Zusammenfassung
Zusammenfassung
Die initiale antimikrobielle Therapie der nosokomialen Pneumonie erfolgt kalkuliert
anhand einer Zuordnung des Patienten zu einer definierten Risikogruppe mit charakteristischem
Erregerspektrum. Grundkriterien der Risikoeinschätzung umfassen: 1) Spontanatmung
versus Beatmung; 2) Zeitpunkt des Auftretens (früh versus spät erworbene Pneumonie);
3) zusätzliche Risikofaktoren (Dauer der vorbestehenden antimikrobiellen Therapie;
ZNS-Trauma oder Koma, strukturelle pulmonale Komorbidität, iatrogene Immunsuppression,
gesicherte Aspiration). Während früh einsetzende Pneumonien mit Aminopenicillin/β-Laktamase-Hemmer
oder Cephalosporinen der 2. Generation ausreichend behandelt sind, ergibt sich für
spät einsetzende Pneumonien die Notwendigkeit einer breiteren Kombinationstherapie
aus Antipseudomonas-Penicillin oder -Cephalosporin oder Carbapenem plus Ciprofloxacin
oder Aminoglykosid. Bei spontan atmenden Patienten mit spät einsetzender und leichter
bis mittelschwerer Pneumonie ist eine Monotherapie mit einem Chinolon oder einem Cephalosporin
der 3. Generation ausreichend. Im Falle des Vorliegens einer der definierten Risikofaktoren
wird die antimikrobielle Therapie entsprechend des zu erwartenden Erregerspektrums
modifiziert. Eine adäquate Dosierung entsprechend Körpergewicht und Nierenfunktion
(sowie bei isoliertem mutmaßlichen Erreger entsprechend MHC) ist für den Therapieerfolg
essenziell. Strategien zur Limitierung der Selektion von multiresistenten Keimen umfassen
den zurückhaltenden und gezielten Einsatz antimikrobieller Substanzen auf der Intensivstation
sowie Konzepte eines zyklischen Einsatzes verschiedener Regime mit differenten Wirkspektren.
In der Prävention der nosokomialen Pneumonie sind folgende Maßnahmen wissenschaftlich
gesichert und werden generell empfohlen: 1) Händedesinfektion und besondere Hygiene
einschließlich Strategien zur Isolation von Patienten; 2) Oberkörperhochlagerung;
3) Beatmungssystemwechsel einmal pro Woche; 4) Vermeidung von Relaxantien. Für die
orotracheale anstelle der nasotrachealen Intubation sprechen empirische Daten und
theoretische Überlegungen.
Einleitung
Einleitung
Die wissenschaftliche Grundlage für Empfehlungen zur initialen kalkulierten antimikrobiellen
Therapie der nosokomialen Pneumonie ist schmal. Es liegen nur wenige empirische Daten
zum Vergleich verschiedener antimikrobieller Therapieregime und zur Differenzialindikation
in unterschiedlichen klinischen Situationen vor. Der Einsatzbereich einer Monotherapie
versus Kombinationstherapie ist ebenso nur ungenügend abgesichert wie die Frage der
optimalen Kombinationspartner.
Allerdings herrscht in der Praxis eine weitgehende Übereinstimmung im Hinblick auf
die Indikation und Gestaltung der antimikrobiellen Therapiestrategien vor, so dass
regionale Unterschiede im wesentlichen auf beobachteten Unterschieden in der Erregerepidemiologie
und dem differierenden Resistenzmuster von Erregern gegenüber antimikrobiellen Substanzen
beruhen.
Bisherige Empfehlungen zur Therapie der nosokomialen Pneumonie haben somit im wesentlichen
Expertenmeinungen zur Grundlage. Auch die hier vorgestellten Empfehlungen beruhen
zu einem erheblichen Teil auf theoretischen Überlegungen und klinischer Erfahrung.
Dessen ungeachtet soll der Versuch gemacht werden, durch Bezug auf die wenigen, strengen
wissenschaftlichen Maßstäben standhaltenden Studien die Grundlage dieser Empfehlungen
so objektiv wie möglich zu halten.
Da viele Maßnahmen in der Prophylaxe der nosokomialen Pneumonie ebenfalls nicht gesichert
sind, werden in den vorliegenden Empfehlungen in Anlehnung an diejenigen der Centers
for Disease Control (CDC) die jeweiligen Maßnahmen nach dem Grad ihrer wissenschaftlichen
Absicherung gewichtet, so dass erkennbar wird, welche Maßnahmen gesichert und welche
noch Gegenstand zukünftiger wissenschaftlicher Untersuchungen sind.
Keimspektrum und prognostische Faktoren
Keimspektrum und prognostische Faktoren
Das Keimspektrum der nosokomialen Pneumonie ist breit. Häufigste Erreger sind grampositive
Keime (Streptococcus pneumoniae, oxacillin-sensible Staphylococcus aureus), Haemophilus
influenzae, gramnegative Enterobacteriacae (am häufigsten Escherichia coli, Klebsiella
spp., Enterobacter spp., Serratia spp., Proteus spp.) sowie potentiell multiresistente
grampositive und gramnegative Keime (methicillin- bzw. oxacillin-resistente Staphylococcus
aureus (MRSA), Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter spp., Stenotrophomonas spp.)
[[1 ]].
Unter einer Therapie mit Cephalosporinen und Chinolonen kann es zur Selektion von
Enterococcus spp. kommen. Enterococcus spp. sind nach jetziger Datenlage keine Pneumonie-Erreger
und bedürfen daher keiner entsprechenden Therapie. Ebenso kommt es unter antimikrobieller
Therapie häufig zur tracheobronchialen Kolonisation mit Candida spp., diese stellen
jedoch auch nur im Ausnahmefall Pneumonie-Erreger dar.
Der prozentuale Anteil der einzelnen Erreger variiert von Krankenhaus zu Krankenhaus
(bzw. zwischen den entsprechenden Intensivstationen). Diese Variationen reflektieren
in der Regel das jeweilige Patientengut bzw. die zurückliegenden antimikrobiellen
Therapiestrategien.
Die Letalität von Patienten mit nosokomialer Pneumonie liegt bei 30 - 50 %. Eine Reihe
von prognostischen Faktoren ist gesichert. Diese umfassen: höheres Lebensalter, schwere
Grunderkrankung, beidseitige Infiltrate, Dauer der Intubation und Beatmung, Organversagen
und Vorliegen eines septischen Schocks [[2 ]
[3 ]
[4 ]
[5 ]
[6 ]
[7 ]]. Darüber hinaus sind Infektionen mit potenziell multiresistenten Keimen wie Pseudomonas
aeruginosa und Acinetobacter spp. sowie MRSA unabhängig mit einem ungünstigen Ausgang
assoziiert [[5 ], [8 ], [9 ]].
Grundkonzept der kalkulierten antimikrobiellen Therapie
Grundkonzept der kalkulierten antimikrobiellen Therapie
Die Prognose einer nosokomialen Pneumonie kann durch eine adäquate antimikrobielle
Therapie verbessert werden [[2 ], [3 ]]. Andererseits muss die initiale antimikrobielle Therapie praktisch immer in Unkenntnis
der zugrundeliegenden Erreger angesetzt werden. Zur Definition adäquater kalkulierter
antimikrobieller Therapieregime ist die Klassifikation der Patienten anhand der wesentlichen
Risikofaktoren für bestimmte Erregerspektren von grundlegender Bedeutung (Abb. [1 ]).
Grundkriterien für die kalkulierte antimikrobielle Therapie
Die zwei grundlegenden Determinanten für bestimmte Erregerspektren umfassen:
Pneumonie des spontan atmenden oder des intubierten Patienten [[10 ]]; Die Unterschiede zwischen diesen beiden Patientengruppen sind nicht gut untersucht;
andererseits sprechen die vorliegenden Daten dafür, dass bei spontan atmenden Patienten
weniger häufig multiresistente Keime eine Rolle spielen, vielmehr gramnegative Enterobacteriaceae
(GNEB) zusammen mit Staphylococcus aureus und Streptococcus pneumoniae führend sind.
Zeitpunkt der Entstehung der Pneumonie (früh versus spät) [[11 ]
[12 ]
[13 ]
[14 ]]; Das Keimspektrum der früh auftretenden Pneumonie (bis zum 4. Tag nach stationärer
Aufnahme) entspricht weitgehend dem der endogenen Flora der oberen Luftwege, die bereits
vor der Hospitalisation den Respirationstrakt des Patienten besiedelt hat, also Streptococcus
pneumoniae, sensible Staphylococcus aureus und Haemophilus influenzae. Weniger häufig
finden sich auch (meist sensible) gramnegative Enterobacteriaceae (GNEB). Bei der
spät auftretenden Pneumonie (≥ 5 Tage nach stationärer Aufnahme) müssen die typischen
nosokomialen Keime wie gramnegative Enterobacteriaceae (am häufigsten Escherichia
coli, Klebsiella spp., Enterobacter spp. Serratia spp., Proteus spp.) sowie potenziell
multiresistente grampositive und gramnegative Keime (MRSA, Pseudomonas aeruginosa,
Acinetobacter spp., Stenotrophomonas spp.) in Betracht gezogen werden. Die Empfehlungen
der ATS führen demgegenüber neben den Kriterien der früh/spät auftretenden Pneumonie
als zweites Kriterium den Schweregrad einer Pneumonie als Determinante auf [[15 ]]. Dabei werden schwere Pneumonien definiert als Vorliegen von Kriterien der akuten
respiratorischen Insuffizienz, der hämodynamischen Instabilität sowie der radiologischen
Pneumonie-Ausbreitung, aber auch einfach die Notwendigkeit der Aufnahme auf der Intensivstation.
Das Kriterium des Schweregrads führt jedoch gegenüber den anderen beiden Kriterien
keine wesentliche Differenzierung hinzu. Früh auftretende Pneumonien werden nach diesen
Empfehlungen auch dann, wenn sie bei Patienten auf der Intensivstation entstehen (also
schwergradig sind), wie leicht- bis mittelschwere Pneumonien behandelt, andererseits
entstehen spät auftretende Pneumonien mehrheitlich bei Patienten auf der Intensivstation
(sind also definitionsgemäß schwergradig) sowie bei Patienten mit langdauernder antimikrobieller
Therapie. Die Aufnahme auf der Intensivstation diskriminiert wahrscheinlich weniger
gut das zu erwartende Keimspektrum als das Vorliegen einer Intubation und Beatmung.
Weitere gesicherte Risikofaktoren, die im Einzelfall das grundlegende Erregerspektrum
modifizieren können, umfassen:a) Dauer einer vorbestehenden antimikrobiellen Therapie
in beliebiger Indikation (> 3 - 7 Tage) [[14 ], [16 ]
[17 ]
[18 ]]. Bei langdauernder antimikrobieller Vorbehandlung ist vor allem mit potenziell
multiresistenten grampositiven und gramnegativen Keimen (MRSA, Pseudomonas aeruginosa,
Acinetobacter spp., Stenotrophomonas spp.) zu rechnen.b) ein ZNS-Trauma oder Koma
(häufiges Vorkommen von Staphylococcus aureus, aber auch Haemophilus influenzae und
Streptococcus pneumoniae; hier ist je nach Kleinraum-Epidemiologie auch an oxacillin-resistente
Staphylococcus aureus-Stämme zu denken) [[13 ], [14 ], [19 ]].c) eine struktuelle pulmonale Komorbidität, insbesonders fortgeschrittene COPD
und Bronchiektasien (ein starker Risikofaktor für das Vorliegen von Pseudomonas aeruginosa)
[[20 ]],d) eine iatrogene Immunsuppression durch Kortikosteroide (hier sind Aspergillus
spp. [[21 ]] sowie Legionella spp. [[22 ]] zusätzlich in Betracht zu ziehen), sowiee) eine gesicherte Aspiration (meist aerob/anaerobe
Mischflora mit überwiegend gramnegativen Keimen) [[23 ]].
Die Kriterien für eine kalkulierte antimikrobielle Therapie und ihre Rationale finden
sich in Tab. [1 ] zusammengefasst.
Entsprechend diesen Kriterien lassen sich vier unterschiedliche Patientenpopulationen
definieren, d. h. Patienten mit:
Pneumonie, spontan atmend, früh einsetzend
Pneumonie, spontan atmend, spät einsetzend
Pneumonie, intubiert, beatmet, früh einsetzend
Pneumonie, intubiert, beatmet, spät einsetzend.
In allen Gruppen ist die antimikrobielle Therapie bei vorliegenden Risikofaktoren
zu modifizieren.
Zusätzlich zu diesen zentralen Kriterien sind bei der konkreten Auswahl der antimikrobiellen
Substanzen folgende Einflussgrößen zu beachten: möglicher Effekt einer Kombinationstherapie,
adäquate Dosierung, pharmakodynamische Gesichtspunkte, Penetration ins Lungengewebe
sowie kliniksspezifische Kleinraum-Epidemiologie nosokomialer respiratorischer Infektionen.
Tab. 1 Grundkriterien für eine kalkulierte antimikrobielle Therapie und ihre Rationale
Kriterien
Rationale
Grundkriterien
spontan atmend oder beatmet
spontan atmend: geringes Risiko resistenter Erreger beatmet: Risiko abhängig vom Zeitpunkt
der Entstehung
Zeitpunkt der Entstehung
früh (bis zum 4. Tage): ambulant erworbene Keime und/oder unkomplizierte (gramnegative)
nosokomiale Keime spät (ab 5. Tag): zusätzlich potenziell multiresistente Keime
modifizierende Risikofaktoren
vorbestehende antimikrobielle Therapie > 3 - 7 Tage
unkomplizierte (gramnegative) nosokomiale Keime und/oder potenziell multiresistente
Keime
ZNS-Trauma oder Koma
Staphylococcus aureus, Haemophilus influenzae, Streptococcus pneumoniae
fortgeschrittene COPD und Bronchiektasien
Pseudomonas aeruginosa
iatrogene Immunsuppression durch Steroide
Aspergillus spp. Legionella spp.
Aspiration
aerob/anaerobe (gramnegative) Mischflora
Mono- versus Kombinationstherapie
Patienten mit früh einsetzender Pneumonie ohne Risikofaktoren können unabhängig vom
Schweregrad der Pneumonie mit einer Monotherapie behandelt werden, da nicht mit potenziell
resistenten Erregern gerechnet werden muss. Dagegen muss bei Patienten mit spät einsetzender
Pneumonie, die ein erhöhtes Risiko für das Vorliegen von multiresistenten Erregern
aufweisen, eine Kombinationstherapie erwogen werden. Die Überlegenheit der Kombinationstherapie
bei Pneumonien mit multiresistenten Erregern sowohl hinsichtlich des Überlebens, der
Erreger-Eradikation als auch der Resistenzentwicklung unter Therapie (vor allem gegenüber
Pseudomonas spp.) ist jedoch nicht gesichert. Zumindest zwei Substanzen wurden als
gleichwertig gegenüber einer Kombinationstherapie gefunden: Imipenem gegenüber Imipenem/Netilmycin
[[24 ]], Ceftazidim gegenüber Ceftriaxon/Tobramycin [[25 ]]. Eine Studie fand sogar eine Überlegenheit der Monotherapie mit Meropenem gegenüber
Ceftazidim/Tobramycin [[26 ]]. Für eine Kombinationstherapie spricht dennoch ein Synergismus (verbesserte Bakterizidie)
zweier antimikrobieller Substanzen. Ein solcher Synergismus ist beschrieben für Penicilline/Cephalosporine
und Aminoglykoside, nicht jedoch für Aminoglykoside und Chinolone.
In der Kombinationstherapie sind zwei Strategien denkbar:
Eskalations-Strategie Bei dieser wird mit einer Monotherapie begonnen und erst für
den Fall des Nachweises eines multiresistenten Erregers eine Kombinationstherapie
eingesetzt.
Deeskalations-Strategie Diese ist umgekehrt charakterisiert durch den Beginn mit einer
Kombinationstherapie, die bei Nachweis eines nicht multiresistenten Erregers auf eine
Monotherapie reduziert wird.
Für die Eskalations-Strategie spricht, dass der Großteil der Erreger durch eine einfache,
kostengünstigere Therapie behandelt werden kann, ohne eine Selektion von Resistenzen
durch „Übertherapie” zu riskieren. Außerdem ist es praktisch einfacher, eine Therapie
zu erweitern als eine Kombinationstherapie zu reduzieren. Andererseits zeigt eine
Studie, dass eine primär inadäquate antimikrobielle Therapie auch nach Korrektur nicht
mehr die Ergebnisse einer primär adäquaten antimikrobiellen Therapie erreichen kann
[[27 ]]. Die Wahl der Strategie hängt somit von der Prävalenz multiresistenter Erreger
im jeweiligen Setting (Station/Krankenhaus/Risikokonstellation) ab. Ist diese niedrig
(z. B. < 10 %), kann die erstgenannte Strategie zum Einsatz kommen, da ein niedriges
Risiko für ein Therapieversagen besteht. Ist diese hoch (z. B. ≥ 10 %) oder unbekannt,
oder bestehen Hinweise auf ein gehäuftes Therapieversagen, sollte der Deeskalation
der Vorzug gegeben werden.
Adäquate Dosierung
Adäquate Dosierung ist eine wesentliche Voraussetzung einer erfolgreichen Therapie,
suboptimale Dosierungen stellen einen Hauptfaktor der Resistenzentwicklung unter antimikrobieller
Therapie dar [[28 ]]. Solange der Erreger nicht identifiziert ist, sind hohe Dosierungen anzusetzen.
Im Falle einer Erregeridentifikation ergibt sich die korrekte Dosierung aus der Berücksichtigung
der renalen Ausscheidungsfunktion sowie den MHK-Werten entsprechend Resistogramm [[28 ]].
Pharmakodynamik
Die pharmakodynamischen Besonderheiten bestimmter Substanzen sind zu berücksichtigen.
Es gelten die folgenden Zusammenhänge [[29 ]]:
Antimikrobielle Substanzen mit Bakterizidie oberhalb der MHK, jedoch ohne nennenswerten
postantibiotischen Effekt (PAE): Bei diesen Substanzen sind häufigere, feste Dosierungsintervalle
einzuhalten, um die Konzentrationen permanent oberhalb der MHK zu halten. Zu diesen
gehören: Penicilline, Cephalosporine, Aztreonam
Antimikrobielle Substanzen mit konzentrationsabhängiger Bakterizidie und ausgeprägtem
PAE: Hier sind hohe Spitzenkonzentrationen von Bedeutung. Die Dosierungsintervalle
können verlängert werden. Hierzu zählen: Aminoglykoside und Chinolone.
Antimikrobielle Subtanzen mit Bakterizidie oberhalb der MHK, jedoch mit postantibiotischem
Effekt (PAE): Hier sind die Dosierungsintervalle weniger kritisch. Zu diesen gehören:
Carbapeneme und Vancomycin.
Penetration ins Lungengewebe
Ein weiterer Aspekt, der bei der Auswahl der antimikrobiellen Therapie beachtet werden
muss, ist die Penetration ins Lungengewebe. In dieser Hinsicht sind Aminoglykoside
keine idealen Substanzen, da ihre Penetration lediglich 30 - 40 % der Serumkonzentration
erreicht. Auch β-Lakatame weisen eine Penetration von < 50 % auf. Die besten Konzentrationen
im Lungengewebe werden mit Chinolonen erzielt (über 100 % der Serumkonzentration).
Kliniksspezifische Kleinraumepidemiologie nosokomialer respiratorischer Infektionen
Die konkrete Auswahl der antimikrobiellen Substanzen erfolgt im Idealfall anhand der
Keim- und Resistenzspektren der eigenen Klinik.
Resistenzsituation in Deutschland
Resistenzsituation in Deutschland
Streptococcus pneumoniae, Staphylococcus aureus sowie Haemophilus influenzae bieten
derzeit in Deutschland keine Resistenzprobleme gegenüber den üblicherweise bei dieser
Indikation eingesetzten Breitspektrum-Penicillinen und -Cephalosporinen. Die Rate
der penicillinresistenten Streptococcus pneumoniae-Stämme liegt unter 5 % und hochresistente
Stämme sind sehr selten [[30 ]]. Auch die weltweit steigende Resistenz von Haemophilus influenzae gegenüber Ampicillin
spielt bei uns bislang keine Rolle. Bei der Therapieentscheidung zu berücksichtigen
sind dagegen Erregeresistenzen, die schwerpunktmäßig in Krankenhäusern der Maximalversorgung
bei spät auftretender Pneumonie und/oder langdauernder antimikrobieller Therapie gefunden
werden. Hierzu gehören MRSA, Enterobacteriaceae der Klebsiella/Enterobacter-Gruppe
mit extended spectrum - Beta-Laktamasen (ESBL) und einige Nonfermenter wie Pseudomonas
aeruginosa und Acinetobacter spp.
MRSA
Während die Rate der Oxacillin-Resistenz von Staphylococcus aureus in den USA sowie
einigen west- und südeuropäischen Staaten bei steigender Tendenz 20 - 50 % erreicht,
beträgt sie in Deutschland im Mittel 2 - 12 % [[31 ]], wobei erhebliche Schwankungen in Abhängigkeit von lokalen Kleinepidemien zu berücksichtigen
sind. Eine ungezielte Therapie mit Glykopeptiden ist daher bei Verdacht auf Infektionen
durch Staphylococcus aureus nicht erforderlich und wegen der damit verbundenen Selektionsgefahr
auch nicht sinnvoll. Stattdessen sind die rechtzeitige Identifizierung von MRSA-Fällen
und die prompte Einleitung krankenhaushygienischer Maßnahmen vordringlich, die bei
konsequenter Durchführung die Ausbreitung der resistenten Stämme verhindern.
Klebsiella/Enterobacter spp. - mit ESBL
Weltweit wird über eine Zunahme nosokomialer Infektionen mit diesen Erregern berichtet,
die resistent gegenüber Cephalosporinen der 3. Generation und einer Reihe weiterer
Breitband-Antibiotika sind [[32 ]]. Zur epidemiologischen Situation in Deutschland liegen bislang wenig Daten vor.
Multizentrische Studien der Paul-Ehrlich-Gesellschaft, die Isolate verschiedener Provenienz
untersuchten, zeigen im Zeitraum von 1990 bis 1995 keinen nennenswerten Anstieg der
Resistenz dieser Erregergruppe gegenüber Cephalosporinen der 3. Generation und Chinolonen.
Pseudomonas aeruginosa
Pseudomonas-Infektionen stellen wegen des im Einzelfall schwer kalkulierbaren Resistenzverhaltens
der Erreger gegenüber den meisten Breitspektrum-Antibiotika eine Herausforderung für
den Kliniker dar. Die in zahlreichen Studien gezeigte prognostische Bedeutung einer
inadäquaten initialen antimikrobiellen Therapie der nosokomialen Pneumonie geht zu
einem erheblichen Teil zu Lasten dieses Erregers. Primäre Resistenz liegt regional
unterschiedlich in etwa 10 - 15 % gegenüber pseudomonaswirksamen Penicillinen und
Cephalosporinen, Carbapenemen und Chinolonen vor [[31 ], [33 ]]. Bei der Auswahl der empirischen Therapie ist daher die Resistenzsituation in der
eigenen Institution zu berücksichtigen, die in Abhängigkeit von der Zusammensetzung
des Patientenkollektivs und lokaler Eigenheiten der antimikrobiellen Therapie große
Unterschiede gegenüber veröffentlichten Daten aufweisen kann. Ein zweites Problem
stellt die Gefahr der Resistenzentwicklung unter Therapie („sekundäre Resistenz”)
dar. Diese tritt bevorzugt unter Monotherapie oder inadäquat wirksamer bzw. dosierter
Kombinationstherapie auf. In einer Studie zur Monotherapie schwerer Pneumonien mit
Ciprofloxacin versus Imipenem lag die Rate von Isolaten von Pseudomonas aeruginosa
mit sekundärer Resistenz in der Imipenem-Gruppe bei 50 % [[34 ]]. Diese Resistenzentwicklung ist meist nach der ersten Behandlungswoche zu beobachten.
Acinetobacter spp.
Im Gegensatz zu Enterobakterien werden diese Erreger in der Regel exogen übertragen.
In einer spanischen Studie wurde Acinetobacter spp. in 8 % der (überwiegend spät entstandenen)
beatmungsassoziierten Pneumonien isoliert. Zwei Drittel der Patienten starben und
in einem Viertel der Fälle lagen polymikrobielle Infektionen vor [[35 ]]. Praktisch bedeutsam ist die geringe Empfindlichkeit des Erregers gegenüber gängigen
Breitspektrum-Penicillinen und -Cephalosporinen, so dass die initiale Therapie mit
einem Carbapenem oder Chinolon erfolgen sollte. Gegenüber diesen letzteren Substanzen
ist nach einer deutschen Studie, die positive Blutkulturen untersucht hat, mit Sensibilitätsraten
von 80 - 85 % zu rechnen [[33 ]].
Stenotrophomonas maltophilia
Dieser Erreger wird meist im Rahmen von Superinfektionen bei multimorbiden Patienten
gefunden, die mit gegenüber diesen Erregern nicht wirksamen Antibiotika vorbehandelt
wurden. Die Inzidenz dieser Infektion bei nosokomialer Pneumonie liegt in den meisten
Studien unter 3 %, eine höhere Inzidenz kann als Hinweis auf eine inadäquate antimikrobielle
Therapiestrategie bewertet werden. Die Therapie erfolgt gezielt mit Cotrimoxazol,
häufig sind auch Chinolone und Aminoglykoside wirksam.
Strategien zur Limitierung von Infektionen durch multiresistente Keime
Strategien zur Limitierung von Infektionen durch multiresistente Keime
Diese umfassen zwei zentrale Punkte:
Die wichtigste Maßnahme zur Verhinderung der Zunahme von Pneumonien mit multiresistenten
Keimen stellt der rationale Einsatz antimikrobieller Substanzen auf der Intensivstation
dar. Strategien zur Umsetzung derartiger Konzepte umfassen den Einsatz definitiver
diagnostischer Verfahren [[36 ]], die Etablierung und kontinuierliche Aktualisierung verbindlicher Richtlinien zur
antimikrobiellen Therapie durch professionelle Berater oder interdisziplinäre Kommissionen
sowie den Verzicht auf nicht indizierte oder prolongierte Antibiotika-Prophylaxen
im perioperativen Bereich. Eine kurzzeitige antimikrobielle Therapie reduziert zwar
das Risiko einer früh auftretenden Pneumonie, erhöht jedoch andererseits das Risiko
für eine Kolonisation und die Entwicklung einer spät auftretenden Pneumonie mit gramnegativen
Enterobacteriaceae und potentiell multiresistenten Keimen [[14 ]]. Der Zusammenhang zwischen einer langdauernden antimikrobiellen Therapie und der
Selektion resistenter Erreger der nosokomialen Pneumonie ist durch zahlreiche Studien
belegt [[5 ], [16 ], [18 ]].
Neuere Studien weisen zudem darauf hin, dass die einseitige Anwendung starrer antimikrobieller
Therapieregime auf der Intensivstation mit einem hohen Risiko der Selektion multiresistenter
Erreger einhergeht und dass Konzepte eines zyklischen Einsatzes alternativer Regime
mit differenten Wirkspektren („crop rotation”) dieses Risiko vermindern [[37 ]]. Insgesamt bestätigen diese Daten den Wert einer differenzierten, dem individuellen
Risiko angepassten antimikrobiellen Therapie, welche die heute zur Verfügung stehenden
Subtanzgruppen (Breitspektrum-Penicilline, Cephalosporine, Carbapeneme, Chinolone)
möglichst gleichmäßig zum Einsatz bringt.
Initiale kalkulierte Therapie der nosokomialen Pneumonie des spontan atmenden Patienten
ohne Risikofaktoren
Initiale kalkulierte Therapie der nosokomialen Pneumonie des spontan atmenden Patienten
ohne Risikofaktoren
Zum Keimspektrum in dieser Gruppe gibt es nur wenige Untersuchungen. Eine großangelegte
Studie zeigt, dass multiresistente Keime weniger häufig zu erwarten sind [[10 ]]. Bei spät einsetzender Pneumonie überwiegen gramnegative Enterobacteriaceae. Kontrollierte
Studien zur antimikrobiellen Therapie dieser Patientengruppe liegen nicht vor.
Substanzauswahl
Bei der früh einsetzenden Pneumonie ist ein Aminopenicillin plus β-Laktamase-Hemmer
oder ein Cephalosporin der 2. Generation als Monotherapie ausreichend. Bei der spät
einsetzenden Pneumonie ist ein Chinolon der 2. Generation (Ciprofloxacin) oder der
3. Generation (Levofloxacin) oder ein nicht-Pseudomonas wirksames Cephalosporin der
3. Generation zu bevorzugen (siehe Tab. [2 ]). Zu den neueren Chinolonen liegen in dieser Indikation allerdings noch kaum vergleichende
Untersuchungen vor.
Eine Sonderstellung nehmen wahrscheinlich spontan atmende Patienten ein, die eine
spät einsetzende Pneumonie mit schwerer respiratorischer Insuffizienz oder schwerer
Sepsis und Hypotension aufweisen. Diese werden im Verlauf in der Mehrzahl beatmungspflichtig.
In diesen Fällen sollte, da mit bakteriämischen Verläufen zu rechnen ist, wie bei
einer spät einsetzenden Pneumonie des beatmeten Patienten behandelt werden.
Bei Vorliegen von Risikofaktoren ist die Therapie entsprechend zu modifizieren (siehe
unten).
Tab. 2 Antimikrobielle Substanzen und Dosierung zur Therapie der nosokomialen Pneumonie des
spontan atmenden Patienten sowie der früh einsetzenden Pneumonie des beatmeten Patienten
ohne Risikofaktoren
Substanz
Handelsname
Dosierung i. v. (Normaldosis)
Leitkeime
Aminopenicillin + β-Laktamase-Hemmer
Amoxicillin + Clavulan-säure
Augmentan
3 × 1,2 - 2,2 g
Sa, Sp, H, GNEB
Ampicillin + Sulbactam
Unacid
3 × 1,5 - 3 g
Sa, Sp, H, GNEB
Cephalosporine der 2. Generation
Cefuroxim
Zinacef Cefuroxim Lilly
3 × 1,5 g
Sa, Sp, H, GNEB
Cefamandol
Mandokef
3 × 2 g
Sa, Sp, H, GNEB
Cefotiam
Spizef
3 × 2 g
Sa, Sp, H, GNEB
Chinolon der 2. Generation
Ciprofloxacin
Ciprobay
2 × 200 - 400 g
GNEB
Chinolon der 3. Generation
Levofloxacin
Tavanic
1 × 500 mg
Sp, GNEB
Nicht-Pseudomonas wirksame Cephalosporine der 3. Generation
Cefataxim
Claforan
3 × 2 g
GNEB
Ceftriaxon
Rocephin
1 × 1 - 2 g
GNEB
Cefmenoxim
Tacef
3 × 2 g
GNEB
Ceftizoxim
Ceftix
3 × 2 g
GNEB
Sa = oxacillin-sensible Staphylococcus aureus; Sp = Streptococcus pneumoniae; H =
Haemophilus influenzae; GNEB = Gramnegative Enterobacteriaceae
Praktische Durchführung
Die antimikrobielle Therapie ist parenteral zu beginnen und kann nach klinischer Besserung
frühestens nach drei Tagen in eine orale Therapie umgewandelt werden. Eine Ausnahme
stellen Chinolone dar, die bei kooperativen Patienten, funktionierendem gastrointestinalen
Transport und guter Resorption von Anfang an oral verabreicht werden können. Die Behandlungsdauer
beträgt 6 - 10 Tage.
Initiale kalkulierte Therapie der früh einsetzenden nosokomialen Pneumonie des beatmeten
Patienten ohne Risikofaktoren
Initiale kalkulierte Therapie der früh einsetzenden nosokomialen Pneumonie des beatmeten
Patienten ohne Risikofaktoren
Entsprechend dem Keimspektrum ist ein Aminopenicillin plus β-Laktamasehemmer oder
ein Cephalosporin der 2. Generation adäquat. Bei Allergie auf β-Laktame sind Chinolone
angemessen.
Substanzauswahl
Die infrage kommenden Substanzen entsprechen denjenigen des spontan atmenden Patienten
mit Pneumonie ohne Risikofaktoren (Tab. [2 ]). Bei Vorliegen von Risikofaktoren ist die Therapie entsprechend zu modifizieren.
Praktische Durchführung
Die Behandlungsdauer entspricht derjenigen der Monotherapie des spontan atmenden Patienten
mit Pneumonie ohne Risikofaktoren.
Initiale kalkulierte Therapie der spät einsetzenden nosokomialen Pneumonie des beatmeten
Patienten ohne Risikofaktoren
Initiale kalkulierte Therapie der spät einsetzenden nosokomialen Pneumonie des beatmeten
Patienten ohne Risikofaktoren
Das Grundprinzip der antimikrobiellen Therapie der spät einsetzenden nosokomialen
Pneumonie des beatmeten Patienten beruht auf der Annahme besonders pathogener und/oder
besonders resistenter Erreger. Als initialer Therapieansatz ist daher ein Regime zu
wählen, das die entsprechenden Erreger mit größter Wahrscheinlichkeit erfasst. Dies
ist nur in Ausnahmefällen und nur bei Hochdosisapplikation mit einer Monotherapie
möglich. Kombinationstherapien sind daher die Regel.
Substanzauswahl
Die für eine Kombinationstherapie infrage kommenden Substanzen sind in Tab. [3 ] zusammengefasst. Die angegebenen Erreger sollen dabei nur eine Orientierung für
die kalkulierte Therapie liefern. Es sind hohe Dosierungen gewählt, die unter besonderen
Umständen verringert oder (seltener) auch noch gesteigert werden können. Diese Entscheidungen
hängen von der individuellen klinischen Situation ab.
Die initial verwendeten Kombinationen können aus einem Aminoglykosid (in einmal täglicher
Dosierung) oder Ciprofloxacin und einem Vertreter der folgenden Substanzgruppen bestehen:
Antipseudomonas-Penicillin, Antipseudomonas-Cephalosporin oder Carbapenem. Der Einsatz
von Carbapenemen in der Initialtherapie ist jedoch nicht unumstritten, da es sich
bei diesen Substanzen um wertvolle Reservesubstanzen handelt, die bei ungerechtfertigt
häufigem Einsatz die Resistenzsituation verschärfen können und unter Umständen zur
Selektion hochresistenter gramnegativer Erreger führen können.
Unter einer Monotherapie entwickeln sich Resistenzen insbesonders gegenüber Pseudomonas
aeruginosa. Ob diese Rate durch eine Kombinationstherapie gesenkt werden kann, ist
nicht gesichert. Die gängige Praxis einer Kombinationstherapie beruht im Wesentlichen
auf einer Studie, die Mono- und Kombinationstherapie von bakteriämischen Pneumonien
durch Pseudomonas aeruginosa verglichen und einen deutlichen Vorteil für die Kombinationstherapie
gefunden hat (Letalität 35 % bei Kombinationstherapie und 88 % für Monotherapie) [[38 ]]. Zwei nachfolgende Studien haben keinen Unterschied zwischen einer Mono- und einer
Kombinationstherapie (Imipenem versus Imipenem/Netilmicin und Ceftazidim versus Ceftriaxon/Tobramycin)
in der Rate der Resistenzentwicklung belegen können [[24 ], [25 ]]. Zwei weitere Arbeiten, die Monotherapien verglichen haben, fanden keinen Unterschied
zwischen Ciprofloxacin (3 × 400 mg) und Imipenem-Cilastatin (3 × 1 g) [[34 ]] und eine Überlegenheit von Piperacillin-Tazobactam (3 × 4,5 g) gegenüber Imipenem-Cilastatin
(3 × 0,5 g) [[39 ]]. Alle diese Ergebnisse sind jedoch nicht umstandslos als Beleg für eine Gleichwertigkeit
der Monotherapie zu interpretieren, weil die Abhängigkeit des Erfolgs des jeweiligen
Regimes von Dosierung und Resistenzspektrum der Keime verallgemeinernde Schlüsse nicht
zulässt. Es wird daher hier an der Kombinationstherapie festgehalten.
Die gebräuchlichste Kombination zur Therapie einer Pseudomonas aeruginosa-Infektion
ist die Kombination eines entsprechend wirksamen Betalaktam-Antibiotikums mit einem
Aminoglykosid, da diese Kombination vermutlich auch in vivo einen Synergismus aufweist.
Eine Alternative kann die Kombination eines Antipseudomonas-Betalaktams mit Ciprofloxacin
darstellen, da Ciprofloxacin sehr hohe Konzentrationen im Lungengewebe erreicht und
ein anderes Toxizitätspotenzial als die Aminoglykoside aufweist. Die Kombination von
zwei Antipseudomonas-Betalaktamen ist hingegen weniger empfehlenswert, da antagonistische
Effekte nicht sicher auszuschließen sind.
Bei Anaerobier-Infektionen muss die initiale Kombination um ein Pharmakon (Clindamycin,
Metronidazol) erweitert werden, wenn die Kombinationsantibiotika allein keine gute
Anaerobieraktivität aufweisen.
Aztreonam ist eine Reservesubstanz bei β-Laktam-Allergie. Es besteht eine mangelnde
Wirksamkeit gegen grampositive Erreger und Haemophilus influenzae. Dies ist besonders
zu beachten, wenn in Kombination mit einem Aminoglykosid behandelt wird. Cotrimoxazol
ist lediglich ein empirisches Reservepharmakon für bestimmte Infektionen mit hochresistenten
gramnegativen Erregern wie Stenotrophomonas spp. oder Acinetobacter spp., das nur
bei entsprechendem Erregernachweis eingesetzt werden sollte und dessen In-vivo-Wirksamkeit
nicht eindeutig belegt ist. Vancomycin und Teicoplanin sind Reservesubstanzen zur
Behandlung von nachgewiesenen MRSA-Infektionen und dürfen keinesfalls als Standard-Kombinationspartner
verwendet werden. Lediglich bei epidemiologisch sehr hochgradigem Verdacht auf eine
MRSA-Infektion kann der Einsatz vor dem Erregernachweis gerechtfertigt werden.
In den kommenden Jahren muss abgewartet werden, wo der Platz der neueren Chinolone
in der Therapie der schweren nosokomialen Pneumonie zu definieren ist. Bei Levofloxacin
ist die schwächere Wirksamkeit gegenüber Pseudomonas spp. zu beachten.
Tab. 3 Antimikrobielle Substanzen und Dosierung zur Kombinationstherapie der spät einsetzenden
Pneumonie des beatmeten Patienten ohne Risikofaktoren
Substanz
Handelsname
Dosierung i. v.(Hochdosis)
Leitkeime
Acylureidopenicillin (+ β-Laktamasehemmer*)
Piperacillin
Pipril
4 × 4 g
GNEB, P
Piperacillin/Tazobactam
Tazobac
3 × 4 g/0,5 g
GNEB, P
Pseudomonas-wirksames Cephalosporin der 3./4. Generation
Ceftazidim
Fortum
3 × 2 g
GNEB, P
Cefepim
Maxipim
2 × 2 g
GNEB, P
Carbapeneme
Imipenem/Cilastatin
Zienam
4 × 1 g
GNEB, P, A
Meropenem
Meronem
4 × 1 g
GNEB, P, A
Monobactam
Aztreonam
Azactam
3 × 2 g
GNEB, P
Aminoglykoside
Gentamicin
Refobacin
1 × 5 - 7 mg/kg
GNEB, P
Tobramycin
Gernebcin
1 × 5 - 7 mg/kg
GNEB, P
Amikacin
Biklin
1 × 15 mg/kg
GNEB, P
Chinolon der 2. Generation
Ciprofloxacin
Ciprobay
3 × 400 mg
GNEB, P
Glykopeptide
Vancomycin
Vancomycin
2 × 1 g
MRSA
Teicoplanin
Targocid
Initial (2)-3 × 400 mg alle 12 Stunden, dann 1 × 400 mg/d
MRSA
Sonstige
Cotrimoxazol
Baktrim u. a.
20/100 mg/kg/d in 4 Dosen
A
GNEB = Gram-negative Enterobacteriaceae, P = Pseudomonas spp., A = Acinetobacter spp.,
MRSA = methicillin (oxacillin)-resistente Staphylococcus aureus, * Freier Kombinationspartner:
Sulbactam (Combactam)
Praktische Durchführung
Die initial verabreichte Kombinationstherapie muss in der Regel nach 2 bis 3 Tagen
überprüft werden. Kann die Ätiologie der Pneumonie gesichert werden, so kann und sollte
eine entsprechende Reduktion auf eine angemessene Monotherapie erfolgen. Dieses gilt
jedoch nicht, wenn es sich um eine nachgewiesene Enterobacter spp.-, Pseudomonas spp.-
oder Acinetobacter spp.-Infektion handelt. In diesen Fällen soll die Fortsetzung der
Kombinationstherapie der Verhinderung einer raschen Resistenzselektion dienen. Bei
beatmeten Patienten, die auf die Erstbehandlung nicht ansprechen, sind am ehesten
Pneumonien durch Pseudomonas aeruginosa, oxacillinresistente Staphylococcus aureus
(MRSA), Acinetobacter spp., Klebsiella spp. oder Enterobacter spp. zu erwarten [[27 ], [40 ]
[41 ]
[42 ]
[43 ]].
Die Dauer der antimikrobiellen Therapie der spät einsetzenden nosokomialen Pneumonie
des beatmeten Patienten kann nicht generell festgelegt werden. Einerseits kommt es
bei hochresistenten gramnegativen Erregern bei zu kurzer Therapiedauer nicht selten
zu Rezidiven. Aus dieser Beobachtung leitet sich die Empfehlung einer Therapiedauer
von 14 - 21 Tagen ab. Andererseits darf insbesondere bei beatmeten Intensivpatienten
der erhebliche Selektionsdruck unter einer langandauernden antimikrobiellen Therapie
nicht vernachlässigt werden. Statt also eine vereinfachende Empfehlung zu geben, muss
auf die sorgfältige Beobachtung der gesamten klinischen Situation einschließlich der
direkten (CRP, Leukozyten) und indirekten (z. B. Beatmungssituation, Kreislaufsituation)
Infektionsparameter verwiesen werden.
Initiale kalkulierte Therapie des Patienten mit nosokomialer Pneumonie und Risikofaktoren
Initiale kalkulierte Therapie des Patienten mit nosokomialer Pneumonie und Risikofaktoren
Bei Vorliegen von einem der folgenden Risikofaktoren ist die Therapie wie folgt zu
modifizieren (siehe auch Tab. [4 ]):
Dauer der vorbestehenden antimikrobiellen Therapie in beliebiger Indikation (> 3 -
7 Tage): Therapie entsprechend der spät einsetzenden Pneumonie des beatmeten Patienten
ZNS-Trauma oder Koma: Therapie entsprechend der früh einsetzenden Pneumonie
strukturelle pulmonale Komorbidität (fortgeschrittene COPD, Bronchiektasen): Therapie
entsprechend der spät einsetzenden Pneumonie des beatmeten Patienten
medikamentöse Immunsuppression: wie spät einsetzende Pneumonie, zusätzlich (in Abhängigkeit
von Prävalenz der Legionellose) Wirksamkeit gegen Legionella spp. durch Makrolid oder
Ciprofloxacin erwägen, bei Nachweis von Aspergillus spp. Amphothericin B (s. u.)
gesicherte Aspiration: Aminopenicillin oder Acylureidopenicillin plus β-Laktamasehemmer;
oder Cephalosporin der 3. Generation plus entweder Clindamycin oder Metronidazol als
Kombinationspartner; oder Carbapenem.
Tab. 4 Sonstige antimikrobielle Substanzen und Dosierung zur Therapie der nosokomialen Pneumonie
mit definierten Risikofaktoren
Substanz
Handelsname
Dosierung
Applikation
1. Therapie der Legionellose
Erythromycin
Erythrocin
4 × 1 g
i. v.
Clarithromycin
Klacid
2 × 250 - 500 mg
Oral
Roxithromycin
Rulid
2 × 150 mg
Oral
Azithromycin
Zithromax
1 × 500 mg, dann 1 × 250 mg über 4 Tage (Gesamtdosis 1,5 g)
Oral
2. Therapie der Aspergillose
Amphothericin B
Amphothericin B
initiale Testdosis 1 mg 1 - 1,5 mg/kg/d
i. v.
Liposomales Amphotericin B
Ambisome
3 - 5 mg/kg/d
i. v.
Itrakonazol
Sempera
1 - 2 × 200 mg
Oral
3. Bisher nicht genannte Substanzen für die Therapie der Aspiration
Clindamycin
Sobelin
3 - 4 × 600 mg
i. v.
Metronidazol
Clont
3 × 500 mg
i. v.
Therapie der nosokomialen Pilz-Pneumonie
Therapie der nosokomialen Pilz-Pneumonie
Die diagnostischen Kriterien und Indikationen zur Therapie wurden bereits im Teil
„Diagnostik der nosokomialen Pneumonie” aufgeführt (36). Eine Therapie der nosokomialen
Pilz-Pneumonie ohne Erregernachweis ist nicht indiziert.
Die (sehr selten vorkommende) nosokomiale Candida-Pneumonie wird nach Resistogramm
behandelt. Candida albicans-Stämme sind in der Regel empfindlich gegen Fluconazol,
Candida krusei-Stämme sind primär resistent.
Die nosokomiale Aspergillus-Pneumonie wird mit Amphotericin B behandelt. Liposomales
Amphotericin B wird im Falle einer Niereninsuffizienz (Kreatinin > 2 mg/dL) empfohlen
[[44 ]]. Ein additiver Effekt der Gabe von Flucytosin ist nicht gesichert. Ebenso ist die
alleinige oder zusätzliche Gabe von Itrakonazol nicht gesichert.
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Aus oben gesagtem ergeben sich zusammenfassend folgende Empfehlungen:
Die Auswahl der initialen antimikrobiellen Therapie folgt immer anhand einer Zuordnung
des jeweiligen Patienten zu definierten Risikogruppen mit jeweils charakteristischem
Erregerspektrum.
Grundkriterien der Risikoeinschätzung umfassen: a) Spontanatmung versus Beatmung;
b) Zeitpunkt des Auftretens (früh versus spät erworbene Pneumonie); c) zusätzliche
Risikofaktoren (Dauer der vorbestehenden antimikrobiellen Therapie; ZNS-Trauma oder
Koma, strukturelle pulmonale Komorbidität, iatrogene Immunsuppression, gesicherte
Aspiration).
Entsprechend diesen Risikogruppen und Kriterien ergeben sich vier Patientenpopulationen:
a) spontan atmender Patient mit früh- bzw. spät einsetzender Pneumonie und b) intubierter
und maschinell beatmeter Patient mit früh- und spät einsetzender Pneumonie.
Während früh einsetzende Pneumonien mit Aminopenicillin/β-Laktamase-Hemmer oder Cephalosporinen
der 2. Generation ausreichend behandelt sind, ergibt sich für spät einsetzende Pneumonien
die Notwendigkeit einer breiteren Kombinationstherapie aus Antipseudomonas-Penicillin
oder -Cephalosporin oder Carbapenem plus Ciprofloxacin oder Aminoglykosid. Lediglich
bei spontan atmenden Patienten mit spät einsetzender und leichter bis mittelschwerer
Pneumonie kann eine Monotherapie mit einem Chinolon oder einem Cephalosporin der 3.
Generation ausreichend sein.
Die Behandlung dieser Patientenpopulationen wird im Falle des Vorliegens einer der
definierten Risikofaktoren entsprechend des zu erwartenden besonderen Erregerspektrums
modifiziert.
Die Therapie der (seltenen) Pilzpneumonien umfasst bei Candida spp. meist Fluconazol,
bei Aspergillus spp. Amphotericin B.
Eine adäquate Dosierung entsprechend Körpergewicht und Nierenfunktion (sowie bei isoliertem
mutmaßlichen Erreger entsprechend MHC) ist für den Therapieerfolg essenziell.
Strategien zur Limitierung der Selektion von multiresistenten Keimen umfassen a) den
zurückhaltenden und gezielten Einsatz antimikrobieller Substanzen auf der Intensivstation;
und b) Konzepte eines zyklischen Einsatzes verschiedener Regime mit differenten Wirkspektren.
Der Evidenzgrad dieser Empfehlungen ist generell auf der Ebene von Expertenmeinungen
zu sehen, die auf den Ergebnissen wissenschaftlich hochwertiger, aber nicht randomisierter
klinischer Studien beruhen.
Prophylaxe der nosokomialen Pneumonie
Prophylaxe der nosokomialen Pneumonie
Risikofaktoren
Risikofaktoren für das Entstehen einer nosokomialen Pneumonie können aufgeteilt werden
in:
patientenassoziierte Faktoren (Alter, Grunderkrankung, Ernährungsstatus, Raucherstatus,
Alkoholstatus etc.)
endogene Infektionsquellen: Infektionen durch Erreger, die bereits bei Ankunft des
Patienten im Krankenhaus oder im Verlauf des Krankenhaus-Aufenthaltes den Respirationstrakt
und/oder Gastrointestinaltrakt kolonisieren
exogene Infektionsquellen: Infektionen, die durch Gesundheitsarbeiter (Hände von Arzt/Pflegepersonal),
kolonisierte Materialien (Tubus, Beatmungssystem, Absaugkatheter, Bronchoskop), über
Luft (Aspergillus spp.) oder kontaminiertes Wasser (Legionella spp.) übertragen werden.
Präventionsmaßnahmen
Patientenassoziierte Risikofaktoren
Diese erhöhen signifikant das Risiko nosokomialer Infektionen, sind aber als Ziele
für Präventionsmaßnahmen häufig nicht geeignet. Angemessene Kontrollmaßnahmen sind
vom Hospital Infection Control Practices Advisory Comitee (HICPAC) der amerikanischen
Infektionskontrollbehörde (CDC) aufgestellt worden und in Tab. [5 ] aufgeführt.
Tab. 5 Patienteneigene Risikofaktoren und mögliche Präventionsstrategien
Risikofaktoren
Präventionsstrategie
Alter
Primärprävention von Erkrankungen
Grunderkrankung, akut/chronisch
COPD behandeln, präoperative Spirometrie, Pneumokokken-/Influenza-Schutzimpfung
Immunsuppression
Reduktion von Steroiden und anderen zytotoxischen Medikamenten
Malnutrition/Adipositas
Gewichtskontrolle
Nikotinabusus
Raucherentwöhnung/Nikotinpflaster
Alkoholabusus
Entzugsbehandlung
Drogenmissbrauch
Entzugsbehandlung, Umsetzen auf Alternativmedikamente (Methadon)
Koma
Reduktion des Aspirationsrisikos (Lagerung)
Aspiration
regelmäßiges Absaugen
Trauma
Rotationsbetten
Endogene Infektionsquellen
Eine Reduktion der Infektionsraten und damit von Beatmungsdauer, Aufenthaltsdauer
auf der Intensivstation und Mortalität kann durch verschiedene Maßnahmen erreicht
werden:
Einsatz nichtinvasiver Beatmung
Alternative Beatmungszugänge (nichtinvasive positive Druck-Beatmung über Gesichts-/Nasenmaske,
NIPPV) haben sich für Subgruppen von Patienten (kardial bedingtes Lungenödem [[45 ]], COPD [[46 ]]) als der Beatmung über Tubus überlegen erwiesen, da sie mit einer deutlich verringerten
Infektionsrate und damit kürzeren Beatmungs- und Liegezeiten auf der Intensivstation
einhergehen [[47 ]]. Ob nichtinvasive Verfahren über die genannten Indikationen hinaus z. B. bei Pneumonie,
ARDS oder im Weaning einen Stellenwert gewinnen, bleibt abzuwarten.
Bevorzugung einer oralen vor einer nasotrachealen Intubation
Die Intubation hat sich als bedeutendster Risikofaktor für eine nosokomiale Beatmungspneumonie
erwiesen. Die nasotracheale Intubation erhöht das Risiko für Sinusitis und Pneumonie
[[48 ]] und damit die Mortalität [[49 ]]. Trotz der pflegerischen Probleme im Umgang mit orotracheal intubierten Patienten
sollte die orale Intubation daher favorisiert werden.
Körperlage
Bei Oberkörperhochlagerung (30 - 45 Grad) konnte in szintigraphischen Untersuchungen
eine erhebliche Reduktion des in die Atemwege aspirierten Materials gegenüber der
Flachlagerung gezeigt werden [[50 ], [51 ]]. In einer jüngst publizierten Untersuchung fand sich eine deutliche Reduktion der
Pneumonie-Inzidenz bei Oberkörperhochlagerung [[52 ]]. Die Methode ist einfach, billig und jederzeit auszuführen, so dass sie allgemein
empfohlen werden kann.
Rotationslage
Für Rotationsbetten konnte in einer Reihe von Studien (Zusammenfassung bei [[53 ]]) eine Verringerung der Pneumonie-Rate ohne Einfluss auf Mortalität und andere wichtige
Endpunkte gezeigt werden. Kosten-Nutzenanalysen stehen aus. Aufgrund des hohen Personalaufwands
der Methode ist eine generelle Empfehlung zugunsten dieser Technik nur möglich, wenn
diese positiv ausfallen.
Subglottische Sekretabsaugung
Die subglottische Sekretabsaugung hat in zwei Studien zu einer Reduktion der Pneumonie-Rate
ohne Beeinflussung von Mortalität und Intensiv-Liegezeit geführt [[54 ], [55 ]]. Die für diese Absaugung notwendigen Tuben sind teuer, die Absaugung ist personalaufwendig,
die Kosten-/Nutzeneffektivität ist nicht nachgewiesen. Methoden zur Verbesserung der
Cuff-Druckkontrolle bzw. zur Reduktion der Keimzahl auf dem Tubus durch veränderte
Tubusmaterialien sind in Entwicklung, jedoch bisher nicht evaluiert.
Vermeidung von Relaxantien
Patienten, die tief sediert und vor allem relaxiert sind, haben vermehrt Aspirationen
und eine erhöhte Rate an nosokomialen Pneumonien [[56 ]]. Augmentierte Beatmungsformen mit konstant hohen inspiratorischen und exspiratorischen
Drücken sind heute möglich, so dass Relaxantien bis auf Ausnahmen vermieden werden
sollen.
Enterale versus parenterale Ernährung
Der Einfluss einer enteralen Ernährung auf die Entstehung nosokomialer Beatmungspneumonien
wird kontrovers diskutiert. Während in Tierversuchen eine Verminderung der Darmatrophie
und der Darmpermeabilität und eine Verbesserung der immunologischen Funktion des Darms
unter enteraler Ernährung gezeigt werden konnte, zeigte sich in anderen Studien eine
vermehrte oropharyngeale Kolonisation [[57 ]]. Zudem könnte die nasogastrische Sonde die Inzidenz der Sinusitis erhöhen. Eine
Metaanalyse [[58 ]] zeigte einen Vorteil früher enteraler gegenüber parenteraler Ernährung, was zur
Empfehlung dieser Ernährungsform in den amerikanisch-europäischen Richtlinien zur
ARDS-Behandlung führte [[59 ]]. Allerdings sind die untersuchten Patientenzahlen klein, und es wurden überwiegend
chirurgische - postoperative - Patienten untersucht. Große Studien sind notwendig,
um zu klären, wie enterale Ernährung am besten appliziert wird (welche Sonde, kontinuierliche
oder intermittierende Sondenkostgabe, welche Prokinetika, welche Kontraindikationen)
und welchen Einfluss eine erfolgreiche Ernährungstherapie auf die Rate nosokomialer
Pneumonien hat.
Antibiotika-Prophylaxe
Aspirationsvorgänge spielen besonders bei Patienten mit eingeschränktem Bewusstsein
eine Rolle. In einer Studie konnte bei Patienten mit einem strukturellen Koma gezeigt
werden, dass eine prophylaktische Gabe von antimikrobiellen Substanzen (zwei Dosen
Cefuroxim 1,5 g innerhalb von 12 Std. nach Intubation gegeben) zu einem signifikanten
Rückgang von nosokomialen Pneumonien führt [[60 ]]. Diese Daten decken sich mit der in einer Reihe von Studien gefundenen verminderten
Rate von früh einsetzenden Pneumonie bei Gabe systemischer antimikrobieller Substanzen.
Die Mortalität konnte nicht positiv beeinflusst werden.
Selektive Darmdekontamination
Positive Ergebnisse einer frühen Antibiotikagabe zeigt auch eine Metaanalyse zur selektiven
Darmdekontamination (SDD) [[61 ]]. Hinsichtlich Letalität erwies sich nur die Kombination von systemischer und topischer
Antibiotikagabe, nicht jedoch die alleinige topische Gabe als vorteilhaft. Die Kosteneffektivität
der Kombinationsgabe wurde jüngst mit einem Einsparungspotential von $ 4370 pro Fall
ermittelt [[62 ]]. Unklar ist, ob der topischen Antibiotikagabe überhaupt ein Effekt zukommt oder
ob alleine die systemische Gabe Vorteile bringt. Keine Studie zur SDD hat bisher die
erzielten Effekte differenziert nach früh versus spät einsetzenden Pneumonien untersucht.
Diese Analyse ist jedoch sowohl für die adäquate Einschätzung der erzielbaren Pneumonie-Reduktionsrate
als auch der langfristigen Folgen für die mikrobielle Resistenzentwicklung von entscheidender
Bedeutung.
Weitere Studien sind für eine generelle Beurteilung nötig. Zur Zeit kann weder eine
selektive Darmdekontamination noch eine Kurzzeit-Antibiotikaprophylaxe empfohlen werden.
Stressulkus-Prophylaxe
Die Stressulkusprophylaxe mit H2 -Antagonisten hat sich entgegen früherer Berichte nicht als Risikofaktor für eine
nosokomiale Pneumonie erwiesen [[63 ]]. Neuere Präparate mit höherer Säureblockerpotenz wie Omeprazol sind bisher nicht
untersucht, so dass z. Z. keine generelle Empfehlung gegeben werden kann.
Exogene Infektionsquellen
Händedesinfektion
Die einfachste Methode, um eine Keimübertragung zwischen Patienten zu vermeiden und
das Krankenhauspersonal zu schützen, ist die einfache Händedesinfektion. Das Händewaschen
zerstört den Säureschutzmantel der Haut und begünstigt damit die Kolonisation der
Hände. Obwohl aus ethischen Gründen kontrollierte Studien hinsichtlich Händedesinfektion
fehlen, hat sich gezeigt, dass standardisierte Infektionskontrollmaßnahmen in der
Lage waren, Epidemien nosokomialer Infektionen im Intensivbereich zu kontrollieren
[[64 ]]. Darüber hinaus hat die CDC eine Reihe von Vorschlägen für das Vorgehen bei besonders
ansteckenden Infektionen (Tab. [6 ]) gemacht. Insbesondere kommt der Isolation von Patienten mit polyresistenten Keimen
eine große Bedeutung zu, da dadurch Epidemien frühzeitig unterbrochen werden können
[[65 ]]. Die Euro-Nis-Studie hat gezeigt, dass durch Einführung sogenannter „infection
control practitioners” ein Rückgang exogener Infektionen zu erzielen ist (dank besserer
Überwachung und besserer Ausbildung des Personals) [[66 ]].
Wechsel der Beatmungsschläuche
Da sich unter Beatmungsbedingungen in den Beatmungsschläuchen potenziell pathogene
Erreger nachweisen ließen, wurde in der Vergangenheit ein täglicher Wechsel der Schläuche
gefordert (RKI-Richtlinie von 1985). Eine Metaanalyse der Studien zum täglichen Schlauchwechsel
zeigt, dass ein seltenerer Wechsel eher mit einer niedrigeren Pneumonie-Rate und deutlich
niedrigeren Kosten einhergeht [[53 ]]. Obwohl das günstigste Wechselintervall noch nicht bekannt ist, hat sich ein einmal
wöchentlicher Wechsel als sicher und kostengünstig erwiesen.
Beatmungsfilter
Beatmungsfilter (HME) haben sich als billige Alternative zu der früher benutzten aktiven
Befeuchtung erwiesen, da die Inzidenz von nosokomialen Beatmungspneumonien in randomisierten
Studien gleich oder sogar geringer war als bei letzterer [[67 ]]. Ob eine Verminderung der Kondensatbildung im Exspirationsschenkel oder die antimikrobiellen
Filtereigenschaften die positiven Ergebnisse der HME erklären lassen, ist unklar.
Aktive Befeuchtung mit Beheizung des Exspirationsschenkels reduziert ebenfalls die
Kondensatbildung. Die antibakteriellen Filtereigenschaften sind bei hydrophobischen
Filtern deutlich besser als bei hygroskopischen, die Befeuchtungsleistung ist jedoch
wesentlich schlechter [[68 ]], was zu einer erhöhten Rate an Tubusverschlüssen führt [[69 ]]. Der Einsatz hygroskopischer Filter scheint generell für die Kurzzeitbeatmung empfehlenswert
und bei der Langzeitbeatmung möglich. Wahrscheinlich gibt es jedoch Kontraindikationen
für den Einsatz von HME wie starke Sekretbildung, tracheobronchiale Blutung, schwieriges
Weaning (Filter erhöhen den exspiratorischen Atemwegswiderstand [[70 ]]) und die Neugeborenenbeatmung. Eine Standardisierung der Befeuchtungsstrategien
ist aus Kosten-Effektivitätsgründen anzustreben.
Geschlossene Absaugsysteme
Die Diskonnektion des Beatmungsgerätes vom Tubus ist einer der Risikofaktoren für
die exogene Keimübertragung. Geschlossene Absaugsysteme versprachen daher ähnlich
wie seltenere Beatmungssystemwechsel eine Verringerung der Infektionsrate. Es existieren
jedoch bisher nur zwei kleine randomisierte Studien [[71 ], [72 ]], die einen geringen Trend zu weniger Infektionen in der Gruppe mit geschlossenen
Systemen zeigen. Für dieselben spricht allerdings der Trend zu einer besseren Oxygenierung
[[73 ]] gegenüber einer konventionellen Absaugung. Insgesamt sind alle Studien zu diesem
Thema schwer zu interpretieren, da sie ja nicht zwischen endogen und exogen entstandener
Pneumonie unterscheiden können, der Vorteil der Methode jedoch nur in einer geringeren
Kontamination des Personals und damit einer geringeren Rate an Cross-Infektion liegen
kann. Systematische Untersuchungen der Keimkontamination des Personals unter verschiedenen
Absaugstrategien fehlen. Vor allem bei Epidemien mit multiresistenten Erregern wäre
hier ein Vorteil der geschlossenen Absaugung zu erwarten. Auch die Tatsache, dass
geschlossene Absaugung einfacher und schneller und damit zeitsparender ist als die
konventionelle Methode, ist bisher nicht in Kosten-Nutzen-Analysen eingegangen. Unklar
ist ferner, wie lange geschlossene Absaugsysteme genutzt werden dürfen. In einer Vergleichsstudie
wurde ein einmal wöchentlicher mit einem einmal täglichen Wechselintervall verglichen,
ohne Veränderungen der Pneumonie-Rate zu finden [[74 ]]. Demgegenüber konnten andere Autoren [[75 ]] einen signifikanten Anstieg der Keimbesiedlung der Katheter über die Zeit zeigen,
wobei sich zwischen Systemen verschiedener Firmen auch noch erhebliche Unterschiede
im Ausmaß der Besiedlung ergaben. Insgesamt haben sich geschlossene Absaugsysteme
trotz der gegenüber der konventionellen Absaugung erhöhten Kosten auf vielen Intensivstationen
durchgesetzt, auch ohne dass hygienische Vorteile eindeutig wissenschaftlich belegt
sind.
Vermeidung einer Kontamination der Vernebler
Vernebler werden im Zusammenhang mit Beatmung häufig eingesetzt. Die Gefahr der Pneumonie-Entstehung
durch Verneblung kontaminierten Aerosols ist bekannt [[76 ]], jedoch nicht systematisch untersucht. Es scheint denkbar, dass der Ersatz von
Verneblern durch Gabe von Dosieraerosolen über Aerosolport (an geschlossenen Absaugsystemen)
oder über in das Beatmungssystem integrierte Inhalationskammern protektiv ist. Dies
ist jedoch nicht untersucht.
Tab. 6 Isolationsstrategien entsprechend Empfehlungen der CDC (modifiziert nach [[77 ]], siehe auch Internetseite der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene)
1. Standard-Maßnahmen. Empfohlen für alle Patienten Händedesinfektion nach jedem Patientenkontakt
und nach dem Ausziehen von Handschuhen Handschuhe tragen, wenn Kontakt zu Blut oder
anderen Sekreten möglich ist Schutzkittel tragen, wenn die Kleider durch Körperflüssigkeiten
verschmutzt werden könnten Gesichtsmaske/Schutzbrille tragen, wenn Spritzer von Körperflüssigkeiten
entstehen könnten
2. Maßnahmen zur Vorbeugung von Infektionen, die durch Aerosol oder Tröpfcheninfektion
übertragen werden, empfohlen zusätzlich zu den Standardmaßnahmen Umkehrisolation (Schleuse)
Gesichtsmaske tragen Patiententransporte auf das absolut notwendige Mindestmaß reduzieren
wenn ein Transport notwendig wird, muss der Patient eine Gesichtsmaske tragen
3. Maßnahmen zur Vorbeugung von Kontaktinfektionen, empfohlen zusätzlich zu den Standardmaßnahmen
bei Patienten mit Nachweis epidemiologisch signifikanter Erreger (wie z. B. MRSA oder
VRE) Patient in Einzelzimmer unterbringen bzw. Patienten mit dem gleichen Erreger
zusammenlegen Handschuhe und Gesichtsmaske tragen Handschuhe und Gesichtsmaske vor
Verlassen des Zimmers wegwerfen Händedesinfektion vor Verlassen des Zimmers Stethoskop
und Thermometer nur für einen definierten Patienten benutzen
Zusammenfassung
Maßnahmen, die wissenschaftlich gesichert sind und generell empfohlen werden (Evidenzgrad
I): Händedesinfektion und andere Vorsichtsmaßnahmen einschließlich Strategien zur
Isolation von Patienten wie in Tab. [6 ] aufgeführt Oberkörperhochlagerung Beatmungssystemwechsel einmal pro Woche Vermeidung
von Relaxantien
Maßnahmen, für deren Vorteil empirische Daten und theoretische Überlegungen sprechen,
die aber nicht als gesichert angesehen werden können, jedoch weitgehend empfohlen
werden (Evidenzgrad II): Orotracheale anstelle nasotrachealer Intubation
Maßnahmen, für die weitere Untersuchungen notwendig sind, um geeignete Indikationen
festzulegen und zu endgültigen Aussagen zu kommen (Evidenzgrad III): Nichtinvasive
Beatmung über Gesichtsmaske anstelle invasiver Beatmung über Tubus Antibiotikaprophylaxe
peri intubationem und selektive Darmdekontamination kontinuierliche Sekretabsaugung
automatische Cuff-Druckkontrolle frühe enterale Ernährung Befeuchtung mit Hilfe hygroskopischer
Filter anstelle aktiver Befeuchtung geschlossene Absaugsysteme statt konventioneller
(offener) Absaugung Vermeiden von Verneblern im Beatmungssystem
Abb. 1 Algorithmus der initialen kalkulierten antimikrobiellen Therapie der nosokomialen
Pneumonie. Die jeweilige Therapie wird modifiziert im Falle des Vorliegens definierter
Risikofaktoren (siehe Tab. [1 ]).