Die obere Einflussstauung ist eine relativ häufige Komplikation von Bronchialkarzinomen
oder Lymphomen durch Infiltration und/oder Kompression der Vena cava superior (VCS)
und stellt nicht selten die initiale Manifestation dieser Erkrankungen dar. Neben
mediastinalen Metastasen anderer maligner Tumoren können in seltenen Fällen aber auch
benigne Prozesse wie eine ausgeprägte reaktive Lymphadenopathie z. B. bei Mukoviszidose
(Chow BJ et al., Chest 1997; 112(5): 1438) oder eine Thrombose der VCS nach lang einliegendem
zentralvenösen Katheter die Ursache der Einflussstauung sein.
Fallbeschreibung
Wir berichten über einen 67-jährigen Patienten, der aus einem auswärtigen Krankenhaus
zur thorakalen Computertomographie vorgestellt wurde. Der Patient beschrieb, dass
es nach einem ca. 5 Wochen zurückliegenden Auffahrunfall zu einer persitierenden Hämatombildung
im Bereich der Gurtmarke der ventralen Thoraxwand und zur rezidivierenden Schwellung
der Halsvenen, beider Arme und Augenlider gekommen sei.
Die klinische Untersuchung zeigte einen adipösen Patienten in reduziertem Allgemeinzustand
mit oberer Einflussstauung mit collarer und thorakaler Venenerweiterung und Lippenzyanose.
Die zuvor auswärtig durchgeführte Röntgenthoraxuntersuchung in zwei Ebenen zeigte
einen altersensprechenden Normalbefund.
Daher erfolgte die Durchführung einer primär kontrastmittelangehobenen Spiralcomputertomographie
des Thorax mit einer rekonstruierten Schichtdicke von 5 mm. Die Untersuchung zeigte
eine kontrastmittelaufnehmende mediastinale Raumforderung (Abb. [1]
[2]
[3]), die die VCS hochgradig komprimierte oder in sie einwuchs und sich bei einer maximalen
Ausdehnung von 4 cm im Axialschnitt über eine kraniokaudale Ausdehnung von 7 cm nach
kaudal bis kurz oberhalb des rechten Vorhofes erstreckte. Der untere Anteil der VCS
war vollständig verschlossen, ein perfundiertes Lumen nicht mehr nachweisbar. Zusätzlich
zeigte sich in der frühen Kontrastmittelphase eine deutliche Venenerweiterung/-kontrastierung
im Bereich der Umgehungskreisläufe der ventralen und dorsalen Thoraxwand. Außerdem
waren wenige nicht suspekte mediastinale Lymphknoten paratracheal und im aortopulmonalen
Fenster nachweisbar.
Nach der sofortigen stationären Aufnahme des Patienten erfolgte eine weitere Tumor-
und Metastasensuche mittels einer Abdomen- und zerebralen Computertomographie, einer
Magnetresonanztomographie der Wirbelsäule und einer Skelettszintigraphie. Bei allen
Untersuchungen ergaben sich keine weiteren Hinweise auf das Vorliegen einer Tumorerkrankung.
Daher wurde unter der Verdachtsdiagnose eines Sarkoms der VCS eine operative chirurgische
Exploration in der Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie durchgeführt.
Intraoperativ wurde zunächst ein Teil der mitbetroffenen V. azygos reseziert und der
darin einliegende braune, prall elastische Tumor zur Schnellschnittdiagnostik eingesandt.
Das Ergebnis der Unter-suchung zeigte einen hochmalignen, großzelligen Tumor, der
anhand des Schnellschnitts aber nicht näher differenzierbar war. Wegen der allerdings
sicheren Malignität erfolgten eine totale Resektion der VCS und ihr Ersatz durch einen
Gore-Tex-Graft.
Das Operationspräparat der Vena cava superior zeigte einen innenliegenden und z. T.
in die Gefäßwand integrierten braun-schwarzen Tumor, der nach kaudal einen Tumorzapfen
bis an den Übergang zum rechten Vorhof gebildet hatte.
Der Patient konnte 12 Tage postoperativ aus der stationären Behandlung entlassen werden.
Diskussion
Die radiologische Klassifizierung einer mediastinalen Raumforderung ist eine Herausforderung
in der Thoraxdiagnostik. Während die Thoraxübersichtsaufnahme in zwei Ebenen oft nur
begrenzte oder keine diagnostischen Aufschlüsse gibt, können durch die Schnittbildverfahren
CT und MR oft spezifische Diagnosen oder zumindest eine begrenzte Anzahl von Differenzialdiagnosen
gestellt werden, insbesondere wenn zusätzlich das Alter des Patienten und die klinische
Symptomatik berücksichtigt werden.
Insgesamt ist ca. ein Drittel aller Mediastinaltumoren bösartig (Laurent F et al.,
Euro Radiol 1998; 8: 1148). Berücksichtigt man ausschließlich symptomatische Patienten,
steigt der Anteil auf 57 % (Davis RD et al., Ann Thorac Surg 1987; 44: 229). Insbesondere
das Vorliegen einer Infiltration von Nachbarstrukturen oder deren Obstruktion sind
verdächtig auf Malignität. Die Differenzialdiagnose einer Raumforderung im mittleren
Mediastinum beinhaltet neben Lymphomen, die die häufigsten primären Tumoren des mittleren
Mediastinums darstellen, auch seltenere Entitäten wie mediastinale Zysten (z. B. bronchogene
Zysten) und die noch selteneren perikardialen Zysten. Bei den sekundären Tumoren kann
zwischen Metastasen von Neoplasien intra- und extrathorakalen Ursprungs unterschieden
werden. Unter den intrathorakalen Neoplasien ist als häufigster Tumor das Bronchialkarzinom
zu nennen. Aber auch andere bösartige Neubildungen der Lunge (z. B. Bronchuskarzinoide),
der Pleura, des Ösophagus oder der mediastinalen Gefäße können mediastinal absiedeln.
Im vorliegenden Fall schieden wegen der Dichtewerte und Kontrastmittelaufnahme Zysten
aus der Differenzialdiagnose aus. Lymphome sind zwar die häufigsten mediastinalen
Tumoren, manifestieren sich aber in der Regel als generalisierte Erkrankung und weniger
als primär solitäre mediastinale Läsion (Strob, DC et al., Chest 1997; 112: 1344).
So verblieben als Differenzialdiagnosen eine mediastinale, in die VCS eingewachsene
Metastase oder ein primär von der Gefäßwand ausgehender Tumor (z. B. ein Angiosarkom).
Da anamnestisch kein Primärtumor bekannt war und auch bei der präoperativen Diagnostik
keine weitere Raumforderung gefunden werden konnte, wurde ein Gefäßwandtumor als erste
Differenzialdiagnose favorisiert. Die endgültige pathologische Aufarbeitung ergab
die Diagnose einer großen intra- und paracaval gelegenen Metastase eines malignen
Melanoms. Die daraufhin eingeleitete dermatologische und augenärztliche Suche nach
einem Primärtumor blieb erfolglos.
In seltenen Fällen treten maligne Melanome durch Lymphknoten-, Organ- oder Hautmetastasierungen
in Erscheinung, ohne dass ein Primärtumor zu finden ist. Nach Angaben in der Literatur
wird das Vorliegen solcher Melanome unbekannter Primärlokalisation auf bis zu 6% aller
Melanome geschätzt (Anban K et al., Cancer 1997; 79 (9): 1816). Bei der Suche nach
einem Primärtumor sollte man bedenken, dass auch ungewöhnliche Lokalisationen wie
der Gastrointestinaltrakt (z. B. der Ösophagus oder Dünndarm) Ursprungsort eines Primarus
sein können. Primäre ösophageale Melanome sind allerdings mit ca. 200 berichteten
Fällen in der Literatur äußerst selten und machen nur ca. 0,3 % aller Ösophagustumoren
aus (Schuchter LM et al., Curr Opin Oncol 2000; 12 (2): 181). Obwohl falsch positive
Ergebnisse nicht ungewöhnlich sind, kann zusätzlich zur CT und MRT die FDG-Positronen
Emissionstomographie zur Ausbreitungsdiagnostik herangezogen werden, da der Nachweis
eines Primärtumors Einfluss auf die Prognose des Patienten hat.
Die mittlere Überlebenszeit von Patienten mit bereits metastasierten Melanomen beträgt
zwischen 4 und 6 Monaten (Schuchter LM et al., Curr Opin Oncol 2000; 12 (2): 181).
In einer Vergleichsstudie zeigte sich allerdings, dass Patienten mit Melanomen unbekannter
Primärlokalisation und Lymphknotenmetastasen signifikant länger überleben als Patienten
mit Lymphknotenmetastasen und bekanntem kutanen Primärtumor (Anban K et al., Cancer
1997; 79 (9): 1816). Die Entdeckung eines Primärtumors ist also als prognostisch ungünstiges
Zeichen zu werten.
H. Schubert, Aachen
Abb. 1Kranialer Tumoranteil (innerhalb der Vena cava superior).
Abb. 2Kaudaler Tumoranteil (innerhalb und außerhalb der Vena cava superior). Es ist kein
perfundiertes Cavalumen mehr nachweisbar.
Abb. 3Die parakoronare Schichtrekonstruktion in Richtung der Vena cava superior zeigt die
gesamte kranio-kaudale Tumorausdehnung.