Gesundheitswesen 2025; 87(S 01): S152-S153
DOI: 10.1055/s-0045-1802210
Abstracts │ BVÖGD, BZÖG, DGÖG, LGL
03.04.2025
Postersitzung Infektionsschutz
13:30 – 15:00

Vorstellung der ärztlichen Angebote und Vernetzungen für Menschen in der Prostitution – aufsuchend und vor Ort im Gesundheitsamt Essen

P Wolff
1   Gesundheitsamt Essen, Essen
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Hintergrund/Struktur: Im Gesundheitsamt der Stadt Essen (Einwohnerzahl 597.081, Stand 2024, Quelle: Homepage Stadt Essen) sind dem Infektionsschutz u.a. die Beratungsstellen nach §10 Prostituiertenschutzgesetz und zu HIV/STI nach § 19 Infektionsschutzgesetz und die ärztliche Beratung/Untersuchung bei STI zugeordnet.

Neben Sozialarbeiter*innen, Sozialpädagoginnen, einer Krankenpflegerin, einer Fachärztin für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie arbeitet hier eine Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe.

Ärztlicherseits erfolgt die Beratung und bei bestehenden Risiken auch die Untersuchung auf STI. Das Angebot ist anonym, freiwillig, kostenfrei und richtet sich vornehmlich an bestimmte Zielgruppen, wie in der Sexarbeit tätige Menschen, nicht krankenversicherte oder besonders gefährdete Menschen, aber auch an die Allgemeinbevölkerung. Die Tätigkeit erfolgt aufsuchend und vor Ort im Gesundheitsamt.

Vernetzung: Aus beiden o.g. Beratungsstellen, aber auch von anderen städt. Akteuren erfolgt die Überleitung der Personen an die Ärztinnen (z.B. Beratungsstelle „freiRaum“ und „Nachtfalter“ (beide cse), BELLA DONNA – Drogenberatung für Mädchen und Frauen, Suchthilfe direkt gGmbH, Aidshilfe Essen e.V). Umgekehrt wird auch vom Gesundheitsamt übergeleitet z.B. an die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen der Stadt, an das Zentrum für HIV, AIDS, Proktologie und Geschlechtskrankheiten der Uniklinik, an den sozialpsychiatrischen Dienst, vereinzelt an niedergelassene Ärzte, an das Arztmobil oder an Praxen für Menschen ohne Papiere.

Umsetzung: Im Gesundheitsamt werden neben der körperlichen Untersuchung Abstrichuntersuchungen an verschiedenen Körperstellen auf Chlamydien, Gonorrhoe und bei Bedarf auch auf andere sexuell übertagbare Erkrankungen angeboten, im Blut kann eine HIV- und Syphilisdiagnostik durchgeführt werden. Diese Untersuchungen sind teilweise landesfinanziert.

Bei den Sexarbeiterinnen ohne deutschen Krankenversicherungsschutz kann die Frauenärztin zusätzlich Ultraschalluntersuchungen und die zytologische Gebärmutterhalskrebsvorsorge anbieten, außerdem können Schwangerschaften festgestellt werden und im Einzelfall auch medizinisch begleitet werden. Die Themen Schwangerschaftsverhütung und Impfprophylaxe werden adressiert.

Neben dem geschilderten stationären Angebot im Gesundheitsamt, gibt es in der Stadt Essen aber auch die lange Tradition (seit ca. 35 Jahren) der niederschwelligen aufsuchenden Tätigkeit in der Prostitutionsszene in Kooperation mit den unterschiedlichsten Akteuren der Stadt (s.o.).

Die Ärztinnen sind mehrmals im Monat aufsuchend unterwegs (z.B. auf dem Straßenstrich, in der Bordellstraße oder in der Anlaufstelle „Nachtfalke“ der Aidshilfe Essen e.V. für Männer/Jungs, die mit Sex Geld verdienen) und bieten auch dort – oft mit Unterstützung von Sprachmittler*innen – Abstrichuntersuchungen, Blutentnahmen und bei Bedarf die Behandlung und Versorgung von Bagatellerkrankungen und -wunden an. Nach § 19 des IfSG „Aufgaben des Gesundheitsamtes in besonderen Fällen“ kann bei Menschen ohne Krankenversicherungsschutz auch die ambulante Behandlung einer sexuell übertragbaren Infektion erfolgen – im Einzelfall auch vor Ort z.B. auf dem Straßenstrich. Für die medikamentöse Behandlung stellt die Stadt Essen finanzielle Mittel bereit.

Weitere aufsuchende Angebote: Das Sachgebiet bietet aber auch für die Allgemeinbevölkerung niederschwellige – lebensnahe – Testangebote an: aktuell in verschiedenen Stadtteilen einen Hepatitis Check („HEP CHECK“), einmal im Monat abends ein Testangebot („Teste mich“) in der Aidshilfe, mehrmals jährlich sind ärztliche Kollegen mit einem Testangebot in der schwulen Szene unterwegs z.B. in Saunen („Der Doktor kommt“).

Diskussion: Trotz vielfältiger niederschwelliger Angebote und Vernetzungen bleibt die Situation der nicht krankenversicherten Personen, die pathologische Befunde haben und eigentlich medizinisch weiterversorgt werden müssten, herausfordernd. Hier wären kreative, unkomplizierte Lösungen wünschenswert.



Publication History

Article published online:
11 March 2025

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