Dem im Erwachsenenalter nur selten beobachteten Bild einer portalvenösen Gasansammlung
kann eine Vielzahl iatrogener und nicht-iatrogener Ursachen im Gastrointestinaltrakt
zugrunde liegen. Insbesondere die nicht-iatrogen verursachten Fälle weisen häufig
eine hohe Mortalität auf und erfordern eine frühzeitige Diagnostik und Therapie. Wir
berichten von einem Fall, bei dem eine portalvenöse Gasansammlung noch vor Einsetzen
der klinischen Symptome diagnostiziert wurde und daher eine rasche Therapie eingeleitet
werden konnte.
Fallbeschreibung
Ein 53-jähriger Patient mit Hypopharynxkarzinom und generalisierter Vasosklerose war
in der Abteilung für Strahlentherapie zum 4. Zyklus einer Radiochemotherapie aufgenommen
und uns zur weiteren diagnostischen Abklärung einer während des stationären Aufenthaltes
entwickelten Makrohämaturie vorgestellt worden. Klinisch wies der Patient einen deutlichen
Meteorismus auf bei jedoch weichem Abdomen und subjektiv nahezu völliger Beschwerdefreiheit.
Das CRP betrug 100 mg/dl, das Laktat lag im Normbereich. Bei der Sonographie des Abdomens
zeigten sich neben dem massiven Meteorismus als Zufallsbefund multiple echoreiche
Fleckschatten im Pfortaderhauptstamm sowie disseminiert innerhalb der Pfortaderäste
bis in die Leberperipherie, im Sinne portalvenöser Gasansammlungen, ohne dass hierfür
eine Ursache nachgewiesen werden konnte (Abb. [1]). In der unmittelbar anschließend durchgeführten Computertomographie des Abdomens
zeigten sich intravasale Luftfiguren in den proximalen Anteilen der V. mesenterica
superior (Abb. [2 a]
[2 b]), in der V. portae sowie in den intrahepatischen peripheren Pfortaderästen des linken
Leberlappens (Abb. [3]). Bei liegender PEG-Sonde (Perkutane endoskopische Gastrostomie) konnte keine freie
Luft in der V. lienalis und somit den Magen drainierenden Venen festgestellt werden.
Eine Ursache für die portalvenöse Luft ließ sich nicht nachweisen. Wegen der klinischen
Beschwerdefreiheit des Patienten und des fehlenden Nachweises eines weiteren pathologischen
intraabdominellen Befundes war zunächst ein konservatives Vorgehen unter antibiotischer
Abdeckung vorgeschlagen worden. In der Kontroll-Sonographie am Folgetag war die Luft
im portalvenösen System nicht mehr nachweisbar. Es zeigten sich nun jedoch bei regelrecht
perfundierter A. mesenterica superior eine mäßige Wandverdickung im Colon ascendens
und Coecum sowie geringe Mengen freier Flüssigkeit im rechten Unterbauch. Der Patient
klagte über Schüttelfrost und zunehmende Schmerzen im rechten Unterbauch, so dass
bei hochgradigem Verdacht auf eine ischämische Kolitis die Indikation zur sofortigen
explorativen Laparotomie gestellt wurde. Intraoperativ fanden sich erhebliche ödematöse
Veränderungen des Zökalpols und des Colon ascendens, und es ließen sich derbe Tumoren
im Bereich des Zökalpols palpieren. Es wurde daher eine Hemikolektomie rechts durchgeführt.
Am aufgeschnittenen Präparat zeigte sich bereits makroskopisch eine deutlich ischämisch
veränderte Kolonschleimhaut mit Ausbildung eines Ulcus (Abb. [4]). Die histologische Aufarbeitung des Operationspräparates ergab eine ischämisch
induzierte transmurale Entzündung des Colon ascendens mit ausgedehnten Nekrosen der
Mukosa und Submukosa sowie dichtem granulozytären Infiltrat bis ins subseröse Fettgewebe
ohne Anhalt für Malignität. Der postoperative Verlauf gestaltete sich komplikationslos,
und der Patient konnte am 16. postoperativen Tag entlassen werden.
Diskussion
Der erste berichtete Nachweis portalvenöser Gasansammlungen gelang 1955 mittels Abdomenübersichtsaufnahmen
(Wolfe et al., Am J Roentgenol Radium Ther Nucl Med 1955; 74:486). Seitdem ist ihre
Detektion durch die weiterentwickelten bildgebenden Verfahren immer früher möglich.
In der konventionellen Abdomenübersichtsaufnahme zeigen sich streifige Zonen vermehrter
Transparenz im Bereich des Leberschattens. Sonographisch zeigen sich stark hyperechogene,
mobile Areale und computertomographisch tubuläre Hypodensitäten im Verlauf der Portalvenen
und ihrer Äste. Dabei weist die Computertomographie noch vor der Dopplersonographie
die höchste Sensitivität auf (Schulze et al., Acta Radiol 1995; 36:377) und kann gleichzeitig
die zugrundeliegende Ursache und begleitende Veränderungen erfassen. Es ist jedoch
zu beachten, daß insbesondere kleinere Luftansammlungen durch eine i. v.-Kontrastmittelgabe
verschleiert werden können, so dass bei Verdacht auf eine intraportale Gasansammlung
immer zunächst eine native Computertomographie durchgeführt werden sollte.
Die wichtige Unterscheidung zwischen Aerobilie und einer Gasansammlung im portalvenösen
System erfolgt nativradiologisch anhand ihrer Lokalisation, was mit zahlreichen Irrtumsmöglichkeiten
verbunden ist. Auch sonographisch ist die Differenzierung zwischen Aerobilie und portalvenöser
Gasansammlung gelegentlich schwierig. Aufgrund des Meteorismus konnten in diesem Fall
die Gefäße proximal des Konfluens nicht beurteilt und die Ursache der portalvenösen
Gasansammlung nicht geklärt werden, so dass eine CT-Untersuchung angeschlossen wurde.
Aber auch computertomographisch kann eine sichere Unterscheidung zwischen geringen
portalvenösen Luftansamlungen und einer gering ausgeprägten Aerobilie im Einzelfall
unmöglich sein. Es besteht sogar die Möglichkeit der transhepatischen Migration einzelner
Luftblasen in benachbarte Strukturen, wie es für Pfortaderäste, Lebervenen und Leberarterien
beschrieben ist (Aikawa et al., Nippon Shokakibyo Gakkai Zasshi 1994; 91: 1320), so
dass auch das gleichzeitige Auftreten von Gasblasen in Blutgefäßen und Gallengängen
denkbar ist.
Der genaue Pathomechanismus der portalvenösen Gasansammlungen ist noch nicht vollständig
geklärt. Es wird jedoch eine Kombination aus Mukosaschaden, Distension des Darmes
und Septikämie bei Darmnekrose diskutiert. Intraportale Gasansammlungen können zahlreiche
iatrogene und nicht-iatrogene Ursachen haben. Bei den nicht-iatrogenen Ursachen finden
sich die ischämische Darmerkrankung, der Ileus sowie entzündliche Prozesse im portalvenösen
Drainagesystem des Gastrointestinaltrakts, wie z. B. die Divertikulitis, Appendizitis,
Cholezystitis und Cholangitis, und schließlich die nekrotisierende Enterokolitis im
Säuglingsalter. Als iatrogene Ursachen wurden der Bariumkontrasteinlauf, die ERCP,
die Sigmoidoskopie und Coloskopie sowie operative Eingriffe beobachtet. Bei dem Patienten
in diesem berichteten Fall war eine ausgeprägte generalisierte Vasosklerose bekannt,
welche die wahrscheinlichste Ursache für die histologisch gesicherte ischämisch induzierte
transmurale Entzündung ist.
Portalvenöse Gasansammlungen gelten nach wie vor als Signum malum. Insbesondere bei
nicht-iatrogener Ursache sind sie mit einer hohen Mortalität assoziiert, was häufig
auf ihre verzögerte Detektion und damit auf das Fortschreiten der zugrundeliegenden
Pathologie zurückgeführt wird. In einer großen Übersichtsarbeit konnte gezeigt werden,
dass Patienten, bei denen die Gasansammlungen länger als 24 Stunden nachweisbar waren,
eine deutlich erhöhte Mortalität aufwiesen (Griffiths et al., Br J Surg 1986; 73:172).
Bei dem vorgestellten Patienten waren die intraportalen Gasansammlungen bereits am
Folgetag nicht mehr nachweisbar. Einschließlich des beschriebenen Falles gibt es bisher
nur wenige Kasuistiken, bei denen Patienten mit spontaner portalvenöser Gasansammlung
überlebten. Allerdings ist ein Rückgang der Mortalität in der jüngeren Vergangenheit
zu beobachten (Fabermann et al., Am J Roentgenol 1997; 169:1535). Die genauen Ursachen
für diese Entwicklung sind nicht bekannt. Sicherlich hat die verbesserte Diagnostik
eine entscheidende Bedeutung, da sie einerseits auch unkomplizierte, spontan heilende
Fälle detektiert, andererseits aber auch eine frühere und damit effizientere Therapie
ermöglicht.
B. Frericks, A. Wefer, M. Galanski, Hannover
Abb. 1Die Sonographie des Abdomens (schräg transversaler Rippenbogenrandschnitt) zeigt sich
bewegende, disseminierte hyperechogene Fleckschatten innerhalb der Pfortaderäste bis
weit in die Leberperipherie.
Abb. 2
(a) Die Computertomographie des Abdomens zeigt eine umschriebene intravasale Luftansammlung
im Konfluens der Vena mesenterica superior und Vena lienalis, (b) welche bei größerer Fensterweite deutlicher zur Darstellung kommt.
Abb. 3Die Computertomographie des Abdomens weiter kranial als in Abb. [2 a] und [2 b] zeigt Luftansammlungen in den peripheren Pfortaderästen des linken Leberlappens.
Abb. 4Am aufgeschnittenen Präparat zeigt sich schon makroskopisch ein ca. 3 cm großes Ulcus,
welches auf eine ischämisch induzierte Colitis zurückgeführt wurde.