Einleitung
Einleitung
Die lokale Behandlung der Psoriasis vulgaris mit Dithranol ist im klinisch-stationären
Bereich ein seit Jahrzehnten bewährtes Therapieverfahren. Dabei wird die Anwendung
von Dithranol üblicherweise durch weitere lokale Therapiemaßnahmen ergänzt. Trotzdem
muss bei einer Dithranol-Therapie erfahrungsgemäß mit einer stationären Verweildauer
von 4 - 6 Wochen gerechnet werden. Vor dem Hintergrund des häufig chronischen Verlaufes
der Psoriasis vulgaris und der damit im Einzelfall verbundenen Notwendigkeit stationärer
Behandlungen wurde in der nachfolgenden Untersuchung der Frage nachgegangen, ob unter
den Routinebedingungen der stationären Versorgung die therapeutische Effektivität
einer Dithranol-Behandlung durch eine zusätzliche Anwendung von Calcipotriol verbessert
werden kann.
Patienten und Methode
Patienten und Methode
In die offene klinische Anwendungsbeobachtung wurden 10 Patienten mit ausgeprägter
chronisch-stationärer Psoriasis vulgaris aufgenommen. Die Gruppe bestand insgesamt
aus 7 Männern und 3 Frauen mit einem Durchschnittsalter von 42 ± 15 Jahren. Mit Ausnahme
der Anwendung von Pflegesalben hatte keiner der Patienten in den letzten 4 Wochen
vor stationärer Aufnahme eine lokale oder systemische Therapie erhalten. Die Behandlung
innerhalb der Anwendungsbeobachtung erfolgte in Form eines Halbseitenversuches an
einzelnen, lokalisatorisch und an Größe korrespondierenden Psoriasis-Herden an den
Streckseiten der oberen Extremitäten. Dabei wurden die folgenden Theapieschemata miteinander
verglichen: Schema A (linker Arm) Calcipotriol, Dithranol-Stufentherapie, UVB-Bestrahlung
versus Schema B (rechter Arm) Dithranol-Stufentherapie, UVB-Bestrahlung. Die verwendete
Calcipotriol-Salbe (0,005 % Calcipotriol in einer Ö/W-Emulsion) wurde zweimal täglich
aufgetragen. Die Behandlung mit Dithranol erfolgte als klassische Stufentherapie einmal
täglich. Die Konzentration des Dithranols wurde dabei alle 3 Tage wie folgt gesteigert:
0,05 %, 0,1 %, 0,25 %, 0,5 %, 0,75 %, 1,0 % und 1,5 %. Die maximale Dosis von 1,5
% wurde ab dem 19. Behandlungstag beibehalten. Die Lichtbehandlung wurde ebenfalls
einmal täglich in Form einer UVB-Ganzkörperbestrahlung durchgeführt (Waldmann UV 7001
K, Emissionsspektrum 310 - 315 nm). Die Initialdosis von 0,01 Joule/cm2 wurde routinemäßig alle zwei Tage gesteigert bis zum Maximalwert von 0,06 Joule/cm2. Zur Pflege der Haut erhielten die Patienten ausschließlich Ungt. molle. Alle übrigen
Psoriasis-Herde der Patienten, die nicht für die Beurteilung der Untersuchung herangezogen
wurden, sind mit dem Schema B behandelt worden. Die Beurteilung der klinischen Befunde
der Testareale an den oberen Extremitäten erfolgte unter Verwendung eines modifizierten
PASI-Summenscores (M-PASI). Dabei wurden die Einzelsymptome Infiltration, Erythem
und Schuppung jeweils mit Hilfe einer 5-Punkte-Skala beurteilt (0 = nicht vorhanden,
1 = leicht, 2 = mäßig, 3 = schwer, 4 = sehr schwer). Darüber hinaus wurden im gleichen
zeitlichen Abstand die Flächen der Testareale in cm2 ausgemessen und einer normierten Fläche mit einem Score von 0 - 6 zugeordnet (normierter
Flächenscore). Der Ausgangswert vor Einleitung der Therapie wurde als jeweils größte
Fläche eines Einzelherdes dem Score 6 zugeordnet. Anschließend wurde die Reduktion
der Fläche unter Therapie gemessen und der ermittelte Wert innerhalb des normierten
Flächenscores neu eingeordnet.
Aus den Scores der Einzelsymptome und der normierten Fläche konnte der M-PASI errechnet
werden: (Score Infiltration + Score Erythem + Score Schuppung) × normierter Flächenscore
= 0 - 72. Als Kriterium für die Wirksamkeit der Therapieschemata wurde der M-PASI
als errechnete, zusammenfassende Größe unter zwei Gesichtspunkten getestet:
-
Vergleich der Differenzen zwischen linkem und rechtem Arm zu den einzelnen Untersuchungszeitpunkten
(t-Test für verbundene Stichproben) und
-
Vergleich der intraindividuellen Veränderungen zum Ausgangswert getrennt am linken
und rechten Arm (Wilcoxon-Test).
Als Signifikanzschwelle wurde das 5 %-Niveau definiert. Die erhaltenen p-Werte konnten
im statistischen Sinne jedoch nicht als bestätigend interpretiert werden.
Ergebnisse
Ergebnisse
Beide Therapieschemata (Abb. [1]) führten schon nach einer Woche zu einer signifikanten Verbesserung des klinischen
Befundes, gemessen am M-PASI (p < 0,05). Auch der weitere Verlauf ergab eine kontinuierliche,
von Woche zu Woche signifikant zunehmende Rückbildung des dermatologischen Befundes
durch beide Therapieformen (p < 0,05). Betrachtet man die Ergebnisse des M-PASI als
zusammenfassenden Wirksamkeitsparameter und vergleicht den Heilungserfolg an beiden
Armen, so zeigt sich - bei zu Beginn vergleichbaren Ausgangsbefunden (M-PASI jeweils
63,0) - der auffallendste Unterschied zwischen den beiden Therapieschemata innerhalb
der ersten Behandlungswoche, in der eine Score-Differenz von 11,4 zugunsten des Schemas
A festgestellt werden konnte (Tab. [1]). In der zweiten Woche schwächte sich der Effekt der beschleunigten Rückbildung
ab (Score-Differenz zweite Behandlungswoche 2,2), der Therapieerfolg war jedoch weiterhin
unter der Behandlung mit dem Schema A signifikant besser (p < 0,05). Ab der dritten
Behandlungswoche verlief die Abheilung unter beiden Therapieregimen weitgehend parallel
(Score-Differenz dritte Behandlungswoche 0,7), wobei auch in dieser Woche das Schema
A zu einer signifikant besseren Rückbildung des Befundes führte als das Schema B (p
< 0,05). In der vierten Behandlungswoche kam es zu einer Umkehr der Verhältnisse mit
einer Score-Differenz von 5,6 zugunsten des Schemas B.
Am Ende der vierten Behandlungswoche war mit dem Schema A bereits eine weitgehende
Abheilung der Läsionen erreicht (M-PASI 3,6), während beim Schema B noch ein deutlicherer
Residualzustand mit einem M-PASI von 12,3 beobachtet wurde. Der Therapieerfolg des
Schemas A blieb auch am Ende der vierwöchigen Behandlungszeit signifikant besser als
das Ergebnis des Schemas B (p < 0,05 %).
Die erhobenen Befunde weisen bei der vorliegenden Patientenzahl von n = 10 im explorativen
Sinn auf eine signifikant bessere Wirksamkeit des Therapieschemas A im Vergleich zum
Therapieschema B hin (Auswertung der Befunde durch das Institut für Medizinische Statistik,
Hahnstraße 30 - 32, 60528 Frankfurt am Main).
Abb. 1M-PASI Mittelwert ± 1 STD im Zeitverlauf.
Tab. 1Vergleich Score-Differenzen M-PASI Mittelwerte
|
Schema A |
Schema B |
Differenz |
| 1. Woche |
63,0 - 32,4 = 30,6 |
63,0 - 43,8 = 19,2 |
11,4 |
| 2. Woche |
32,4 - 17,6 = 14,8 |
43,8 - 31,2 = 12,6 |
2,2 |
| 3. Woche |
17,6 - 6,1 = 11,5 |
31,2 - 20,4 = 10,8 |
0,7 |
| 4. Woche |
6,1 - 3,6 = 2,5 |
20,4 - 12,3 = 8,1 |
5,6 |
Diskussion
Diskussion
Der Wunsch der Patienten nach einer möglichst kurzfristigen und trotzdem effektiven
stationären Behandlung steht in Übereinstimmung mit betriebswirtschaftlichen Vorgaben
der Krankenhausträger, mit denen sich auch die dermatologischen Kliniken auseinandersetzen
müssen. Die Situation der Hautkliniken ist dabei gekennzeichnet durch eine teilweise
drastische Reduktion der Betten bei gleichzeitiger Zunahme der Zahl stationär zu versorgender
Patienten. Diese sich direkt widersprechenden Entwicklungen führten zu einer Reihe
organisatorischer Probleme, die neben der Einrichtung teilstationärer Versorgungsstrukturen
nur durch eine deutliche Abnahme der Verweildauer der Patienten gelöst werden konnten.
Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung neuer Therapieverfahren von entscheidender
Bedeutung, wobei sich unter anderem auch die Kombination bewährter Substanzen mit
neuen Wirkstoffen anbietet. Dies gilt in besonderer Weise für die chronisch-entzündlichen
Dermatosen, so auch für die Psoriasis vulgaris, da hier noch am ehesten eine weitere
Einsparmöglichkeit bei der Verweildauer angenommen werden kann. Von diesen Überlegungen
ausgehend, wurde in der vorliegenden Untersuchung der Frage nachgegangen, ob sich
unter klinischen Routinebedingungen die therapeutische Effektivität einer herkömmlichen
Dithranol-Therapie durch die zusätzliche Anwendung von Calcipotriol steigern lässt.
Die Wirksamkeit des Dithranols bei der Behandlung der Psoriasis vulgaris wurde bereits
Anfang des 20. Jahrhunderts unter anderem durch klinische Untersuchungen von Unna
nachgewiesen [20]. Seither gilt Dithranol als bewährte, sichere und auch preisgünstige Substanz innerhalb
der Gruppe der antipsoriatisch wirksamen Externa. Dabei ist die Diskussion über die
verschiedenen Wirkungsmechanismen des Dithranols bei der Therapie der Psoriasis vulgaris
bis heute keineswegs abgeschlossen. Im Vordergrund steht die Normalisierung der gesteigerten
epidermalen Zellproliferation, unter anderem bedingt durch eine Abnahme der DNA-Synthese
und einer Hemmung verschiedener Enzyme innerhalb der Glykolyse und des Pentosephosphatzyklus
[2]
[9]
[10]
[13]
[19]. Als weitere Wirkung konnte eine Suppression verschiedener Granulozytenfunktionen
durch Dithranol nachgewiesen werden [17]. Dithranol wird im Allgemeinen mit weiteren externen oder internen Therapieverfahren
kombiniert. Teerverbindungen, Salicylsäure, Harnstoff und Steroide sind hier die am
häufigsten verwendeten Externa [3]
[15]
[18]. Einen besonderen Einfluss auf die therapeutische Effektivität hat darüber hinaus
eine zusätzliche UV-Therapie [11].
Im Gegensatz zum Dithranol steht das Calcipotriol als wichtigster Vertreter der Vitamin-D3-Analoga erst seit einigen Jahren für die klinische Routinebehandlung der Psoriasis
vulgaris zur Verfügung. Die therapeutische Effektivität konnte durch zahlreiche Studien
belegt werden [7]
[12]. Die biologische Wirkung des Calcipotriols auf die Keratinozyten zeigt sich bei
der Psoriasis vulgaris in einer Hemmung der Hyperproliferation und in einer Zunahme
der Differenzierung der Zellen. Zusätzlich kommt es zu einer überwiegend inhibitorischen
Beeinflussung funktioneller Leistungen verschiedener Zellreihen des entzündlichen
Infiltrats [4]
[16]. Nachdem man sich von der antipsoriatischen Wirksamkeit des Calcipotriols überzeugt
hatte, wurde die Verbindung inzwischen mit anderen Therapieverfahren der Psoriasis
vulgaris kombiniert. Ähnlich wie beim Dithranol lässt sich die therapeutische Effektivität
auch beim Calcipotriol durch eine Kombination mit UV-Licht steigern [5]
[6]
[8]. Im Vergleich zur UV-Therapie sind antipsoriatisch wirksame Externa nur ganz vereinzelt
mit Calcipotriol kombiniert worden, so z. B. mit topischen Steroiden, bei deren Verwendung
ebenfalls eine Steigerung der Wirksamkeit registriert werden konnte [14]
[21]. Die Kombination Calcipotriol und Dithranol ist bisher nur von Almond-Roesler et
al. untersucht worden [1]. Dabei verglichen die Autoren die klinische Wirksamkeit einer Calcipotriol/Dithranol-Stufentherapie
mit einer Dithranol-Monotherapie bei Patienten mit chronisch-stationärer Psoriasis.
Im Anschluss an eine zweiwöchige ambulante Vorbehandlung mit Calcipotriol erfolgte
anschließend eine ebenfalls zweiwöchige stationäre Dithranol-Therapie. Die Dithranol-Monotherapie
der Vergleichsgruppe wurde über einen Zeitraum von 4 Wochen stationär durchgeführt.
Die medianen Besserungsraten beider Gruppen waren nach 4 Wochen praktisch identisch.
Das somit gleichgute Behandlungsergebnis der Calcipotriol/Dithranol-Stufentherapie
war für die Patienten jedoch nur mit einem zweiwöchigen stationären Aufenthalt verbunden,
was auch als erheblicher ökonomischer Vorteil gewertet werden muss. Bei unserem Therapieverfahren
wurden Calcipotriol und Dithranol nicht wie bei Almond-Roesler et al. zeitlich versetzt,
sondern täglich parallel verordnet, wobei zusätzlich noch eine UVB-Bestrahlung erfolgte
(Schema A).
Vergleicht man die Ergebnisse dieser Kombination mit den Ergebnissen der Therapie
Dithranol/UVB (Schema B), so haben beide Behandlungsschemata nach 4 Wochen zu einer
deutlichen Rückbildung der Befunde geführt. Gemessen an den Ergebnissen des M-PASI
war jedoch die therapeutische Effektivität des Schemas A zu jedem Zeitpunkt der Evaluierung
der Wirksamkeit des Schemas B überlegen. Mit der Einschränkung der kleinen Patientenzahl
von n = 10 zeigte sich während der gesamten Therapiedauer ein signifikant besserer
Therapieerfolg des Schemas A im Vergleich zum Schema B. In diesem Zusammenhang interessant
ist auch die Entwicklung der Score-Differenzen der beiden Schemata im Vergleich zueinander.
Hier zeigt sich nach der ersten Behandlungswoche mit einer Score-Differenz von 11,4
zugunsten des Schemas A der deutlichste Unterschied, so dass die Anfangsphase der
Therapie nach dem Schema A als besonders wirkungsvoll angesehen werden kann.
Die Therapie der chronisch-stationären Psoriasis vulgaris mit Calcipotriol und Dithranol
scheint nach den bisher vorliegenden Befunden sinnvoll zu sein. Die Steigerung der
therapeutischen Effektivität des Dithranols durch zusätzliche Anwendung von Calcipotriol
muss jedoch durch größere Patientenzahlen bestätigt werden. Dabei wäre gegebenenfalls
auch die Frage zu klären, ob der von uns gesehene Therapievorteil der kombinierten
Anwendung von Calcipotriol und Dithranol auch dann noch feststellbar ist, wenn die
Dithranol-Konzentration und die UVB-Dosis schneller gesteigert werden.
Neben den Vorteilen für die Patienten beinhaltet die Kombination von Calcipotriol
und Dithranol möglicherweise auch ein betriebswirtschaftlich nutzbares Potential,
z. B. durch ein Therapieverfahren, bei dem ein Patient im Anschluss an eine ambulante
Vorbehandlung mit Calcipotriol im Rahmen einer Tagesklinik eine kombinierte Therapie
mit Calcipotriol und Dithranol erhält.