Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0045-1802249
Wohnungslose Menschen und Hitzebelastungen: Praxisbeispiel Sommerhilfe der Landeshauptstadt Hannover
Hintergrund: Als Folge des Klimawandels ist eine Zunahme von extremen Wetterereignissen spürbar, darunter auch Hitzeextreme. Zukünftig sind mehr Tage mit Temperaturen über 30 ⁰C und sehr warme Nächte zu erwarten. Neben den direkten ökologischen Herausforderungen stellen die steigenden Temperaturen eine konkrete Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung dar. Hitze belastet unter anderem das Herz-Kreislauf-System, begünstigt Herzinfarkte und Schlaganfälle.
Im besonderen Maße sind obdachlose Menschen in prekären Lebensverhältnissen betroffen. Diese Menschen haben nicht per se besondere Bedürfnisse – vielmehr ist ihre Lebenssituation verbunden mit besonderen Herausforderungen, die problematisch für die Erfüllung der (lebensnotwendigen) Bedürfnisse sein kann. Sie haben ein höheres Risiko für gesundheitliche Vorbelastungen durch das Leben auf der Straße und einen schlechten Zugang zum Gesundheitssystem. Sie halten sich viel im Freien auf, oft ohne adäquaten Witterungs- oder Sonnenschutz. Werden Alkohol in höheren Maß oder andere Suchtmittel konsumiert, addieren sich Risikofaktoren erheblich. Besonders gefährdet sind obdachlose Menschen, die keine Unterkunft oder Notschlafstelle nutzen (können).
Auf Ebene des Bundes, der Länder und der Kommunen werden Maßnahmenpakete entwickelt und umgesetzt. Neben den etablierten Kältehilfeangeboten der Wohnungsnotfallhilfe, die viele Kommunen vorhalten, gilt es nun auch eine Sensibilität für vermehrt auftretende Hitze als Gefahr für wohnungs- bzw. obdachlose Menschen zu schaffen. Als praktisches Beispiel stellt die Landeshauptstadt Hannover die Sommerhilfe vor.
Praktische Umsetzung: Der Bereich „Soziale Hilfen in Wohnungslosigkeit“ befasste sich in 2022 erstmalig mit dem Thema „Hitzehilfe“. Leitidee war dabei, dass Maßnahmen und Aktionspläne für die Gesamtbevölkerung (überlebens)wichtig sind, diese Maßnahmen aber erst nach und nach umgesetzt werden.
Für die akute Versorgung von wohnungslosen Menschen, die oft eine Überlebenshilfe darstellt, müssen deshalb zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden. Dreh- und Angelpunkt der Sommerhilfe ist die Netzwerkarbeit mit unterschiedlichen Akteur*innen. Dabei haben wir Akteur*innen der Wohnungslosenhilfe, ehrenamtlich Engagierte, aber auch Partner*innen eingebunden, die abseits des klassischen „Wohnungslosennetzwerkes“ zu verorten sind. Bestandteile der Sommer(not)hilfe sind u.a. die Bedarfsermittlung, Trinkwasserversorgung, schattige Plätze erkunden und bereitstellen, Basisversorgung sicherstellen und Information- und Kommunikationsarbeit. Die Kosten für entsprechende Maßnahmen der Sommer(not)hilfe sind nicht im finanziellen Budget der Wohnungsnotfallhilfe vorgesehen und sind freiwillige Leistungen der Kommunen.
Diskussion: Die Kommunen sind ein zentrales Handlungsfeld für die Hitzebelastungen von wohnungslosen Menschen. Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) kann hierbei eine Schlüsselrolle spielen, indem er seine Fachkompetenz in den Bereichen Prävention, Gesundheitsförderung und Notfallversorgung einbringt. Die enge Zusammenarbeit zwischen der Sozialen Arbeit und dem ÖGD kann Synergieeffekte bieten, insbesondere bei der Entwicklung von Hitzeschutzplänen für obdachlose Menschen. Der ÖGD könnte langfristig als Bindeglied zwischen Sozialdiensten, Wohnungsnotfallhilfe und medizinischer Versorgung fungieren, um die klimabedingten Gesundheitsfolgen effektiv zu adressieren. Ein strukturelles Zusammenspiel dieser Bereiche kann helfen, den Zugang zu Gesundheitsdiensten für marginalisierte Gruppen insgesamt zu verbessern und deren Bedarfe während Hitzewellen zu decken.
#
Publication History
Article published online:
11 March 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany