Gesundheitswesen 2025; 87(S 01): S160-S161
DOI: 10.1055/s-0045-1802228
Abstracts │ BVÖGD, BZÖG, DGÖG, LGL
03.04.2025
Postersitzung Infektionsschutz
13:30 – 15:00

Rote Karte für Infektionskrankheiten? Beschreibung und Ergebnisse der intensivierten Surveillance von Infektionskrankheiten des RKI für die UEFA-Fußball-Europameisterschaft der Männer 2024 in Deutschland, Juni-Juli 2024

N Zeitlmann
1   Abteilung für Infektionsepidemiologie, Robert Koch-Institut, Berlin
,
J Seidel
1   Abteilung für Infektionsepidemiologie, Robert Koch-Institut, Berlin
,
H Heese
1   Abteilung für Infektionsepidemiologie, Robert Koch-Institut, Berlin
,
M Schranz
1   Abteilung für Infektionsepidemiologie, Robert Koch-Institut, Berlin
,
N Charfeddine
1   Abteilung für Infektionsepidemiologie, Robert Koch-Institut, Berlin
,
J E Mendez
1   Abteilung für Infektionsepidemiologie, Robert Koch-Institut, Berlin
,
C Schlump
1   Abteilung für Infektionsepidemiologie, Robert Koch-Institut, Berlin
,
M Rupprecht
1   Abteilung für Infektionsepidemiologie, Robert Koch-Institut, Berlin
,
A Ullrich
1   Abteilung für Infektionsepidemiologie, Robert Koch-Institut, Berlin
,
I Markus
1   Abteilung für Infektionsepidemiologie, Robert Koch-Institut, Berlin
› Author Affiliations
 
 

    Einleitung: Vom 14.06. – 14.07.2024 war Deutschland Gastgeber der 17. UEFA-Fußball-Europameisterschaft der Männer (EURO 2024). Insgesamt wohnten 2,8 Millionen Menschen den Spielen an zehn Austragungsorten in Deutschland als Publikum bei, weitere 6 Millionen in den offiziellen EURO-2024-Fan-Zonen. Zusätzlich wurden bundesweit ca. 2.100 registrierte Veranstaltungen im Zusammenhang mit der EURO 2024 organisiert. Da internationale Massenveranstaltungen dieser Art ein erhöhtes Risiko für die Übertragung von Infektionskrankheiten innerhalb des Gastgeberlandes und darüber hinaus bergen, wird eine Früherkennung von Infektionsereignissen durch verstärkte Surveillance empfohlen. Wir beschreiben den Surveillance-Ansatz des Robert Koch-Instituts (RKI) für die EURO 2024 sowie Ergebnisse.

    Methoden: Zwischen dem 06.06. – 30.07.2024 verstärkte das RKI bestehende Surveillance-Strukturen durch 1) die Kennzeichnung von EURO-2024-bezogenen IfSG-Meldungen, 2) die Sammlung von internationalen Meldungen zu EURO-2024-bezogenen Ausbrüchen und Infektionen über die europäische Plattform „EpiPulse“ sowie intensivierte die automatisierte Signalerkennung auf der Grundlage von 3) Meldedaten (Signalalgorithmen) und 4) Daten aus der syndromischen Notaufnahmesurveillance. Als fünftes Element implementierten wir ein Medienscreening für Ereignisse in Deutschland unter Verwendung der WHO-betreuten Plattform „Epidemic Intelligence from Open Sources“ (EIOS). Als zu-identifizierende Signale wurden (je nach System) Infektionsereignisse definiert, die einen direkten Bezug zu EURO-2024-Veranstaltungen hatten, sowie andere ungewöhnliche Infektionsereignisse an den Spielorten oder im Zeitraum des Turniers. Relevante Signale wurden in täglichen Meetings („Round Tables“) konsolidiert und ausgewählte Signale in regelmäßigen Berichten an den ÖGD weitergegeben. Für jedes System, sowie für die Berichterstellung wurde ein Schichtsystem etabliert und die für die Surveillance aufgewendeten Personal- und Zeitressourcen dokumentiert. Nach Abschluss der Aktivität, analysierten wir die erfassten Aufwände (Personenstunden/Tag) und an den ÖGD berichteten Signale deskriptiv.

    Ergebnisse: Zwischen 07.06 und 30.07.2024 arbeiteten insgesamt 7 Personen im Median 2,1 Personenstunden/Tag (IQR: 1,4-2,8) für das EIOS/EpiPulse-Screening sowie die Berichterstellung (1,8 Personenstunden/Tag für das Medienscreening). Neun weitere Personen leisteten im Median ca. 1,1 Personenstunden/Tag Arbeit für andere Rollen bzw. Systeme der intensivierten Surveillance. Im Rahmen der Surveillance fanden 37 Round Tables statt und alle 15 Berichte wurden planmäßig verschickt. Es wurden 3 Ereignisse mit direktem EURO-2024-Bezug durch die Kennzeichnungen von IfSG-Meldungen und 1 Ereignis durch EpiPulse identifiziert (alle 4 berichtet). In EIOS wurden insgesamt 7.390 Medienartikel gesichtet, welche sich auf 42 Signale bezogen (10 davon berichtet; 1 davon mit direktem EURO-2024-Bezug). Die automatische Signalerkennung der Meldedaten entdeckte 356 und berichtete 3 Signale an den ÖGD, die der Notaufnahmedaten 395 identifizierte bzw. 1 berichtetes Signal.

    Im Ganzen wurden 18 Signale bzw. Ereignisse aus allen Systemen an den ÖGD berichtet. Berichtete Signale bezogen sich u. a. auf Masern, COVID-19, Influenza, Meningokokken-Meningitis, Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), Denguefieber und Pertussis.

    Diskussion und Schlussfolgerungen: Obwohl nur wenige Ereignisse direkt mit den Veranstaltungen der EURO 2024 in Verbindung standen, gelang es der erfolgreich implementierten intensivierten Surveillance des RKI für den Turnierzeitraum relevante Ereignisse zu identifizieren und einen wichtigen Beitrag zur frühen Erkennung potenzieller Infektionsereignisse während der EURO 2024 leisten. Sie bot die Möglichkeit, ein Medienscreening für inländische Ereignisse zu pilotieren, und führte zur Konzipierung und Implementierung strukturierter Prozesse und Instrumente, die für zukünftige Massenveranstaltungen anwendbar sind. Die intensivierten Surveillance wird derzeit weiterhin (z.B. hinsichtlich Relevanz) unter Einbeziehung des ÖGD evaluiert.


    Publication History

    Article published online:
    11 March 2025

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