Meningeome sind mit 14 - 20 % aller primärer, intracranieller Tumoren häufige Entitäten,
welche gewöhnlich im Subduralraum lokalisiert sind. Weniger als 1 % aller Meningeome
entstehen extradural als ektope Meningeome in der Subcutis, den Nasen- bzw. Nasennebenhöhlen,
der Orbita, dem Hals, den Speicheldrüsen sowie der Diploe von Schädelknochen. In letzterem
Fall werden sie auch als intraossäre Meningeome bezeichnet, eine Prädilektionsstelle
hierbei ist der große Keilbeinflügel. Wir berichten über ein intraossäres Meningeom,
dessen Häufigkeit unter den primär extraduralen Meningeomen (PEM) in der Literatur
(Daffner RH et al., Skeletal Radiol 1998; 27: 108) mit nur 14 % angegeben wird, und
wollen die Differentialdiagnosen sowie Entstehungsmechanismen diskutieren.
Fallbericht
Eine 55-jährige Frau suchte vorerst die Augenambulanz auf und klagte über eine seit
Monaten wechselnde Protrusio bulbi rechts. Die ophthalmologische Untersuchung ergab
einen Exophthalmus von 7 mm, eine leichte afferente Pupillenstörung als Zeichen einer
Opticusläsion sowie einen mäßig reduzierten Visus rechts. Die Augenmotilität war frei,
die Bulbi bds. reizfrei, der Fundus bis auf eine leicht prominente Papille unauffällig.
Die Magnetresonanztomographie (MRT) mit der Fragestellung einer retrobulbären Raumforderung
ergab folgendes Ergebnis:
Im T2-gewichteten Bild zeigte sich eine hypointense Raumforderung (Abb. [1]) der lateralen Orbitawand und des dorsalen Orbitadaches rechts, welche T1-gewichtet mäßig heterogen Kontrastmittel aufnahm. Es fand sich eine Aufweitung der
Diploe bzw. eine Knochenverdickung, weiterhin eine Verdickung sowie ein Kontrastmittelenhancement
der angrenzenden Dura, jedoch keine intracerebrale lnfiltration (Abb. [2]
[3]). Durch die raumfordernde Wirkung kam es zu einer Ventral- und Medialverdrängung
des Bulbus oculi sowie der conalen Strukturen.
Es folgte eine orbitale Computertomographie, die eine diffuse Volumenzunahme sowie
Sklerosierung des Os sphenoidale und des dorsalen Anteiles des Os frontale re. mit
mäßiger Einengung der Orbitaspitze ergab. Es fanden sich zudem lrregularitäten entlang
des intracraniellen Randes der Läsion sowie angedeutete, feine, radiäre Spikulae (Abb.
[4]).
Operativ wurde über eine laterale Orbitotomie ein Großteil des „irregulären” Knochens
entfernt; die im Orbitadach gelegenen Veränderungen konnten nicht vollständig reseziert
werden.
Nach Aufarbeitung des histologischen Materials stand die Diagnose eines intraossären
endotheliomatösen Meningeoms fest. Dieser histologische Typ ist der häufigste unter
den intradiploischen Meningeomen (Spraul CW et al.; Klin Monatsbl Augenheilkd 1996;
209: 322) und zeichnet sich durch wirbelartige Anordnung relativ monomorpher, spindeliger
bzw. ovaler Zellelemente aus.
Diskussion
In der Literatur (Daffner RH et al.; Skeletal Radiol 1998; 27: 108) sind bisher knapp
über 70 intraossäre Meningeome beschrieben worden. Sie treten gehäuft in der Nähe
von Schädelnähten (Keilbeinflügel!) oder nach Schädelhirntraumen im Bereich von ehemaligen
Frakturen auf (Arana E et al.; Acta Radiol 1996; 37: 937).
Ätiologisch werden intrauterine Versprengungen von Meningozyten beim Schluss von Mittellinienstrukturen,
Proliferationen von Meningozyten in der Nähe von Suturen und Foramina, Differenzierungen
von Schwann'schen Zellen zu Meningozyten und pluripotente, mesenchymale Zellen für
ihre Entstehung verantwortlich gemacht (Spraul CW et al.; Klin Monatsbl Augenheilkd
1996; 209: 322).
Zumeist präsentieren sie sich hyperostotisch, in selteneren Fällen auch als gemischte
Läsionen; rein osteolytische Veränderungen sind Raritäten (Arana E et al.; Acta Radiol
1996; 37; 937). Gerade im letzteren Fall ist die Wahrscheinlichkeit einer malignen
Form hoch.
CT
Es handelt sich um eine osteoplastische Läsion mit Auftreibung des Knochens, evtl.
einer Weichteilkomponente und radialen Spikulae. Die Lamina interna ist typischerweise
irregulär. Die Dichte ist je nach Typ unterschiedlich zwischen 65 - 85 HE, nach Kontrastmittelapplikation
findet sich eine Dichtezunahme um ca. 20 - 40 HE.
MRT
Das Signalverhalten ist im T2-gewichteten Bild variabel und im nativen T1-gewichteten Bild zumeist zum umgebenden Hirngewebe iso- bis hypointens. Das Kontrastmittelenhancement
ist in der Regel stark und heterogen. Das Fettmark wird verdrängt und es besteht eine
gute Beurteilungsmöglichkeit der Dura mater. Diese kann auch bei intraossären Meningeomen,
abhängig von der Krankheitsdauer, involviert sein und zeigt dann ein Enhancement.
Durabeteiligungen sind meist durch entzündlich-reaktives Geschehen oder direkt durch
(Mikro-)Infiltrationen bedingt.
Angiographie
Meningeome stellen in der Regel hypervaskularisierte Tumoren dar, welche meist von
Ästen der A. carotis externa versorgt werden. Die Tumorperipherie kann durch piale
Gefäße versorgt werden (Osborn AG; Diagnostic Cerebral Angiography; 326). Charakteristisch
sind ausgeweitete mengingeale Arterien, mögliche radiäre Gefäßversorgung von einem
Gefäßnidus ausgehend, ein dichter, prolongierter, homogener Blush in der arteriellen
und kapillären Phase und gelegentlich arteriovenöse Shunts mit früher venöser Drainage.
Als Zeichen einer extraduralen Läsion kommt es zudem zur Abhebung meningealer Arterien
und venöser Sinus.
Differentialdiagnose
Intraossäre Meningeome sind definierbar als neoplastische Läsionen mit größtem Tumoranteil
im Knochen ohne oder mit mäßiger Durakomponente. Differenzialdiagnostisch ist in erster
Linie an die fibröse Dysplasie und das Meningeoma en plaque zu denken. Weiters sind
osteoplastische Metastasen (meist bekanntes Primum), der Morbus Paget und das Osteom
zu erwähnen. Sowohl die fibröse Dysplasie als auch das intraossäre Meningeom können
im CT eine milchglasartige Verdichtung darstellen und beide führen zu einer Knochenexpansion
(Hansen-Knarhoi M et al.; J Craniomaxillofac Surg 1994; 22: 226). Bei der fibrösen
Dysplasie ist jedoch die Lamina interna charakteristischerweise glatt begrenzt, beim
intraossären Meningeom ist sie in der Regel irregulär begrenzt.
Die fibröse Dysplasie tritt eher im Kindes-, Jugend- und frühen Erwachsenenalter auf
(5 - 20 Jahre). Das intraossäre Meningeom hat einen durchschnittlichen Altersgipfel
um das 45. Lebensjahr. Darüber hinaus endet das Wachstum der fibrösen Dysplasie im
Erwachsenenalter.
Visuelle Symptome sowie Exophthalmus finden sich eher beim Meningeom. Die fibröse
Dysplasie führt häufig durch eine frontal-ossäre Beteiligung zur Prominenz der Stirn
und, dadurch bedingt, auch zu einer Caudalverlagerung des Bulbus; ein Exophthalmus
kann fehlen oder ist gering ausgeprägt. Beide Patientengruppen klagen über Kopf-,
Klopf- und Palpationsschmerzen. Bietet ein Meningeom eine Weichteilkomponente, ist
eine sichere Differenzierung zur fibrösen Dysplasie möglich (Hansen-Knarhoi M et al.;
J Craniomaxillofac Surg 1994; 22: 226).
Das Meningeoma en plaque ist eine besondere Form des Meningeoms und führt bei typischem,
flächenhaften Wachstumsmuster zu einer ausgeprägten Hyperostose im angrenzenden Knochen;
es kommt zu einer sekundären Knocheninfiltration. Das durale Enhancement ist gewöhnlich
stärker ausgeprägt als beim intraossären Meningeom, ein begleitendes, perifokales
Hirnödem wird häufiger angetroffen. Beide Tumorarten, das intraossäre Meningeom und
Meningeoma en plaque, haben allerdings dieselbe Therapie: totale Tumorresektion sowie
Biopsie oder Exzision der angrenzenden Dura (Arana E et al.; Acta Radiol 1996; 37:
937).
A. Pfatschbacher, Feldkirch
Abb. 1Intraossäres Meningeom in typischer Lage (Os sphenoidale - T2-gewichtet hypointens).
Abb. 2Heterogene Kontrastmittelaufnahme mit Enhancement der angrenzenden Dura, ohne Nachweis
einer intracerebralen Komponente. (b) Subtraktion der nativen und kontrastverstärkten, T1-gewichteten Spin-Echo-Bilder.
Abb. 3Signalarme Auftreibung des rechten großen Keilbeinflügels mit angrenzendem Duraenhancement
und ohne Beteiligung des Temporallappens (kontrastverstärktes, axiales, T1-gewichtetes Spin-Echo-Bild).
Abb. 4Deutliche Konturunregelmäßigkeiten des intracraniellen Läsionsrandes, feine Spikulierungen,
Sklerosierung mit Milchglasaspekt und Volumsvermehrung.