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DOI: 10.1055/s-2001-17663
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Wie häufig sind chronische bzw. sog. therapieresistente Depressionen?
Ergebnisse einer Umfrage auf DepressionsstationenHow Frequent are Chronic resp. So-Called Therapy Resistant Depressions? Results of a Study at Specialized Depression UnitsPublikationsverlauf
Publikationsdatum:
05. Oktober 2001 (online)

Zusammenfassung
Die verschiedenen Angaben zur Größe des Anteils chronischer oder therapieresistenter Verläufe bei Depressionen ergeben sich z. T. daraus, dass oft höchst unterschiedliche Definitionen für diese Subgruppen angelegt werden. Bei einer Umfrage auf Depressionsstationen wurden sehr enge Kriterien zu Chronizität und Therapieresistenz definiert und um die Schätzung einer 1-Jahres-Prävalenz wie einer Punktprävalenz an einem Stichtag für die so beschriebenen Subgruppen gebeten. Zwischen einem Viertel und einem Drittel (26 bzw. 34 %) der dort behandelten unipolar Depressiven sind als chronisch nach einem reinen Zeitkriterium (zwei Jahre nahezu ununterbrochene Erkrankungsdauer) zu betrachten, rund ein Fünftel (16 bzw. 22 %) werden mit dem Verdacht auf Therapieresistenz aufgenommen. Bei einem Großteil (75 % bzw. 63 %) bestätigt sich dieser Verdacht nicht: Sie können als gebessert entlassen werden. Die verbleibende Gruppe (4 bzw. 7 % aller aufgenommenen unipolar Depressiven) muss als therapieresistent betrachtet werden.
The different statements about the proportion of chronical or therapy resistant depressions are partly based upon utterly different definitions for this group. In a poll in specialized depression units very restricted criteria for chronicity and therapy resistance were defined and they were asked for an estimation of a one year prevalence rate and the prevalence rate on a fixed day for the described subgroups. A quarter to a third (26 resp. 34 %) of the patients with unipolar depressive disorders were chronicals defined by time criteria (two years of almost uninterrupted depressive illness), about a fifth (16 resp. 22 %) are admitted with the risk of therapy resistance. For a major part (75 resp. 63 %) this suspicion is not sustained: They are discharged recovered. The remaining group (4 resp. 7 % of the patients with unipolar depressions) must be called therapy resistant.
Schlüsselwörter
Depression - Chronizität - Therapieresistenz - Prävalenz - Depressionsstation
Key words
Depression - Chronicity - Therapy resistance - Prevalence - Affective disorder units
Literatur
1 unter Mitarbeit von H. Reinecker, Universität Bamberg, M. Wolfersdorf, BKH Bayreuth und den Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern von 30 Depressionsstationen des AK Depressionsstationen
2 Die hier referierten Zahlen weichen zum Teil etwas von den im Referat vorgestellten ab, da nach der ersten Auswertung noch ein weiterer Fragebogen zugeschickt wurde, dessen Angaben in der hier dargestellten Fassung mitberücksichtigt werden. Außerdem korrigierten drei der Stationen ihre Angaben noch nachträglich, was zu leicht veränderten Gesamtwerten führte.
3 Eine Station war erst im Jahr 1999 aufgebaut worden und konnte deshalb nur Angaben für den Stichtag machen, eine konnte nur das Gesamt-n nennen. Sie wurde nicht in die Errechnung der Streckenprävalenz miteinbezogen.
4 Ein Patient fehlt in dieser Zuordnung: Die entsprechende Station hatte als Gesamtbehandlungszahl einen Patient mehr angegeben als die Summe der beiden Gruppen primär und nichtprimär Depressive.
5 bei Dysthymia und double depression: die nicht mehr die Kriterien der Dysthymia nach ICD-10 erfüllten. Dieses Kriterium ist sehr eng gefasst - schließlich könnte man auch davon ausgehen, dass zumindest die Besserung der schweren Symptomatik bei den double depressions schon ein guter Erfolg sei. Andererseits können diese Patienten nicht als geheilt angesehen werden, wenn sie noch als dysthym einzuschätzen sind, weil bei ihnen jederzeit wieder eine schwerere Episode auftreten könnte. Hier wären follow-up-Untersuchungen nötig, um festzustellen, ob die Besserung von gemischtem Schweregrad auf leichten Schweregrad von Dauer ist oder nicht. Das war im Rahmen der Umfrage leider nicht möglich. Hier liegt auch ein weiterer Schwachpunkt der Fragestellung: Man kann anhand dieser Zahlen nicht abschätzen, wie lange die beobachtete Besserung jeweils angehalten hat - es kann natürlich sein, dass es innerhalb der ersten zwei Monate nach der Entlassung aus der stationären Behandlung (bzw. nach Eintritt der Besserung) zu Rückfällen gekommen ist: Diese Patienten müssten als nach wie vor chronisch und therapieresistent angesehen werden, da sie nicht das Unterbrechungskriterium von mehr als acht Wochen erfüllt hätten. Auch dies konnte leider nicht berücksichtigt werden.
6 einer der primär depressiven Patienten war nicht zugeordnet
7 3 Patienten fielen unter die Kategorie „unbehandelt” - Gründe vgl. oben, z. B. Behandlungsabbruch, mangelnde Compliance, etc.
- 01 Marneros A, Deister
A. Chronische Depression - Psychopathologie,
Verlaufsaspekte und prädisponierende Faktoren. In: Möller HJ (Hrsg).
Therapieresistenz unter Antidepressiva-Behandlung. Springer, Berlin; 1990: - 02 Helmchen H. Gestuftes Vorgehen bei Resistenz gegen
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Therapieresistenz unter Antidepressiva-Behandlung. Springer, Berlin; 1990: - 03 Möller H-J. Therapieresistenz unter Antidepressiva: Definition,
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Therapieresistente Depressionen: aktueller Wissensstand und Leitlinien für die Behandlung in Klinik und Praxis. Springer, Berlin; 1997:
Dipl.-Psych. Andrea Heindl
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
des
Bezirkskrankenhauses Bayreuth
Nordring 2
95445 Bayreuth