Einleitung
Einleitung
Die nicht-invasive Größenbestimmung eines Herzinfarkts kurz nach Eintritt des Infarktereignisses
ist immer noch ein diagnostisches Problem, hätte jedoch große Bedeutung für die Prognose
und das Behandlungskonzept des Patienten [1]. Ein neuer Ansatz zum Nachweis des Myokardinfarkts ist die 23Natrium-MR-Tomographie (Natrium-MRT), bei der im Gegensatz zur üblichen Protonenbildgebung
das Isotop 23Natrium zur Bildgebung eingesetzt wird [2]. Im akuten bis subakuten Myokardinfarkt ist die Gesamtnatriumkonzentration im Infarktareal
auf Grund verschiedener Mechanismen erhöht: Normalerweise ist der Natriumgehalt des
Extrazellulärraums zehnfach höher als der des Intrazellulärraums. Im akuten Infarkt
kommt es durch Verlust der Zellmembranintegrität und Hemmung der Na/K-ATPase zu einem
Ausgleich des intra-/extrazellulären Ionengradienten und damit zu einem erhöhten intrazellulären
Natriumgehalt. Andererseits ist der Extrazellulärraum mit seinem höheren Natriumgehalt
durch die Ausbildung eines interstitiellen Ödems im Ischämieareal vergrößert. Im weiteren
Verlauf wird dann durch die beginnende Narbenbildung, d. h. Ersatz von Kardiomyozyten
durch Fibrozyten und kollagenes Bindegewebe, der Extrazellulärraum und damit der Gehalt
an extrazellulärer Flüssigkeit vergrößert. Alle diese Mechanismen führen zu einem
erhöhten Gesamtnatriumgehalt des Infarktareals, der über die Natrium-Signalintensität
(SINa) im Tierversuch bereits dargestellt werden konnte [3]
[4]. In Probandenstudien wurde zuvor in der Literatur die Einsetzbarkeit der Natrium-MRT
am Menschen belegt, auch unter Verwendung einer Cine-Technik [2]
[5]. Durch den Einsatz einer EKG-Triggerung, die bereits 1988 von Ra et al. vorgeschlagen
wurde [6], und mit höherer räumlicher Auflösung wurde die Natrium-MRT am Probanden weiterentwickelt
[7]. Ziel unserer Studie war daher eine erste Anwendung der Natrium-MRT am Patienten
zum Nachweis des subakuten Myokardinfarkts.
Patienten und Methoden
Patienten und Methoden
10 Patienten (8 Männer, 2 Frauen, Alter: 60 ± 11 Jahre) wurden 14 ± 7 Tage (Bereich:
5 - 28 Tage) nach transmuralem Myokardinfarkt unter Beachtung der üblichen MR-Kontraindikationen
in die Studie eingeschlossen. Die Diagnose eines Myokardinfarkts wurde anhand der
Klinik sowie der EKG- und Labor-Veränderungen gestellt. Alle Patienten erhielten vor
der MR-Untersuchung eine konventionelle Linksherzkatheteruntersuchung mit Ventrikulographie
und Koronarangiographie in Standardtechnik, bei 3 Patienten war im Rahmen dieser Untersuchung
bereits eine PTCA mit Stentimplantation der infarkt-assoziierten Koronararterie durchgeführt
worden. Die Infarktlokalisation wurde elektrokardiographisch und anhand des Versorgungsgebiets
der infarkt-assoziierten Koronararterie bestimmt. Die Studie wurde von der Ethikkomission
der Universitätsklinik genehmigt, und eine schriftliche Einverständniserklärung wurde
von jedem Patienten eingeholt.
Die Untersuchung wurde an einem 1,5 Tesla MR-System Magnetom Vision (Siemens, Erlangen)
mit einer Breitband-Spektroskopie-Option durchgeführt. Für die Natrium-Bildgebung
wurde eine linear polarisierte Natrium-Oberflächenspule (Rapid Biomedical, Würzburg)
mit einer Fläche von 286 × 174 mm2 verwendet [8]. Zur Reduktion der Atemartefakte lagen die Patienten in Bauchlage und wurden mithilfe
von Turbo-FLASH (Fast Low Angle SHot)-Scouts so plaziert, dass das Herz in Spulenmitte
zu liegen kam. Es wurde eine EKG-getriggerte 3D-FLASH-Sequenz in doppelt angulierter
Schichtführung entlang der kurzen Herzachse eingesetzt. Durch den Einsatz eines nicht-schichtselektiven
HF-Pulses sowie eines asymmetrischen Echos wurde ein TE von 3,1 ms erzielt. TR war 21 ms, die Bandbreite 65 Hz/pixel und der Flip-Winkel betrug 70°. Zur weiteren
Reduktion der Atemartefakte wurden 32 Akquisitionen gemittelt. Eine Kombination mit
der Navigatortechnik ist mit der verwendeten Natrium-Oberflächenspule nicht möglich,
da die Spulensensitivität für eine Detektion der Lungen/Zwerchfell-Grenze nicht ausreichend
ist. Das Datenakqusitionsfenster im Herzzyklus betrug 420 ms unabhängig von der Herzfrequenz
und wurde in der Diastole plaziert. Bei einem Gesichtsfeld von 450 mm und einer Matrix
von 64 × 128 resultierte eine räumliche Auflösung in der Schicht von 3,5 × 7 mm2. Es wurden 20 Partitionen aufgenommen, bei einer Schichtdicke von 16 mm wurde das
gesamte Herz mit 6 Kurzachsenschichten dargestellt. In Abhängigkeit von der Herzfrequenz
betrug die Untersuchungszeit 29 ± 4 min. Für den Nachweis infarkt-assoziierter regionaler
Wandbewegungsstörungen mit der Cine-MRT wurden die Patienten in Rückenlage umgelagert
und mit der „phased-array”-Körperspule untersucht. Hierfür wurde eine EKG-getriggerte
zwei-dimensionale FLASH-Sequenz (TR: 80 - 100 ms, abhängig von der Herzfrequenz; TE: 4,8 ms; Flip-Winkel: 30°) in der kurzen und langen Herzachse eingesetzt. Die Schichtdicke
betrug 8 mm ohne Schichtlücke, die Anzahl der abgebildeten Herzphasen war abhängig
von der Herzfrequenz.
Für die Infarktgrößenbestimmung wurde jede Schicht in der Natrium-MRT und in der Cine-MRT
einzeln auf das Auftreten von Abschnitten mit Signalanhebungen bzw. Wandbewegungsstörungen
von zwei Untersuchern in Konsens beurteilt. Anschließend wurden sowohl die Cine- als
auch die Natrium-Bilder quantitativ ausgewertet. Hierfür wurden in der enddiastolischen
und der endsystolischen Phase der Cine-MRT bzw. in den ausschließlich enddiastolischen
Bildern der Natrium-MRT die endokardialen und epikardialen Konturen beider Herzventrikel
sowie der Infarktareale mithilfe der Software ARGUS, Version VB31B (Siemens AG, Erlangen)
manuell eingezeichnet. Die linksventrikuläre Masse wurde durch Summierung des Myokardvolumens
aller segmentierten Schichten unter Berücksichtigung der spezifischen Dichte von 1,05
g/l bestimmt. Die Masse des Infarktareals wurde durch Aufsummierung des Infarktbereichs
in jeder Schicht errechnet und als prozentualer Anteil an der linksventrikulären Gesamtmasse
ausgedrückt [9] . Für die statistische Analyse wurde der Spearman-Rang-Test für die Analyse der
Korrelation der Herzmassen- und Infarktgrößenbestimmung mit Cine- und Natrium-MRT
eingesetzt mit einem Signifikanzniveau von p = 0,05.
Ergebnisse
Ergebnisse
Bei 7 Patienten war der Myokardinfarkt in der Vorderwand im Versorgungsgebiet des
Ramus interventricularis anterior lokalisiert, bei 4 Patienten unter Einbeziehung
des Septums (Abb. [1]). 3 Patienten hatten den Myokardinfarkt in der Hinterwand im Versorgungsgebiet der
rechten Kranzarterie, bei einem Patienten unter Einbeziehung des Septums.
Abb. 1 Natrium-MRT in 6 aufeinanderfolgenden Schichten der kurzen Herzachse eines 63-jährigen
Patienten 11 Tage nach akutem Vorderwandinfarkt unter Einbeziehung des Septums. Das
gesamte Herz (LV, linker Ventrikel; RV, rechter Ventrikel) ist von der Herzbasis (a) bis zur Herzspitze (f) abgebildet, der Rippenknorpel (*) stellt sich hyperintens dar. Auf drei Schichten
(d,e,f) zeigt sich eine erhöhte Signalintensität (Pfeile), dem erhöhten Natriumgehalt des
Infarktareals mit korrespondierender Wandbewegungsstörung (Pfeile) in der Cine-MRT
(g, Diastole, h, Systole) entsprechend.
Bei allen Untersuchungen wurde eine diagnostische Bildqualität erzielt, alle Patienten
zeigten ein Areal erhöhter SINa. Dieses Areal korrelierte sowohl mit der klinisch bestimmten Infarktlokalisation,
d. h. den EKG-Veränderungen und der in der Koronarangiographie nachgewiesenen Infarkt-bezogenen
Koronararterienstenose bzw. -okklusion, als auch mit den kernspintomographisch nachgewiesenen
regionalen Wandbewegungsstörungen. Die linksventrikuläre Massenbestimmung ergab für
die Cine-MRT 158 ± 25 g (Bereich: 100 - 189 g) und für die Natrium-MRT 160 ± 30 g
(Bereich: 99 ± 217 g) mit einer Korrelation von R = 0,76 (p = 0,01). Die prozentuale
Infarktgröße betrug 14 ± 8 % (Bereich: 4 - 31 %) für die Cine-MRT und 18 ± 9 % (Bereich:
9 - 40 %) für die Natrium-MRT mit einer Korrelation von R = 0,96 (p < 0,00001).
Diskussion
Diskussion
Der akute Myokardinfarkt führt zu einer Herzmuskelzellnekrose mit konsekutivem interstitiellen
Ödem und einer Leukozyteninfiltration in den ersten vier Tagen, gefolgt von der Einsprossung
von Kapillargefäßen und von Fibrozyten. Bis zur dritten Woche sind die nekrotischen
Muskelfasern abgeräumt und werden in den folgenden Wochen durch Bindegewebe ersetzt
[10]. Diese Ischämiefolgen mit den anschließenden Reparaturvorgängen führen auf Grund
der in der Einleitung beschriebenen Mechanismen zu einem anhaltend erhöhten Natriumgehalt
im Infarktareal, der - wie im Tierversuch laborchemisch gemessen wurde - dem Ausmaß
der ischämischen Schädigung im subakuten Stadium proportional ist [11]
[12]. Im Tierversuch konnte in einer ersten Studie mit der Natrium-MRT gezeigt werden,
dass im infarzierten Myokard im Vergleich zum vitalen Myokard eine höhere SINa nachweisbar ist. Durch laborchemische Untersuchung konnte weiterhin nachgewiesen
werden, dass diese erhöhte SINa durch erhöhten Gewebenatriumgehalt verursacht ist [3]. In einer weiteren Studie mit histologischer Korrelation wurde dann nachgewiesen,
dass die Areale mit erhöhter SINa identisch waren mit den histologisch nachgewiesenen Infarktzonen. Im Infarktareal
fand sich eine deutliche Erhöhung des intrazellulären Natriumgehalts, während das
extrazelluläre Volumen nur gering vergrößert war. Somit scheint im akuten Infarktstadium
die Erhöhung des Gesamtnatriumgehalts hauptsächlich durch die erhöhte intrazelluläre
Natriumkonzentration und nur in einem geringeren Ausmaß durch das interstitielle Ödem
bedingt zu sein [4].
Für die nicht-invasive Infarktgrößenbestimmung am Patienten existieren verschiedene
Methoden wie EKG-Indizes, Szintigraphie, Computertomographie, Echokardiographie und
Herzenzymaktivitätskurven [9]
[13]. Mit der Herz-MRT kann die Infarktgröße durch T2-gewichtete Aufnahmen dargestellt werden, diese Methode führt jedoch zu einer Überschätzung
des Infarktausmaßes [14]. Weitere Ansätze sind die Analyse der Kontrastmittelaufnahme nach Gabe von Gd-DTPA
[9]
[15] bzw. der Einsatz eines Nekrose-spezifischen MR-Kontrastmittels [13]
[16]. Hier scheint jedoch eine Darstellung nur der Nekrosezone, nicht jedoch des gesamten
ischämischen Areals vorzuliegen [16]. Eine andere Methode zur Infarktgrößenbestimmung ist der Nachweis des resultierenden
Funktionsverlusts durch Cine- oder Tagging-Techniken [17]. Aus der Vielzahl der genannten Möglichkeiten wird deutlich, dass ein anerkannter
Goldstandard zur Infarktgrößenbestimmung am Menschen fehlt.
Mit der Natrium-MRT konnte bei allen Patienten ein Infarktareal in Übereinstimmung
zur klinischen Infarktlokalisation nachgewiesen werden. Die Infarktgröße korrelierte
mit dem Ausmaß der regionalen Kontraktilitätsstörung, und auch die gesamte linksventrikuläre
Masse konnte mit beiden Methoden vergleichbar bestimmt werden. Die Natrium-MRT zeigte
einen Trend zu einer etwas höheren Infarktgrößenbestimmung, was am ehesten durch die
niedrigere räumliche Auflösung erklärt werden kann, die zu einer geringeren Genauigkeit
der Infarktgrenzenbestimmung führt. Die von uns gewählte Vergleichsmethode der Cine-MRT
unter Ruhebedingungen lässt allerdings keine Differenzierung von avitalem und vitalen
Myokard zu [15]. Daher kann mit den vorliegenden Daten keine Aussage darüber getroffen werden, ob
die Natrium-MRT in der eingesetzten Technik nur das irreversibel oder auch das reversibel
ischämisch geschädigte Myokard darstellt. Da jedoch wie bereits beschrieben im Tierversuch
die Infarktgrößenbestimmung mit der Natrium-MRT bereits validiert worden ist, erscheint
die Natrium-MRT als eine geeignete Methode zur Infarktgrößenbestimmung am Patienten,
deren klinischer Stellenwert jedoch in größeren Studien evaluiert werden muss.
Eine generelle Limitation der vorliegenden Pilotstudie liegt in ihrer kleinen Patientenzahl.
Deshalb ist eine Differentialanalyse reperfundierter und nicht-reperfundierter Myokardinfarkte
nicht möglich. Neben der Untersuchung von Patienten mit subakutem Myokardinfarkt sollten
des weiteren auch Patienten mit chronischem Myokardinfarkt untersucht werden. Bei
diesen Patienten wäre auf Grund des durch die Narbenbildung vergrößerten Extrazellulärraums
ebenfalls eine erhöhte SINa zu erwarten, die dann allein mit der Natrium-MRT schwer von einem akuten Infarkt
zu differenzieren wäre. Als weitere MR-Vergleichsmethoden zur Infarktgrößenbestimmung
bieten sich auch die T2-Wichtung zur Darstellung des myokardialen Ödems und die Analyse der Kontrastmittelaufnahme
in Spätaufnahmen an, wobei die Unterschiede zwischen den verschiedenen Methoden in
weiteren Studien herausgearbeitet werden müssen.
Mit der in der vorliegenden Studie verwendeten Natrium-MRT-Technik ist auf Grund der
eingesetzten Echozeit von 3,1 ms mit einem Signalverlust des intrazellulären Natriums
zu rechnen, da diese teilweise eine T2-Zeit von 2,3 ms aufweist [18]. Die genaueste Erfassung des gesamten extra- und intrazellulären Natriumgehalts
wäre mit einer Spindichte-gewichteten Sequenz möglich, die jedoch derzeit auf Grund
des geringen Signal-zu-Rausch-Verhältnisses nicht eingesetzt werden kann. Des weiteren
ist aktuell eine Quantifizierung der Signalintensität und damit des Natriumgehalts
nicht möglich, weshalb nur eine qualitative Beurteilung des Vorliegens einer Erhöhung
der SINa vorgenommen wurde. Ursache hierfür ist die Verwendung einer Oberflächenspule mit
abfallenden Signalintensitäten in den spulenferneren Bereichen. Durch das Fehlen einer
„Nativaufnahme” ist auch die Bestimmung einer relativen Signalintensitätserhöhung
nicht möglich, und der Vergleich mit anliegenden Myokardabschnitten ist auf Grund
des Spulenprofils mit großen Unsicherheiten behaftet. Mögliche Ansätze für eine Quantifizierung
der SINa und damit des Natriumgehalts sind die Messung der SINa unter Verwendung einer spulenspezifischen B1-Karte und eines externen Standards oder
eine Bestimmung der T2-Zeit, beide Methoden befinden sich in Erprobung. Eine grundsätzliche Limitation der
Natrium-MRT ist die methodenbedingte fehlende Unterscheidbarkeit des intra- und extrazellulären
Natriumgehalts. Deshalb lässt sich der prozentuale Anteil der erhöhten intrazellulären
Natriumkonzentration bzw. des erhöhten extrazellulären Volumens an der erhöhten Gesamtnatriumkonzentration
nicht bestimmen. Auch wenn im Tierversuch nur eine geringe Vermehrung des extrazellulären
Volumens in der Infarktzone im Vergleich zum umliegenden Myokard gefunden wurde, so
ist doch das interstitielle Ödem grundsätzlich reversibel, während die erhöhte intrazelluläre
Natriumkonzentration ein Marker des Zelluntergangs ist. Einen möglichen Unterscheidungsansatz
zwischen einer Kernzone mit überwiegend Zellnekrosen bei begleitendem Ödem und einer
Randzone mit überwiegender Erhöhung nur der extrazellulären Natriumkonzentration bei
weitgehend intakten Zellmembranen bietet wiederum die Quantifizierung des Natriumgehalts,
da durch die in der Randzone geringere Erhöhung des Gesamtnatriumgehalts auch eine
geringere SINa als in der Kernzone zu erwarten ist.
Schlussfolgerung
Schlussfolgerung
Der subakute Myokardinfarkt kann durch erhöhte Natrium-Signalintensität am Patienten
dargestellt werden, die genaue Bestimmung des Stellenwerts der Natrium-MRT zur Infarktdiagnostik
sollte jedoch in größeren Patientenstudien erfolgen. Zusätzlich - nach Möglichkeit
unter Einsatz einer Methode zur Quantifizierung des Natriumgehalts - kann nun der
Stellenwert der Natrium-MRT zur Unterscheidung von Kernzone und Randzone des Infarktareals
und zur Vitalitätsdiagnostik nach Myokardinfarkt evaluiert werden.