Rehabilitation (Stuttg) 2001; 40(2): 97-110
DOI: 10.1055/s-2001-12486
EMPFEHLUNGEN
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Empfehlungen zur Beurteilung beruflicher Möglichkeiten
von Personen mit Epilepsie -
Überarbeitung 1999

Recommendations on Evaluation of Occupational Options for Persons Having Epilepsy - Revised 1999S. Bülau, Arbeitskreis zur Verbesserung der Eingliederungschancen von Personen mit Epilepsie[1]
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Vorbemerkungen

Mit dem Ziel, die Eingliederungschancen von Personen mit Epilepsie zu verbessern, hatte ab 1984 der Arbeitskreis Empfehlungen erarbeitet, die es Ärzten, Beratern und anderen Fachkräften erleichtern sollten, Personen mit Epilepsie Hinweise zu ihrer beruflichen Eingliederung zu geben [1]. Ähnliche Bestrebungen gab es etwa zur gleichen Zeit in der damaligen DDR-Sektion der Internationalen Liga gegen Epilepsie [7] [13]. Die in den Empfehlungen aufgezeigten Beurteilungskriterien und Hinweise zur Therapiekontrolle sowie zwei Übersichten, die die unterschiedlichen Auswirkungen einer Epilepsie berücksichtigten und in Beziehung zu konkreten Berufen brachten, gaben Anhaltspunkte für die individuell zu treffenden Entscheidungen. Zudem sollten die Empfehlungen dazu beitragen, für Personen mit Epilepsie mit weniger schwerwiegenden Behinderungsauswirkungen Berufe zu erschließen, die bisher diesem Personenkreis nicht oder eingeschränkt offen standen.

1994 hat der Arbeitskreis eine erste Überarbeitung [2] vorgenommen unter den folgenden Zielsetzungen:

Vereinfachung der Skala mit arbeitsmedizinischen Schweregraden von Epilepsie, um sie in der Praxis besser handhabbar zu machen Einbeziehung der Neuerungen in der Epilepsiediagnostik und -therapie seit 1984, insbesondere verbesserte Verfahren zur Beobachtung und zur Klassifikation von Anfällen Berücksichtigung der Neuerungen der 4. Auflage der Begutachtungsleitlinien Krankheit und Kraftverkehr von 1992 5, in denen festgestellt wird: „Einfach partielle (fokale) Anfälle, die keine Bewusstseinsstörung und keine motorische, sensorische oder kognitive Behinderung für das Führen des Fahrzeuges zur Folge haben, schließen die Kraftfahreignung im allgemeinen nicht aus” Berücksichtigung der 1987 veränderten Ausbildungsordnungen für elektrotechnische und Berufe der Metalltechnik in der Bundesrepublik sowie der aus der ehemaligen DDR übernommenen Berufsbilder bei den Empfehlungen für die berufliche Eignung

Der Arbeitskreis legt nun erneut eine Überarbeitung der Empfehlungen vor mit den folgenden Zielsetzungen:

Berücksichtigung der Neuerungen in der 5. Auflage der Begutachtungsleitlinien „Krankheit und Kraftverkehr” von 1996 6: In den Begutachtungsleitlinien wird Fahrtauglichkeit für Gruppe 12, auch wenn Anfallsfreiheit nicht besteht, angenommen „bei ausschließlich an den Schlaf gebundenen Anfällen nach mindestens dreijähriger Beobachtungszeit”. Für Gruppe 23 werden strengere Maßstäbe angelegt. Als „Voraussetzung gilt eine durch ärztliche Kontrolle nachgewiesene fünfjährige Anfallsfreiheit ohne antiepileptische Behandlung”, d. h. Gefährdung anderer Personen infolge epileptischer Anfälle ist strenger zu bewerten als die Eigengefährdung Anwendung der Hinweise auch für die Beurteilung von Berufen des Gesundheitswesens und auf sozialpflegerische und sozialpädagogische Berufe

Ziel der Empfehlungen ist es, Hinweise zur Beantwortung der Frage zu geben, welche der verschiedenen zu einem Beruf gehörigen Tätigkeiten ein Anfallskranker, vorausgesetzt, der Krankheitsverlauf bleibt stabil, ohne Selbstgefährdung oder Gefährdung anderer ausführen kann. Auf diese Frage beziehen sich auch die Gefährdungsbeurteilungen mit den Kategorien „grundsätzlich keine Bedenken”, „möglich in der Mehrzahl der Arbeitsplätze”, „möglich in besonderen Fällen”. Diese Beurteilungen geben Ärzten, Psychologen, Berufsberatern und anderen Beteiligten Anhaltspunkte bei Berufswahlfragen und sonstigen Fragen einer beruflichen Tätigkeit.

Soweit es um die arbeitsmedizinische Beurteilung eines Anfallskranken in Bezug auf einen konkreten Arbeitsplatz geht, kann nicht allein nach diesen Empfehlungen verfahren werden. In diesem Fall sollte zunächst die Schwere der Epilepsie entsprechend den in diesen Empfehlungen gegebenen Hinweisen zur Beurteilung des Schweregrades einer Epilepsie ermittelt werden (siehe Tab. [1]) und dann in Kenntnis des in Aussicht genommenen Arbeitsplatzes geprüft werden, ob und ggf. welche gesundheitlichen Bedenken bestehen. Zur sachgerechten Beurteilung kommen in Betracht: der Werks- und Betriebsarzt, die Aufsichtsperson des Unfallversicherungsträgers, die Sicherheitsfachkraft und der Sicherheitsbeauftragte.

Literatur

  • 1 Arbeitskreis zur Verbesserung der Eingliederungschancen von Personen mit Epilepsie . Empfehlungen zur Beurteilung beruflicher Möglichkeiten von Personen mit Epilepsie.  Rehabilitation. 1984;  23 76-80
  • 2 Arbeitskreis zur Verbesserung der Eingliederungschancen von Personen mit Epilepsie . Empfehlungen zur Beurteilung beruflicher Möglichkeiten von Personen mit Epilepsie. Überarbeitung 1994.  Rehabilitation. 1994;  33 171-178
  • 3 Beghi E, Cornaggia C. for the Risk in Epilepsy Study Group . Epilepsy and everyday life risks.  Neuroepidemiology. 1997;  16 207-216
  • 4 Epilepsie-Kuratorium (Hrsg) .Epilepsie-Bericht '98. Berlin: Verlag einfälle 1998
  • 5 Gemeinsamer Beirat für Verkehrsmedizin beim Bundesminister für Verkehr und beim Bundesminister für Gesundheit .Lewerenz H, Friedel B (Bearb.) Gutachten „Krankheit und Kraftverkehr”. November 1992, 4. Aufl. Schriftenreihe des BM für Verkehr, Heft 71. Bonn: BMV 1992
  • 6 Gemeinsamer Beirat für Verkehrsmedizin beim Bundesminister für Verkehr und beim Bundesminister für Gesundheit. .Lewerenz H, Friedel B (Bearb.) Begutachtungsleitlinien „Krankheit und Kraftverkehr”. 5. Aufl. Schriftenreihe des BM für Verkehr, Heft 73. Bonn: BMV 1996
  • 7 König K, Rabending G. Zu einigen Aspekten der Tauglichkeit bei Epilepsie.  Z ärztl Fortbild. 1988;  82 1023-1027
  • 8 Kurtenbach H, Golombek G, Siebers H. Krankenpflegegesetz. 5. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer 1998
  • 9 Stiftung Michael (Hrsg) .Verzeichnis der Anfallsambulanzen. Zu beziehen über die Stiftung Michael oder das Informationszentrum Epilepsie. Hamburg 1998
  • 10 The Employment Commission of the International Bureau for Epilepsy . Employing people with epilepsy: Principles for good practice.  Epilepsia. 1989;  30 ((4)) 411-412
  • 11 Thorbecke R. Die Bedeutung von Anfallsart und Anfallsform für die Rehabilitation. In: Wolf P (Hrsg) Epilepsie 88. Reinbek: Einhorn 1989
  • 12 Wolf P, Wagner G, Amelung F. (Hrsg.) .Anfallskrankheiten - Nomenklatur und Klassifikation der Epilepsien, der epileptischen Anfälle und anderer Anfallssyndrome. Heidelberg: Springer 1987
  • 13 Zentralinstitut für Berufsbildung der DDR (Hrsg), Haink R. (Koordinator des Autorenkollektivs) .Hinweise zur Berufswahl für Schüler mit epileptischen Anfallsleiden. 2. Aufl. Berlin: Staatsverlag der DDR 1989

1 Mitglieder des Arbeitskreises 1999: Prof. Dr. med. P. Bülau, Westerwaldklinik Waldbreitbach; Dipl.-Psych. V. Brattig, Berufsbildungswerk Annastift e. V., Hannover; H. Elsner, Ärztin, Berufsbildungswerk Bethel, Bielefeld; Dipl.-Ing. H. Gothsch, Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik, Köln; Dr. med. G. Harai, Bundesanstalt für Arbeit, Landesarbeitsamt Niedersachsen-Bremen, Hannover; Dr. jur. V. Kaiser, Holz-Berufsgenossenschaft, Bezirksverwaltung, Stuttgart; Dr. med. H. Kleinsorge, BASF AG, Ludwigshafen; Dr. med. habil. K. König, Medizinischer Dienst der Krankenkassen, Essen; Th. Kreutz, Krankenpflegeschule Bethel, Bielefeld; Dr. med. U. Pällmann, Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften e. V., Berufsgenossenschaftliche Zentrale für Sicherheit und Gesundheit - BGZ, St. Augustin; Dr. med. Th. Remé, Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Hamburg; Dipl.-Päd. J. Schubert, Berufsförderungswerk Heidelberg GmbH, Heidelberg; Dr. med. K.-P. Schumann, Zentrallaboratorium, Klinik Gilead I, Bielefeld; R. Thorbecke, M. A., Klinik Mara I, Bielefeld; Dr. med. L. Tynova, Stiftung Rehabilitation, Heidelberg; K. Wenchel, Süddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft, Mainz; Dr. med. U. Wendt, Landesklinik Brandenburg.

2 Diese umfasst die Führerscheinklassen A, B, B + E und die Unterklassen A1 und B1.

3 Diese umfasst die Führerscheinklassen C, C + E, D, D + E und die Unterklassen C1, C1 + E, D1 und D1 + E).

4 Diese Bewertungen basieren auf einer Stellungnahme des Vorstandes der Deutschen Sektion der Internationalen Liga gegen Epilepsie zu diesen Empfehlungen.

Arbeitskreis zur Verbesserung der Eingliederungschancen von Personen mit Epilepsie

c/o Professor Dr. med. P. Bülau

Ärztl. Direktor der Westerwaldklinik Waldbreitbach
Schwerpunktklinik Neurologie und Psychosomatik

Postfach 12 40

56588 Waldbreitbach

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