Die 45-jährige Patientin erlitt zwei Jahre vor der Vorstellung in unserer Klinik eine
Trigeminusneuralgie rechts. Die auswärts durchgeführte MR-Tomographie zeigte in der
T2-Gewichtung eine liquorisointense Raumforderung im Kleinhirnbrückenwinkel, die als
Arachnoidalzyste gedeutet wurde. Die operative Entlastung dieser Raumforderung führte
nur kurzzeitig zu einer Besserung der Symptomatik. Die Patientin stellte sich jetzt
bei uns vor, um die Frage einer erneuten Entlastung ihrer „Arachnoidalzyste” abzuklären.
Die alten auswärtig erstellten MR-Tomogramme (Abb. [1 a]) ließen differenzialdiagnostisch an eine Arachnoidalzyste oder an ein typisch
lokalisiertes Epidermoid im Kleinhirnbrückenwinkel auf der rechten Seite denken. Die
jetzt durchgeführte MR-Tomographie zeigte in den T1- und T2-gewichteten Sequenzen wiederum eine praktisch liquorisointense Raumforderung im Kleinhirnbrückenwinkel
rechts, die zu einer erheblichen Ausspannung des Nervus trigeminus führte. Die während
der gleichen Untersuchung erstellten CISS - (constructive interference in steady state)
und diffusionsgewichteten Aufnahmen ließen dann den Tumor eindeutig vom Liquor abgrenzen.
In der CISS-Sequenz zeigte sich der Tumor deutlich signalgemindert im Vergleich zum
umgebenden Liquor und in seiner gesamten Ausdehnung (Abb. [1 b]). Er reichte vom kraniozervikalen Übergang nach kranial fast bis an das Tentorium
heran und ventral bis an den Austrittspunkt des Nervus oculomotorius aus dem Hirnstamm.
Auf Höhe des Austrittspunktes des achten Hirnnerven zeigte sich innerhalb des Tumors
ein Defekt mit liquorisointensem Signal, der einem postoperativen Defektzustand im
Tumor entsprechen kann oder aber mit einem lobulierten Epidermoid vereinbar wäre.
In der diffusionsgewichteten Sequenz und in der FLAIR (fluid-attenuated inversion
recovery)-Sequenz hatte der Tumor ein deutlich hyperintenses Signal und ließ sich
ebenfalls klar vom Liquor abgrenzen (Abb. [1 c] und [1 d]).
Diskussion
Epidermoide entstehen aus intrakraniellen Einschlüssen von epithelialen Zellen während
des Neuralrohrschlusses und sind etwa 10-fach häufiger als intrakranielle Dermoide.
Sie haben nur eine geringe Wachstumstendenz und werden deshalb oft erst im frühen
Erwachsenenalter symptomatisch. Am häufigsten sind intrakranielle Epidermoide im Kleinhirnbrückenwinkel
lokalisiert (50 %), sellär und parasellär (10-15 %), seltener im vierten Ventrikel
und in der präpontinen Zisterne. Etwa 10 % der Epidermoide kommen intraossär im Schädelknochen
vor.
Arachnoidalzysten liegen zu 50 % in der Nähe der Sylvischen Fissur und zu 20 % in
der suprasellären Zisterne. Immerhin 15-20 % der Arachnoidalzysten finden sich
im Kleinhirnbrückenwinkel, so dass sich die Differenzialdiagnose zwischen Epidermoid
und Arachnoidalzyste nicht selten stellt. Einen klinischen Hinweis auf ein Epidermoid
gibt die Trigeminusneuralgie. Diese tritt bei ca. 80 % der Epidermoide auf. Das Vorhandensein
von Arachnoidalzysten führt im Gegensatz dazu nur äußerst selten zu einer Affektion
des N. trigeminus (Koening E et al.; in: Conscientia diagnostica, Konstanz, Byk Gulden
1987; 8 - 15). In der CT-Ära galt die Dichtemessung mit Bestimmung der Standardabweichung
als einigermaßen verlässlich. In der Regel wurde aber eine Zisternographie mit jodhaltigem
Kontrastmittel durchgeführt. Der Dichteanstieg galt als beweisend für die Arachnoidalzyste.
Auch heute noch wird dieses Verfahren propagiert, denn die „konventionelle” MR-Diagnostik
mit T1- und T2-gewichteten SE-Sequenzen hat die differenzialdiagnostischen Probleme nicht gelöst
(Ikushima I et al.; AJNR 1997; 1359 - 1363). Unsere Patientin wurde initial unter
der Diagnose einer Arachnoidalzyste operiert, weil das MR eine liquorisointense Raumforderung
im Kleinhirnbrückenwinkel zeigte.
Auch wenn viele Epidermoide sich in T1- und T2-Wichtung leicht hyperintens darstellen können, bleiben dennoch einige dieser Tumoren
problematisch aufgrund ihrer fehlenden Abgrenzbarkeit zum Liquor (Kallmes DF et al.;
AJR 1997; 883-887). Lediglich Epidermoide mit einem hohen Anteil an Proteinen innerhalb
der Zyste können ein hyperintenses Signal in der T1-Gewichtung im Vergleich zum Liquor zeigen (Ochi M et al.; AJNR 1998; 1113-1115) sowie
weiterhin ein deutlich hypointenses T2-Signal aufweisen (Timmer et al.; AJNR 1998; 1111-1112).
Die FLAIR-Sequenz ist stark T2-gewichtet, jedoch wird das Liquorsignal zum größten Teil unterdrückt. Dadurch ist
eine bessere Abgrenzung des Tumors vom Liquor möglich. Es besteht jedoch der Nachteil
von deutlichen Flussartefakten (Ikushima). Weiterhin kommt der Vorteil der FLAIR-Sequenz
nur bei wenig wasserhaltigen Tumoren zum Tragen; Tumoren mit hohem Wasseranteil werden
in ihrem Signal ebenso wie der Liquor unterdrückt und sind damit wieder isointens
(Ikushima).
Diffusionsgewichtete Bilder stellen die Bewegung von Wassermolekülen dar. Auch diese
Sequenz eignet sich somit zur Differenzierung zwischen soliden Strukturen und dem
Liquor; solide Strukturen wie Epidermoide zeigen einen Anstieg der Signalintensität
(Murakami N et al.; Neurosurg Rev 1999; 159 - 162). Von Bedeutung ist hier, dass ein
relativ hoher b-Wert und damit eine starke Diffusionswichtung angewendet wird, um
die T2-Kontraste zu minimieren. Als zusätzlicher Parameter können ADC-Maps dienen. Epidermoide
zeigen einen niedrigen ADC-Wert, der noch etwas niedriger als der Wert von Hirnparenchym
liegt. Arachnoidalzysten hingegen haben, ebenso wie Liquor, einen hohen ADC-Wert.
In dem hier vorgestellten Fall fand sich ebenfalls eine gute Abgrenzbarkeit des Tumors
vom Liquor, das Epidermoid stellte sich in der Diffusionswichtung (b = 1000) hyperintens
dar (Abb. [1 c]).
Abb. 1 (a) Das T2-gewichtete Bild zeigt eine liquorisointense Raumforderung im rechten Kleinhirnbrückenwinkel
mit Ausspannung des Nervus trigeminus. (b) In der CISS-Sequenz (TR 13 ms, TE 5,9 ms, Flipwinkel 70, effektive Schichtdicke
0,8 mm, Matrix 224 x 256) ist der Tumor signalgemindert im Vergleich zum umgebenden
Liquor. (c) In der diffusionsgewichteten Sequenz (b = 1000; TR 5000 ms, TE 83 ms, Flipwinkel
90, Schichtdicke 5 mm, Matrix 128 x 128) hat der Tumor ein deutlich hyperintenses
Signal. (d) In der FLAIR -Sequenz stellt sich der Tumor hyperintens dar und ist klar vom hypointensen
Liquor abgrenzbar.
Die CISS-Sequenz ist eine T2-gewichtee Sequenz und eine Variante der „fast imaging with steady-state precession”
(FISP) mit dem Vorteil einer guten Auflösung. Eine deutliche Differenzierung zwischen
Liquor und soliden Strukturen ist möglich (Ikushima). CISS-Bilder zeigen die Epidermoide
mit hypointensem Signal gegenüber Liquor. Durch die Möglichkeit von 3D-Rekonstruktionen
verbessert sich die räumliche Zuordnung.
Zur genauen Bestimmung der Ausbreitung erwies sich im vorgestellten Fall die CISS-Sequenz
als besonders hilfreich; das Epidermoid stellte sich deutlich hypointens zum Liquor
dar. Durch die dünnen Schichten (0,7 mm) kommen die exakte Größe und die Beziehung
zu anatomischen Strukturen wie dem N. vestibulocochlearis klar zur Darstellung (Abb.
[1 b]).
Das differenzialdiagnostische Dilemma: Epidermoid oder Arachnoidalzyste bei Raumforderungen
im Kleinhirnbrückenwinkel kann mit Hilfe der modernen MRT gelöst werden. Die Anwendung
von CISS, FLAIR oder Diffusionssequenzen erlaubt eine sichere Unterscheidung und macht
die CT-Zisternographie überflüssig.E. R. Gizewski, Essen