Atypische Karzinoide (AK) sind seltene Tumoren des oberen Aerodigestivtraktes und
im Larynx überwiegend als supraglottisch lokalisiert beschrieben. Aufgrund der lichtmikroskopischen
Ähnlichkeit mit wenig differenzierten oder undifferenzierten Plattenepithelkarzinomen
wird vermutet, dass AK des Larynx gelegentlich nicht als solche erkannt und klassifiziert
werden. Eine verlässliche Prävalenzrate kann deshalb nicht angegeben werden. AK sind
mäßig differenziert und gehören neben den noch weitaus selteneren typischen Karzinoiden
(gute Differenzierung) und kleinzelligen Karzinomen (geringe Differenzierung) zu den
neuroendokrinen Tumoren epithelialen Ursprungs, zu den sogenannten neuroendokrinen
Karzinomen. Die hohe Aggressivität atypischer Karzinoide im Vergleich zu den in über
95 % aller Larynxtumoren vorkommenden Plattenepithelkarzinomen erfordert eine erweiterte
Fernmetastasensuche und großzügige Resektionsgrenzen, gegebenenfalls eine radikale
Operation, weswegen eine prätherapeutische histopathologische Differenzierung so bedeutsam
ist. Da diese nur durch immunhistochemische Zusatzuntersuchungen möglich ist (Dieler
et al, Eur Arch Otorhinolaryngol 1995; 252: 229; Ferlito et al, J Laryngol Otol 1998;
112: 827), soll hier anhand von zwei Fällen aufgezeigt werden, inwiefern CT bzw. MRT
im Rahmen der Diagnostik wegweisend hilfreich sein können.
Fallbeschreibungen
1. Fall (51/w): Vor dem Hintergrund eines regelmäßigen Nikotingenusses bemerkte die
Patientin seit wenigen Wochen ein zervikales Druckgefühl auf Höhe des Kehlkopfes links
sowie eine Heiserkeit. Bei der direkten Laryngoskopie in Narkose fand sich links supraglottisch
eine palpatorisch derbe Schleimhautvorwölbung. Sowohl die CT als auch die MRT zeigten
eine ausschließlich submuköse, 1,5 cm große homogen KM-aufnehmende Raumforderung (Abb.
[1] a, b) zwischen Taschenfalte und infrahyoidaler Epiglottis links. Die im Rahmen der Stützendoskopie
gezielt durchgeführten transmukösen Biopsien ergaben nach immunhistochemischer Aufarbeitung
Anteile eines atypischen Karzinoids (Abb. [1] c). Metastasensuspekte zervikale Lymphknoten oder Fernmetastasen waren nicht nachweisbar,
so dass ein supraglottisches Larynxmalignom des Stadiums T2N0M0 diagnostiziert wurde. Therapeutisch erfolgte nach funktioneller Neck dissection links
und Tracheotomie eine vertikale Hemilaryngektomie links mit Verschluss des Larynxdefekts
durch einen Platysma-Faszien-Lappen. Nach Abschluss der primären Wundheilung wurde
eine perkutane Strahlentherapie des Larynx sowie des zervikalen bis supraklavikulären
Lymphabflussgebietes mit einer Gesamtdosis von 50 Gy angeschlossen. Der postoperative
seit einem halben Jahr andauernde Verlauf gestaltete sich bisher komplikationslos.
2. Fall (34/w): Nach mehrwöchigen Schluckbeschwerden fand sich bei der direkten Laryngoskopie
in Narkose eine Verdickung der linken aryepiglottischen Falte mit Übergang auf den
Epiglottisrand ohne oberflächliche Tumoranteile. In Zusammenschau mit diesem Befund
zeigte die CT eine ausschließlich submukös lokalisierte, 2 cm große KM-aufnehmende
präepiglottische Raumforderung mit Übergang auf die linke aryepiglottische Falte (Abb.
[2] a). Unter der initialen auswärtigen histopathologischen Diagnose eines primären Schmincke-Tumors
des supraglottischen Larynx wurde die Patientin zunächst auswärtig einer perkutanen
Strahlentherapie mit einer Gesamtdosis von 72 Gy zugeführt. Aufgrund einer Beschwerdepersistenz
erfolgte drei Monate nach Abschluss der Bestrahlung eine erneute Stützendoskopie in
Narkose. Neben postradiogenen Veränderungen fand sich eine Verdickung der linken aryepiglottischen
Falte bis zur laryngealen Epiglottisfläche (Abb. [2] b). Eine erneute CT zeigte den lokalen Befund unverändert, konnte aber nicht eindeutig
zwischen radiogenen Veränderungen und einem Tumorrest differenzieren. Gezielte transmuköse
Biopsien ergaben den immunhistochemischen Befund eines atypischen Karzinoids (Abb.
[2] c). Wegen zervikalen Lymphknotenbefalls beidseits wurde nach abgeschlossenem Staging
von einem klinischen Tumorstadium T2N2cM0 ausgegangen. Therapeutisch wurde eine transorale laserchirurgische supraglottische
Kehlkopfteilresektion, rechtsseitig eine elektive und linksseitig eine modifizierte
Neck dissection unter Mitentfernung der V.jugularis interna durchgeführt. Bei der
Patientin bildete sich 6 Monate später ein Lokalrezidiv aus, und sie verstarb zwei
Jahre später bei Vorliegen von multilokulären Fernmetastasen.
Diskussion
Atypische Karzinoide (AK) des oberen Aerodigestivtrakts stammen wahrscheinlich von
Zellvorstufen des seromukösen Drüsenapparates ab. Es ist vor allem das männliche Geschlecht
im Alter von 50 - 70 Jahren betroffen. Ein Nikotinabusus gilt als Risikofaktor. Abgesehen
davon, dass die zumeist im supraglottischen Larynx vorkommenden AK üblicherweise submukös
wachsen, entspricht ihre lokale Ausbreitungstendenz der von Plattenepithelkarzinomen.
Auch die Häufigkeit einer zervikalen Lymphknotenmetastasierung ähnelt mit 43 % der
von Plattenepithelkarzinomen. Ihre Aggressivität drückt sich vor allem durch die Tendenz
zur Fernmetastasierung in 45 % der Fälle aus. Hier spielen (sub-)kutane Metastasen
in 22 % der Fälle vor Lungen-, Leber- und Knochenmetastasen die größte Rolle. Die
5-Jahresüberlebensrate liegt bei 48 %, die 10-Jahresüberlebensrate bei 30 %. Die Symptome
Dysphagie, Globusgefühl, Heiserkeit oder äußerlich erkennbare Halsschwellung sind
unspezifisch. Aufgrund der submukösen Lage können AK sowohl indirekt als auch direkt
laryngoskopisch leichter übersehen werden als die typischerweise oberflächlich wachsenden
Plattenepithelkarzinome. Vor diesem Hintergrund kommt der schnittbildgebenden Diagnostik
eine große Bedeutung zu: 1. Abgesehen von der guten Beurteilbarkeit der Tiefenausdehnung
laryngopharyngealer Tumoren wird der CT bzw. der MRT in Ergänzung zur klinischen Untersuchung
ein hoher Nutzen bei der Detektion submuköser Tumoren zugewiesen (Keberle et al. Eur
Radiol 1999; 9: 1843). Hierzu sind eine Schichtkippung parallel zur Stimmlippenebene
(bzw. zum Zungenbein), eine Kollimation von maximal 3 mm, eine ausreichende Kontrastmittelanflutung
und (zusätzliche) Phonationsaufnahmen erforderlich, damit auch kleinere submuköse
Tumoren erkannt werden können. Die MRT sollte sowohl T1-gewichtet vor und nach KM-Gabe als auch als T2-gewichtete TSE-Sequenz durchgeführt werden. Nach KM-Gabe ist eine ergänzende Fettsättigungssequenz
sinnvoll. Zur Darstellung des submukösen Wachstums ist die anatomische Auflösung wichtiger
als die zeitliche, weswegen schnelle dynamische Gradientenechosequenzen keine Vorteile
bringen. Die Datenakquisition sollte in mindestens zwei Raumebenen erfolgen, die Schichtdicke
maximal 4 - 5 mm betragen und die Matrix hochauflösend (512er Matrix) sein. 2. Das
Ziel dieser Arbeit ist die ausschließlich submuköse Lokalisation der beiden hier veröffentlichten
Fälle mit AK als ein für den supraglottischen Larynx auffälliges Merkmal hervorzuheben.
Vor dem Hintergrund, dass typische Plattenepithelkarzinome immer oberflächliche Tumoranteile
haben, ist das Merkmal einer submukösen Tumorausbreitung bereits zuvor in der Literatur
als charakeristisch für das seltene lymphoepitheliale Karzinom, das adenoidzystische
Karzinom, Chondrosarkom, Plasmazellgranulom, für vasogene und lipomatöse Tumoren sowie
Tumoren des lymphoretikulären Systems beschrieben worden (Becker et al., RadioGraphics
1998; 18: 1189). Entsprechende durch CT bzw. MRT dokumentierte Fälle mit AK sind unseres
Wissens noch nicht veröffentlicht, obwohl bereits mehrere Publikationen dieses Merkmal
aus histopathologischer Sicht bestätigt haben. Der diagnostische Wert dieses Merkmals
wird allerdings dadurch limitiert, dass AK mit zunehmender Größe auch oberflächliche
Tumoranteile aufweisen können. Außerdem kann es mit schnittbildgebender Diagnostik
in manchen Fällen schwer sein, eindeutig zwischen submukösem und oberflächlichem Tumor
zu unterscheiden. Zur Differenzierung ist hier ergänzend die Auskunft durch den Endoskopiker
hilfreich, um zur Diagnose eines soliden submukösen Tumors zu gelangen. Dies wiederum
sollte den Radiologen dazu veranlassen, die zuvor genannten seltenen Tumoren differenzialdiagnostisch
in Erwägung zu ziehen, damit pathologischerseits zusätzlich zur histopathologischen
Routine spezielle immunhistochemische Tests durchgeführt werden. Diese gelten als
Methode der Wahl, indem neuroendokrine Differenzierungsmerkmale zusätzlich zu epithelialen
Charakterisierungen nachgewiesen werden (z. B. Dieler et al.). Die routinemäßig durchgeführte
lichtmikroskopisch-histologische Untersuchung alleine erlaubt oft keine eindeutige
Differenzierung zwischen wenig differenzierten oder undifferenzierten Plattenepithelkarzinomen,
lymphoepithelialen Karzinomen und neuroendokrinen Karzinomen. Vor dem Hintergrund
der hohen Aggressivität von AK im Vergleich zu Plattenepithelkarzinomen liegt es nahe,
dass der Radiologe bei einer ausschließlich submukösen Tumorlokalisation auf eine
für diese Region untypische Histologie eines supraglottischen Larynxtumors zum Beispiel
auf ein neuroendokrines Karzinom hinweist. 3. Submuköse Tumoren erfordern transmuköse
(„tiefe”) Biopsien, die im Rahmen einer direkten Stützendoskopie in Narkose durchgeführt
werden. Für eine erfolgreiche Biopsie besteht die Aufgabe schnittbildgebender Verfahren
nicht nur in der exakten Abgrenzung der submukösen Tumorausdehnung, sondern auch darin,
den Endoskopiker auf die vielversprechendste Biopsiestelle hinzuweisen. Hierzu können
koronare Rekonstruktionen aus dem CT-Datensatz hilfreich sein, um die Tumoren speziell
in der kraniokaudalen Ausdehnung besser abzugrenzen (Brüning et al, Radiologe 1999;
39: 939). So lässt sich die Genauigkeit tiefer Biopsien steigern und die Zeitdauer
bis zur endgültigen Diagnose reduzieren.
Die Diagnose eines AK hat zunächst die Konsequenz eines erweiterten Stagings, wobei
neben einer Somatostatinrezeptor-Szintigraphie ein Thorax- und Abdomen-CT diejenigen
Methoden darstellen, welche suffizient die häufigsten Metastasierungsorgane abdecken.
Therapeutisch besteht weitgehend Konsens darin, dass die Resektionsgrenzen großzügig
zu wählen sind und dass gegebenenfalls radikal operiert werden sollte. Wie Fall 2
zeigt, reagieren AK (sowie auch typische Karzinoide) nicht ausreichend auf Bestrahlung
und auch nicht auf Chemotherapie. Eine funktionelle oder radikale Neck dissection
sollte in allen Fällen durchgeführt werden. Fernmetastasen (v. a. schmerzhafte Hautfiliae)
sollten lokal exzidiert werden.
Anhand zweier Fälle wird gezeigt, wie schnittbildgebende Verfahren zur Detektion solider
submuköser Raumforderungen beitragen, den Verdacht auf das Vorliegen eines atypischen
Karzinoids lenken und dem Endoskopiker zu einer erfolgreichen tiefen Biopsie verhelfen
können.
M. Keberle, P. Ströbel, R. Dieler,
Würzburg
Abb. 1(a - c) Erster Fall. (a) Die CT zeigt einen links supraglottischen Tumor unter glatt begrenzter leicht vorgewölbter
Mukosa (Pfeilspitze). (b) In der T1-gewichteten MRT nach KM-Gabe lässt sich die Mukosa (Pfeilspitze) eindeutig vom submukös
gelegenen Tumor abgrenzen. (c) Solides, unter intaktem Oberflächenepithel wachsendes, mäßig differenziertes Karzinom
(atypisches Karzinoid) (*) mit leicht vergrößerten monomorphen Zellkernen (H.E. ×
125). Die Tumorzellen waren negativ für den plattenepithelialen Marker Zytokeratin
5/6 und kräftig positiv für den neuroendokrinen Marker Chromogranin (ohne Abbildung).
Abb. 2(a - c) Zweiter Fall. (a) Die CT zeigt einen präepiglottischen Tumor. Am Übergang zwischen laryngealer Epiglottisfläche
und linker aryepiglottischer Falte ist eine kleine tumorbedingte Vorwölbung erkennbar
(Pfeilspitze). (b) Abgesehen von radiogenen Veränderungen präsentiert sich stützendoskopisch eine derb
palpatorische Schleimhautvorwölbung (kleine Pfeilspitzen) am Übergang zwischen laryngealer
Epiglottis und aryepiglottischer Falte links (große Pfeilspitze). Erste von mehreren
transmukösen Biopsiestellen (*). (c) Mäßig differenziertes, unter intakter Schleimhaut wachsendes neuroendokrines Karzinom
(*) mit dichtem hyalinen desmoplastischen Stroma (immunhistochemische Chromogranin-Darstellung,
indirekte Peroxidase, × 125).