intensiv 2001; 9(5): 226
DOI: 10.1055/s-2001-17234
Recht
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Das deutsche Gesundheitssystem ist wenig hilfreich bei der Sterbebegleitung
Aktive Sterbehilfe darf keine Lösung sein

Werner Schell
  • Neuss
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Publication Date:
17 September 2001 (online)

Der größte Wunsch vieler todkranker Patienten, die letzte Zeit ihres Lebens zu Hause zu verbringen, wird in Deutschland nicht erfüllt. Nur jeder Zehnte stirbt in vertrauter Umgebung. Die deutliche Mehrheit stirbt in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Eine Entwicklung, die nicht sein muss, denn durch qualifizierte Hospizarbeit und effektive, moderne Schmerztherapie können 65 % der Menschen in vertrauter Umgebung sterben. Und: Diese neue „Kultur des Sterbens” rechnet sich. Werden bei Patienten am Ende ihres Lebens fünf Tage Klinikaufenthalt vermieden und bei einem Drittel im Verlauf der Erkrankung drei Kliniktage „eingespart”, sind Kostensenkungen für das Gesundheitssystem möglich. Dies teilten Vertreter der Deutschen Hospiz Stiftung am 10. März 1999 anlässlich der Übergabe von 150 000 Unterschriften für „menschliche Zuwendung statt aktiver Sterbehilfe” mit. Die Unterschriftenlisten, zusammengefügt zu einem „Band der Solidarität”, wurden dem Bundestagspräsidenten überreicht.

Rund 850 000 Menschen erhalten jedes Jahr die niederschmetternde Diagnose, dass sie bald sterben werden, 330 000 davon an Krebs. Die Zahl der Tumorkranken wird nach Schätzungen von Experten in den nächsten 15 Jahren um 30 bis 40 % steigen. Diese Zahlen allein verdeutlichen, wie wichtig der Einsatz für einen höheren Stellenwert der Hospizarbeit und Palliativmedizin (Schmerztherapie) in unserer Gesellschaft ist. Nach einem Leben oft voller Mühe und Arbeit darf wohl jeder erwarten, am Ende nicht einsam und verlassen zu sein. Schwerstkranke Menschen dürfen nicht abgeschoben werden, sondern ihnen muss bis zuletzt beigestanden werden. Das Sterben muss würdig gestaltet werden.

Mit Blick auf das zusammenwachsende Europa warnen Vertreter der Deutschen Hospiz Stiftung vor einer schleichenden Legalisierung der aktiven Sterbehilfe. Welch dramatische Auswirkung der Einsatz tödlicher Injektionen haben kann, zeigt die aktuelle Statistik der niederländischen Regierung. Auf Verlangen der Patienten wurden dort im Jahr 1998 insgesamt 2300 Menschen durch Giftinjektionen getötet, 8100 durch Überdosis eines Medikaments und in 7858 Fällen wurden lebensverlängernde Maßnahmen ohne Verlangen des Patienten abgebrochen. In rund 1000 Fällen wurde tödliches Gift sogar ohne Verlangen des Patienten verabreicht. Damit, darauf weist die Deutsche Hospiz Stiftung mit Nachdruck hin, hatten die betreffenden Ärzte in insgesamt 20 % aller Todesfälle in den Niederlanden das implizite oder explizite Motiv, das Leben des anvertrauten Patienten zu beenden, ein Skandal!

Auch wenn die Deutsche Hospiz Stiftung durch die Einrichtung des ersten Lehrstuhls für Palliativmedizin die Anerkennung des Medizinischen Patientenanwaltes durch die Ärzteschaft und Juristen sowie die Unterstützung von Hospizdiensten wichtige Etappenziele erreicht hat, bleibt auf diesem Weg zu einer menschenwürdigen Sterbebegleitung in Deutschland noch einiges zu tun. Die Deutsche Hospiz Stiftung fordert:

Eine Verbesserung der palliativmedizinischen Ausbildung der Ärzte. Hierzu gehören die Aufnahme der Palliativmedizin in die Studien- und Prüfungsordnungen der medizinischen Fakultäten. Die Einrichtung von palliativmedizinischen Zentren an den Universitätskliniken. Die Verankerung der Hospizidee in die Aus- und Weiterbildung der pflegerischen, therapeutischen und seelsorglichen Berufe, damit sie in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens wirksam werden kann. Eine größtmögliche ideelle, strukturelle und finanzielle Unterstützung der Hospizarbeit durch Bund und Länder.

Die Deutsche Hospiz Stiftung, Hohle Eiche 29, 44 229 Dortmund, informiert am bundesweiten Schmerz- und Hospiztelefon mit der Nummer 0231/7 380 730 zu Fragen der Hospizarbeit und Palliativmedizin. Dieser Telefondienst steht allen Bürgerinnen und Bürgern jederzeit zur Verfügung.

Werner Schell

Harffer Straße 59

41469 Neuss

URL: http://www.wernerschell.de

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