Gesundheitswesen 2001; 63(6): 392-397
DOI: 10.1055/s-2001-15746
© Karl Demeter Verlag im Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

HIV-Prävention bei jungen schwulen Männern

Eine medizinethische Herausforderung[*] HIV Prevention for Young Gay Men. A Medical ChallengeJ. Vollmann
  • 1Lehrstuhl für Sozialmedizin, Sozialpsychiatrie und Medizinethik an der Ev. Fachhochschule Berlin und Leiter der Arbeitsgruppe Ethik in der Medizin am Universitätsklinikum Benjamin Franklin der Freien Universität Berlin
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

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Zusammenfassung

Trotz großer Fortschritte bei der medizinischen Behandlung von Patienten mit AIDS bleibt die Primärprävention von HIV-Neuinfektionen eine zentrale Aufgabe der AIDS-Bekämpfung. In Deutschland ist, wie in anderen westlichen Ländern, die Zahl der Neuinfektionen in der Risikogruppe der homo- und bisexuellen Männer seit Mitte der 80er Jahre deutlich zurückgegangen. Doch neue empirische Untersuchungen, besonders aus den USA und Großbritannien, belegen einen Anstieg von ungeschütztem Geschlechtsverkehr und HIV-Neuinfektionen insbesondere bei jungen schwulen Männern. 1999 lag die Neuinfektionsrate dieser Risikogruppe in den USA bei 4 % pro Jahr. Bei dieser Infektionsrate würde die Hälfte der jetzt 18-jährigen schwulen Männer im Alter von 30 Jahren HIV-infiziert sein. Empirische Untersuchungen belegen, dass die Mehrzahl dieser Neuinfektionen nicht durch anonyme sexuelle Kontakte, sondern innerhalb fester Beziehungen und Freundschaften durch ungeschützten Analverkehr stattfindet. Die gegenwärtige Präventionsstrategie fokussiert dagegen auf körperliche Sexualität und Lust, ohne die für partnerschaftliche Sexualität entscheidenden Aspekte der Intimität und Verantwortung ausreichend zu berücksichtigen. Es wird argumentiert, dass in einer den gegenwärtigen HIV-Infektionswegen angemessenen Präventionsstrategie komplexere Präventionsbotschaften formuliert werden müssen, um das HIV-Infektionsrisiko in festen Beziehungen zu reduzieren. Hierbei müssen Aspekte von Intimität, Persönlichkeit und Ethik berücksichtigt werden, die bisher aus Angst vor einer diskriminierenden „Moralisierung” von Homosexualität keine ausreichende Beachtung in der Präventionsmedizin von AIDS fanden.

HIV Prevention for Young Gay Men. A Medical Challenge

Although considerable progress in the treatment of patients with AIDS has been achieved over the recent years, AIDS remains a non-curative disease. Therefore the prevention of new infections with HIV is an important goal for medicine and public health. However, during recent years the number of new HIV-infections in young gay men increased. New empirical data from the U.S. and the U.K. suggest that the traditional prevention methods fail to reach young gay men in Western countries who become HIV-infected by unsafe sex within intimate relationships. The paper discusses these problems from the perspective of medical ethics. New approaches to sex education and prevention of HIV and other sexually transmitted diseases are developed and the importance of personal values, responsibility, intimacy and emotions are emphasized.

1 *Der Aufsatz entstand während eines Forschungsaufenthaltes an der University of California, San Francisco (UCSF) School of Medicine 1999. Der Autor dankt Robert Hays, PhD, Susan Kegeles, PhD, Ron Stall, PhD und John Stansell, MD (UCSF-Center for AIDS Prevention Studies) für ihre Experteninterviews und der Volkswagen-Stiftung (Az. I/75 752) für die finanzielle Förderung der Gastprofessur.

Literatur

1 *Der Aufsatz entstand während eines Forschungsaufenthaltes an der University of California, San Francisco (UCSF) School of Medicine 1999. Der Autor dankt Robert Hays, PhD, Susan Kegeles, PhD, Ron Stall, PhD und John Stansell, MD (UCSF-Center for AIDS Prevention Studies) für ihre Experteninterviews und der Volkswagen-Stiftung (Az. I/75 752) für die finanzielle Förderung der Gastprofessur.

Prof. Dr. med. Dr. phil. Jochen Vollmann

Arbeitsgruppe Ethik in der Medizin
Institut für Geschichte der Medizin der FU Berlin

Klingsorstraße 119, 12203 Berlin

Email: vollmann@ukbf.fu-berlin.de