Pneumologie 2000; 54(10): 431-433
DOI: 10.1055/s-2000-7687
ÜBERSICHT
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Neuer Therapieansatz bei Lungenfibrose[1]

R. Ziesche, L. H. Block
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Dr R Ziesche

Abteilung Innere Medizin IV Universität Wien

Währinger Gürtel 18 - 20 1090 Wien Österreich

Publication History

Publication Date:
31 December 2000 (online)

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Als Lungenfibrose wird eine Gruppe von Erkrankungen mit fortschreitender Vernarbung des Lungengewebes bezeichnet. Charakteristisch für alle Fibrosen ist ein übersteigerter, chronischer Wundheilungsvorgang, der die Elastizität und den Gasaustausch der Lunge zunehmend einschränkt. Die gefährlichste Art der Lungenfibrose wird als „Idiopathische Lungenfibrose” bezeichnet, die in 50 % der Fälle innerhalb von 5 Jahren tödlich verläuft [[1]]. Etwa 20 Patienten pro 100 000 Männer und 13 pro 100 000 Frauen erkranken pro Jahr an idiopathischer Lungenfibrose (IPF) [[2]]. Die Ursache der Krankheit ist unbekannt; symptomatisch macht sie sich durch eine langsam fortschreitende Dyspnoe als Folge der Einschränkung des Gasaustausches bemerkbar. Da die Erkrankung meist in einem Lebensalter jenseits von 50 Jahren auftritt, halten viele Patienten diese Symptome fälschlicherweise für altersbedingt.

Zur Therapie der IPF wurden bisher Glukokortikoide und/oder Immunsuppressiva verwendet. Hierdurch ließ sich der Verlauf der Erkrankung jedoch nur in weniger als 30 % der Fälle verbessern [[3]]. Ziel der Therapie ist die Beeinflussung der Biosynthese verschiedener Zytokine und Wachstumsfaktoren sowie der Bestandteile der extrazellulären Matrix (ECM), die sich unter Normalbedingungen in einem biologischen Gleichgewicht befinden (Abb. [1]). Anhand neuer Forschungsergebnisse wird das immunbiologische Gleichgewicht im Rahmen der Gesamtreaktion von der Aktivität sogenannter T-Helfer-1- bzw. T-Helfer-2-Zytokinprofile bestimmt. Während die T-Helfer-1-Zellen Interferon(IFN)-gamma bilden, synthetisieren die T-Helfer-2-Zellen Interleukine wie z. B. IL-4 und IL-3. Eine besondere Funktion scheint dem „Transforming Growth Factor β1” zuzukommen, der eine Übergewichtung der T-Helfer-2-Reaktion verursachen kann. Immunologische Studien haben gezeigt, dass die IPF mit einer gesteigerten Expression von Genen assoziiert ist, die für die T-Helfer-2-Reaktion typisch ist. Umgekehrt ist die Zellbiologie der IPF mit einer geringeren Aktivität der T-Helfer-1-Reaktion und - hierdurch bedingt - mit einer Abnahme der Synthese von Interferon-gamma korreliert [[4]]. Obwohl Interferon-gamma in zahlreichen Studien, speziell hinsichtlich seiner möglichen Wirkung auf das menschliche Immunsystem bei Tumorkrankheiten, mit zumeist nicht oder nur partiell befriedigenden Ergebnissen untersucht wurde [[5] [6] [7]], war sein potentieller Stellenwert für chronisch-entzündliche Reaktionen, speziell des menschlichen Lungengewebes, bisher unbekannt. Der Gedanke, Interferon-gamma bei der IPF zur Anwendung zu bringen, gründet sich auf die Beobachtung, dass die Substanz das Wachstum von Bindegewebszellen (Fibroblasten) und deren Syntheseprodukte (extrazelluläre Matrix) zu hemmen und zu modifizieren vermag [[8]]. Zudem wurde von uns und anderen beobachtet, dass das Interferon-gamma-Gen bei menschlichen Lungenfibrosen herunterreguliert ist [[9]].

Um die IPF zu behandeln, haben wir ein Therapieverfahren entwickelt [[10]], wobei bestimmte Konzentrationen von Interferon-gamma in regelmäßigen Abständen subkutan injiziert werden. Hierbei kommt es innerhalb eines Zeitraums von etwa 9 bis 40 Wochen bei den Patienten zu einer systematischen Verbesserung des Gasaustausches sowie zu einer Abnahme der stark eingeschränkten Elastizität der Lunge. In der Folge werden die Patienten besser belastbar, was zu einer deutlichen Verbesserung ihrer Lebensqualität führt. Voraussetzung für die erfolgreiche Anwendung von Interferon gamma bei IPF ist die wirksame Bekämpfung präexistenter oder erworbener Infektionen. Die Nebenwirkungen der Therapie sind vergleichsweise gering; wir beobachteten lediglich erhöhte Körpertemperatur und - selten - Gelenk- und Kopfschmerz innerhalb der ersten 6 - 9 Wochen.

Molekularbiologische Analysen des fibrosierenden Lungengewebes von Patienten mit IPF weisen ein generelles Charakteristikum auf: alle Patienten haben ein herunterreguliertes Gen für Interferon-gamma und umgekehrt ein heraufreguliertes Gen für den Transforming Growth Factor β1 (siehe Abb. [2]). Kontrolluntersuchungen unter Therapie belegen eine Korrektur dieser fehlgewichteten biologischen Balance und - parallel hierzu - eine Verbesserung der klinischen Symptome.

Obwohl dieser Therapieansatz speziell bei der IPF zu interessanten Ergebnissen geführt hat, sind hierdurch die Probleme der Behandlung aller Arten fibrosierender Lungenkrankheiten keineswegs gelöst. Die chronisch gesteigerte Wundheilung kann durch unterschiedliche Faktoren ausgelöst werden. Daher unterscheiden wir verschiedene Formen von Lungenfibrosen. Zum anderen sind der Grad der Vernarbung des Lungengewebes und die Dauer des Vernarbungsprozesses von grundlegender Bedeutung für den Erfolg der Therapie. Unsere bisherigen Erfahrungen mit der Zellbiologie multipler Formen fibrosierender Lungenerkrankungen zeigten jedoch, dass das derzeit bekannte biologische Wirkprinzip einer fehlregulierten Biosynthese von Zytokinen und Wachstumsfaktoren eine pathophysiologisch wesentliche Begleiterscheinung fibrosierender Lungenerkrankungen ist. Hierbei gilt es, die individuelle immunologische Situation von Patienten mit unterschiedlichen Formen fibrosierender Lungenerkrankungen zu berücksichtigen. Eine möglichst detaillierte molekularbiologische Analyse aller Entzündungsfaktoren im betroffenen Lungengewebe sollte demnach eine genauere Charakterisierung der jeweiligen Art der fibrosierenden Entzündung ermöglichen. Die Interferon-gamma-Therapie könnte daher ein erster Schritt zum Verständnis und zur Beeinflussung gestörter Immunmechanismen bei verschiedenen Lungenerkrankungen sein, die mit Fibrosierungsreaktionen einhergehen.

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Abb. 1Gewebsreaktionen bei Lungenfibrose. Unter Normalbedingungen (A) besteht ein biologisches Gleichgewicht hinsichtlich Deckzellregeneration an der Lungenoberfläche und Erhaltungsstoffwechsel der extrazellulären Matrix (ECM) des Lungengewebes. Unter den krankhaften Bedingungen eines fibrosierenden Lungengewebeumbaus (B) scheint ein gesteigerter Zellumsatz eine spezifische Verschiebung des Proteasen-Antiproteasen-Gleichgewichts zu bewirken mit der Folge von Auflösungserscheinungen der für eine reguläre Wundheilung notwendigen Basalmembran. Die hierbei freigesetzten Mediatoren wie z. B. Transforming-Growth Factor β1 verursachen sowohl eine tiefgreifende Umorganisation zellulärer und biochemischer Prozesse in der ECM als auch eine Verschiebung des immunologischen Gleichgewichts.

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Abb. 2Transkription des IL-4, IFN-γ und TGF-β1-Gens bei einem Patienten mit Idiopathischer Lungenfibrose. Die spezifischen Amplifikationsprodukte hatten eine Größe von 628 Basenpaaren (bp) für IL-4, 427 bp für IFN-γ und 161 bp für TGF-β1.

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Literatur

  • 1 Tukiainen P, Taskinen E, Holsti P, Korhola O, Valle M. Prognosis of cryptogenic fibrosing alveolitis.  Thorax. 1983;  38 349-355
  • 2 Coultas D B, Zumwalt R E, Black W C, Sobonya R E. The epidemiology of interstitial lung diseases.  Am J Respir Crit Care Med. 1994;  150 967-972
  • 3 Turner-Warwick M, Burrows B E, Johnson A. Cryptogenic fibrosing alveolitis: clinical features and their influence on survival.  Thorax. 1980;  35 593-599
  • 4 Majumdar S, Li D, Ansari T, Pantelidis P, Black C M, Gizycki M, du Bois R M, Jeffery P K. Tissue cytokine profiles of cryptogenic fibrosing alveolitis (CFA) and fibrosing alveolitis associated with systemic sclerosis (FASSc) are distinct: a quantitative in situ study of open lung biopsies.  Eur Respir J. 1999;  14 251-257
  • 5 Elias A D. Salvage therapy for soft tissue sarcomas.  Semin Oncol. 1994;  21 S7: 76-81
  • 6 Barth A, Morton D L. The role of adjuvant therapy in melanoma management.  Cancer. 1995;  75 726-734
  • 7 Windbichler G H, Hausmaninger H, Stummvoll W, Graf A H, Kainz C, Lahodny J, Denison U, Muller Holzner E, Marth C. Interferon-gamma in the first-line therapy of ovarian cancer: a randomized phase III trial.  Br J Cancer. 2000;  82 1138-1144
  • 8 Gurujeyalakshmi G, Giri S N. Molecular mechanisms of antifibrotic effect of interferon gamma in bleomycin-mouse model of lung fibrosis: Downregulation of TGF-β and procollagen I and III gene expression.  Exp Lung Res. 1995;  21 791-808
  • 9 Ziesche R, Kink E, Herold C, Podolsky A, Block L H. Therapy of chronic interstitial lung disease with a combination of Interferon gamma and low-dose prednisolone.  Chest. 1996;  110 25S
  • 10 Ziesche R, Hofbauer E, Wittmann K, Petkov V, Block L H. A preliminary study of long-term treatment with interferon gamma-1b and low-dose prednisolone in patients with idiopathic pulmonary fibrosis.  N Engl J Med. 1999;  314 1264-1269

1 Herrn Prof. Dr. med. Heinrich Matthys zum 65. Geburtstag gewidmet.

Dr R Ziesche

Abteilung Innere Medizin IV Universität Wien

Währinger Gürtel 18 - 20 1090 Wien Österreich

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Literatur

  • 1 Tukiainen P, Taskinen E, Holsti P, Korhola O, Valle M. Prognosis of cryptogenic fibrosing alveolitis.  Thorax. 1983;  38 349-355
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1 Herrn Prof. Dr. med. Heinrich Matthys zum 65. Geburtstag gewidmet.

Dr R Ziesche

Abteilung Innere Medizin IV Universität Wien

Währinger Gürtel 18 - 20 1090 Wien Österreich

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Abb. 1Gewebsreaktionen bei Lungenfibrose. Unter Normalbedingungen (A) besteht ein biologisches Gleichgewicht hinsichtlich Deckzellregeneration an der Lungenoberfläche und Erhaltungsstoffwechsel der extrazellulären Matrix (ECM) des Lungengewebes. Unter den krankhaften Bedingungen eines fibrosierenden Lungengewebeumbaus (B) scheint ein gesteigerter Zellumsatz eine spezifische Verschiebung des Proteasen-Antiproteasen-Gleichgewichts zu bewirken mit der Folge von Auflösungserscheinungen der für eine reguläre Wundheilung notwendigen Basalmembran. Die hierbei freigesetzten Mediatoren wie z. B. Transforming-Growth Factor β1 verursachen sowohl eine tiefgreifende Umorganisation zellulärer und biochemischer Prozesse in der ECM als auch eine Verschiebung des immunologischen Gleichgewichts.

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Abb. 2Transkription des IL-4, IFN-γ und TGF-β1-Gens bei einem Patienten mit Idiopathischer Lungenfibrose. Die spezifischen Amplifikationsprodukte hatten eine Größe von 628 Basenpaaren (bp) für IL-4, 427 bp für IFN-γ und 161 bp für TGF-β1.