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DOI: 10.1055/s-0045-1802524
Fallvorstellung: Grenzen der Tuberkulose-Diagnostik im Kindesalter
Die Mortalität der Tuberkulose (TB) im Kindesalter ist im Vergleich zu Erwachsenen deutlich höher. Neben einem größeren Risiko für schwere Krankheitsverläufe tragen dazu auch zahlreiche Herausforderungen in der pädiatrischen TB-Diagnostik bei.
Wir berichten von einem Patienten, der 2023 mit seiner Familie aus Moldawien nach Deutschland einreiste. Die Erstaufnahmeuntersuchung ergab bei der Mutter einen TB-verdächtigen Befund im Röntgen-Thorax. Daraufhin erfolgte in unserem Haus die TB-Diagnostik der drei Kinder. Bei den zwei Töchtern wurde eine latente tuberkulöse Infektion (LTBI) mit positivem Interferon-Gamma-Release Assay (IGRA) nachgewiesen. Der Sohn (13 Jahre, Erhalt einer BCG-Impfung nach Geburt) zeigte initial bei unauffälliger Klinik einen negativen IGRA. Bei röntgenologisch fraglich TB-verdächtigem pulmonalen Herd wurde der Verdacht auf eine pulmonale TB gestellt und eine antibiotische 3-fach Therapie (Isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid) begonnen. Die mikrobiologische Diagnostik (Mikroskopie, PCR, Kultur) des Jungen blieb negativ.
Im Verlauf gelang der Nachweis von M. tuberculosis in einer Sputum-Kultur der Mutter mit Resistenzen gegenüber Isoniazid und Rifampicin, sodass eine Multidrug-resistent Tuberkulose (MDR-TB) vorlag. Im Rahmen einer erneuten Diagnostik blieb der IGRA des Patienten weiterhin negativ. Zudem war der pulmonale Herd im Röntgen nicht mehr darstellbar, sodass die Vermutung bestand, dass initial keine Infektion mit M. tuberculosis stattgefunden hatte. Bei anhaltendem Kontakt zu MDR-TB wurde entsprechend des Resistogramms der Mutter eine Chemoprophylaxe mit Levofloxacin und Ethambutol initiiert. Darunter entwickelte der Junge eine ausgeprägte Gonarthritis, sodass die Therapie beendet werden musste. Bei Überprüfung der Therapieindikation zeigte sich nun bei infektfreiem Patienten ein grenzwertig positiver IGRA. Die erneute stationäre Diagnostik erbrachte eine unauffällige Bildgebung und Mikrobiologie (inklusive Bronchoalveolärer Lavage) sowie einen weiteren negativen IGRA-Befund. Bei Verdacht auf ein falsch positives Testergebnis entschieden wir uns nach breiter Diskussion gegen eine weitere antibiotische Therapie und vereinbarten Verlaufskontrollen. Diese erbrachten nach drei Monaten bei anhaltender pulmonaler Beschwerdefreiheit erneut einen positiven IGRA. Über den anschließenden Beobachtungszeitraum von einem Jahr blieb der Patient ohne weitere antibiotische Therapie symptomfrei und gut belastbar. Im Röntgen Thorax zeigten sich ebenfalls keine neuen Aspekte.
In Zusammenschau der umfangreichen Diagnostik ist eine zurückliegende Infektion mit M. tuberculosis letztlich nicht sicher auszuschließen.
Es zeigt sich, dass die leitliniengerechte TB-Diagnostik in Einzelfällen Fragen aufwirft und eine individuelle Interpretation von Untersuchungsbefunden erfordert. Zu diskutieren sind neben unspezifischen radiologischen und mikrobiologischen Befunden auch das therapeutische Vorgehen bei widersprüchlichen Untersuchungsergebnissen sowie der Nutzen weiterer Diagnostik bei Beschwerdefreiheit.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
28. Februar 2025
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