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DOI: 10.1055/s-2001-15728
Ahnung, Intuition und implizites Wissen als konstitutive Bestandteile pflegerischen Erkennens und Handelns[1]
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
31. Dezember 2001 (online)

Einleitung
Der Titel dieser Arbeit scheint auf den ersten Blick auf einen Widerspruch und auf ein Dilemma hinzudeuten. Es soll vom pflegerischen Erkennen und Handeln die Rede sein, Bereiche, mit denen sich die Pflege seit einiger Zeit vor allem in wissenschaftlicher Form auseinandersetzt, denken wir an die Diagnose- und Klassifikationssysteme der NANDA und an die ICNP [1]. Mit dem Einzug wissenschaftlicher Methoden und Denkweisen soll die pflegerische Praxis auf eine sichere Grundlage gestellt werden, wie uns die Ansätze des „Evidence Based Nursings” [2] verdeutlichen.
Welche Rolle sollen und können da Ahnung, Intuition und implizites Wissen noch in der Pflege spielen, und begeben wir uns damit nicht wieder zurück in ein Verständnis von Pflege, welches wir mit der Verwissenschaftlichung gerade zu überwinden trachten?
Fragen über Fragen, auf die ich einige Antworten zu geben versuche. Meine Grundthese sei allerdings schon hier vorangestellt:
Die Verwissenschaftlichung der Pflege führt zu Veränderungen der Wissensformen in der Pflege, die nicht nur einfach eine Verbesserung, Präzisierung und Überwindung nicht professionellen Wissens darstellen, sondern die Pflege wird dadurch anders und droht ihren Kern, das eigentlich „Pflegerische”, aus dem Auge zu verlieren.
Das ist eine starke und in Zeiten der Akademisierung von Pflege nicht unproblematische These. Sie bedarf daher näherer Erläuterungen, zunächst anhand einiger einführender und begriffsklärender Ausführungen. Anschließend soll das näher betrachtet werden, was allgemein als Expertenhandeln bezeichnet wird und den oder die erfahrene Praktiker/-in in einem bestimmten Arbeitsfeld auszeichnet. Das soll anhand einiger typischer Beispiele aus der Praxis verdeutlicht und untermauert werden. Die nachfolgenden Überlegungen versuchen die eingangs aufgestellte These zu untermauern. In einem abschließenden Teil werden (berufs-)pädagogische Konsequenzen angedacht und zur Diskussion gestellt.
1 Überarbeitete und erweiterte Fassung eines Vortrags auf dem Münchner Pflegekongress 2000: Professionelle Pflege in Europa im November 2000. Die Thematik ist Teil einer größeren Untersuchung des Autors zum „pflegerischen Handeln”. Wesentliche Impulse stammen aus einer Lehrveranstaltung zum gleichen Thema, die der Autor im Wintersemester 2000/2001 an der Universität Bremen gehalten hat.
Literatur
- 1 Kollak I. Pflegediagnosen: Was leisten sie - was leisten sie
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- 2 Hasseler M. Evidenz - Basierte - Praxis - Was ist das?. Pflege Aktuell. 1999; 7-8 416-419
- 3 Nieke W. Ahnung. Ritter J Historisches
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Buchgesellschaft 1971: 115-117
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- 4 Hogrebe W. Ahnung und Erkenntnis. Brouillon zu einer
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- 5 Aristoteles. Nikomachische
Ethik. Übersetzt, eingeleitet und kommentiert von Franz
Dirlmeier Frankfurt/M; Fischer 1957
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- 6 Gron A. Henri Bergson: Das unmittelbar Gegebene. Hügli
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Phänomenologie, Hermeneutik, Existenzphilosophie und Kritische Theorie.
Reinbek Rowohlt Taschenbuch
Verlag 1994: 414-430
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- 7 Schneider N. Intuitionismus: Henri Bergson. Schneider
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Verlag 1998: 42-50
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- 8 Eggenberger D. Grundlagen und Aspekte einer pädagogischen
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- 9 Springer S P, Deutsch G. Linkes - Rechtes Gehirn. Heidelberg,
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- 10 Führen mit Kopf und Herz. Kälin K,
Müri P Psychologie für Führungskräfte und
Mitarbeiter Thun; Ott
Verlag 1990
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- 11 Nonaka I, Takeuchi H. Die Organisation des Wissens. Frankfurt/M., New
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- 12 Benner P. Stufen zur Pflegekompetenz. From Novice to
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- 13 Bollnow O F. Philosophie der Erkenntnis. Das
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- 14 Claussen P C. Herz gewechselt und damit durchgegangen. Ein mentaler
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- 15 Polanyi M. Implizites
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- 16 Ryle G. Der Begriff des
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- 17 Benner P, Wrubel J. Pflege, Streß und Bewältigung: Gelebte Erfahrung
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- 18 Benner P, Tanner C A, Chesla C A. Pflegeexperten. Pflegekompetenz, klinisches Wissen und
alltägliche Ethik. Bern u. a.O; Hans
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- 19 Schön D. The Reflective Practitioner: How Professionals Think in
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- 20 Böhme G. Wissenschaftliches und lebensweltliches Wissen am Beispiel
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- 21 Koring B. Grundprobleme pädagogischer
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- 22 Uzarewicz C. Das Objekt der Begierde in der Intensivpflege/-medizin: Der
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- 25 Büssing A, Herbig B, Ewert T H. Intuition als implizites Wissen. Bereicherung oder Gefahr für die Krankenpflege?. Pflege. 2000; 13 291-296
- 26 Neuweg G H. Könnerschaft und implizites Wissen. Zur lehr-
lerntheoretischen Bedeutung der Erkenntnis- und Wissenstheorie Michael
Polanyis. Münster
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1 Überarbeitete und erweiterte Fassung eines Vortrags auf dem Münchner Pflegekongress 2000: Professionelle Pflege in Europa im November 2000. Die Thematik ist Teil einer größeren Untersuchung des Autors zum „pflegerischen Handeln”. Wesentliche Impulse stammen aus einer Lehrveranstaltung zum gleichen Thema, die der Autor im Wintersemester 2000/2001 an der Universität Bremen gehalten hat.
Heiner Friesacher
Pflegewissenschaftler und Dipl.-Berufspädagoge
Lehrbeauftragter an der Universität Bremen
Etelser Straße 21
27299 Langwedel