Die heterotope Implantation von Milzgewebe in anderen Organen nach Milzverletzung
oder Milzoperation wird als Splenosis bezeichnet und wurde zuerst 1939 von Buchbinder
beschrieben (Buchbinder et al. Surgery 1939;6:927 - 934). Mit dem Blutstrom abgeschwemmtes
Milzgewebe kann sich dabei an den unterschiedlichsten Lokalisationen im Körper ansiedeln
und auch wachsen.
Wir berichten über den Fall eines Patienten, bei dem eine hepatische Splenose schließlich
durch Feinnadelbiopsie bewiesen werden konnte.
Fallbeschreibung
Ein 37-jähriger Mann stellte sich wegen unspezifischer Beschwerden im linken Nierenlager
bei seinem Hausarzt vor.
Anamnestisch war eine Splenektomie im Kindesalter wegen Milzruptur nach Verkehrsunfall
bekannt.
Bei der Oberbauchsonographie fiel eine fragliche Auftreibung der linken Nebenniere
auf, die durch Magnetresonanztomographie weiter abgeklärt werden sollte.
Die T2-gewichteten fettunterdrückten Aufnahmen zeigten nach außen sich vorwölbende intrahepatische
Läsionen mit im Vergleich zur Leber deutlich erhöhter Signalintensität, wohingegen
sich diese Läsionen auf den T1-gewichteten Aufnahmen hypointens demarkierten (Abb.
[1 a], [1 b]). Eine polyzyklisch imponierende Raumforderung gleichsinnigen Signalverhaltens fand
sich suprarenal links.
Die rechte Nebenniere sowie die Nieren stellten sich unauffällig dar. Zur weiteren
Abklärung wurde der Patient dann in die Klinik eingewiesen.
Die Computertomographie zeigte die bekannten Läsionen im Vergleich zur Leber etwas
hypodens (Abb. [2 a]). Nach Kontrastmittelgabe kam es zu einer Nivellierung des Kontrastes gegenüber
der Leber, so dass die Läsionen nur noch aufgrund ihrer Vorwölbung erkennbar waren
(Abb. [2 b]). Die links-suprarenale Läsion verhielt sich gleichsinnig.
Die Feinnadelbiopsie der Leber ergab reifes Milzgewebe ohne Anhalt für ein tumoröses
Geschehen.
Die Milzszintigraphie (durchgeführt mit wärmealterierten Technetium-markierten Erythrozyten)
ergab multiple intrahepatische Mehranreicherungen sowie eine pararenal links gelegene
Mehranreicherung, vereinbar mit Milznestern (Abb. [3]).
Diskussion
Die Häufigkeit der Versprengung von Milzgewebe im Rahmen von Milzverletzungen oder
Milzoperationen wird in der Literatur mit bis zu 67 % angegeben (Gruen et al., AJR
1997;168;725 - 726). Häufigste Lokalisation der Implantation ist dabei die Peritonealhöhle;
es sind aber auch thorakale, subkutane, renale und perikardiale Implantate beschrieben
worden (Fleming et al., AmJMed 1976; 61:414 - 419). Die hepatische Splenose ist dagegen
selten und in der Literatur bisher erst dreimal beschrieben worden.
Die klinischen Symptome der Splenose richten sich nach ihrer jeweiligen Lokalisation.
Mechanische Probleme bis hin zur Darmpassagestörung aufgrund intestinaler Splenosis
wurden ebenso beschrieben wie auch unspezifische abdominelle Schmerzen. Da das versprengte
Milzgewebe die Funktion des normalen Milzgewebes übernehmen kann, sind Größenzu- bzw.
-abnahme der Herde möglich. Zu Fehldeutungen kann es kommen, wenn die Splenosis als
unklare Läsion in Leber oder Lunge erstmals auffällt. Wie im hier vorliegenden Fall
ist es dann durchaus möglich, dass die richtige Diagnose erst nach Histologie-Gewinnung
gestellt wird (Madjar et al., Thorax;1994;49:1021 - 1022).
Die Blood-Pool-Szintigraphie mit 99mTc-markierten Schwefel-Kolloiden bzw. markierten
Erythrozyten wird als diagnostischer Goldstandard angesehen; als limitierend muss
hier allerdings die Mindestgröße von ≥ 2 cm angesehen werden, unter der der Nachweis
kaum gelingt (Gunes et al., CIin Radiol 1994; 49: 115 - 117).
Andere Autoren empfehlen die Magnetresonanztomographie nach Gabe des RES-gängigen
Kontrastmittels Endorem (Aufnahme durch das retikulo-endotheliale System); hier zeigt
Milzgewebe ähnlich dem Lebergewebe einen deutlichen Signalabfall auf den T2-gewichteten
Aufnahmen (De Vuysere et al., Abdo Imaging 2000;25:187 - 189). Dieses Signalverhalten
dient auch zur Abgrenzung gegenüber malignen fokalen Leberbefunden (HCC, Filiae),
die vergleichsweise hyperintens zum Lebergewebe imponieren. Schwierig dagegen ist
die Differenzierung der hepatischen Splenose gegenüber dem Leberadenom und der fokal
nodulären Hyperplasie (FNH), da diese ebenfalls Endorem aufnehmen und daher einen
Signalabfall erfahren (Vogl et al., RöFo 1994; 160/4: 319 - 328).
Typische oder pathognomonische computertomographische Charakteristika sind nicht bekannt.
In unserem Fall wurde die Differenzialdiagnose der hepatischen Splenose magnetresonanztomographisch
durchaus erwogen. Computertomographisch konnte allerdings eine Tumorerkrankung nicht
ausgeschlossen werden. Letztlich haben wir uns aber zu einer histologischen Sicherung
der Leberherde entschlossen, die schließlich den Beweis erbrachte. Ob es sich bei
dem suprarenalen Prozess ebenfalls um versprengtes Milzgewebe oder aber um eine operativ
belassene kleine Nebenmilz handelt, lässt sich retrospektiv nicht mehr klären.
J. Hierholzer, H. Fuchs, Schöneich, Potsdam, B. Menzel, Brandenburg
Abb. 1 aMRT (nativ T2w): Signalreiche Raumforderungen subphrenisch links bzw. intrahepatisch
(*). Abb. 1 b MRT (nativ T1w): Signalarme Raumforderungen im rechten Leberlappen (↓).
Abb. 2 aCT (nativ): Läsion intrahepatisch etwas hypodens im Vergleich zur Leber (←). Abb.
2 b CT (nach i. v.-KM) Nivellierung des Kontrastes (←).
Abb. 3Milzszintigraphie in SPECT-Technik (wärmealterierte 99 mTc-markierte Erythrozyten), transversale Schicht im Bereich der Leber: multiple, z.
T. intrahepatische, z. T. linkssubphrenische Milzherde (*).