wir eine mindestens zweitägige Kopfwäsche mit keimvermindernden Shampoos.

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Literatur

  • 1 Quinquaud E. Folliculite épilante et destructive des régions velues.  Bull Mém Soc Méd Paris. 1888;  5 395-398
  • 2 Brocq L. Recherches sur l'alopécie atrophicante, variété pseudopelade.  Ann Dermatol Syphil. 1905;  6 1 - 32, 97-127, 209 - 237
  • 3 Bogg A. Folliculitis decalvans.  Acta Derm Venereol (Stockh). 1963;  43 14-24
  • 4 Powell J, Dawber R, Gatter K. Folliculitis decalvans including tufted folliculitis: clinical, histological and therapeutic findings.  Br J Dermatol. 1999;  140 328-333
  • 5 Rote Liste 2001. Aulendorf; Editio Cantor Verlag 2001
  • 6 Dalziel K, Telfer N, Wilson C, Dawber R. Tufted folliculitis - a specific bacterial disease?.  Am J Dermatopathol. 1990;  12 37-41
  • 7 Annessi G. Tufted folliculitis of the scalp: a distinctive clinicohistological variant of folliculitis decalvans.  Br J Dermatol. 1998;  138 799-805
  • 8 Trüeb R, Pericin M, Hafner J, Burg G. Bündelhaar-Follikulitis.  Hautarzt. 1997;  4 266-269

Prof. Dr. H. Wolff

Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie

Frauenlobstraße 9 - 1180337 München

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Literatur

  • 1 Quinquaud E. Folliculite épilante et destructive des régions velues.  Bull Mém Soc Méd Paris. 1888;  5 395-398
  • 2 Brocq L. Recherches sur l'alopécie atrophicante, variété pseudopelade.  Ann Dermatol Syphil. 1905;  6 1 - 32, 97-127, 209 - 237
  • 3 Bogg A. Folliculitis decalvans.  Acta Derm Venereol (Stockh). 1963;  43 14-24
  • 4 Powell J, Dawber R, Gatter K. Folliculitis decalvans including tufted folliculitis: clinical, histological and therapeutic findings.  Br J Dermatol. 1999;  140 328-333
  • 5 Rote Liste 2001. Aulendorf; Editio Cantor Verlag 2001
  • 6 Dalziel K, Telfer N, Wilson C, Dawber R. Tufted folliculitis - a specific bacterial disease?.  Am J Dermatopathol. 1990;  12 37-41
  • 7 Annessi G. Tufted folliculitis of the scalp: a distinctive clinicohistological variant of folliculitis decalvans.  Br J Dermatol. 1998;  138 799-805
  • 8 Trüeb R, Pericin M, Hafner J, Burg G. Bündelhaar-Follikulitis.  Hautarzt. 1997;  4 266-269

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Abb. 1 Folliculitis decalvans. Narbige Alopezie, perifollikuläre Erytheme und Pusteln.

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