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DOI: 10.1055/s-0045-1812992
Ungünstig veränderter Fibringerinnsel-Phänotyp bei Frauen nach postpartaler Blutung unbekannter Ursache: Einfluss niedriger Konzentration von Gerinnungsfaktoren
Postpartale Blutungen (PPH) treten bei 5% aller Lebendgeburten auf und sind die häufigste Ursache für Müttersterblichkeit. In 70% aller Fälle entwickeln sich PPH aus einer Uterusatonie, die anschließend zu einer Koagulopathie führen kann. Eine gestörte Blutgerinnung kann jedoch bereits vor der Entbindung auftreten und eine direkte Ursache für PPH sein.
Mehrere Studien haben gezeigt, dass kompakte Fibringerinnsel, die aus dünneren Fasern bestehen, weniger anfällig für Lyse sind und bei Erkrankungen auftreten, die mit einem erhöhten Risiko für venöse oder arterielle Thromboembolien einhergehen. Eine Studie deutet darauf hin, dass veränderte Eigenschaften von Fibringerinnseln auch zu einer erhöhten Blutungsneigung führen können. Eine erhöhte Durchlässigkeit und Lysierbarkeit der Gerinnsel wurde bei Frauen mit starken Menstruationsblutungen (HMB) beobachtet.
Die Hauptursachen für PPH sind bekannt und vor allem in der Geburtshilfe zu finden, wofür es etablierte ursachenbezogene Behandlungsstrategien gibt. Frauen aber, die an PPH ohne erkennbare Ursache leiden, haben ein erhöhtes Risiko für schwere mütterliche Morbidität und Mortalität. Es gibt keine umfassenden Daten, die die Blutgerinnung und Merkmale von Fibringerinnseln bei Frauen nach einer PPH beschreiben.
Ein Team um Madalena Piróg vom Jagiellonian University Medical College in Krakau, Polen, stellt nun die Hypothese auf, dass die Bildung lockerer Fibrin-Netzwerke, die eine schnellere Gerinnsel-Lyse aufweisen, für Frauen charakteristisch ist, die eine PPH erlitten haben und bei denen die Diagnostik keine eindeutige Ursache für dieses Ereignis ergab. Ziel ihrer aktuellen Studie war es daher, den Fibringerinnsel-Phänotyp, einschließlich der Lysierbarkeit, bei dieser spezifischen Gruppe von Frauen nach PPH zu bestimmen und potenzielle Faktoren zu identifizieren, die die Fibrineigenschaften beeinflussen können.
Piróg und Kollegen untersuchten 52 Frauen im Alter von 35 Jahren (27–40), die vor durchschnittlich 5,5 Monaten eine PPH unbekannter Ursache erlitten hatten. Bei ihnen erfolgten weitere Laboruntersuchungen aufgrund des Verdachts auf Gerinnungsstörungen als mögliche Ursache für die PPH. Als Kontrollgruppe dienten 52 Frauen, die hinsichtlich Alter, Gewicht und Fibrinogen mit den PPH-Patientinnen gematcht waren, jedoch keine PPH hatten und im gleichen Zeitraum eine gesunde Entbindung erlebten. Zum Zeitpunkt der Entbindung lagen bei allen Frauen mit PPH die Blutzellzahlen und der Hämoglobinspiegel innerhalb des Referenzbereichs. Es wurden Gerinnungsfaktoren (F), Antithrombin, die Thrombinbildung sowie eine umfassende Plasma-Fibrin-Gerinnungsanalyse einschließlich Fibrinpolymerisation, Gerinnsel-Permeabilität (der Koeffizient Ks gibt die Porengröße an) und Effizienz der Fibrinolyse bestimmt.
In der PPH-Gruppe gaben 3,8% der Patienten an, in der Vergangenheit an HMB gelitten zu haben und 42,3% zeigten eine Blutungsneigung wie leichte Blutergüsse oder Zahnfleischbluten. In der Kontrollgruppe trat beides bei keiner der Frauen auf.
Gerinnungsfaktoren und -parameter
Die PPH-Gruppe wies im Prothrombinzeit-Test mit INR einen leicht erhöhten Wert (+6,3%) sowie eine verminderte Aktivität der Gerinnungsfaktoren auf: FII (−10,3%), FV (−6,6%), FIX (−6,5%), FX (−7,2%) und FXI (−5,7%) im Vergleich zur Kontrollgruppe, jedoch wies keine der Frauen in beiden Gruppen einen der Faktoren außerhalb der Untergrenze der jeweiligen Referenzbereiche auf. In der univariablen logistischen Regressionsanalyse war eine um jeweils 1% verminderte Aktivität der Gerinnungsfaktoren mit einem um 3–5% höheren Risiko für eine PPH-Vorgeschichte assoziiert.
Eigenschaften des Fibringerinnsels
Die PPH-Gruppe bildete mit Verzögerung ein lockeres Plasmafibrin-Netzwerk (Ks +16,3%) mit geringerer maximaler Absorption und kürzerer Lysezeit des Gerinnsels (CLT −13,5%) im Vergleich zur Kontrollgruppe. Sowohl in der PPH-Gruppe als auch in der Kontrollgruppe korrelierte Ks umgekehrt mit Fibrinogen, jedoch nicht mit einem Gerinnungsfaktor oder Antithrombin.
Faktoren, die in einem unabhängigen Zusammenhang mit PHH stehen
In der multivariablen logistischen Regression stand PPH in einem unabhängigen Zusammenhang mit einem höheren C-reaktiven Protein (pro 1 mg/L, Odds Ratio [OR] 1,70), einem niedrigeren FII (pro 1%, OR 0,93), einem niedrigeren FV (pro 1%, OR 0,93) und einer kürzeren Lysezeit für das Gerinnsel (pro 1 Minute, OR 0,94).
Die Studie belegt bislang nicht beschriebene hämorrhagische Eigenschaften von Fibringerinnseln sowie leicht erniedrigte Gerinnungsfaktoren bei Frauen mit PPH unbekannter Ursache. Die Ergebnisse deuten auf neue Mechanismen hin, die zu dieser Art von Blutungen beitragen. Sie legen ausserdem nahe, dass bei dieser spezifischen Untergruppe von PPH-Patientinnen die Bestimmung von CLT, FII und FV dazu beitragen könnte, Patientinnen mit einer Neigung zu wiederkehrender PPH zu identifizieren.
Dr. Michaela Bitzer, Tübingen
Publication History
Article published online:
15 October 2025
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