intensiv 2001; 9(2): 83-87
DOI: 10.1055/s-2001-11733
Ethik
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Intensivmedizin als Herausforderung für Recht und Ethik

Wolfgang Kröll, Susanne Elisabeth Gaßmayr
  • Univ.-Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Karl-Franzens-Universität, Graz
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Publication Date:
31 December 2001 (online)

Einleitung

Aufgabe der Intensivmedizin ist die Behandlung, Überwachung und Pflege von Patienten, deren vitale Funktionen wie Atmung, Kreislauf, Bewusstsein oder das metabolische Gleichgewicht durch Trauma, Erkrankungen oder Vergiftungen gestört sind [1]. Ziel aller im Rahmen einer Intensivbehandlung durchgeführten Maßnahmen ist vordergründig die Kausaltherapie der auslösenden Funktionsstörung(en) oder aber der Versuch, das (die) gestörte(n) oder ausgefallene(n) Organsystem(e) durch medikamentöse und/oder technische Hilfsmittel zu überbrücken, um dadurch ausreichend Zeit für die Behandlung des Grundleidens zu gewinnen [2].

Grundsätzlich wird die Sinnhaftigkeit und Zweckbestimmtheit intensivtherapeutischer Behandlungsmaßnahmen von niemandem infrage gestellt. Die profunden Kenntnisse der Intensivmediziner, gepaart mit hohem technischen Standard sowie die Verfügbarkeit hochwirksamer Pharmaka führen die Intensivmedizin jedoch nicht nur an die Grenzen des Machbaren, sondern erlauben es, diese Grenzen mitunter in fragwürdiger Weise zu überschreiten. In den Augen der Kritiker lässt gerade der Wunsch der Ärzte, natürlich vorgegebene Grenzen menschlicher Existenz um jeden Preis verlängern zu wollen, Intensivmedizin manchmal als inhuman erscheinen. Die „Verführung des Machbaren lässt Intensivstationen oft zu einer kalten Hölle der Effizienz werden” [3].

Eine Intensivbehandlung kann dann inhuman werden, wenn Ärzte den Beginn des Sterbeprozesses nicht mehr akzeptieren; sie ist dann inhuman, wenn der Kampf gegen den Tod vorrangiges Ziel sämtlicher therapeutischer Bemühungen ist. Lebensverlängerung darf nicht um jeden Preis erkauft werden, besonders dann nicht, wenn das Sterben bereits begonnen hat. Der Einsatz ideeller und materieller Ressourcen verhindert dann ein menschenwürdiges Sterben und stellt dann meist bloß das technische Können ehrgeiziger Therapeuten unter Beweis [4].

Hingegen erweist sich Intensivbehandlung dann als human, wenn sie dem Gesamtwohl des Patienten dient. So sollte die Behandlung in erster Linie dem Patienten, aber auch dem Arzt, dem betreuenden Pflegepersonal und schließlich auch den Angehörigen zumutbar sein. Für den Patienten ist eine Intensivbehandlung jedenfalls dann unzumutbar, wenn das Selbstbestimmungsrecht des Patienten und die Personenwürde vollkommen unberücksichtigt bleiben [1].

Nicht alles Machbare ist auch tatsächlich sinnvoll; hingegen ist alles Sinnvolle zum Wohle des Patienten erlaubt. Salus et voluntas aegroti gelten als oberste Prinzipien ärztlichen Handelns. Sämtliche getroffenen Maßnahmen sollten dabei auch das Patientenwohl, insbesonders die postinterventionelle Lebensqualität, berücksichtigen.

Im Folgenden werden Kasuistiken aus dem klinischen Alltag dargestellt, die die Probleme in den Entscheidungsprozessen chirurgischer und intensivmedizinischer Behandlungsstrategien aufzeigen.

Literatur

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  • 12 Streissler E W. Was darf Gesundheit kosten?.  Gesundheitsoeconomia. 1996;  210
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  • 22 Statistisches Jahrbuch für die Republik Österreich 1997, Österreichisches Statistisches Zentralamt, 2. 
  • 23 Mazal W. Das Wirtschaftlichkeitsgebot in der Sozialen Krankenversicherung. Kopetzki C, Zahrl J Behandlungsanspruch und Wirtschaftlichkeitsgebot Manz 1998 28
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Dr. Univ.-Prof. Wolfgang Kröll

Univ.-Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin

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8036 Graz

Österreich

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