Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 1999; 34(12): 733-742
DOI: 10.1055/s-1999-228
DER BESONDERE BEITRAG
Georg Thieme Verlag Stuttgart ·New York

Mechanismen der Tachyphylaxie bei langdauernden Regionalanästhesien

Mechanisms of Tachyphylaxia in Regional Anesthesia of Long Duration.E. Kottenberg-Assenmacher, J. Peters
  • Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Universitätsklinikum Essen
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Publication Date:
31 December 1999 (online)

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Zusammenfassung.

Tachyphylaxie von Lokalanästhetika wird klinisch definiert als abnehmende Intensität, abnehmende Wirkdauer und abnehmende segmentale Ausdehnung einer Nervenblockade nach wiederholten, gleichgroßen Dosen eines Lokalanästhetikums. Die Häufigkeit des Auftretens von Tachyphylaxie wird kontrovers beurteilt. Da allerdings kaum anzunehmen ist, daß eine Tachyphylaxie tatsächlich mit wechselnder Häufigkeit auftritt, scheint am ehesten die Interpretation von Tachyphylaxie durch den Untersucher unterschiedlich zu sein. Abzugrenzen ist die „Pseudotachyphylaxie”, nämlich zeitliche Änderungen der Schmerzintensität sowie zirkadiane Schwankungen der Wirkdauer von Lokalanästhetika, die eine Tachyphylaxie vortäuschen. Das Auftreten von Tachyphylaxie hängt weder von der chemischen Struktur oder dem pharmakologischen Wirkprofil des injizierten Lokalanästhetikums noch von der Technik oder der Art der Applikation ab. Als mögliche Mechanismen der Tachyphylaxie werden pharmakokinetische und pharmakodynamische Aspekte diskutiert. Unter pharmakokinetischem Blickwinkel können perineurale Ödembildung, Anstieg der Proteinkonzentration im Periduralraum, veränderte Verteilung des Lokalanästhetikums im Periduralraum oder Abfall des perineuralen pH-Wertes Ursachen für eine verringerte Diffusion des Lokalanästhetikums zum Natriumkanalrezeptor sein. Ursachen einer erhöhten Clearance des Lokalanästhetikums können sowohl zunehmende peridurale Perfusion als auch ein lokal gesteigerter Metabolismus im Periduralraum sein. Unter pharmakodynamischen Aspekten müssen ein funktioneller Antagonismus der Lokalanästhetika durch Nukleotide, ein Antagonismus durch einen vergrößerten Natriumgradienten, eine Steigerung der zentralen Erregbarkeit sowie eine Rezeptor-Down-Regulation der Natriumkanäle diskutiert werden. Keiner der aufgeführten Mechanismen kann jedoch zur Zeit das Phänomen der Tachyphylaxie allein hinreichend erklären. Als neue Möglichkeit, eine reversible Nervenblockade länger aufrechtzuerhalten, werden neue, ultralangwirksame Lokalanästhetika getestet. Denkbar ist eine Weiterentwicklung der hochselektiven Natriumkanalblockade durch Analoga des Kugelfischgiftes Tetrodotoxins sowie der Einsatz Lokalanästhetikahaltiger Liposomen. Ein neuer erfolgversprechender Ansatz liegt in dem Befund, daß sowohl NMDA-Antagonisten als auch NO-Synthase-Inhibitoren die Entwicklung von Tachyphylaxie verhindern. Wäre NO tatsächlich für die Tachyphylaxie verantwortlich, so hätte man damit mögliche Substanzen gefunden, mit denen eine Tachyphylaxie verhindert werden könnte.

Tachyphylaxis to local anesthetics is defined as a decrease in duration, segmental spread or intensity of a regional block despite repeated constant dosages. However, there is disagreement about the incidence of tachyphylaxis. In contrast to tachyphylaxis, pseudotachyphylaxis denotes time dependent variations in pain or circadian changes in the duration of local anesthetic action. Tachyphylaxis appears neither to be linked to structural or pharmacological properties of the local anesthetics nor to the technique or mode of their administration. The mechanisms underlying tachyphylaxis are open to debate and include changes in pharmacokinetics or pharmacodynamics. Considering pharmacokinetics, local edema, an increased epidural protein concentration, changes in local anesthetic distribution in the epidural space or a decrease of perineural pH could result in decreased diffusion of the local anesthetics from the epidural space to their binding sites at the sodium channel. Increased clearance of local anesthetics from the epidural space may be caused both by increased epidural blood flow or increased local metabolism. Considering pharmacodynamics, antagonistic effects of nucleotides or increased sodium concentration, increased afferent input from nociceptors or receptor down regulation of the sodium channels have been implicated. However, none of these theoretical considerations is supported strongly enough by data to explain tachyphylaxis. A new possibility to maintain for a longer time neural blockade is the design of new ultralong-acting local anesthetics. Liposomal formulations of local anesthetics also appear suitable to provide longer lasting regional anesthesia. The recent observation that NMDA-antagonists as well as NO-synthase-inhibitors prevent the development of tachyphylaxis suggests involvement of the nitric oxide pathway in the development of tachyphylaxis. Accordingly, NMDA-antagonists or NO-synthase-inhibitors may prevent tachyphylaxis.

Literatur

Dr. med. Eva Kottenberg-Assenmacher

Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin Universitätsklinikum Essen

Hufelandstr. 55

D-45122 Essen