Einleitung
Einleitung
In der Therapie solider Tumoren zeigt die kombinierte Radio-Chemotherapie ermutigende
Ergebnisse hinsichtlich Remission und Überlebenszeit [[1], [2]]. Für zahlreiche Tumorentitäten konnte so ein erfolgversprechender Therapiestandard
definiert werden. Neben einer besseren lokalen Kontrolle ist die multimodale Therapie
jedoch auch mit dem häufigeren Auftreten von Nebenwirkungen behaftet. So werden, insbesondere
bei simultaner Verwendung höherer Strahlendosen im Thoraxbereich und strahlensensibilisierender
zytoreduktiver Substanzen, häufig pulmonale Nebenwirkungen beobachtet [[3], [4], [5]]. Wochen bis Monate nach Therapie können lebensbedrohliche Pneumonitiden und Fibrosierungen
des Lungenparenchyms das prognostische Bild des Patienten erheblich verschlechtern
[[6], [7], [8]]. Damit beinhaltet die kombinierte Radio-Chemotherapie von z. B. Bronchial- oder
Mammakarzinomen oft ein Abwägen zwischen Dosiseskalation und pulmonalen Nebenwirkungen.
Unzureichende Kenntnisse über die Mechanismen derartiger Lungenschädigungen erschwerten
bisher die Beeinflussung der pulmonalen Komplikationen. Zunehmend erlangen jedoch
reaktive Sauerstoffverbindungen (ROS) als auslösende Ursache dieser Folgeschäden Beachtung.
Unter der Bezeichnung „ROS - Reactive Oxygen Species” werden freie Radikale, also
Moleküle mit einem oder mehreren ungepaarten Elektronen, sowie sauerstoffhaltige Verbindungen
mit außerordentlich hoher Reaktionsbereitschaft zusammengefasst [[9], [10]]. Bedingt durch ihre Reaktivität verfügen ROS über ein hohes Potenzial für typische
Reaktionskaskaden, in denen Biomoleküle bis zum Funktionsverlust verändert werden
können [[10]]. Ihre Einwirkung auf biologische Gewebe kann zu einem komplexen, sich selbst verstärkenden
ROS- und Zytokin-Networking führen, das letztendlich in einer Fibroblastenaktivierung
mündet [[11], [12], [13]].
Die Lunge ist außerordentlich anfällig für radikalbedingte Schäden und deren Folgezustände
[[14]]. Dies ist insbesondere durch die hohen Sauerstoffspannungen bedingt, denen das
Lungengewebe ständig ausgesetzt ist. In diesem Zusammenhang konnte experimentell gezeigt
werden, dass die Ursache für die Toxizität des Sauerstoffs eine erhöhte endogene,
zelluläre ROS-Produktion ist [[15]]. Die außerordentlich hohe Dichte an alveolären und interstitiellen Leukozyten,
die als Teil des pulmonalen Defence-Mechanismus gegen aerolisierte Fremdkörper unerlässlich
sind, stellt zudem ein beachtliches Reservoir für die Freisetzung von Zytokinen und
Wachstumsfaktoren dar.
Für die Evaluation und diagnostische Einschätzung therapieassoziierter, pulmonaler
Nebenwirkungen stehen routinemäßig radiologische Verfahren [[16], [17], [18]] und die Messung von Lungenfunktionsparametern [[19], [20]] im Vordergrund. Diese Methoden sind jedoch in der Diagnose von Frühveränderungen
weder sensitiv noch spezifisch. Umgekehrt ist die bronchoalveoläre Lavage [[21], [22]] als diagnostische Methode nicht allgemein verfügbar oder in diesem Zusammenhang
nicht ausreichend etabliert. In der Regel sind somit die klinisch-diagnostischen Erfahrungen
in der Frühphase der Erkrankung für die Einschätzung des Ausmaßes der drohenden Folgezustände
unzureichend. Andererseits würden standardisierte Diagnose- und Analysealgorithmen
therapieassoziierter, pulmonaler Veränderungen eine individuelle, optimierte Dosisanpassung
der zytoreduktiven Therapie ermöglichen [[17], [23], [24]].
Die vorliegende Übersichtsarbeit möchte die wesentlichen pathogenetische Mechanismen
radikalbedingter Lungenschädigungen unter Radio- wie unter Chemotherapie darstellen,
sowie invasive und nichtinvasive Verfahren zur Diagnostik diskutieren. Hierdurch sollen
nicht zuletzt zukünftige Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet ermutigende Anstöße
finden.
Pulmonale Nebenwirkungen der Radio-Chemotherapie
Sowohl nach pulmonaler Strahlentherapie [[25], [26], [27]] wie nach systemischer Chemotherapie [[17], [28], [29], [30]] wird eine hohe Manifestationsrate pulmonaler Nebenwirkungen beobachtet. Bei kombinierter
Anwendung beider Modalitäten sind diese Effekte gehäuft und deren Vorhersagbarkeit
weiter beeinträchtigt [[6], [7], [8]].
Nach Einwirkung ionisierender Strahlung auf Lungengewebe können zwei verschiedene
Nebenwirkungsmechanismen unterschieden werden:
-
Die so genannte klassische Strahlenpneumonitis [[31]] zeigt eine Schwellendosis und eine charakteristische sigmoide Dosis-Wirkungs-Beziehung.
Dabei beschränkt sich die entzündliche Reaktion auf das bestrahlte Lungenvolumen und
wird von einer mehr oder weniger starken Fibrosierung gefolgt. Ursächlich werden für
diese Reaktion reaktive Sauerstoffspezies verantwortlich gemacht.
-
Die sporadische Strahlenpneumonitis [[31], [32]] folgt keiner eindeutigen Dosis-Wirkungs-Beziehung. Ursache dieser Reaktion ist
möglicherweise eine endogene Antigenbelastung, die im Rahmen der massiven Gewebsschädigung
auftritt [[31]]. Hier wird eine generalisierte, lymphozytäre Entzündung mit vergleichsweise geringer
Tendenz zur Fibrosierung beobachtet.
Schwere Verläufe nach thorakaler Strahlentherapie zeigen eine massive Diffusionseinschränkung
[[19], [20]] und Veränderungen des Verhältnisses von Ventilation und Perfusion (Mismatch) [[33]]. Dabei führen Mikroatelektasen und eine zunehmende Ansammlung extrazellulärer Matrixproteine
(ECM) in den Alveolen und im Interstitium zu funktionslosen terminalen Ventilationsräumen.
Die Zunahme des ventilatorischen Totraums und des intrapulmonalen Shunt-Volumens verstärken
die resultierende Hypoxämie weiter.
Viele Substanzen, die in der Therapie solider Tumoren sowie bei hämatologischen Erkrankungen
verwendet werden, sind potenziell lungentoxisch [[23], [24]]. Die durch sie induzierten Überempfindlichkeitspneumonitiden sind durch ein lymphozytäres
Infiltrat des Lungeninterstitiums gekennzeichnet [[34]]. Obwohl relativ häufig zu beobachten, liegen bis heute vergleichsweise wenige Erkenntnisse
über Ursachen und Mechanismen dieser Reaktion vor. In vielen Fällen klingen die Beschwerden
nach Absetzen des Zytostatikums zügig ab. Durch die systemische Anwendung von Kortikosteroiden
kann der Verlauf oftmals günstig beeinflusst werden.
Für die nach längeren Latenzzeiten auftretenden, chemotherapieassoziierten, so genannten
Late-Onset-Pneumonitiden werden Imbalancen zwischen Oxidantien und Antioxidantien
als Ursache diskutiert [[17]]. Dieses Symptombild der Pneumonitis ist potenziell lebensbedrohlich für den Patienten.
Trotz sofortigen Absetzens der Noxen und des systemischen Einsatzes von Kortikosteroiden
kann sich das Befinden des Patienten kontinuierlich und dramatisch verschlechtern
[[17], [35], [36]], wobei morphologische Strukturveränderungen mit Kollaps der distalen Atemwege und
Ausbildung von Mikroatelektasen [[37]] sowie eine ausgeprägte interstitielle Fibrosierung beobachtet werden [[17]].
Eine relativ seltene Begleiterscheinung der Radio-Chemotherapie ist die Bronchiolitis
obliterans [[24]]; sie stellt sich als polyploide Bindegewebsanreicherung in den Lumina der kleinsten
Luftwege mit entzündlichen Veränderungen der umgebenden Luftwege dar [[37]]. Zum medikamenteninduzierten, nichtkardiogenen Lungenödem (capillary leak syndrome)
[[38]], einem ebenfalls seltenen Nebenwirkungsbild, liegen nur wenige Daten vor. Hier
geht man vor einer massiven Schädigung der pulmonalen Kapillarendothelien als Ursache
aus [[24]].
Nach Radio-Chemotherapie können sich somit vielfältige Lungenschäden manifestieren,
die entscheidende Bedeutung für die Prognose des Patienten sowie das weitere therapeutische
Prozedere haben. Hier weisen sowohl die zytostatika- als auch die strahlungsinduzierten
Reaktionen im Hinblick auf ihre klinische Symptomatik und ihre morphologischen Veränderungen
große Ähnlichkeiten auf. Bedenkt man die vergleichbare Ätiologie, bei der ROS die
entscheidende Rolle spielten, so dürften, neben der Gruppe der zellzyklusabhängigen
radiosensibilisierenden Substanzen, bestimmte Zytostatika auf Grund additiver pro-oxidativer
Effekte als Radiosensitiser fungieren. Für Bleomycin [[6]], Cyclophosphamid [[8]] und Adramycin [[7]] liegen hierzu zahlreiche klinische Beobachtungen vor. Die zunehmende klinische
Erfahrung weist überdies darauf hin, dass die Mehrzahl der heute eingesetzten Chemotherapien
ein ähnliches, die oxidative Potenz der Strahlentherapie weiter verstärkendes Verhalten
zeigen [[39]].
Klinisches Bild und Diagnostik
Das klinische Bild der pulmonalen Nebenwirkungen während zytoreduktiver Therapie ist
weitgehend unspezifisch. So fallen die Patienten zunächst durch Reizhusten, Fieber
und Dyspnoe auf [[24]]. In schweren Fällen können Zyanose, Cor pulmonale und Rechtsherzversagen zum Tod
führen [[17]]. Wegen der Unspezifität der Symptome und großer interindividueller Unterschiede
in der Präsentation ist die Diagnose weitgehend von ärztlicher Erfahrung sowie radiologischer
und lungenfunktionsanalytischer Methodik abhängig.
Nach Bestrahlung der Lunge mit hohen Dosen entwickeln die Patienten typischerweise
nach 6 - 12 Wochen klinische Symptome [[16]]. Husten, Fieber und Abgeschlagenheit klingen in den meisten Fällen spontan ab,
während einige Patienten eine progressive Lungenfibrosierung innerhalb der nächsten
6 - 12 Monate erleiden. Abhängig vom verwendeten zytoreduktiven Therapieschema vergehen
bei alleiniger Chemotherapie von Behandlungsbeginn bis zur Manifestation pulmonaler
Symptome ein bis zwei Monate [[23], [24]], wobei etwa für Cyclophosphamid auch Extreme von mehreren Jahren berichtet wurden
[[17]]. Dabei ist die Symptomatik ähnlich der der strahlungsinduzierten Lungenschädigungen.
Thorax-Röntgen und Thorax-CT zeigen je nach Schweregrad etwas inhomogene, milchglasige
Trübungen bis hin zu dichten, retikulären und nodulären, entzündungs- und fibrosebedingten
Infiltraten mit Pleuraverdickungen [[16]]. Derartige radiologische Befunde können jedoch erst in einer relativ fortgeschrittenen
Phase des Krankheitsverlaufs erhoben werden, wenn der entzündliche Prozess bereits
ein florides Stadium erreicht oder durchschritten hat [[40]] und zumeist nicht mehr reversibel ist [[24]]. Lungenfunktionsanalysen, die im Sinne der morphologischen Veränderungen eine beeinträchtigte
Diffusionskapazität und eine restriktive Ventilationsstörung anzeigen [[19], [20]], sind in der Frühphase der pulmonalen Veränderungen bzw. oxidativen Belastung weder
sensitiv noch spezifisch genug [[33]].
Die Lungenperipherie entspricht einer Gasaustauschfläche von mehr als einhundert Quadratmetern.
Die Alveolen als kleinste Untereinheiten der terminalen Luftwege werden von Typ-1-
und Typ-2-Pneumozyten ausgekleidet. Typ-1-Pneumozyten (95 %), sind vollständig ausdifferenzierte
Zellen mit großer Sensibilität gegenüber endogenen wie exogenen Schädigungen und nur
geringem regenerativen Potential. Typ-2-Pneumozyten, Stammzellen der Typ-1-Zellen,
weisen dagegen ein vergleichsweise geringes Verletzungspotential gegenüber Stressfaktoren
auf, können aber durch überschwellige Stimuli ebenfalls zur Proliferation angeregt
werden. Typ-2-Pneumozyten sind darüber hinaus maßgeblich an der Surfactant-Produktion
beteiligt und besitzen die Fähigkeit zur Sekretion von extrazellulärer Matrix [[41]].
Unter physiologischen Bedingungen wird die Begrenzung zwischen terminalen Ventilationsräumen
und Erythrozyten lediglich durch das Kapillarendothel, eine gemeinsame Basalmembran
und das Alveolarepithel gebildet. Kapillarendothelien, wie Typ-1-Pneumozyten, sind
anfällig für zahlreiche schädigende Einflüsse und ebenfalls zur Proliferation fähig
[[37]]. Fibroblasten synthetisieren den weitaus größten Anteil der extrazellulären Matrix.
Ihre ohnehin schon große Anzahl im Interstitium kann nach Lungenschädigungen nochmals
deutlich ansteigen. Zelluläre Produkte der Fibroblasten sind unter anderem Kollagene
des Typs I, III, IV, V und VI sowie Fibronektin, Laminin und Proteoglykane, die in
verschiedenen Zusammensetzungen die Binde- und Stützgewebe bilden.
Neben Fibroblasten finden sich auch Makrophagen, Mastzellen, Lymphozyten und Plasmazellen
im Interstitium [[42]]. Teile dieser Populationen verlassen das Interstitium, treten in die Ventilationsräume
über und sind nun, zusammen mit anderen gelösten Bestandteilen, durch die bronchoalveoläre
Lavage (BAL) gewinnbar. So ermöglicht die BAL auch Rückschlüsse hinsichtlich des Zustandes
des Interstitiums [[43]]. Obwohl bisher als standardisiertes Diagnostikum von radiochemotherapie-induzierten,
pulmonalen Nebenwirkungen nicht eingesetzt, könnte sie ein nützliches Instrument zur
frühen Diagnose und zum Monitoring dieser pulmonalen Veränderungen werden.
Antioxidative Strategien
Antioxidative Strategien
Die fortlaufende Produktion von ROS ist ein elementares Merkmal aeroben Lebens. Um
Biomoleküle vor deren Einwirkung zu schützen, haben Organismen leistungsfähige antioxidative
Abwehrmechanismen entwickelt. Die Anfälligkeit für oxidative Schäden zeigt interindividuelle
Unterschiede [[44]], was möglicherweise eine Folge verschiedenartig etablierter antioxidativer Mechanismen
ist [[45]].
Bei der Entgiftung der während des physiologischen Zellstoffwechsels anfallenden erheblichen
Mengen an ROS kommt insbesondere den enyzmatischen Abwehrmechanismen große Bedeutung
zu. Superoxid-Radikale (O2*-) können durch verschiedene Superoxiddismutasen in Wasserstoffperoxid (H2O2) überführt werden. H2O2 wird weiter umgewandelt in Wasser, eine Reaktion, die durch Katalasen und Glutathionperoxidasen
katalysiert wird. Glutathion, ein ubiquitäres Tripeptid, kann Verbindungen mit einer
Reihe von elektrophilen Substanzen entweder enzymatisch oder nichtenzymatisch eingehen.
Dabei entstehendes Glutathiondisulfid (GSSG) wird durch NADPH-abhängige Glutathionreduktasen
wieder in die ursprüngliche Form überführt.
Die Vitamine α-Tocopherol und Askorbinsäure wirken synergistisch bei der Entgiftung
von Oxidantien. Das lipidlösliche α-Tocopherol verbindet sich bevorzugt mit Radikalen,
die während radikalbedingter Lipidperoxidationen anfallen. Es ist somit in der Lage,
das Ausmaß dieser Kettenreaktionen zu begrenzen. Nach Wanderung zur Oberfläche der
Lipidmembranen kann das entstandene Tocopherol-Radikal durch Askorbinsäure neutralisiert
werden, die selbst in das relativ stabile Semidehydroaskorbat überführt wird. Askorbinsäure
ist als potente antioxidative Substanz auch zur Entgiftung einer Reihe anderer reaktiver
Verbindungen fähig.
Um die Entstehung von ROS zu verhindern, werden Übergangsmetallionen wie Eisen und
Kupfer konsequent in gebundenem Zustand transportiert und gespeichert. Über die Fenton-Reaktion
würde, in Anwesenheit freier Metallionen, ansonsten vorhandenes H2O2 in Hydroxylradikale (OH*) umwandelt werden. Der extrem niedrige Gehalt intra- wie
extrazellulärer Flüssigkeiten an freiem Eisen und Kupfer wird durch metallbindende
Proteine wie Transferrin, Ferritin und Coeruloplasmin ermöglicht. Sie fungieren somit
als indirekte Antioxidantien.
Auch Plasmaproteine und Proteine anderer Kompartimente können, dank ihres Gehalts
an Sulfhydrylgruppen, als potente Antioxidantien fungieren. So ist im Blutplasma neben
Harnsäure und Askorbinsäure Albumin die bedeutendste antioxidative Substanz.
Da ROS innerhalb der Zellstruktur vielfältige Schäden verursachen können, verfügen
pro- und eukaryote Zellen über leistungsfähige Adaptionsmechanismen. Werden menschliche
Lymphozyten in vitro oder in vivo niedrigen Dosen ionisierender Strahlung ausgesetzt,
werden nachfolgende, hochdosierte Bestrahlungen besser toleriert [[46], [47]]. Andere Einflüsse wie Hyperoxie, Oxidantien, Hyperthermie, Endotoxin und Ischämie-Reperfusion,
die mit erhöhter ROS-Belastung assoziiert sind, können ebenfalls eine solche adaptive
Antwort (AW) auslösen [[48], [49], [50], [51]], wobei Ausmaß und Spezifität der Stressantwort von Zelltyp und Stimulus abhängig
sind. Weiterhin wurde beobachtet, dass einer der Stimuli zu gesteigerter Widerstandsfähigkeit
auch gegenüber einem anderen Stimulus führen kann [[50], [52]].
Die adaptive Antwort besteht, nach dem gegenwärtigen Stand des Wissens, aus einem
komplexen Zusammenspiel zahlreicher Komponenten. Dabei ist eine adaptive Antwort von
einer intakten Proteinsynthese abhängig [[47]]. Neben effizienteren DNA-Reperatur-Mechanismen [[53]], Funktionserhalt oder -erhöhung antioxidativ wirksamer Enzyme [[54], [55]] und Inhibition von proinflammatorischen Non-Stress-Proteinen wird insbesondere
die verstärkte Expression einer heterogenen Gruppe von protektiv und anti-apoptotisch
[[56]] wirksamen Hitzeschockproteinen (HSP) für diese Anpassungsreaktionen verantwortlich
gemacht. In Versuchen mit selektiv transfizierten Zellen ([55], [57], [58]] wurde es möglich, einzelnen Elemente der adaptiven Antwort isoliert auf ihre relative
Wertigkeit zu untersuchen. Die Gruppe der HSP besteht aus verschiedenen Proteinen
von 8 - 110 kDa. Zu ihnen gehören Proteine, die bereits im Zusammenhang mit anderen
Prozessen beschrieben wurden und deren Expression unter zellulärem Stress erst später
erkannt wurde. Am besten charakterisiert sind die HSP70-Familien und die Hämoxygenase
(HO-1, 32 kDa), die den ersten Schritt des Hämabbaus katalysiert.
Einige HSP fungieren als molekulare Chaperone. Sie sind residente Bestandteile des
endoplasmatischen Retikulums und erfüllen wichtige Aufgaben bei der Reifung und Faltung
von Proteinen, bevor diese über den Golgi-Apparat auf die jeweiligen Zellkompartimente
verteilt werden. So ist z. B. HSP47 ein spezifischer Chaperon für Prokollagen [[59]]. Darüber hinaus wird es unter pro-oxidativen Einflüssen, z. B. Hyperthermie [[60]] und Bleomycinexposition [[61]], verstärkt exprimiert. Stets wird jedoch eine simultane Unter- und Überexpressionen
von HSP47 und Kollagenen beobachtet [[61], zusammengefasst in [59]]. So konnte bei selektiver Hemmung der HSP47-Expression auch eine erheblich herabgesetzte
Kollagensynthese beobachtet werden [[62]]. Dies lässt die Vermutung zu, dass die zelluläre Stressantwort Voraussetzung für
eine überschießende Kollagensynthese ist.
In kürzlich durchgeführten Untersuchungen konnte beobachtet werden, dass die dargestellten
stressbedingten Veränderungen im zellulären Proteinexpressionsmuster direkt zur Abnahme
ROS-bedingter Schäden führen können. So zog die Überexpression von HSP25 in murinen
Fibroblastenzelllinien eine erhebliche Reduktion ROS-induzierter DNA-Schädigungen
nach sich [[57]]. Für diesen protektiven Effekt konnte unter anderem eine relative Steigerung der
intrazellulären Glutathion (GSH)-Konzentrationen verantwortlich gemacht werden [[55]]. Nach HSP70-Transfektion und folgender hyperoxischer Belastung humaner Lungenadenokarzinomzellen
konnte eine herabgesetzte Intensität der Lipidperoxidation und eine Verminderung des
zellulären ATP-Verlustes beobachtet werden [[58]]. Der Mechanismus der herabgesetzten zellulären ROS-Genese nach HSP70-Expression
scheint auf einen Schutz der mitochondrialen Integrität zurückgeführt werden zu können.
Hier werden im Rahmen physiologischer Oxidationsprozesse ohnehin große Mengen an ROS
generiert [[9]]. Nach erfolgter adapativer Antwort und nachfolgender experimenteller H2O2-Belastung konnte in einer humanen prämonozytischen Zelllinie gezeigt werden, dass
die mitochondrialen Membranpotentiale, im Gegensatz zu Zellen ohne adaptive Antwort,
nahezu konstant bleiben [[52]]. Auch die vermehrte Expression kleinerer HSP (25/27) trägt dazu bei, unter Einfluss
von ROS die strukturelle Mitochondrienintegrität nahezu vollständig aufrechtzuerhalten
[[55]].
Unklarheit herrscht über die Wertigkeit der HSP-Expression im Lungengewebe. Bei gesunden
Nichtrauchern konnten HSP72 und HSP90 in Zylinderepithelien der oberen Atemwege in
relativ großen Mengen nachgewiesen werden [[63]]. Weiter peripher, bei Überwiegen von einschichtigen, kuboidalen Zellen, wurden
diese beiden HSP nicht gefunden. So waren auch in Typ-1- und Typ-2-Pneumozyten HSP72
und HSP90 nicht darstellbar, ebenso wie in allen anderen pulmonalen Parenchym- und
Stromazellen.
Während in einer Reihe extrapulmonaler Zellen HSP70 durch Endotoxin, Hyperthermie
und Oxidantien induzierbar war [[49], [51], [64]], konnte durch Endotoxin in Endothelien der Pulmonalarterien keine HSP70-Expression
hervorgerufen werden [[65]]. In trachealen Epithelien von Meerschweinchen waren durch Ozon und H2O2 keine HSP induzierbar, und hyperthermieinduzierte HSP schützten die Zellen nicht
vor ozon-bedingter Schädigung [[48]]. In Untersuchungen an Rauchern, die unter permanenter oxidativer Belastung stehen,
konnte, verglichen mit Nichtrauchern, keine veränderte HSP-Expression im Lungengewebe
beobachtet werden [[63]]. Vieles deutet somit auf noch nicht erkannte Mechanismen im Expressionsmuster der
HSP in pulmonalen Zellen sowie bei deren protektiver Rolle hin.
Die Mehrheit der alveolären und interstitiellen Makrophagen exprimiert bereits unter
basalen Bedingungen HSP63, 72, 90 [[63]]. Unter Einfluss von Ozon [[66]] sowie bei Patienten, die unter Asthma [[67]] und ARDS litten [[68]], wiesen die alveolären Makrophagen eine signifikant gesteigerte HSP-Expression
auf. Das Ausmaß der Expression von HSP durch diese Zellen sowie spezifische Charakteristika
der Stressantwort könnten somit als Marker der oxidativen Lungenbelastung dienen.
(Diese Fragestellung wird derzeit im Rahmen einer Studie von uns an Lavagen von Patienten
mit Bronchialkarzinom unter Radio-Chemotherapie untersucht.)
Zell- und Gewebsveränderungen
Die morphologischen Veränderungen nach Bestrahlung der Lunge und nach Behandlung mit
zytotoxischen Substanzen sind durch Degeneration, Entzündung und Reparatur gekennzeichnet.
Bleomycin wird seit Jahren als Modellsubstanz für oxidative Lungenschädigungen verwendet.
Für andere, in der Tumortherapie verwendete Medikamente liegen hingegen vergleichsweise
wenige Erfahrungen vor. Verwendet wurden für derartige Experimente vor allem Ratten
[[33], [42], [69], [70], [71]], Mäuse [[72], [73]], Schafe [[74]] und Hunde [[75], [76]]. Eine standardisierte Methode der Bleomycinapplikation konnte sich bisher nicht
durchsetzen. So repräsentieren intratracheale, intravenöse sowie intraperitoneale
Gaben möglicherweise unterschiedliche Schädigungs- und Reparaturmuster. Nach intraperitonealer
und intratrachealer Einbringung von Bleomycin wurde neben einem interstitiellen Ödem
eine Ablösung endothelialer Zellen von den Basalmembranen beobachtet [[69], [73]].
Nach Applikation hoher Bleomycin-Dosen wurden stellenweise Abnahmen des Alveolardurchmessers
als morphologisches Korrelat einer Fibrosierung des Lungengewebes festgestellt [[72], [73]]. Auch nach länger andauernder Applikation hoher Ifosfamid-Dosen sind morphologische
pulmonale Veränderungen beschrieben worden. Hier erschienen die Lungen nach etwa 2
Wochen insgesamt dunkel, verhärtet und verstärkt blutgefüllt [[75]].
Etwa acht Wochen nach Beginn einer thorakalen Bestrahlung lassen sich erste makroskopische
Veränderungen aufzeigen. Hier wurden fleckige Aufhellungen des Lungenparenchyms beschrieben.
Später erscheint das Gewebe insgesamt verhärtet und geschrumpft [[70]]. Bereits etwa zwei Wochen nach Bestrahlung ist der Wassergehalt des Lungengewebes
deutlich erhöht [[71]]. Dabei sind sowohl interstitielle Strukturen wie intraalveoläre Räume ödematös
verändert [[74]]. Bereits innerhalb der ersten Wochen nach Bestrahlungsbeginn steigt die Leukozytendichte
in den pulmonalen Kapillaren. Einige Zeit später treten Großteile dieser Zellpopulation
in das Interstitium über, so dass die Leukozytenzahl hier ebenfalls ansteigt [[71]]. Bei der Auswertung der Gesamt- und Differentialzellzahlen in der Epithelial lining
fluid (ELF) und im Interstitium stellen sich große Unterschiede bezüglich untersuchter
Tierspezies, Dosis und Zeitintervall dar. Das jeweilige Ansteigen der Zelldichte wird
durch Alveolarmakrophagen, Lymphozyten und polymorphonukleäre Zellen (PMN) getragen
[[71]]. Ähnliche Veränderungen der Leukozytendichte wurden nach intratrachealer Bleomycin-Gabe
beschrieben [[69]]. Dabei normalisierte sich der PMN-Anteil der ELF-Populationen etwa nach vier [[69]] bis acht [[76]] Wochen, in anderen Beobachtungen auch erst nach längerer Zeit [[76]].
Nach thorakaler Bestrahlung sowie nach Bleomycin-Behandlung werden Bestandteile der
extrazellulären Matrix innerhalb des Interstitiums abgelagert, so dass sich dessen
Dicke deutlich erhöht [[69], [71], [73]]. Interstitielle Fibrosierungen können auch durch intraalveoläre Ablagerungen vorgetäuscht
werden [zusammengefasst in [37]]: Durch die massive Epithelschädigung und stellenweise nunmehr zelllosen Basalmembranen
wird die Entstehung eines fibrinreichen Exsudates in den terminalen Ventilationsräumen
begünstigt. Auch im Rahmen einer Pneumonitis steigt lokal die Permeabilität, und proteinreiches
Exsudat gelangt in alveoläre Räume [[21]]. In der Folge können diese Exsudate organisiert und reepithelialisiert werden und
nun als fibrotisch verdicktes Interstitium imponieren [[37]]. Im Experiment wurden auch pulmonales Epithel und Endothel bestrahlter Tiere verdickt
vorgefunden [[42]].
Typ-1- und Typ-2-Pneumozyten zeigen hierbei früh degenerative Veränderungen, wobei
insbesondere Typ-1-Zellen nach Bestrahlung [[42]] und Zytostatikagabe [[73], [75]] zahlenmäßig stark vermindert sind. Die freiliegenden Basalmembranen erscheinen
geschwollen und verdickt. Einige Monate nach Bestrahlung sind die Typ-1-Zellen in
ihrer Zahl nochmals vermindert [[42]]. Typ-2-Pneumozyten sind fokal hyperplasiert [[74]] und zeigen stark vergrößerte Zellvolumina [[42]]. Im Epithelgefüge tauchen kubische Zellen auf, die noch nicht vollständig zu Typ-1-Pneumozyten
ausdifferenzierte Abkömmlinge von Typ-2-Zellen sind [[73]]. Diese Zellen kleiden nun eine wachsende Zahl von Alveolen aus. In Versuchen mit
Bleomycin begann der Repopulationsvorgang dabei im Bereich der Bronchioli und setzte
sich nach peripher fort [[72]].
Im Blut anflutende Substanzen schädigen in erster Linie das Epithel, während ionisierende
Strahlung bevorzugt die Kapillarendothelien beeinträchtigt [[37]]. Drei Monate nach Bestrahlung ist auch ihre Zahl herabgesetzt [[42]]. Ein beachtlicher Anteil der alveolären Kapillaren ist nachhaltig durch mononukleäre
Zellen, Fibrin und Kollagen [[74]] verstopft. Dadurch ist die Perfusion innerhalb bestrahlter Lungenfelder stark herabgesetzt
[[33]].
Bildung von ROS
Bildung von ROS
Während einer Radio- oder Chemotherapie entstehen über verschiedene Mechanismen große
Mengen an ROS, die bei der Genese einer Pneumonitis oder Lungenfibrose eine wesentliche
Rolle spielen. Wirkt ionisierende Strahlung auf wasserhaltige, biologische Gewebe
ein, wird eine der kovalenten Bindungen des Wassers homolytisch gespalten. Dabei entstehen
ein Wasserstoffradikal (H*) und ein hochreaktives Hydroxylradikal (OH*) [[9]], die nach gegenwärtigem Stand des Wissens die Ursache sowohl der Strahlenwirkung
als auch der Toxizität sind. Für eine Reihe zytoreduktiver Substanzen können die zytoreduktive
Wirkung und die Nebenwirkungen ebenfalls auf die Entstehung freier Radikale zurückgeführt
werden. Zu ihnen gehören Bleomycin, Cyclophosphamid und Ifosfamid, Adramycin, Etoposid
und Mitomycin. Dabei kann gerade die Lungenschädigung substanztypisch sein (Bleomycin)
oder andere Organe bei der Manifestation von Nebenwirkungen dominieren (Myokardschädigungen
durch Adriamycin).
Die lungenschädigenden Effekte von Bleomycin sind bereits seit Jahrzehnten bekannt.
Das zur Familie der Antibiotika zählende Zytostatikum neigt zur Bildung von O2-Fe(II)-Bleomycin-Komplexen, die wiederum zur Entstehung von reaktionsfreudigen Hydroxylradikalen
führen [[77]]. So wurde nachgewiesen, dass in Anwesenheit von Bleomycin Fettsäuren in ihrer Struktur
verändert und potente Oxidantien freigesetzt werden [[78]]. Eine wichtige Ursache für die lungenschädigende Wirkung von Bleomycin ist dabei
die relativ niedrige Aktivität der Bleomycin-Hydrolase, eines katabolisierenden Enzmys,
im Lungenparenchym und die daraus resultierenden hohen lokalen Bleomycin-Konzentrationen.
Kürzlich durchgeführte Experimente an Alveolarmakrophagen und peripheren Monozyten
von bleomycinbehandelten Tieren zeigen, dass diese Population eine erhöhte Bereitschaft
zur Freisetzung von Superoxid-Radikalen hat, und lassen vermuten, dass diese Zellen
möglicherweise direkte Zielzellen der Substanz sind [[79]]. Im Gegensatz hierzu war in einem anderen Versuch die Superoxid-Radikal-Produktion
bei in vitro bleomycinbehandelten humanen Alveolarmakrophagen erheblich herabgesetzt
[[80]], was zu Spekulationen Anlass gibt, dass die erhöhte Radikal-Genese im ersten Experiment
eher eine indirekte Folge der Bleomycingabe gewesen ist.
Cyclophosphamid und Ifosfamid besitzen strukturelle Ähnlichkeiten und qualitativ gleiche
Transformationswege. Beide können zum korrespondierenden 4-Hydroxymetaboliten oxidiert
werden und reagieren letztendlich zu Acrolein und Phosphoramidverbindungen [[81]]. Während dieses Abbauweges entstehende Metabolite werden für die Lungentoxizität
verantwortlich gemacht, da Ifosfamid, das größere Affinität zu einem anderen Metabolisierungsmechanismus
hat (Oxidation zu Dechlorethyl-Ifosfamid und Chloroacetaldehyd), geringere pulmonale
Toxizität aufweist als Cyclosphosphamid. Es ist unklar, ob beide Alkylantien oder
ihre Metaboliten direkt pro-oxidativ wirksam werden können, oder ob diese Effekte
indirekt durch Erniedrigung der Glutathion-Pools zustande kommen [[82]]. In diesem Zusammenhang konnte gezeigt werden, dass Cyclophosphamid den Glutathiongehalt
der Lunge [[83]] und Ifosfamid den von Blutlymphozyten herabsetzt [[84]]. In weiteren Untersuchungen wurde beobachtet, dass Acrolein den GSH-Gehalt in der
Leber absenkt [[82]], jedoch den Gehalt in der Lunge nicht beeinflusst [[83]].
Anthrazykline allein sind in den seltensten Fällen lungentoxisch. Sie sind jedoch
in der Lage, die Toxizität einer Bestrahlung zu verstärken. Freie Radikale entstehen,
wenn Fe3 + oder Cu2 + bei Bindung durch Adriamycin reduziert werden. In Anwesenheit der reduzierten Metallionen
und von O2 können dann Hydroxlradikale generiert werden [[85]]. Experimentell konnte die enge Assoziation zwischen der Fähigkeit zur Fe3 +-Reduktion und der Radikalentstehung gezeigt werden [[86]]. Während der Aktivierung von Adriamycin kann dieses ein Elektron erhalten, um so
zum Semiquinon-Radikal zu werden [[85], [87]], das relativ instabil ist und in Anwesenheit von Sauerstoff zur Bildung von Superoxid-Radikalen
führen kann.
Wie Adriamycin kann auch Mitomycin durch Reduktion aktiviert werden. Dabei entsteht
ein Semiquinon-Radikal oder das korrespondierende Hydroquinon [[88]]. Unter hypoxischen Bedingungen dominiert jedoch der Metabolismus zum Semiquinon.
Die Semiquinone können als potente Alkylantien fungieren. Je nach Anwesenheit von
Sauerstoff werden diese zügig autoxidiert und generieren dabei Superoxid-Radikale
und Wasserstoffperoxid. Somit fällt die Konzentration des Semiquinons ab, und der
Grad der DNA-Alkylation geht infolgedessen zurück. Ist der Sauerstoffpartialdruck
gering, häuft sich das Semiquinon an und reagiert mit H2O2, um Hydroxylradikale zu generieren. Diese Reaktion ist unabhängig von der Anwesenheit
katalytischer Metallionen.
ROS und Fibrose
Wie aus einer wachsenden Anzahl experimenteller Veröffentlichungen hervorgeht, kann
ein Missverhältnis von Oxidantien und Antioxidantien zur verstärkten Ablagerung von
Komponenten der extrazellulären Matrix (Kollagene, Fibronektin, Proteoglykane) führen
[[12], [89]]. Dies kann neben der Lungenfibrose auch bei einer Reihe von Erkrankungen mit verstärkter
Fibrogenese (neurodegenerative Erkrankungen, M. Wilson, Hämochromatose, zystische
Fibrose, Leberzirrhose, Atherosklerose) beobachtet werden.
Schädigung und Entzündung
Der Angriff von ROS auf zelluläre Komponenten kann zu strukturellen und funktionellen
Veränderungen von Membranlipiden, Proteinen und DNA führen [[10]]. Die überwiegende Anzahl der DNA-Doppelstrangbrüche kann suffizient repariert werden,
während die verbleibenden Schäden zu sofortigem oder prolongiertem apoptotischen Interphasezelltod
oder zum postmitotischen Zelltod führen können [[90]]. Ist der zelluläre ATP-Gehalt, wie unter oxidativem Stress, deutlich erniedrigt
[[91]], überwiegt die nekrotische Degeneration mit nachfolgender Entzündung [[92]]. Membrantransportproteine können durch freie Radikale in ihrer Funktion beeinträchtigt
werden. Das führt unter anderem zu gesteigerten intrazellulären Ca2 +-Konzentrationen mit Aktivierung von Phospholipasen, Endonukleasen und Proteasen und
infolgedessen zu Veränderungen am Zytoskelett [[91]].
Die frühe Phase nach Lungenschädigung wird durch ortsständige Zellen wie Alveolarmakrophagen,
Fibroblasten, Endothelien und Epithelien vermittelt. Alveolarmakrophagen sind in der
Lage, verschiedene Zytokine und Wachstumsfaktoren zu sezernieren, u. a. TNF-α, IL-6,
IL-8 und IL-1.
IL-1 besitzt erhebliche Bedeutung bei der T-Zellaktivierung [[93]] wie bei der Induktion weiterer Elemente der Zytokinkaskade und scheint ein wichtiges
Element der Entzündungsinitiation zu sein. Die relativ geringe Fähigkeit der Alveolarmakrophagen,
ihre IL-1β-Sekretion zu steigern [[94], [95]] setzt möglicherweise einen Influx von peripheren Blutmonozyten voraus, um signifikante
IL-1β-Spiegel zu erreichen und weitere Glieder der Mediatorenkette zu aktivieren [[13]]. So konnte nach In-vitro-Bestrahlung von Alveolarmakrophagen lediglich ein limitiertes
Vermögen zur IL-1-Sekretion beobachtet werden [[96]]. In Tiermodellen zur Lungenfibrose wurde deutlich, dass erst nach einer Latenzphase
von etwa zwei Wochen die Sekretion dieses Zytokins erheblich anstieg [[40]].
Der Influx von neutrophilen Granulozyten wird wesentlich von IL-8, IL-1, TNF, aktiviertem
Komplement und als Folge der Lipidperoxidation entstandenem 4-Hydroxynonenal (HNE)
beeinflusst. Das ist auch teilweise Folge der IL-1- und TNF-getriggerten Expression
von Adhäsionsmolekülen (ICAM-1 = intracellular cell adhesion molecule-1, ELAM-1 =
endothelial leukocyte adhesion molecule-1). Sie steigern die Adhärenz der Leukozyten
an endotheliale Zellen und unterstützen deren Diapedese. Neutrophile Granulozyten
sind in der Lage, aggressive ROS, die bei der Bekämpfung von Mikroorganismen unerlässlich
sind, in großen Mengen an ihre Umgebung abzugeben.
Die Seitenketten von Membranphospholipiden sind besonders anfällig für radikalbedingte
Veränderungen. In typischen Kettenreaktionen kann ein OH* hier zur Entstehung hunderter
von Peroxiden sowie Aldehydverbindungen wie Malonaldehyd (MDA) und HNE führen [[9], [12]]. In Versuchen mit kultivierten Zellen erwies sich HNE als potenter Verstärker der
Kollagen-I-Synthese [[97]]. Außerdem sind HNE und einige homologe Aldehyde in der Lage, chemotaktisch auf
neutrophile Granulozyten zu wirken [[98], [99]].
Veränderte Transkription von Zytokinen und Wachstumsfaktoren
Neben einer Entzündungsreaktion als Stimulus für eine massive Freisetzung von Zytokinen
und Wachstumsfaktoren kann oxidativer Stress auch direkt zu Veränderungen im Proteinexpressionsmuster
führen. Zu den unter diesen Bedingungen verändert exprimierten Proteinen zählen auch
einige proinflammatorisch und proliferativ wirkende Zytokine und Wachstumsfaktoren.
Nuclear factor kappa-B (NFκ-B) und das jun-fos-Heterodimer sind Transkriptionsfaktoren,
die empfindlich auf geringe Schwankungen des oxido-reduktiven Status reagieren. H2O2 kann NFκ-B aus seinem inaktiven Komplex mit der inhibitorischen Untereinheit Iκ-B
freisetzen [[100]] und ermöglicht eine forcierte Bindung an entsprechende DNA-Promotorsequenzen. H2O2-Exposition steigert auch die Aktivität von c-fos und c-jun [[101]]. Bindungsstellen für NFκ-B finden sich unter anderem in den Promotorregionen des
vascular endothelial growth factor (VEGF) [[102]] sowie von TNF [[103]] und IL-6 [[104]]. Die Steigerung der TGF-α-Synthese wird vermittelt durch Aktivator-Protein-1 [[105]]. Platelet-derived growth factor (PDGF), ein auf Bindegewebszellen stark chemotaktisch
und mitogen wirkender Wachstumsfaktor, wird NFκ-B-abhängig synthetisiert [[106]]. Für VEGF konnte die direkte, expressionsfördernde Beeinflussung durch Chemotherapie-induzierte,
freie Radikale in vivo nachgewiesen werden [[39]].
Unter den aktivierenden Einflüssen für nukleäre Transkriptionsfaktoren finden sich
wiederum einige Zytokine. So konnte kürzlich gezeigt werden, dass IL-1β [[107]] und TNF [[108]] die Bindungsaktivität von NFκ-B steigern. Von einigen Autoren wird auch spekuliert,
dass das intrazelluläre GSH/GSSG-Gleichgewicht großen Einfluss auf die diesbezügliche
Proteinsynthese haben könnte. So wird die Erniedrigung des intrazellulären GSH als
Regulationsmechanismus von NFκ-B diskutiert [[109]], ebenso als Mediator der proliferativen Effekte von H2O2 und O2*- [[110]].
Entstehung von sekundärem oxidativen Stress
Entstehung von sekundärem oxidativen Stress
Zell- und Gewebsläsionen führen, über verschiedene Mediatoren und Mechanismen, zur
Entstehung von ROS. Für die meisten Erkrankungen ist dabei die massive Genese von
ROS eher ein sekundäres als ein primäres Ereignis [[9]].
Aktivierte Phagozyten wie PMN, Monozyten und Makrophagen sezernieren O2*- [[111]]. Darüber hinaus synthetisieren aktivierte Neutrophile HOCI [[112]], das, wenn auch strukturell kein freies Radikal, doch vergleichsweise hohe Reaktivität
besitzt. Vieles deutet darauf hin, dass diese Leukozyten-Subpopulation ein wichtiger
Faktor in der Genese der Lungenfibrosierung und anderer pulmonaler Schädigungen ist
[[113], [114]].
Viele der Mechanismen, die bei der sekundären Genese von ROS von Bedeutung sind, hängen
eng mit dem Eisenstoffwechsel und anderen katalytisch wirksamen Metallen zusammen.
Unter physiologischen Bedingungen ist der bei weitem größte Anteil des Eisens an Transferrin
oder Ferritin gebunden. In Anwesenheit freien Eisens würde vorhandenes H2O2 unverzüglich in Hydroxylradikale umgewandelt werden [[10]]. Wird das physiologische Äquilibrium zu Gunsten der Oxidantien verschoben, steigt
bemerkenswerterweise der Anteil ungebundenen Eisens. In der Lunge, die, wie bereits
dargestellt, erheblichem oxidativen Stress ausgesetzt ist, konnten in der BALF beachtliche
Mengen an pro-oxidativ wirksamem Eisen nachgewiesen werden [[14]]. Dies erklärt sich unter anderem dadurch, dass Superoxidradikale imstande sind,
Eisen von Ferritin abzulösen [[115]]. Eisen, das unter Normalbedingungen in Lipidmembranen komplexgebunden ist, kann
bei Untergang dieser Zellen freigesetzt werden [[9]]. In Anwesenheit von Wasserstoffperoxid neigen hämhaltige Proteine wie Hämoglobin
und Myoglobin zu Strukturveränderungen mit Freisetzung von Eisen [[116]]. Bedenkt man die hohe Reaktionsbereitschaft der Hydroxylradikale, ist eine beträchtliche
Radikalbelastung allein aufgrund freien Eisens denkbar.
Lungenschädigungen durch Radio- und Chemotherapie imponieren oft als großflächige
Epithel-, Endothel- und Basalmembrandefekte mit diffusen Mikrohämorrhagien in den
terminalen Ventilationsräumen [[16]]. Freies Hämoglobin kann hierbei pro-oxidativ wirksam werden und somit dem weiteren
Struktur- und Funktionsverlust Vorschub leisten. In Wechselwirkungen mit endogenen
Antioxidantien (GSH, Askorbinsäure) kann Oxyhämoglobin in Methämoglobin umgewandelt
werden [[117]]. Letzteres ist imstande, mit H2O2 oder vorhandenen Lipidperoxiden Oxoferrylhämoglobin, seinerseits ein potentes Oxidans,
sowie OH* und Singulett-Sauerstoff hervorzubringen.
TNF und IL-1, die im Rahmen der entzündlichen Reaktion massiv sezerniert werden, können
mit endothelialen Zellen in Wechselwirkung treten und so die Expression oberflächlicher
Adhäsionsmoleküle fördern. So können auch PMN vor Ort vermehrt gebunden und prooxidativ
wirksam werden [[118]]. Darüber hinaus konnte kürzlich gezeigt werden, dass diese zwei Mediatoren eine
Reihe menschlicher Zellen, darunter Fibroblasten, zur forcierten Produktion von Superoxidradikalen
und Wasserstoffperoxid anregen können [[119]].
TNF hat außerdem die wichtige Eigenschaft, endotheliale Xanthindehydrogenasen (XD)
in Xanthinoxidasen (XO) zu überführen [[120]]. XO katalyisert die Reaktion von Xanthin zu Hypoxanthin (Abbauprodukte von ATP)
und weiter zu Harnsäure, wobei O2*- entsteht. Darum wird XO zuweilen auch als experimenteller Radikalbildner genutzt
[[89]]. Auch durch Wechselwirkungen zwischen Endothelien und stimulierten Neutrophilen
kann XD irreversibel und in beträchtlichem Ausmaß in XO umgewandelt werden [[121]]. Da die ATP-Level unter oxidativem Einfluss vermindert sind [[91]] und somit auch die Spiegel an Xanthin und Hypoxanthin herabgesetzt sein dürften,
bleibt die Bedeutung dieses Prozesses jedoch unklar.
Eine erhöhte Belastung mit freien Radikalen kann auch nach genomischen Veränderungen
und resultierendem Zelluntergang beobachtet werden. Im Rahmen des Zelltodes können
Mitochondrien ihre strukturelle Integrität verlieren und größere Mengen an Elektronen
verlieren, die sich mit Sauerstoff verbinden, um Superoxid-Radikale zu bilden [[122]].
Fibroblasten als Effektorzellen
Fibroblasten sind aktivierte mesenchymale Zellen, die maßgeblich an der Produktion
der extrazellulären Matrix (ECM) beteiligt sind. Von ihnen werden Strukturproteine
wie Kollagene sowie die nichtfibrillären Glykoproteine und Proteoglykane synthetisiert.
Der Aktivierung von Fibroblasten kommt daher entscheidende Bedeutung bei der Genese
fibrotischer Erkrankungen zu.
Fibroblasten stellen den zahlenmäßig größten zellulären Anteil im Lungeninterstitium
[[42]]. Obwohl auch Alveolarepithelien [[41]] und Endothelien [[123]] in der Lage sind, Bindegewebskomponenten zu synthetisieren, wird der größte Anteil
der Kollagen- und elastischen Fasern von Fibroblasten produziert. Dabei wird die Rate
der ECM-Synthese durch Botenstoffe wie TGF-β, bFGF, PDGF, IGF-1 sowie, in einigen
Fällen, IL-1 und TNF, moduliert [[13]].
Daneben zeichnen sich Fibroblasten auch selbst durch Sekretion von IL-1, IL-6, IL-8,
IL-11, TGF-α1 und PDGF aus und haben so eine wichtige Funktion als Immuneffektorzellen
[[124]]. In diesem Zusammenhang scheinen sie, in autokriner Art und Weise, wiederum promitogen
und prokollagen auf sich selbst wirken zu können.
Kürzlich konnte gezeigt werden, dass Fibroblasten Superoxidradikale generieren und
freisetzen [[89]]. Die Rate der ROS-Bildung wird dabei durch eine Reihe von Mediatoren (TGF-β1, TNF,
IL-1) noch gesteigert. Wie bereits erwähnt, sind moderate Konzentrationen an H2O2 und O2*- effektive Stimulatoren für das Wachstum von Fibroblasten [[89], [125]]. Auch in diesem Zusammenhang lässt sich ein effektiver, selbstverstärkender Mechanismus
vermuten.
Fibrose - Konsequenz der Pneumonitis?
Die Frage, ob eine Pneumonitis Voraussetzung für die Entwicklung einer Lungenfibrosierung
ist, wird seit jeher kontrovers diskutiert. Einige experimentelle Studien konnten
die Entstehung einer Lungenfibrose ohne eine ersichtliche vorausgegangene Pneumonitis
beschreiben [[71], [126]]. Andererseits existieren zahlreiche Untersuchungen, in denen eine ausgeprägte Pneumonitis
der Fibrose vorausging [[42], [71], [73], [127]]. Einige Autoren halten die Synthese von ECM hierbei für eine gewöhnliche Folge
des chronischen Entzündungsgeschehen [[31], [127]].
Pneumonitis und Fibrosierung als unerwünschte Wirkungen zytoreduktiver Therapie können
beide den Tumorpatienten erheblich gefährden. Sie weisen unterschiedliche Zeitfenster
und Inzidenzraten auf, wobei die Fibrose radiosensitiver ist [[128]]. Während die Pneumonitis eine relativ akute Folge der Lungenschädigung mit wahrscheinlicher
Remission unter einer Therapieoption mit Kortikosteroiden ist, stellt die Lungenfibrose
eine progressive und therapeutisch kaum zu beeinflussende Komplikation dar. Dabei
sind beide Zustände Folge eines beeindruckenden Zytokin-Networkings [[40]].
In dieser Arbeit konnten verschiedene Mechanismen und Ursachen der Fibrosierung beleuchtet
werden. So konnte nachgewiesen werden, dass die oxidative Belastung im Rahmen der
Entzündung stark ansteigt (oxidativer Burst der Phagozyten, zytokinvermittelte Steigerung
der zellulären ROS-Produktion, sekundäre ROS-Genese), und dass einige inflammatorische
Zytokine imstande sind, promitogen zu wirken und die Kollagensynthese zu steigern.
Für diesen Zusammenhang existieren eine Reihe experimenteller Belege [[113], [129], [130]]. Auch die charakteristische Reihenfolge von Pneumonitis und Fibrose lässt diese
Beobachtungen plausibel erscheinen.
Einige diskutierte Mechanismen verweisen jedoch auch auf die Möglichkeit der primären
ECM-Synthese, wobei eine entzündliche Reaktion als Epiphänomen auftritt, während durch
Lipidmembranschädigung entstandene Alkenale und Aldehyde direkt imstande sind, die
Kollagenexpression positiv zu beeinflussen. Auch der Influx von Leukozyten ist eine
Wirkung dieser Mediatoren. Darüber hinaus können Verschiebungen des oxido-reduktiven
Gleichgewichts direkt zur Aktivierung von Transkriptionsfaktoren mit nachfolgender
Synthesesteigerung von proinflammatorischen und kollageninduzierenden Botenstoffen
führen. Die Wertigkeit der einzelnen pathogenetischen Mechanismen ist unklar. Es kann
jedoch geschlossen werden, dass die Entzündung sowohl ein effektiver Trigger für eine
Fibrosierung als auch ein lediglich assoziiertes Phänomen ist.
Nahezu alle kernhaltigen Zellen sezernieren Zytokine und Wachstumsfaktoren. Diese
wiederum sind in der Lage, alle kernhaltigen Zellen zu beeinflussen. Zytokine steigern
die Zytokinfreisetzung. Oxidativer Stress induziert die Expression von Wachstumsfaktoren
und Zytokinen, während diese wiederum die oxidative Belastung steigern. In diesem
für den Beobachter kaum zu überschauenden Netzwerk gelingt es zur Zeit nur schwerlich,
Ursachen und Wirkungen zu trennen, da den meisten pathogenetischen Gliedern beiderlei
Bedeutung zukommt.
Schlussfolgerung
Die pulmonale Toxizität stellt eine wichtige und dosislimitierende Komplikation lokaler
und systemischer zytoreduktiver Therapien dar. Neben Erkenntnissen über die Mechanismen
der therapie-assoziierten Lungenschädigungen ermöglichen sensitive und spezifische
diagnostische Verfahren ein individuelles, dosisadaptiertes und damit dosisoptimiertes
Vorgehen. Hier kommt den Markern des pulmonalen oxidativen Stress eine vorrangige
Rolle zu.
Die quantitative wie qualitative Einschätzung und gezielte Beeinflussung der oxidativen
Belastung, z. B. durch systemische oder zukünftig möglicherweise auch topische Applikation
von Anti-Oxidantien, könnte die Prognose der Patienten sowohl unter kurativen als
auch unter palliativen multimodalen Therapieschemata verbessern.