Einleitung
Einleitung
Die Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, früher
unter dem Namen Burghölzli bekannt, gewährleistet die stationäre
psychiatrische Versorgung von 350 000 Einwohnern der Region Zürich
mit über 2000 aufgenommenen Patienten/Patientinnen pro Jahr.
Die Station mit insgesamt 15 Betten wurde 1992 als erste Schweizer
Spezialeinrichtung für Patienten mit Doppeldiagnosen eröffnet.
Konzipiert war sie von Anfang an als geschlossen geführte Akuteinrichtung,
in welcher gleichzeitig der Drogenentzug sowie die psychiatrische
Akutbehandlung und daran anschließend die Stabilisierungstherapie
durchgeführt werden können. Die Dualstation Burghölzli nimmt
sehr niederschwellig, d. h. meist ohne vorselektionierende
Vorgespräche, jeden Patienten/jede Patientin auf, welcher/welche
die Kriterien der Doppeldiagnose erfüllt. Die Doppeldiagnose im Sinne des
vorliegenden Konzepts impliziert neben einer psychischen Störung einen
Abusus respektive eine Abhängigkeit von illegalen
Suchtmitteln. Das Konzept wird laufend den gewonnenen Erfahrungen und neuen
Bedürfnissen angepasst. Die Station hat sich inzwischen als wichtiger
Bestandteil der überregionalen psychiatrischen Versorgung etabliert und
ist gut vernetzt.
Das Konzept der Station
Das Konzept der Station
Im umfassenden stationären Behandlungskonzept wird versucht,
psychiatrische, suchttherapeutische und soziotherapeutische Ansätze zu
vereinen, um der mehrdimensionalen Problematik des Dualpatienten gerecht zu
werden. Die Motivation der Patienten für die Behandlung, die
Förderung der Einsicht in die Zusammenhänge der Doppelproblematik und
die Therapie der akuten psychischen Störung stehen nebst Erreichen und
Aufrechterhalten der Abstinenz im Vordergrund.
Psychiatrisch-psychotherapeutische Elemente
Psychiatrisch-psychotherapeutische Elemente
Die Stationskultur wird durch das therapeutische Milieu
geprägt. Ein verbindlicher Tagesplan regelt das Zusammenleben auf der
Station. Die Aktivitäten werden mit der Patientengruppe geplant. Viele
Aufgaben des alltäglichen Lebens wie Kochen, Waschen, Raumpflege etc.
werden durch die Patienten selbst ausgeführt. Der offene Umgang
miteinander, die Wertschätzung jedes Einzelnen und die
Zuverlässigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bieten die Basis zur
Gestaltung einer vertrauensvollen Atmosphäre auf der Station, in der es
möglich wird, individuelle Probleme konstruktiv anzugehen. Nebst
täglichen Gruppengesprächen finden Einzelgespräche mit
Bezugspersonen, ärztliche Gespräche und psychotherapeutische
Sitzungen im engeren Sinne statt. Das Bezugspersonensystem gewährleistet
eine kontinuierliche Begleitung jedes Patienten/jeder Patientin im
Stationsalltag. Großer Wert wird auf den Einbezug der Familie resp. des
näheren sozialen Umfeldes gelegt. Bei einigen Patienten führen diese
zunächst noch explorativen Gespräche zu eigentlicher
Familientherapie. Pharmakotherapie hat entsprechend der akut-psychiatrischen
Problematik der Patienten einen wichtigen Stellenwert. Psychologische und
somatische Abklärungen sowie Physiotherapie werden durch die
entsprechenden Dienste der Klinik vorgenommen.
Suchttherapeutische Elemente
Suchttherapeutische Elemente
Entzüge werden in der Regel medikamentös unterstützt.
Um ein suchtmittelfreies Milieu zu gewährleisten, werden
regelmäßig Drogenurinscreenings und Atemluftkontrollen
durchgeführt. Rückfälle werden in der Gruppe offengelegt und im
Einzelgespräch aufgearbeitet. Individuelle Konsequenzen sollen konstruktiv
wirken und die Abstinenzmotivation stärken. Zur
Rückfallprävention werden kognitiv-behaviorale, der Verbesserung der
Selbstwahrnehmung und Selbstkontrolle dienende Techniken angewendet.
Weitere Behandlungselemente
Weitere Behandlungselemente
Viele Patienten/Patientinnen sind bei Eintritt ohne Arbeit oder
Beschäftigung, haben keine Unterkunft, indessen Schulden und Probleme mit
der Justiz. Nach einer Standortbestimmung werden unsere Patienten in diesen
Belangen beraten und bei der Planung und Realisierung der gesteckten
Behandlungsziele unterstützt. Großer Wert wird auf das Training
sozialer Fähigkeiten gelegt mit dem Ziel, ein Beziehungsnetz
außerhalb des Drogenmilieus aufzubauen und den Umgang mit Geld, das
Schreiben von Bewerbungen, das Führen von Vorstellungsgesprächen etc.
einzuüben. Auch Anleitung in Haushalts- und Arbeitstraining, Werken und
Gestalten sowie Freizeitgestaltung werden angeboten. Weitere therapeutische
Elemente sind Sport und Bewegungstherapie zur Verbesserung der
Körperwahrnehmung und der körperlichen Leistungsfähigkeit.
Behandlungsphasen
Behandlungsphasen
Die Behandlung umfasst im Idealfall drei Phasen, welche
fließend ineinander gehen und deren Dauer der individuellen Situation und
dem Schweregrad der psychischen Beeinträchtigung des Patienten angepasst
wird.
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In der Entzugs- und
Akutbehandlungsphase stehen der Entzug sowie die Behandlung der akuten
psychischen Symptomatik im Vordergrund. Außerdem gilt es, den Patienten
sukzessiv Einsicht in die Doppelproblematik zu vermitteln, sie für eine
langfristige Behandlung der psychischen Störung und eine dauerhafte
Abstinenz zu gewinnen und mit ihnen weitere Behandlungsschritte zu planen.
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In der Stabilisierungsphase geht es um
die Förderung bzw. Vertiefung des Problembewusstseins für die
Doppelproblematik und die daraus entstehenden Konsequenzen.
Konfliktbewältigungsfähigkeiten und lebenspraktische Kompetenzen
werden trainiert, individuelle Rückfallbewältigungs- und
Rückfallpräventionsstrategien erarbeitet. Soziale, finanzielle,
berufliche und rechtliche Probleme werden in dieser Phase definiert, angegangen
und womöglich gelöst.
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In der Austrittsphase werden die
erlernten Fähigkeiten im externen Umfeld erprobt. Die Wohnsituation muss
vor dem Austritt des Patienten geklärt, die externe Tagesstruktur und die
ambulante oder stationäre Nachbehandlung müssen organisiert sein.
Behandlungsteam
Behandlungsteam
Das Behandlungsteam ist multidisziplinär zusammengesetzt und
besteht aus Ärzten/Ärztinnen (Oberarzt 100 %,
Assistenzärzten/-ärztinnen 200 %), einer
Psychologin (80 %), psychiatrisch und suchttherapeutisch
erfahrenen Mitarbeitern aus der psychiatrischen Krankenpflege
(1270 %) und einer Sozialarbeiterin (20 %).
Angaben zum Patientenkollektiv 1999
Angaben zum Patientenkollektiv 1999
Im Jahre 1999 waren auf der Dualstation 149 Eintritte
(71 % Männer, 29 % Frauen) zu verzeichnen, mit
einem Durchschnittsalter von 32 Jahren. 41 % waren Erstaufnahmen.
Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer betrug 27 Tage, wobei 30 %
der PatientInnen weniger als 10 Tage und nur 4 % länger als
3 Monate verblieben.
Bei ca. 1/5 der Aufnahmen wurde nur eine Suchtdiagnose
(ICD-10-F1-Diagnose) gestellt. Als komorbide psychische Störung wurde bei
15 % eine Störung aus dem schizophrenen Formenkreis (F2),
bei 25 % eine affektive Störung (F3), bei 34 %
eine Persönlichkeitsstörung (F6) diagnostiziert. Die
überwiegende Mehrzahl der Patienten/Patientinnen erfüllten die
Kriterien des multiplen Substanzkonsums, wobei 78 % bei Eintritt
mit Methadon substituiert waren.
Der Austritt erfolgte bei knapp der Hälfte
planmäßig. Ca. 70 % der Behandelten wurden in eine
ambulante Nachbehandlung, 9 % in eine stationäre
therapeutische Wohngemeinschaft, 12 % in ein betreutes Wohnheim
überwiesen. Unmittelbar nach Austritt waren nur 8 % der
Ausgetretenen voll oder teilweise erwerbstätig; 31 % waren
arbeitslos, 60 % nicht erwerbsfähig. Einem Teil von ihnen
konnte eine geschützte Arbeitsmöglichkeit vermittelt werden. Die
systematische Bewertung mittels Clinical Global Impression ergab, dass der
Zustand von 31 % der Ausgetretenen als sehr viel oder viel besser
eingeschätzt wurde; 42 % zeigten geringe Besserung,
26 % (Entwichene und durch die Klinik Entlassene) verließen
die Station unverbessert. Wie unsere Evaluation ergab, wurden
überraschenderweise vor allem bei Doppeldiagnosepatienten mit affektiven
Störungen die schlechteste Therapiecompliance und die am wenigsten
befriedigenden Resultate festgestellt.
Schlussbemerkungen
Schlussbemerkungen
Die Behandlung von Dualpatienten bleibt trotz umfassendem
Behandlungskonzept sehr schwierig. Es hat sich gezeigt, dass es möglich
ist und vorteilhaft sein kann, auf der gleichen Station den Entzug, die
Behandlung der akuten psychischen Störung und auch die weiterführende
Therapie durchzuführen. Dies stellt aber sowohl an die Patienten als auch
ans Team hohe Anforderungen, die zuweilen auch in Überforderung
münden können. Den fortgeschrittenen Patienten/Patientinnen
bietet die Auseinandersetzung mit den Rückfällen und
Behandlungsabbrüchen der Patienten in früheren Behandlungsphasen ein
Übungsfeld in geschütztem Rahmen. Der gemeinsame Behandlungsansatz
von Sucht und anderen psychischen Störungen führt dazu, dass es im
Behandlungsteam gegenüber der Suchtdiagnose weniger zu Abwehrreflexen
kommt, sondern diese den gleichen Stellenwert hat wie andere Diagnosen.
Vielmehr ist die Sucht das verbindende Element in der sonst sehr heterogenen
Patientengruppe. Durch den Aufbau der Dualstation in den letzten 7 Jahren und
die damit verbundene Öffentlichkeitsarbeit, der Zusammenarbeit mit anderen
ambulanten und stationären Suchtbehandlungseinrichtungen, konnte eine gute
Sensibilisierung für diese komplexe Problematik erreicht und letztlich die
Behandlung der betroffenen Patienten verbessert werden.