Wir berichten über die seltene Anomalie eines infizierten vaginal ektop mündenden Triple Ureters.
Fallbeschreibung
Bei der 31jährigen Türkin war drei Jahre zuvor eine Doppelniere mit Ureter duplex beidseits diagnostiziert worden. Damals fand sich in einer Ureterozele (zum oberen rechten Nierenanteil gehörig) ein Konkrement, das ureterorenoskopisch nach Schlitzung der Ureterozele extrahiert wurde.
Die Frau wurde jetzt aufgrund von seit drei Monaten anhaltenden linksseitigen Unterbauchbeschwerden und rezidivierenden Harnwegsinfekten stationär aufgenommen. Eine initial durchgeführte Urographie zeigte die bekannte Doppelniere mit Ureter duplex beidseits ohne Hinweis auf einen Harnstau (Abb. [1]). Die ergänzend durchgeführte Sonographie ergab den Verdacht auf das Vorliegen eines linksseitigen Megaureters, welcher aber in der Urographie nicht dargestellt wurde. Die gynäkologische Untersuchung zeigte eine zystische Vorwölbung an der Vaginalvorderwand etwa in Höhe des Blasenhalses (mehr nach links gelegen). Diese zystische Vorwölbung wurde transvaginal punktiert und mit Kontrastmittel gefüllt. Es stellte sich ein dritter deutlich erweiterter Ureter dar, dessen kolbenförmiges Ende zwischen den bereits bekannten Hohlsystemen im mittleren Nierendrittel gelegen war (Abb. [2]
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[4]). Der aspirierte Urin war trüb-eitrig. Enterococcus faecalis wurde nachgewiesen. Die vaginale Zyste wurde zwei Tage später inzidiert, gefolgt von der Einlage eines Pigtail-Katheters zur Sicherung und Überprüfung eines Harnflusses. Die tägliche Urinmenge betrug höchstens 10 ml. Nach entsprechender antientzündlicher Therapie wurde von einem Flankenschnitt aus der nierenwärtige Megaureter freigelegt und bis ins Nierenparenchym verfolgt, wo er als Ureterknospe ausgeschält werden konnte. Anschließend erfolgte die weitere Präparation des distalen Teils des Megaureters. Diese war erschwert, da die beiden gesunden Harnleiter spiralförmig um den Megaureter herumzogen und mit ihm entzündlich verbacken waren. Er konnte schließlich bis in die Scheidenwand verfolgt und dort in toto exstirpiert werden.
Die pathologische Untersuchung des Megaureters zeigte eine deutliche chronische Entzündung mit Wandfibrose und herdförmiger muskulärer Hyperplasie.
Bei unauffälligem postoperativen Verlauf ist die Patientin zur Zeit bei ambulanten Kontrollen infekt- und beschwerdefrei.
Diskussion
Die Triplikation des Ureters ist eine sehr seltene Anomalie, welche von Smith im Jahre 1946 in 4 Typen klassifiziert wurde (Smith I, Br J Surg 1945; 34: 182). Typ I entspricht einer kompletten ureteralen Triplikation mit drei Ureteren, welche drei renale Segmente drainieren und drei Ureterostien aufweisen. Diese können in der Harnblase oder anderswo urogenital gelegen sein. In Typ II liegen zwei Ureteren vor, wobei einer von diesen bifid ist, wodurch zwei Ureterostien resultieren. Typ III entspricht einem trifiden Ureter mit einem solitären Ureterostium. Im Typ IV finden sich zwei Ureteren, wobei einer davon eine invertierte Y-Bifurkation aufweist, resultierend in drei Ureterostien. Der aktuelle Fall entspricht somit Typ I.
Embryologisch entspringen in der 5. Embryonalwoche die Ureterknospen aus dem Wolffschen Gang, werden von ihrem Ursprung getrennt und vereinigen sich mit dem Sinus urogenitalis (Stephens FD et al., Oxford: Isis medical media, Ltd., Kapitel 14, 1966: 167). Treten multiple Ureterknospen auf, entsteht ein Ureter duplex bzw. triplex. Der distale Rest des Wolffschen Gangs bildet den Gartner Gang. Eine fehlende Trennung der Ureterknospe am Wolffschen Gang resultiert in der Uretermündung in einem Gartner Gang oder in einer Gartner Zyste.
Der Verdacht auf einen Triple Ureter wurde im aktuellen Fall aufgrund der fehlenden Kontrasmittelausscheidung in der Urographie erst sonographisch gestellt. Die gynäkologische Inspektion zeigte eine zystische Vorwölbung an der Vaginalvorderwand, wahrscheinlich einer Gartner Zyste entsprechend. Die Kommunikation mit dem erweiterten Triple Ureter wurde mittels transvaginaler Punktion nach Kontrastmittelgabe röntgenologisch bestätigt. Die Einmündung eines ektopen Ureters kann auch mittels MRT unter Verwendung von stark T2-gewichteten Sequenzen diagnostiziert werden (Fred Avni E et al., J Urol 1997; 158: 1931).
Beim Ureter duplex kreuzt während der embryonalen Entwicklung der untere Harnleiter den oberen Harnleiter, so daß der untere Harnleiter in höherer Position in der Blase mündet (Meyer-Weigertsches Gesetz). Dieses Gesetz trifft bei der Ureter-Triplikation nicht immer zu (Zaontz MR et al., J. Urol 1985; 134: 949).
Im aktuellen Fall stammte der vaginal ektop mündende Triple Ureter vom mittleren Nierendrittel. Der vorgestellte Fall demonstriert, wie eine embryologische Fehlbildung im Erwachsenenalter zum Pyoureter führen kann.
M. Wikström, W. Hauger, E. Sinagowitz, Friedrichshafen
Abb. 1Initiales Urogramm: Beidseitige Doppelniere mit Ureter duplex.
Abb. 2Darstellung eines links gelegenen Megaureter (Ureter tertius) nach vaginaler Zystenpunktion und Kontrastmittelinjektion.
Abb. 3Aufnahme nach einer am nächsten Tag durchgeführten Nierenangiographie.
Abb. 4Die anschließend durchgeführte CT-Untersuchung zeigt die Lagebeziehung des Megaureters zu den beiden benachbarten nicht dilatierten Ureteren.